Witiko

H11, S. 20a


Nach einem Weilchen trat die Hausfrau in das Grün des Gartens, und bath zum Essen zu kommen. Sie hatte manche Stüke ihrer Kleider mit besseren vertauscht, und trug namentlich ihr Haare in einem Neze, dessen Fäden wie lauter goldene glänzten.1

Man ging in die Stube, in welcher der Reiter den Herrn des Hauses gefunden hatte. Der buchene Tisch war mit weißen Tüchern gedekt, und an ihn stieß ein anderer langer Tisch, welcher aber erst aufgeschlagen worden sein mußte, und welcher mit grauen Tüchern bedekt war. An den Buchentisch wurde der Gast geladen, und zu ihm sezten sich der Herr des Hauses seine Gattin dann Bertha und Truda. An dem langen Tische saßen die Knechte und Mägde des Hauses. Eine Magd trug auf, und ein Mann, der am untersten Ende des langen Tisches saß, war zu Zeiten behilflich. Ein gutes Mahl aus Rinderbraten Hühnern Fischen und Kuchen mit allem Zubehör wurde auf den Tisch des Gastes gesezt. Die Männer hatten einen kostbaren Wein in Hörnern, welche nach sehr alter Art gearbeitet waren. Die Frauen hatten ein Bischen Meth in Näpfchen. Das Hauptstück des unteren Tisches war ein Lendenbraten eines jungen Schweines, welcher zerlegt, und von dem Vorsizenden der Knechte vertheilt wurde. Alle an beiden Tischen aßen auf schönen buchenen Tellern. Die am Gasttische saßen auf hölzernen Stühlen, die am andern Tische auf langen hölzernen Bänken. Ihr Getränke war das Sonntagsbier. Der Herr des Hauses sprach mit dem Gaste über Dinge der Gegend, die Frau sprach gelegentlich, wenn Dinge nach Frauenart kamen, darein. ¢Die beiden Mädchen, welche dem Gaste gegenüber saßen, waren fast stille, errötheten beide zu mehreren Malen, und sprachen nur manchmal etwas, wenn sie angesprochen wurden. Vor und nach dem Essen war ein Wechselgebet zwischen dem Herrn und den andern gebetet worden. Das Essen dauerte kurz, und nach demselben verlangte der Gast fort.¢
Randnotiz: ?

Man fragte ihn nicht, wohin er wolle, aber man both ihm Hilfe zu seinem Unternehmen an.

"Der Reitersmann sagte mir, daß er zu dem Steine der drei Sessel wolle," sprach Bertha.

"Dann mag Jörg der Wegführer mitgehen," sagte der Herr des Hauses, "nehmt meinen Jagdspieß zu eurem Schwerte, und Jörg mag eine Armbrust tragen, wenn es nehmlich so ist, daß ihr zu den Sesseln wollt."

"Ich wollte zu den Sesseln zu dem Blökensteine und zu dem See," sagte der Jüngling.

"Da wird der ganze noch übrige Tag dazu erforderlich sein," sagte der Hauswirth, "Jörg, bereite dich, und lasse nicht lange warten."2
Randnotiz: der Mann, der dann xxx entfernte sich, und verließ die Stube

"Ich wollte allein gehen, und mir den Weg schon bahnen," sagte der Jüngling, "weil mir dieser Wald nicht unbekannt ist. Nur den Jagdspieß nehme ich gerne an."

"Ihr seid unser Gast, und mögt allein gehen", sagte Jost; "aber ihr könnt es nicht hindern, daß Jörg desselben Weges geht, wie ihr; denn der Weg ist allen offen. Und wenn ihr allein geht, so könnt ihr wieder zu uns zurükkehren, oder in ein anderes Thal herunter kommen, wenn ihr zuvor im Walde über die Nacht geblieben seid, und wenn es morgen vielleicht schon spät Nachmittag geworden ist."

"In Hinsicht der kurzen Zeit mag also Jörg mitgehen," sagte der Reiter.

"Und dann kömmt ihr vom See wieder zu uns herab," sagte Jost.

"Ich werde den Jagdspieß am Abende zurük bringen, und dann in meine Herberge gehen, um noch vor Nacht mein Pferd zu pflegen, wie ich es am Morgen gepflegt hab<e>," "Die Mittagspflege habe ich, um die Sessel zu sehen, einem Manne vertraut, den ich kenne."

"So nehmt Glük auf euren Weg," erwiederte Jost.

"Habet Dank für eure Bewirthung," sprach der Jüngling,
Randnotiz: aufstehen (?)
"ich bin euch Gleiches schuldig, wenn ihr oder ein Euriges zu meiner Wohnung kömmt, sie möge nun bei meiner Mutter sein, oder sonst sich irgend wo entstehen erheben. Ich werde gastfrei sein wie ihr mit Wenigem oder Viel, wie ichs habe, weil die Gastfreiheit so schön und wirthlich ziert und mannhaft ist. Habt Dank viel werthe Frau für Mühe und Freundlichkeit, und habet Dank, Bertha, für eure Ansprache und euer Hergeleiten, und ich würde euch beiden Dank sagen, wenn ihr [gesungen] in der Nähe gesungen hättet, wie ich euch so schön von ferne singen hörte."

"Die Mädchen können nur singen, was in ihrem Herzen ist," sagte die Frau, "und das können sie Fremde nicht wissen lassen."

"Wenn ihr einmal so singen lernt, wie man in dem Walde singt," sagte Bertha, "und wenn ihr so denkt, wie man in dem Walde denkt, und das auch singt, so werden wir euch auch singen."

"Ich denke wohl, wie man in dem Walde denkt, Bertha," sagte der Jüngling, "weil ich den Wald sehr liebe,
Randnotiz: (Wald bekannt)
ich kann auch singen und jauchzen, wie das Herz will, und habe es viel gethan; aber ob ich so singe wie ihr, oder ob es mir wird vergönnt sein, es zu lernen, das weiß ich nicht. Und so gehabt euch wohl bis Abend."
Randnotiz: etwa kömmt eine Zeit, in der wir euch wieder sehen, und wenn ihr dann werden wir singen, wenn wir auch wissen, daß ihr nahe seid. Ich habe als Knabe wohl gejauchzt.

Die Mädchen waren wieder zusammengestanden, und schauten den Reiter an, so wie er sie. Er reichte dem Vater die Hand, und auch der Mutter,
Randnotiz: als sie ihm.
die ihm die ihrige both. Dann kam Jörg mit der Armbrust, mit einem Sak um die Schulter, der etwa Dinge, die nothwendig werden konnten, enthielt, und mit zwei Jagdspießen. Jörg war derselbe Mann, welcher am Ende des langen Tisches gesessen war und zuweilen bei der Bedienung geholfen hatte. Der Reiter

1 Absatz am Rand angestrichen 2 Absatz und vorhergehende Absätze am Rand angestrichen und mit der Bemerkung versehen: zu breit