Witiko

H151, S. 198a

Der Herzog ging seiner Gemalin entgegen, führte sie zu seinem Stuhle, und lud sie zum Sizen ein. Sie sezte sich, alle übrigen Personen standen.

Da sprach der Herzog: "Susan trit hervor, und sage der Herzogin dein Anliegen."

Susan näherte sich der Herzogin, blieb vor ihr stehen, neigte sich zweimal, und sprach dann: "Erhabene Herzogin, Tochter des ruhmreichen frommen Markgrafen Leopold von Österreich, erlauchte Gemalin des hohen Herzoges der Länder Böhmen und Mähren, höret die getreuen Bürger der Stadt Prag gnädig an, die durch mich sprechen. In der Zeit euer erlauchter Gemal abwesend ist, um ein Heer zur Befreiung der Stadt zu bringen, bitten sie in Ehrfurcht, daß ihr euch ihrem Schuze anvertrauen wollet, die eher alles zu leiden gesonnen sind, als [sie] zu zulassen, daß euch etwas Übles geschehe."

Die Herzogin erwiederte auf diese Worte: "Liebe getreue Bürger der Stadt Prag, und du Susan Kmete der Altstadt, den sie zum Sprecher erwählt haben! Ich halte mich in Allem, wie es mein Gemal der hohe Herzog der Länder Böhmen und Mähren verfügt hat. Am liebsten würde ich unter eurem Schuze bleiben, wenn es so sein kann, und würde mich bestreben, zum Schuze der geliebten Stadt, die uns anvertraut ist, beizutragen, was ich vermag."

Hierauf antwortete der Herzog, der neben dem Stuhle seiner Gemalin stand: "Ansehnliche getreue Bürger der uralten Stadt Prag, in welcher seit Menschengedenken der Thron der Herrscher steht, und in deren Nachbarschaft, ehe noch ein Stein zu dieser Schwelle der Macht und Herrlichkeit der Länder gelegt worden war, auf dem Wysehrad der goldene Stuhl der Herrscher der Länder zu einer Zeit gestanden war, die so weit vergangen ist, daß kein Sterblicher in sie zurük bliken kann! Ich vertraue euch die Herzogin Gertrud die Tochter des frommen Markgrafen Leopold von Österreich meine erlauchte vielgeehrte Gemalin zum Schuze an. Bewahrt sie wie Schuzgeber die Schuzvertraute bewahren müssen. Nehmet die Hut der Burg zu euch, und ordnet die Dinge an, die ihr zu eurem Zweke nothwendig erachtet. Und ihr alle, die ihr hier versammelt seid, hütet die gesamte Stadt, und haltet das Kleinod nur kurze Zeit fest, ich bringe auch Entsaz, und ich hoffe, daß wir das Fest der heiligen Pfingsten in der Verehrung Gottes in der Freude des heiteren Frühlings und in der Beruhigung, daß weit und breit kein Feind, der jezt noch manche Gefilde beflekt, zu erbliken ist, hier zubringen werden. Gott gebe Segen und Gedeihen."

Bolemil hob nach diesen Worten seinen Arm empor, und rief: "Ich bringe Heil dem Herzoge von Böhmen und Mähren!"

"Heil dem Herzoge von Böhmen und Mähren, Heil!" rief die ganze Versammlung.

Die Bürger von Prag riefen hierauf noch für sich mit emporgehobenen Rechten: "Heil dem Herrn von Prag und dem Herrscher der Länder Böhmen und Mähren."
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Dann wendete sich Susan an den Herzog, und sprach: "Habe Dank, hoher Herr, für das, was du gewährt hast, wir verlassen freudig dieses Gemach, und werden freulich thun, wie du gesagt hast."

Hierauf wendete er sich zu den Seinigen, und als diese flüsterten, wie sie sich zu dem Abzuge richten sollten, rief der Herzog: "Bleibt, wir sind ja hier alle Kinder desselben Vaters und derselben Mutter der Länder Böhmen und Mähren und der Stadt Prag, bleibt alle in der Stellung, in der ihr seid, und höret mich: "Euch Otto Bischof von Prag und von Böhmen vertraue ich die Stadt zum überirdischen Schuze an, flehet zu den himmlischen Heerschaaren, daß sie sie erhalten; denn ohne die Hilfe Gottes ist alle menschliche Macht umsonst. Vereinigt euch mit euren Prie-

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