Witiko

H108


zwei Zöpfe über den Rüken des Mieders bis zu dem Röklein hinunter.

Als die Lenzarbeiten vorüber waren, als die fünfblättrige Waldrose am Hage oder zwischen dem Gesteine blühte, nahm Witiko eines Tages nach dem Essen sein Ledergewand, kleidete sich damit, sattelte sein Pferd, schikte nach Benedikt, dem Sohne Zacharias des Schenken, daß er ihm als Führer diene, und ritt von diesem begleitet in der Richtung gegen Morgen in den Wald. Benedikt ging mit einem langen Stabe voran, Witiko folgte ihm. Sie gelangten unter den Föhren bis an den Kamm der Höhe empor. Dann kamen sie durch Buchenwald und Tannen wieder in [das] ein Thal hinab, in welchem ein Bach floß. Witiko sah Rehe daraus trinken, und einen Hirsch darin stehen. Sie durchschritten den Bach. Dann ging ein Wald sachte aufwärts, und da sie ihn zurük gelegt hatten, kam eine Ebene. Auf ihr stand nicht mehr hoher Wald sondern kurze dünne kranke Föhren, und viele Stellen hatten gar keinen Baum. Das Gras war grau und troken, und wo Erde zu sehen war, erschien sie in dunkler aschgrauer Farbe.

"Da ist ein seltsamer Boden," sagte Benedikt, "wenn man ihn auf die Achsen der Wagenräder streicht, so gehen sie so lind wie mit fetten Dingen geöhlt."

"Da sollte man den Boden untersuchen," sprach Witiko.

"Ja das sollte man," sagte Benedikt.

Sie zogen auf der Ebene hin, die Sonne schien schon tief aus Wolkenschleiern. Und da sie an das Ende der Ebene gekommen waren, ging sie unter. Nun fing wieder hoher Wald an, der sachte abwärts ging. Weil es in ihm dunkelte, stieg Witiko ab, und führte sein Pferd hinter sich her. Nach einer Stunde kamen sie auf eine freie Stelle. Sie hörten im Walde einen Ruf. Sie blieben stehen. Es war stille. Dann tönte wieder der Ruf. Sie blieben noch stehen. Die Stelle war sehr sonderbar. Es glänzte Wasser im Monde, es glänzte das Gras um das Wasser, und die Büsche daran glänzten auch, [es] aus ihnen ragten dunkle Giebel wie Dächer von Hütten empor, und oben war der Mond in gelblichen Wolken. Am Saume des Waldes standen drei Gestalten, welche in weite Gewänder gehüllt waren, und die Gewänder auch über die Häupter gezogen hatten. Sie schienen Weiber zu sein. Es tönte wieder im Walde der Ruf, dann war es wieder stille. Dann [xxx] tönte der Ruf noch einmal aber schwach, dann begann ein Gesang wie von