Witiko

H14, S. 20b


Überrest des Tages hinreicht; wenn eure Nachtherberge nicht zu weit von hier ist, oder wenn ihr nicht vorzieht, in unserem Hause die Nacht zuzubringen."

"Meine Nachtherberge ist bei den Köhlern an der Mühel," sagte Witiko, "und ich muß in derselben sein."

"Auch dahin reicht die Zeit, und ihr könnt unsere andern [Einrichtungen] Anträge annehmen," antwortete Stilicho.

"Ich nehme sie gerne an," erwiederte der Reiter, "nur mein Schwert kann ich nicht ablegen. Es ist gegen meinen Brauch. Ich trage es immer, damit ich mich daran gewöhne, und es nicht ein mal vermisse, wenn ich es brauche."

"Handelt nach eurem Gefallen," entgegnete der Hauswirth.

Nach diesen Worten wendete er sich gegen den Tisch, [und] rükte zwei Stühle zurecht[.] wies darauf, und er und Witiko sezten sich auf dieselben.

Dann sprach [der Hauswirt] er zu seiner Tochter: "Bertha, gehe zu der Mutter, verkündige ihr, [was du gesehen und gehört hast] daß wir einen Gast haben, und bitte sie, zu kommen."

Bertha ging gegen einen Pfeiler zwischen zwei Fenstern, [in denen reichbezweigte Blumenstöke standen, nahm den Kranz von Rosen aus ihren Haaren, und hing ihn an einen Nagel, der sich in dem Pfeiler unter einem geschüzten großen Crucifixbilde befand. Dann ging sie durch den Saal, und aus einer Thür desselben in das Innere des Hauses.] und hing ihren Kranz mit Rosen an einen Nagel.

"Warum hängst du denn dein Goldreiflein zu den Waffen?" fragte der Vater.

"Lasse heute die Rosen bei den Waffen hängen," antwortete sie.
Dann ging sie bei der Thür hinaus.

Nach einer Weile kam die Mutter, und Bertha wieder mit ihr.

Die Mutter war ein wenig größer als Bertha. Sie trug ein lichtblaues enganschließendes Wams[, das bis unter die Hüften hinab ging, und kurze Ärmel hatte. Die Bänder des Wamses und der Ärmel so wie die xxx waren in Silber verziert. Von dem Wamse ging ein sehr weites und faltiges blaßgelbes Kleid nieder. Die Vorderärmel waren aus demselbem Stoffe,] mit kurzen Ärmeln. Wams= und Ärmelränder und Achseln hatten Silberverzierung. Das weite Unterkleid und die Vorderärmel waren blaßgelbe Seide. Die Haare waren unter einem Neze von Goldfäden. An dem Gürtel hing die [xxx Tasche. Die Mutter Berthas hatte feine Wangen wie die Tochter, nur blasser, ihre Haare waren auch lichter und ihre Augen blau.] Tasche. Die Wangen waren fein, die Haare [braun, die] und Augen [blau] braun. Sie schien fünf und dreißig Jahre alt zu sein.

Witiko war bei ihrem Eintreten aufgestanden.

"Irmengard," sagte Stilicho zu der Eintretenden, "der junge Reitersmann, Witiko genannt, ist unser Gast für den heutigen Tag."

"Seid in unserem Hause willkommen," sprach die Mutter, "und nehmt mit dem vorlieb, was es zu biethen vermag."

"Verzeihet mir, edle Frau," entgegnete Witiko, "wenn ich eure Sorge in diesem Hause vermehre."

"Meine Sorge ist mir lieb," erwiederte die Frau, "und wenn sie für einen Gast vermehrt wird, ist sie mir noch lieber."

"Wenn ich sie nur verdiene," sagte Witiko.

"Ihr scheint sie doch zu verdienen," antwortete die Frau. "Und wenn es auch nicht so wäre, so wäret ihr doch der Gast. Erlaubt mir, daß ich mich entferne, um noch [einige] Anordnungen zu treffen."

"Ihr seid in eurem Hause und in eurem Rechte," sagte Witiko.

Die Frau grüßte, und entfernte sich. Witiko hatte gedankt, und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

Bertha sagte jezt zu dem Vater: "Ich werde gehen, der Mutter zu helfen, darf es Truda nicht auch thun?"

"Truda wird wohl, wie sie es gerne an Festtagen thut," antwortete der Vater, "heute bei uns das Mittagessen einnehmen, und wenn es so ist, und wenn ihre Eltern es wissen, so kann sie mit dir im Hause schaffen, wie sie will."

Die Mädchen gingen nun den Saal entlang, und bei einer Thür hinaus.

"Wenn ihr werdet ausgeruht haben," sagte der Hauswirth zu Witiko, "so können wir ins Freie wandeln, und in dem Hause herum gehen, indessen hier vorbereitet wird."

"Ich habe einer Ruhe nicht von nöthen," antwortete Wittiko, "da ich erst kaum einen kurzen Gang gemacht habe. Es gilt nur die Rücksicht für euch."

"Ich bedarf keiner," antwortete der Hauswirth, "weil ich heute noch nicht weiter als bei der rothen Kapelle gewesen bin."

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