Witiko

H163, S. 218

Am Tage darnach in erster Frühe konnte der Zug begonnen werden. Wladislaw führte mit seinem Gefolge und einer Schaar deutscher Reiter, die ihm gegeben worden war, die Vorhut. Ihm folgte der König mit seinem Geleite und den Mannen von Schwaben vom Rheine vom Main von der ¢Mosel¢ von der Weser und von den hohen Bergen, die weit in dem Mittage des Landes lagen. Was noch von Nürnberg eintreffen würde, sollte sich dem Zuge anschließen oder ihm nacheilen.

Wladislaw ging durch den großen Wald, welcher das deutsche Gebieth von seinem Lande sonderte. Da stellten sich Reiter des Landes Böhmen zu ihm, und wurden zur Vorhut eingetheilt, und so ging es fort und fort.
Randnotiz: xxx

Auf den Feldern von Pilsen sammelte und ordnete sich das Heer.

Da geschah es, daß Odolen und Witiko mit einer Schaar von Reitern auf dem Wege gegen Morgen ritten, um zu erforschen, ob irgend in der Gegend Feinde wären. Sie ritten bis zum Mittage, und hatten keinen Feind erblikt. Da führten sie ihre Schaar abseits des Weges hinter eine bewaldete Erhöhung, die an den Weg grenzte, um dort Menschen und Thiere durch Nahrung und einige Ruhe zu erquiken. Sie selber gingen von dem Lagerplaze mit mehreren Begleitern durch das Gehölz bis an den Weg, wo sie [ihn] auf die [xxx] dem Gehölze gegenüberliegenden Felder, und auf den Weg gegen Morgen und Abend ziemlich weit [über]sehen konnten, ohne selber [xxx] erblikt werden zu können. Einige der Männer sezten sich auf Steine und Erhöhungen, andere blieben an Stämmen gelehnt stehen. Manche zogen ihre geringen Vorräthe hervor, und hielten ein kleines Mahl. Odolen und Witiko saßen auf einem Steinbloke.

Da sagte Witiko: "Ich erblike dort den Berg, an dessen Fuße wir das Leichengeleite Nacerats gesehen haben."

"Ich bin nicht bei euch gewesen," entgegnete Odolen.

"Wir ritten ein wenig in Unordnung," antwortete Witiko, "und ich war in der Nähe des Herzoges, welcher vor der Nacht noch Pilsen erreichen wollte, und es begann schon ein wenig zu dämmern. Da kamen wir die leichte Anhöhe des Berges herunter, und es ging ein Weg über den unsern, daß er ein Kreuz bildete. Auf dem Kreuze war ein Zug, der in der Richtung gegen Mitternacht strebte. Es gingen gerade die lezten Pferde des fremden Zuges vorüber, als wir an dem Durchschnitte der beiden Wege ankamen. Wir hatten zwei gezierte Särge gesehen, die von, Saumthieren getragen wurden. Über die Särge war ein dunkelgrauer Sammet gebreitet, der mit Silber verziert war. Das Silber war hie und da zu Lilien gearbeitet, wie es Nacerat gerne ¢an¢ seinen Dingen nach der neuen Sitte hatte, die irgend ein Zeichen eines Stammes auf die Sachen einprägt. Neben den Särgen ritt ein Geleite von Männern, darunter Znata war. Die Lezten sagten, in dem einen Sarge sei Nacerat und in dem andern sein Sohn. Man hat sie mit Balsam eingerieben, und geleite sie zu ihrer lezten Ruhestätte. Da rief eine Stimme unter den Unsern: "So jagt die Schurken aus einander, und werft das Aas den Vögeln vor. Denn es hat, da es noch in schönen Kleidern ging, allein das Unheil angestiftet, daß tausend Menschen ihr Leben verloren, daß die Kinder eines Landes gegen ein ander kämpfen, daß die Stadt Prag zerstört wird, und daß der erlauchte Herzog auf dem Wege ist, fremde Hilfe für seine Völker zu holen." Der Herzog aber [xxx] sagte: "Jezt ist er ein stiller Mann. Das sind die Wandlungen der menschlichen Dinge, kümmert euch nicht darum, und ziehet weiter." Wir zogen [xxx] unseres Weges weiter gegen Abend, jene Männer zogen gegen Mitternacht, daß sie bald nicht mehr gesehen wurden, und diejenigen von unseren Leuten, welche nach uns über den Berg herab kamen, wußten vielleicht gar nicht, was sich zugetragen hat. Wir ritten nach kurzer Zeit in der Finsterniß, und in Pilsen haben sie uns mit Lichtern auf den Gassen und in den Häusern empfangen, wie du dich wohl selber noch erinnerst."
Randnotiz: die mit ihm sind, haben ihn doch geliebt

"Ich denke noch daran," antwortete Odolen, "und wußte es auch, daß wir Nacerat und Dus auf ihrem Grabeswege gesehen haben. Sie waren immer hochstrebend und übermüthig, und haben ihr Loos sich selber bereitet. In dem Zuge gegen die Sachsen vor drei Jahren zu den Zeiten Sobeslaws waren sie mit uns so unter den deutschen Rittern, wie wir es heute mit Wladislaw gegen ihre Freunde sind."

"Ich bin damals auf einer andern Seite unseres Heeres gewesen," entgegnete Witi-

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