Witiko

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"Ich lade dich ein, Witiko," sagte Lubomir, "mit uns dem Gottesdienste beizuwohnen."

"Ich werde es thun," entgegnete Witiko.

Hierauf gingen alle, welche in dem Saale waren, die Treppe hinunter, aus dem Zupenhofe hinaus, und zwischen den Häusern in die große hohe Dechantkirche. In der Kirche war nahe am Altare ein Plaz für sie bereitet, auf dem sie sich niederließen. Es war viel Volk in der Kirche, das der Andachtsübung harrte. Einige hatten das weite faltige Gürtelgewand an, welches im böhmischen Lande gebräuchlich war, andere trugen engere Röke mit Haften und Beinbekleidungen, wie man in Baiern pflegte, Mädchen und Weiber, die zu ihnen gehörten, hatten [xxx] faltige Röke und Brustlaze so wie Schürzen und weiße Kopftücher. Einige waren sehr bunt, andere mehr einfärbig. An dem Hochaltare wurde das Meßopfer von mehreren Priestern gefeiert, unter welchen der war, der im Zupenhofe das Tischgebet gesprochen hatte. Nach dem Gottesdienste ging der Zug Lubomirs wieder in die Zupanei. Der Mann, welcher das Tischgebet gesprochen hatte, war der lezte im Zuge.

Man ging in den Speisesaal. Dort war Milch Honig Butter und manches Andere auf dem Tische, wovon jeder sein Morgenmahl nahm.

"Willst du ein wenig zusehen, Witiko," sagte Lubomir, "wie die Leute zu uns kommen, so gehe nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dann sollen dir meine Vettern Kodim und Dis die Burg zeigen, bis ich wieder Frist gewinne, selber bei dir zu sein."

Witiko ging nach dem Frühmahle in den Steinsaal. Dort breiteten sie Tücher um einen steinernen Tisch, Tücher auf den Tisch und auf den Steinstuhl, und thaten ein zusammengelegtes Tuch zu den Füssen des Stuhles. Nun kam Lubomir, und sezte sich auf den Stuhl vor dem Tische. Mehrere seiner Sippen sezten sich ebenfalls auf Stühle. Hierauf kamen Leute in den Saal, bunt und einfärbig, wie sie in der Kirche waren, weit und eng gekleidet, alt und jung, Männer und Frauen, Jünglinge und Mädchen, ja selbst fast Kinder. Sie wurden in der Reihe vor Lubomir geführt, und er redete mit ihnen, und schlichtete ihre Sachen. Ein Schreiber schrieb, was nöthig war, in eine Mappe.

Als Witiko dieses eine geraume Weile betrachtet hatte, ging er mit Kodim und Dis, die Burg zu besehen. Sie gingen zuerst in die kleine Burgkirche dann in den Betsaal, in den Speisesaal, in den großen Empfangsaal, in den kleinen Empfangsaal, in welchem Witiko gestern mit Lubomir gesessen war, in die drei Gemächer Lubomirs selber, in die Gemächer der Beherbergungen, dann in die Räume der Bemannung der Burg, dann in die des Gesindes. Sie gingen in die Rüstkammern, in denen Waffen der Vertheidigung und des Angriffes waren, Panzerhemden, Schilde, Helme, Lederrüstungen, Schwerter, Lanzen, Bogen, Pfeile, Köcher, Armbruste, und ähnliche Dinge. Sie gingen in den Raum der Wurfgeräthe, Schuzkörbe, Flechtwerke und anderer Mittel. Dann besahen sie die Pferde und die anderen Thiere in den Ställen, und die Räume der Vorräthe.

In der Zeit war es Mittag geworden, und das Mahl wurde in dem Speisesaale gehalten.

Nach dem Mahle ritten Lubomir und seine Sippen mit Witiko in die Felder. Es waren da die Äker, auf denen der Weizen Lubomirs stand, die Felder mit dem Roggen der Gerste und anderen Früchten. Es waren die Wiesen die Weiden und das Waldland. Sie kamen auf eine Höhe, von der man weit herum sehen konnte. Lubomir hielt an, und sagte zu Witiko: "Siehst du, dorthin, wo die Eichen stehen, ist der Hof Chlum, auf welchem mein Sohn Moyslaw mit den Seinigen ist, und weiter hin rechts in größerer Entfernung würden wir den Hof Dauby erreichen, in dem mein Sohn Pustimir mit seinen Angehörigen ist, dort hinter dem Waldberge ist Trebin, wo mein dritter Sohn Radosta mit seinem Weibe und seinen Kindern lebt. Weiter in dem Lande sind meine Töchter Maria und Euphemia bei ihren Gatten und Kindern, und gegen Mähren hin ist die jüngste, die wie ihre Mutter Boleslawa heißt, bei den Ihrigen."

Sie ritten gegen den Abend in einem großen Umkreise in die Zupanei zurük.

Am nächsten Tage sah Witiko den Markt von Daudleb, wo die Dinge waren, welche die Leute von dem umliegenden Lande zum Verkaufe herein brachten, und die, welche sie kauften, um sie nach Hause mitzunehmen. Am Nachmittage tummelten die Sippen Lubomirs ihre Pferde auf dem Weidegrunde, und zeigten ihr Geschik in Bewegungen und im Gebrauche der Waffen.

Witiko blieb fünf Tage bei Lubomir. Am sechsten des Morgens nahm er Abschied. Lubomir gab ihm zum Geschenke eine schöne Armbrust. Er hing sie an seinen Sattel. Mehrere der Sippen Lubomirs gaben ihm eine Stunde das Geleite gegen den Wald hin, woher Witiko gekommen war. Dann verabschiedeten sie sich, und ritten zurük.

Witiko kam gegen den Mittag in die krumme Au. Dort blieb er zwei Stunden. Dann ritt er eine Stunde an der Modlau dem Wasser entgegen mittagwärts. Hierauf bog sein Weg gegen Abend, und er ritt eine lange Anhöhe empor. Als er oben war, sah er auf der Fläche einen großen Hof vor sich, der von einer starken Mauer im Gevierte umgeben war. Um den Hof standen noch Hütten und Häuser, in der Mauer des Hofes war ein Thor, das offen stand. Wittiko ritt durch das Thor ein. Da trat ihm ein Mann entgegen, der in hohen faltigen Lederstiefeln ging, Beinbekleidungen von grobem grauen Wollstoffe und von demselben Stoffe einen Rok mit Haften hatte. Auf dem Kopfe trug er eine schwarze Filzhaube mit einer rothen