Witiko

H112, S. 117

"In den ersten Tagen des Lenzmonates ist ja der Herzog mit seiner Gemalin bei dem deutschen Könige Konrad in Würzburg gewesen," sagte Lubomir.

"Das ist wohl wegen der Blutsverwandtschaft," entgegnete Witiko, "denn die Herzogin Gertrude ist eine Halbschwester des Königs Konrad."

"Ja, so ist es," sagte Lubomir, und [weil] da ich dich jezt in meiner Stube begrüßt habe, und weil du den Gruß angenommen hast, so werde ich dir dein Gemach in diesem Hause weisen lasse, in dem du ruhen kannst, bis wir dich zum Abendessen rufen. Dein Pferd werde ich besorgen lassen."

"Wenn ihr erlaubt, werde ich mein Pferd selber besorgen," antwortete Witiko.

"Das ist gut von dir," sagte Lubomir, "und wenn du fertig bist, wird uns wohl meine Ehegemalin zu dem Speisetische berufen."

Bei diesen Worten stand er auf, und Witiko auch. Er führte ihn in das Vorgemach, und sagte dort zu dem Manne, welcher den Wein gebracht hatte: "Radim, zeige dem jungen Gaste seine Stube, [und] zeige ihm dann auch, wo sein Pferd steht, und sage, daß sie ihm bei der Wartung desselben zur Hand sind."

Er führte Witiko in den Vorsaal, dort trennte er sich von ihm, und ging in den steinernen Saal hinab, von dem er Witiko herauf geführt hatte. Der Diener aber geleitete Witiko eine Treppe empor, und zeigte ihm dort eine Stube als die ihm zugedachte, dann sagte er, er wolle ihn jezt zu dem Pferde begleiten.

"Das ist nicht nöthig," sagte Witiko, "ich habe das Pferd unterbringen geholfen, und weiß, wo es steht."

"Ich muß aber den Leuten die Worte des Herrn sagen," erwiederte der Diener.

"So thue es," sagte Witiko, und sie gingen in den Stall zu dem Pferde hinab.

Dort verkündigte der Diener die Worte des Herrn. Das Pferd hatte bereits Haber. Witiko untersuchte die Nahrung, und ordnete an, was geschehen müsse. Da es gethan war, ging er in seine Stube.

Dieselbe hatte auch eine Hülle aus Schafwolle gewebt über den ganzen Fußboden, die Wände waren aber weiß getüncht, und die Geräthe waren aus Eichenholz. Auf dem Bettgestelle war ein Lager aus Fellen und weichen Tüchern bereitet.

Witiko ging gegen ein Fenster, und sah in die klare Abendluft hinaus. Er konnte auf alle Häuser von Daudleb hinab sehen. Sie standen auf einer schmalen Zunge, welche durch eine länglich gestrekte Schleife der Malsch gebildet wurde. An drei Seiten floß das Wasser um den Ort, gegen Morgen war der Zusammenhang mit dem Lande. Über die Häuser weg sah er auf Hügelland, das, so weit man es in dem abnehmenden Tageslichte erkennen konnte, mit Wiesen und Feldern mit Weiden und mit Wäldern bedekt war. Es waren auch menschliche Wohnungen zu unterscheiden. Dann war der Wald, aus dem er gekommen war. Er glaubte auch die langen Streifen zu sehen, die die großen Wälder von Friedberg bis über den obern Plan hinaus bezeichneten.

Er ging [längere] einige Male in der Stube herum, dann blieb er eine geraume Weile auf einem Stuhle sizen. Hierauf ging er wieder in den Stall zu dem Pferde, und brachte seine Pflege zu Ende.

Als die Dämmerung schon in Finsterniß über zu gehen begann, wurde er von Slawa in das Gemach geführt, in welchem Lubomir zu speisen pflegte. Das Gemach war eine Halle, deren Wände auch bis über Mannshöhe getäfelt waren, aber nicht mit Eichenholz sondern mit würzigem Wachholder. An dem Wachholder lief

Seite am Rand mit Wellenlinie markiert