Witiko

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Hof mit einem Auffluge. Für die Gänse und Enten war ein Anger mit einem Teiche. Diet führte Witiko in die Scheuern, in welchen das Heu und das Getreide im Stroh aufbewahrt wurde, dann in den Speicher, in welchem die Akerfrucht in Haufen aufgeschüttet war. Dann gingen sie durch die Lauben, in welchen sich die Wägen die Pflüge die Eggen und die Akergeräthe befanden, durch die Werkzeugkammer, durch die Arbeitsstube und durch die Kammern der Knechte und Mägde.

"Einen großen Theil dieses Wesens hat erst mein Urahn gereutet," sagte Diet, "wir besizen es durch die Erstgeburt der Söhne, und erben es nach der Erstgeburt der Söhne weiter. Die jüngeren Söhne und die Töchter erhalten zu ihrem Wirken eine Ausstattung, und so hoffen wir es in ferne Zeiten zu bringen. Wir müssen es zu vergrößern suchen, daß wir an Besiz und Kraft wachsen. Habt ihr euer Angehöriges weit von hier?"

"Wir besizen im oberen Plane ein Haus mit Gründen," sagte Witiko, "in Pric haben wir mehr, und dort sind jezt unsere Vorfahren gewesen, von dem im Wangetschlage bei Friedberg kann wohl nicht geredet werden."

"Ist das das Haus, in welchem Huldrik ist?" fragte Diet.

"Ja," sagte Witiko, "kennst du es?"

"Ich kenne es," antwortete Diet, "und wußte bisher, daß es in die Fremde gehöre. Du mußt dich an einem Plaze festsezen, Witiko, und vergrößern, und vor deinen Nachbarn Ansehn gewinnen, und den Lechen entgegen streben."

["]Witiko antwortete nichts auf diesen Rath, und da sie über den Hofraum gingen, kam Elisabeth zu ihnen, und sagte[:], daß alles geordnet sei, [und] daß man für Witiko die Kammer hergerichtet habe, und daß in der Stube das Abendessen harre. Sie gingen also, obgleich die Sonne noch am Himmel stand, dahin, während im Hofe eine helle Gloke geläutet wurde. Als sie in die Stube traten, waren darin schon einige Menschen versammelt, andere gingen nach ihnen hinein. Es waren fünf Kinder da, drei Knaben und zwei Mädchen, Diet rief die Knaben herbei, stellte sie vor Witiko, und sagte: "Das sind meine Söhne nach ihrem Alter[;]: Diet Wolf und Eberhard."

Die Knaben hatten Kleider von gelblichen groben Wollstoffe an.

Dann rief er die Mädchen, stellte sie ebenfalls vor Witiko, und sagte: "Das sind meine Töchter Sophia und Helicha."

Die Mädchen hatten ihre Haare aufgebunden, hatten rothe Mieder, schwarze Faltenrökchen und weiße Schürzen.

Dann sezte man sich an den großen Buchentisch. Oben an saßen Diet und Elisabeth, und zwischen ihnen Witiko. Dann sassen die Kinder. Weiter unten waren die anderen Leute, lauter Knechte und Mägde. Auf dem Tische waren Roggenbrote Gerstenbrote und Bier. Auf den oberen Theil sezte man einen geräuchterten gebratenen Schinken und Sauerkohl, auf den untern eine Suppe mit Stüken geräucherten Schweinfleisches Klössen und Sauerkohl.

Als das Abendmahl geendet war, wurde Witiko von Diet ohne Leuchte, weil noch der Tag an dem Himmel schien, in seine Kammer geführt. Sie war eine Ekstube des Gebäudes gegen den Wald. Sie hatte wie die große Stube weiße Wände, ein starkes Bettgestelle aus Eichenholz, darauf Witikos Lager bereitet war, und andere Geräthe aus festem Eichenholze. Als Diet Abschied genommen hatte, schloß Witiko die Thür mit dem Eichenriegel, und bereitete sich für die Nacht vor. Und als die tiefe Dämmerung eingetreten war, legte er sich auf sein Bett zum Schlafe.

Des andern Morgen[s] besorgte er bei dem frühesten Tagscheine sein Pferd. Dann wurde eine Suppe aus Milch und Mehl mit weißem Brote als Frühmahl in der großen Stube verzehrt. Hierauf führte ihn Diet in die Gemächer des Hauses. Sie waren fast alle wie die große Stube, und dienten zur Wohnung Diets und der Seinigen und für Gäste. In den meisten waren Geräthe aus Bucheholz, in einigen bessere Geräthe aus Eichenholz. In einem Gewölbe weiten Raumes waren Waffen und Wurfgeräthe zur Vertheidigung des Hofes. Auf diesem Gewölbe war ein höherer Aufbau, in den man vom Gewölbe aus gelangen konnte. Sie stiegen empor. Dort konnte man wie von einer Warte herum sehen.

"Siehst du," sagte Diet, "auf jenem Wege bist du gestern gegen die Moldau zu meinem Hofe her geritten, ich habe dich gesehen, und bin dir unter das Thor entgegen gegangen."

"Und jener Fels ist der der krummen Au," sagte Witiko.

"Ja," entgegnete Diet.

"Dort sollte eine Burg stehen," sagte Witiko.

"Wenn ich dessen mächtig wäre, ich hätte sie schon gebaut," antwortete Diet.

"Etwa baut sie einmal einer deines Geschlechtes," entgegnete Witiko.

"Oder ein anderer, wer kann das wissen," sagte Diet.

Nachdem sie noch ein Weilchen durch die Waldschlucht gegen den Fels der krummen Au hingeschaut