Witiko

H103, S. 110


dürftig, das Gras war kurz, die Föhren, die da standen, waren klein und schmächtig, und wo der Grund entblößt war, zeigte er eine schwarzgraue Erde. Sie wanderten eine Zeit auf diesem Boden fort, ohne rechts und links etwas anderes zu sehen als Höhen, die wieder mit Wald bedekt waren. Witiko hatte das steinerne Häuschen am Nachmittage verlassen, und jezt neigte sich die Sonne zum Untergange. Schwüle Schleier begannen, den Himmel zu bedeken. Als sie die dürre Ebene hinter sich hatten, und wieder gegen den tiefen Wald abwärts kamen, war es Nacht, und das Mondlicht floß durch die Wolken. In dem Schatten de[r]s Waldes konnte es aber keine Helle verbreiten, Witiko stieg ab, und führte sein Pferd an dem Zügel. Als sie eine Stunde unter dem finstern Dache der Blätter und Nadeln gewandert waren, kamen sie in einen freien und hellen
Randnotiz: lichten Raume
Raum. Es war ein Grasboden, rechts hatten sie ein Wasser wie einen Teich, gegenüber war Gebüsch, aus dem dunkle Dächer wie von Hütten ragten, dann war wieder der Wald. Sie hörten einen Ruf, da sie an den Saum des Grasplazes kamen. Sie blieben stehen. Das Gras war feucht, und glänzte im Mond[en]schein, das Gebüsch hatte fahle Lichter, der Wald war dunkel, und der Himmel war ein Wolkenschleier, den der Mond sanft durchschimmerte. An dem Saume der Bäume links von Witiko standen drei Gestalten in weiten Gewändern, die sie auch über das Haupt gehüllt hatten, darauf der Mond blauliche Lichter [machte] malte. Sie schienen alte Frauen, die mit einander sprachen. Es tönte wieder links im Walde oben ein schwacher Ruf. Darauf hörte man einen fernen Gesang wie von vielen Stimmen. Dann war es stille. Dann begann der Gesang wieder.

"Es sind noch solche, die dem alten Glauben anhängen," sagte der Führer leise zu Witiko, "es
Randnotiz: muß einer gestorben sein
ist einer gestorben, und sie feiern eine Tryzne auf seinem Grabe. Weil sie dieselbe aber nicht auf dem Grabe selbst feiern können, da es die Priester des neuen Glaubens nicht dulden, so gehen sie in den Wald, und thun es [doch] dort. Ich kenne den Gesang, meine Großmutter hat ihn oft ertönen lassen, und xxx in dem Walde von Horec mitternachtwärts habe ich ihn auch einmal gehört."

"Aber werden denn die Leute nicht belehrt?" fragte Witiko.

"Sie sagen es nicht," entgegnete der Führer, "und so weiß man es nicht, daß sie es in dem Walde thun."

Der Gesang ging fort. Dann brach er ab, und ertönte nicht wieder.

Nach einer Weile kamen Gestalten bei den drei Weibern aus dem Walde. Sie waren in weite Gewänder gehüllt, die durch Gürtel zusammen gefaßt [waren] wurden. Es waren Männer und Frauen. Es wurden immer mehr. Bei den drei Weibern zerstreuten sie sich. Einige gingen auf dem Pfade am Waldsaume weiter abwärts, andere kamen aufwärts, und gingen bei Witiko vorbei in den Wald. [Viele] Manche gingen schweigend vorüber, andere sagten: "Gelobt sei der Heiland."

"Gelobt sei der Heiland," antworteten Witiko und sein Führer.

Als man keine der Gestalten mehr sehen konnte, und auch die drei Weiber

Randnotiz: xxx