Witiko

H11, S. 19a


in den Garten, welcher allerlei Küchenkräuter, dann Blumen und unter diesen viele große und volle Rosen enthielt. Von Obstbäumen war beinahe nichts zu sehen, weil wohl der Erfahrung zu Folge in dieser hoch gelegenen Gegend ihr Gedeihen mit den äußersten Hindernissen zu kämpfen haben mochte. Nur Zweige von Birnstauden waren an Latten an der Sonnseite des Hauses ausgebreitet. In der von dem Hause entferntesten Eke des Gartens rechts war in die Umplankung desselben eine Thür gemacht, durch welche man ins Freie auf den Hügel gelangen konnte, auf welchem Berthas wilde Rosen blühten.
Randnotiz: Rosen waren verblüht.
Die zwei Männer gingen auf den Hügel. Er war eine zufällige Erhöhung von Steinen und magerem Grunde. Die wilden Rosen waren in äußerst großer Zahl vorhanden, nebst ihnen aber auch Gesträuche und Pflanzen, die solche Gründe lieben.

"Da wir Boden genug haben, was sowohl die Weide als die Wiese und das Feld anbelangt," sagte Jost, "so lasse ich das Unkraut da stehen, weil Bertha und Truda [an] die Blüthen pflüken, und daran Freude haben."1

"Wie lange ist es, seit ihr das Haus hier errichtet habt?" fragte der Reiter.

"Es ist in die fünf und zwanzig Jahre," antwortete Jost.

"Ich bin nie auf dieser Seite der Mihel gewesen," fuhr der Reiter fort, "aber öfter auf der andern, wo der breite Berg ist, und von den Thälern weiter gegen Sonnenuntergang bin ich mehrere Male zu den drei Sesseln gegangen."2

"Der breite Berg wird einmal eine Ortschaft werden," entgegnete Jost, "es finden sich dort die Dinge zu ihr zusammen, was Boden und Wasser und was sonst Verbindungen anbelangt, bei mir werden höchstens zerstreute Häuser entstehen, da der hohe Wald gleich dahinter steht, und der Grund stets magerer wird."

"Warum habt ihr denn dann eure Behausung hieher gelegt?" fragte der Reiter.

"Weil ich den Wald haben wollte, und weil ich die von ihm herab strömenden Gewässer haben wollte, und weil ich allein sein wollte", erwiederte Jost. "Ich bin von anderem Ursprunge als die Leute hier, ich könnte euchs erzählen, aber es gehört nicht zu unserer Sache. Mancher baut sich ja ein Haus, wies ihm gefällt, in die finsteren Tannen hinein zur Einsamkeit oder auf die hohe Wasserscheide zur Freiheit oder auf den Fels zur Sicherheit."3

"Wegen der Vertheidigung baut man Vesten auf die Berge," entgegnete der andere, "meistens sogar so, daß sie auf schroffem Gesteine stehen ¢wie das Oberhaus in Passau¢; aber man kann auch auf Bergen sein wegen der Luft und der Freiheit, man kann sein Haus in die Einöde stellen, wohin der Zugang schwer ist, und man kann es auf den [flachen] nakten Anger sezen, und es mit seinem Schwerte vertheidigen."4

"Ich habe Hader gehabt, und bin dann hieher gegangen," sagte Jost, "habe den Wald an Stellen gereutet, habe das Haus gebaut, und betreibe meine Dinge."

"Ich habe von dem Hause nichts gewußt," entgegnete der Jüngling.

"Es liegt wohlgedekt," antwortete Jost; "aber wenn einmal die Wälder mehr gereutet sein werden, dann wird es weit herum erblikt werden können, weil es hoch gelegen ist. Der Wald, der gleich hinter ihm zu den Sesseln und dem Blökensteine aufsteigt, wird wohl nie gelichtet werden, weil er nur Waldgrund gibt, und dann wird man in der dunkeln Farbe des Waldes die weiße Stelle des Hauses von fernen Rüken und Bergen sehen können."

"Möge es viele hundert Jahre dauern," sagte der Jüngling.

"Wenn, die nach mir kommen, so denken wie ich," antwortete Jost, "so wird es dauern, und es wird auch blühen, so lange Menschen urtheilen können, ihr Geschik erwägen, und denen freundlich sind, die zu ihnen kommen."

"Wie ihr es thut," sagte der Reiter.

"Und wie es nach siebenhundert Jahren noch sein soll," entgegnete der Mann. "Ich verbleibe hier, mein Sohn wird es auch, und hoffentlich immer einer von uns, wenn mehrere sich auch in der Welt zerstreuen, wie es nicht anders sein kann, und die Geschike es erheischen. Ihr seid noch jung, es werden viele Jahre vergehen, ehe ihr euer Haupt an eine Stelle werdet legen können, die ihr euch selbst gewählt habt, oder ehe ihr zur Altersruhe in dem Hause eurer Väter [fest sizt] eingeht."
Randnotiz: Ich habe kein Haus meiner Väter

"Es haben die Geschlechter mancherlei Schiksale," antwortete der Jüngling.

"Ich bin nach keines Menschen Schiksal vorwizig," erwiederte Jost, "und verlange nicht nach der Kenntniß des eurigen und eurer Angehörigen. Wir nehmen freundlich auf, wer mit offenen Augen und mit einem guten Angesichte zu uns kömmt; wir wissen dann schon, wer er ist."

"Ich glaube, daß ihr in meinem Angesichte nichts Böses werdet gesehen haben," sagte der Jüngling.

"So ist es," erwiederte der Mann, "und möge euch noch recht viel Gutes bevorstehen."
Randnotiz: vielleicht wieder zusammen kommen.....

Mit diesen Worten waren die zwei Sprechenden wieder in den Garten zurükgekommen.

1 Absatz am Rand mit doppelten Strichen markiert 2 Absatz zusammen mit den zwei vorhergehenden Absätzen am Rand angestrichen und mit der Bemerkung versehen: nicht 3 Absatz und vorhergehender Absatz mit Klammer markiert und mit der Bemerkung versehen: besser machen 4 Absatz am Rand mit doppelten Strichen markiert und mit der Bemerkung versehen: Essen

Randnotiz: besser machen