Witiko

H157, S. 207a


war, konnte man sogar Töne von daher vernehmen. Eben so verging der folgende Tag mit Vorbereitungen der Feinde.

Als der vierte Tag angebrochen war, seit Konrad von Znaim die Stadt Prag eingeschlossen hatte, und als eben Diepold und die Herzogin den Gottesdienst, der alle Tage in dem Morgengrauen in dem Münster des heiligen Veit abgehalten wurde, verlassen hatten, meldete man große Bewegungen in dem Lager der Feinde, und es kamen Boten an Diepold. Diepold hörte in seinem Hause die Boten, die Herzogin begab sich auf die Mauer des Roßthores, und die Führer eilten mit ihrem Gefolge auf ihre Pläze. Bald kam auch Diepold an die Seite der Herzogin, meldete ihr in Geheim mit kurzen Worten, was geschehen werde, und ertheilte dann Befehle. Er sendete Boten an die andern Befehlshaber auf den Mauern, und empfing ihre Boten. Er bestieg sein Pferd, ritt schnell an einige Stellen, ordnete an, und kam wieder zurük. Allmählich wurde es auf den Mauern ruhig. Man harrte.

Die Feinde bewegten sich in dichten Schaaren langsam heran. Man konnte sehen, wie ihre Schwerter glänzten, wie ihre Rosse Wagen zogen, und Geräthe und Dinge aller Art sich näher bewegten. Sie theilten sich öfter, und drangen in mehreren Richtungen gegen die Stadt. Da der Raum ihrer Entfernung nur mehr ein geringer war, hielten sie an. Sie suchten ihre Geräthe zu stellen, und bald flogen Pfeile Steine Eisenstüke und gefiederte Pflöke gegen die Zinnen. Diepold erwiderte mit nichts. Seine Männer mußten sich hinter d[ie]en Bergen, welche die Mauern durch ihre Wesenheit hatten, oder welche er aus Rasen Sand und andern Dingen hatte errichten lassen, zurük ziehen, und sich durch dieselben deken. Dies dauerte eine Weile. Alle Gloken der Stadt wurden geläutet. Dann sonderte sich ein Theil der Feinde von dem allgemeinen Haufen los, und lief mit Leitern Striken und Werkzeugen aller Art heran, und suchte sie an den Mauern zu befestigen, und andere drangen nach, und strebten auf den Leitern die Mauern zu erklimmen. Jezt ertönte auf den Zinnen ein [furchtbares Geschrei] Kriegsruf, die Männer Diepolds stürzten vorwärts, und Dinge aller Art, die vorgerichtet waren, hagelten auf die Erklimmenden nieder: Steine Ziegel Blöke brennendes Pech siedendes Wasser eisengezakte Balken geschleuderte Lanzen und geschnellte Pfeile. Weil die großen Schleudergeräthe des Feindes nun ihre Wurfstüke sparsamer auf die Zinnen senden konnten, um nicht ihre eigenen Leute zu treffen, öffnete Diepold alle die seinen, und schleuderte, was sie vermochten, und so dicht es sein konnte, auf die wenigeren Leute, die nun bei den größeren Schleudergeräthen des Feindes zurük geblieben waren. ¢Die Feinde hatten auch eine Zahl Schüzen aufgestellt, welche Pfeile auf die Männer richten mußten, die die Mauern vertheidigten. Die Männer schüzten sich durch ihre diken Kleider durch Waffengewand und durch Muth.¢1

Die Herzogin bestieg ihr braunes Pferd, und ritt längs der Männer hin, welche die Mauern vertheidigten, und achtete der Pfeile nicht, und rief ihnen Lob und Ermunterung zu. Neben ihr ritt Dimut, und hatte das entblößte Schwert in der Hand. [Die andern Frauen waren jezt nicht zugegen.] Die Wache der Bürgerreiter ritt hinter den Frauen, und Wisin ein begüterter Mann aus der Altstadt, der die ganze Hut der Herzogin zu leiten hatte, ritt selbst an der Spize derselben. Als die Krieger die schöne Frau mit den glänzenden Augen unter den Pfeilen reiten sahen und an ihrer Seite die Jungfrau mit den gerötheten Wangen und die Rabenfeder auf ihrer Haube hoch empor tragend, riefen sie Heil und [Leben] Ruhm der Herzogin und dem Mädchen aus dem Walde auf [dem] ihrem schwarzen Rosse, stellten ihre eigenen Leiber noch troziger [den Pfeilen blos] vor, und sendeten ihre Lanzen und Geschoße noch schneller in die Feinde. Den alten Bolemil sah Gertrud neben der großen Schleuder sizen, die unter den Seinigen aufgestellt war, und die Haufen der gewürfelten Steine[, die] unter der Schleuder [emporgeschichtet waren,] wurden sichtbar kleiner, ¢wie die Schleuder sich eilig bewegte,¢ und die Sippen des alten Mannes den Befehlen desselben eifrig gehorchten. Bolemil lüftete seine Sammthaube von den weißen Haaren, als

1 Anmerkung am Rand: früher Randnotiz: xxx Seite vertikal mit Stift gestrichen