Witiko

H165, S. 220b

Er und Witiko erhoben sich, die andern auch, welche gesessen waren, und alle gingen sie zu ihrem Lagerplaze zurük.

Hier befahl Odolen den Männern, daß sie sich in Bereitschaft sezten. Sie zäumten ihre Rosse, pakten ihre Geräthe, und stellten sich zum Zuge in Ordnung. Odolen führte die Vorhut Witiko die Nachhut. Und so ritten sie von dem Gehölze wieder zur Strasse, und eilten auf derselben den Reitern Wladislaws nach. Dieser ließ sie ruhig heran kommen; denn er mochte sie für Freunde halten, weil sie in der Richtung von dem Lager der Seinigen kamen. Als Witiko an der Stelle anlangte, sah er, daß die Reiter sich gewendet hatten, und daß Odolen mit den Seinigen vor Wladislaw stand, daß er hocherhoben auf seinem schwarzen Pferde saß, und hocherhoben sein Schwert hielt.

Witiko sprengte mit seinem schnellen starken Pferde plözlich zwischen [zwischen] die zwei Schaaren, und schrie: "Odolen, tödte ihn nicht, höret mich."

Und wie sie den Mann mit seinem Pferde im reißenden Fluge herein stürzen gesehen hatten, waren beide Theile zurük gewichen, und blikten auf ihn.

"Rühret euch nur so lange nicht, bis ich gesprochen habe," rief Witiko wieder, "und ihr, meine Männer, schließet euch an Odolen an."

Die Glieder der Reiterschaar Witikos fügten sich zu Odolens Reitern, sodaß jezt vor Wladislaw eine Macht stand, welche der seinigen wohl vierfach überlegen war.

Witiko rief nun zu Odolen: "Odolen, du hast gesagt, daß du mein Freund bist, du hast gesagt, daß du mich innig liebest, jezt erweise mir den Dienst eines Bruders, und tödte diesen Mann nicht. Es wäre eine Ehre für ihn; aber denke an Sobeslaw, der uns einst geführt hat, der sein Land geliebt hat, und der gegen mich Unbekannten mild und gut wie ein Vater gewesen ist, denke an Adelheid die Sonne aller Frauen, die wir verehrt haben, und die aus Gram und Liebe um ihren guten Gatten in das Grab gesunken ist. Adelheids und Sobeslaws willen schone den Jüngling, und schone ihn um meinetwillen, der den nicht tödten lassen kann, von dessen Eltern er so viel Wohlwollen erhalten hat. Wenn ihr kämpfet, wirst du ihn tödten, da du der Überlegene bist."

"Es mag der schwarze Teufel auf seinem schwarzen Rosse nur nach seiner Lust verfahren," schrie Wladislaw herüber.

"Schüre nicht das Unheil, Wladislaw," schrie ihm Witiko entgegen, "die Hölle nimmt immer das Zehnfache, wenn man ihr das Einfache biethet."

"Wo habt ihr Männer, wie wir hier sind?" rief Domaslaw.

"Wir sind fünf, ihr seid nur zwei," rief Bogdan.

"So laßt sie anfallen, wenn sie toll sind," schrie Benes.

"Haltet Frieden mit euren Worten," rief Witiko, "ihr seid fünf zum Befehlen, wir zwei, das ist eher ein Nachtheil für euch; der Kampf wird entschieden durch alle, die hinter euch und uns sind, und ihr sehet, daß der Ausgang, was auch geschehen mag, kaum in einem Zweifel liegt. Aber er sei, wie er wolle, der Kampf auf dieser Stelle entscheidet in dem großen Kriege, der jezt geführt wird, gar nichts. In der Schlacht der Heere, die die Loose wirft, thue jeder sein Äußerstes, und Entsezliches, um den Feind zu werfen und zu zerschmettern: aber hier zu kämpfen, wäre leeres Blutvergießen, das kaum wilde Thiere ergözen könnte. Auch unser Herzog will es nicht; denn er selber hat mir ein mal mit Ekel erzählt, welche Gräuel schon geschehen sind aus Gierde nach dem Herzogstuhle. Darum suchet ihr, die da einander gegenüber stehen, euch ohne Unheil von hier abzufinden."

"Ich weiche dir, Witiko," sagte Odolen, "die Schaar möge sich uns gefangen ergeben."

"Nein Odolen, auch als Gefangene darf der Herzog diese Männer nicht sehen," entgegnete Witiko, "wir wissen, daß sich Prag noch hält, aber wir wissen nicht, was dort geschehen ist, und noch ge-

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