Witiko

H16



["Hast du auch Geschwister?" fragte der Reiter.

"Nur einen Bruder, welcher in der Fremde ist, um zu lernen," sagte sie. "Wir haben auch eine Kirche. Sie ist zwar nicht in dem Walde, aber sie steht vier Stunden von hier in der Freiung an dem bairischen Walde. Wir gehen öfter dahin, oder nehmen auch Saumpferde. Dann haben wir einen Bethplaz. Wenn]

"Sie steht fünf Stunden von hier in der Freiung," antwortete sie[. "Wenn], "wenn man dreihundert Schritte von unserm Hause abwärts geht, und noch eine [gute] halbe Stunde zur M[ü]ihel zu gehen hätte, wo die Köhler sind<,> steht ein dunkelrothes hohes Hüttlein aus Holz, und in dem Hüttlein ist die heilige Mutter mit dem Jesuskinde aus Holz. Der Bischof [von Passau] hat [das Bild] sie geweiht[, und der Vater hat es dann bringen lassen.].1 Vor dem Hüttlein stehen kleine Bänklein, daran man knieen und beten kann.
[Hinter dem Hüttlein hat der Vater vier Ebereschenbäume gepflanzt, und zwei Reihen solcher Bäume gehen an dem Wege von dem Hüttlein zu unserm Hause. Vor dem Hüttlein bethen wir, wenn wir nicht zum Gottesdienste hinaus gehen können, weil es wie eine Kirche in der freien Luft steht, und nicht in eines Menschen Hause ist. Und nun habe ich euch vieles von mir gesagt, sagt mir jezt auch etwas von euch. Wer seid ihr, und woher seid ihr gekommen?"

"Von meinem Geschlechte ist nicht viel zu sagen," antwortete er, ["es ist jezt in Dunkelheit. Einmal hat es Macht und Ansehen gehabt, das aber ist vergangen, und] ich kenne es selber kaum, es ist in Dunkelheit, soll aber nicht immer so gewesen sein. [m]Meine Mutter und ich sind vielleicht [alleine übrig."] die einzigen davon übrig.<">]
Wir beten da. Hinter dem Hütlein stehen Ebereschenbäume, und Ebereschenbäume gehen bis zu unserem Hause. [Jezt] Jezt sagt mir aber auch etwas von euch."

"Mein Geschlecht ist dunkel," antwortete er, "es ist aber nicht immer so gewesen."

"Und wo werdet ihr denn hingehen, wenn ihr morgen von hier fortreitet?" fragte sie.

["Nach] "In das Land Böhmen," antwortete er.

["Nach] "In das Land Böhmen," fragte sie, "warum geht ihr denn nicht zu dem neuen Könige Conrad oder zu unserem Herzoge Heinrich[, wenn er im Rechte ist, und von dem Könige Conrad verfolgt wird?"]?"

"Das ist so," entgegnete er,
(1) "es wird [gesagt], daß in dem mittägigen Böhmen [unsere] Vorfahren
(2) "[es wird erzählt, daß in dem mittägigen Böhmen] meine Vorfahren
(3) "im Mittage des Landes Böhmen [hohen] meine Vorfahren im Walde
(4) "im Mittage des Landes Böhmen haben meine Vorfahren im Walde
gelebt [haben, daß sie dort [ein] Wald[|land|] besessen haben, und [in Ansehen gestanden] ansehnlich gewesen sind. Ja, es ist sogar eine dunkle Sage, die man nicht recht ergreifen kann, daß sie noch mehr Macht gehabt haben, daß in alten Zeiten vor manchen hundert Jahren,]<.> In alten Zeiten vor vielen hundert Jahren<,> da es noch gar kein deutsches Reich gegeben hat, da in dem Lande der Franken, das sehr groß war, die tapfern [Meier] Hausmeier der alten Könige geherrscht haben, ist ein Mann aus dem Stamme der Fürsten Ursini in Rom, der auch Witiko wie ich geheißen [haben soll] hat, wegen Verfolgung eingedrungener Feinde mit seinem Weibe mit seinen Kindern mit seinen Anverwandten und mit einem kriegerischen Gefolge in das Land [nach] gegen Mitternacht gegangen, und bis an die Donau gekommen [ist]. Von dort wollte er [nach] in das Land Böhmen ein[dringen]brechen. Aber Woyen der Herzog Böhmens der erstgeborne Sohn des Herzogs Mnata, der noch heidnisch war, und die Christen haßte, zog ihm mit einem Heere entgegen, und tödtete in einer Niederlage, die Witiko erlitt, fast alle seine Leute. Da trug Witiko dem Herzoge Woyen ein Bündniß an, er wolle sich ihm unterwerfen, und die [Grenzen] Marken Böhmens gegen die Fremden vertheidigen, wenn ihm der Herzog in den waldigen Bergen, in welche er eingedrungen war, eine Wohnung geben wolle. Der Herzog gab sie ihm, und nun wohnte er an einem Berge[, auf dem er zur Erinnerung an einen Berg voll Rosen, den er in Rom gehabt hatte, Rosen pflanzte. Er war der Anfang unseres Stammes. Sie breiteten auch das Christenthum aus, wie sich ja] in dem Walde. Sie breiteten sich aus, wurden mächtig, und gründeten das Christenthum, daß sich vierzehn Lechen vom Mittage Böhmens lange vor der Zeit, da Boriwoy der erste christliche Herzog Böhmens
[das Christenthum annahm, zur Zeit des ersten deutschen Königs Ludwig in Regensburg taufen ließen. Die Rosen waren auch immer in [dem] unserem Geschlechte beliebt. [Es] Dann kam [in dem Laufe der späteren Zeiten xxx der Verfall] der Verfall, und der Wald [xxx Düsterheitxxx] xxx. Da ich dieses hörte, und es mir deutlich wurde, [wie] was es auch mit dem ersten Witiko gewesen sein mag, daß meine Vorfahren in Böhmen gelebt haben, beschloß ich, in dieses Land zu gehen. Darum ist es, daß ich durch diese Gegenden hier nach Böhmen reite, weil ich den Wald sehen will, in welchem meine Voreltern gehaust haben, und darum ist es, daß es mir als ein Zeichen galt, da ich dich an dem Rande der Bäume auf meinem Wege mit Rosen bekränzt stehen sah. [[Sage,] Sprich, warum nahmst du die Rosen?"] Sprich, warum nahmst du gerade heute die Rosen?"]2
war in Regensburg taufen ließen. Dann nahm das Geschlecht wieder ab, wurde unbekannt, und ich bin der lezte davon. Witiko hatte auf dem Berge an seiner Wohnung Waldrosen gepflanzt, wie auf einem Berge neben seiner Wohnung in Rom Waldrosen gestanden sind. [Alle seine Vorgänger,]3
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1 Bogenzeichen des Setzers mit Vermerk "Bog.3".
2 Fortsetzung des getilgten Textes auf H/S.17
3 Fortsetzung des Textersatzes auf H/S.17