Witiko

BZU203



(Beilage zu "Witiko" 203)

Da der sechste Tag gekommen war, seit sich die Feinde vor der Stadt gelagert hatten, näherten sich am Morgen dieses Tages verschiedene Geräthe der leichten Art den Mauern. Auf Wägen wurden allerlei Dinge geführt. Die Männer der Feinde rükten auch heran. Da sie nahe waren, hielten sie an, und von den Geräthen flogen nun Pfeile, Pflokbolzen, Steine, Wurflanzen und Eisenstüke auf die Zinnen. Die Männer Diepolds rührten sich nicht. Auf seinen Befehl hatten sie sich hinter die Bergen begeben müssen. Da endete das Werfen der Dinge, und von den Feinden sonderte sich ein Haufen Krieger ab, und ging gegen die Mauern vorwärts[,]. Dies that auch ein zweiter, ein dritter, und mehrere. Da sie nahe an der Mauer waren, begannen sie zu rennen, indem sie Leitern, Stangen, Haken, [|Schilde|] Schilde Strike und Kletterdinge trugen. Sie befestigten [solche] Werkzeuge an den Mauern, und suchten, empor zu klimmen. Hinter ihnen standen viele Bogenschüzen, welche unaufhörlich Pfeile gegen den oberen Rand der Zinnen sendeten. Jezt gab Diepold ein Zeichen in die Luft, und auf dieses Zeichen ertönte die größte Gloke des Thurmes des heiligen Veit, und da der erste [Schlag] Klang erscholl, stürzten die Männer Diepolds heran, und warfen Ziegel, Steine, Blöke, Bäume, eisengezakte Balken, siedendes Wasser[,] und brennendes Pech auf die Emporklimmenden nieder. Ein Theil der Krieger war in Bereitschaft, dort, wo sich zwischen den [Bergen] Schirmen, die die Feinde über sich empor schoben, menschliche Glieder zeigten, Pfeile und Lanzen hinein zu schiken. Ein anderer Theil suchte insbesonders diese [Bergen] Bergeschirme der Feinde durch schwere Wurfdinge oder Feuer zu zerstören, oder auf die Feinde selber zu schleudern. Viele Krieger sendeten beständig aus Geräthen Steine und Wurflanzen und von Bögen Pfeile gegen die Schüzen der Feinde.

Die Gloke des heiligen Veit tönte fort.

Zuweilen erscholl ein greller Ruf zum Zeichen einer schweren Verwundung, oft rann an ein[en]em Manne Blut hin unter, ohne daß er es wußte, man sah manchen Krieger taumeln, ohne daß man erkennen konnte, ob die Schauer des Todes ihn stürzen wollten, oder eine Verwundung. Er wurde zurük getragen, wo die Pfleger versammelt waren. Auch Feinde sah man fallen, oft wurden mehrere zugleich sammt ihren Geräthen von den Leitern [gestrekt] gestürzt, und man sah, wie [[Krieger] Männer] [Körper] Männer von den Mauern weg getragen wurden. Aber neue [Männer] drangen nach, und die Leitern füllten sich immer wieder. Die Bogenschüzen, welche die Vertheidiger zu schädigen suchten, wurden immer mehr. Diepold vermehrte auch die seinigen. Er sah, daß die Bergen, welche vor den Männern hin aus geschoben würden, welche die Dinge auf die Feinde hinunter
(l) werfen [mußten]
(2) [zu] werfen [hatten,]
(3) [werfen mußten,]
(4) zu werfen hatten,
[zu] schwach seien, und suchte sie durch stärkere zu ersezen. Auf der ganzen Streke, an der die Feinde empor drangen, waren die Vertheidiger versammelt, und die ermüdet wurden, ließ Diepold mit frischeren wechseln. Die Waldleute fanden sich in die Sache, und arbeiteten stettig, wie sie mit den Baumstämmen ihrer Felsen oder gegen die Thiere ihres Waldes arbeiteten. Tom Johannes saß hinter eine[|m|]r Berge, und schrie Worte, die niemand vernahm, und machte mit den Händen Zeichen, auf die niemand achtete.

Da dieses geschah, ritt die Herzogin auf die Zinnen. Sie war von [kei] mehreren Hofherren begleitet, aber von keiner ihrer Frauen. Nur Dimut ritt in ihrem Waffenkleide neben ihr. Die Herzogin ermunterte die Männer, und belobte sie. Als sie zu den Waldleuten kam, erhoben diese einen so [rasches und wildes Geschrei] wilden Ruf, daß die Gloke des heiligen Veit dagegen nicht zu vernehmen war.

Von den Feinden lösete sich jezt eine Schaar ab, welche größer war als alle, die bis zu der Zeit an die Mauern gekommen waren. Sie eilte gegen eine Stelle, welche weniger Krieger enthielt, und strebte in Schnelligkeit empor zu klimmen,[ aber] indeß andere unter ihnen durch Sandsäke Rasen Reisig und dergleichen [schnell den] schleunig den Boden an den Mauern zu erhöhen versuchten; aber die Männer Diepolds kamen wie eine Wolke, welche den Hagel birgt, [kamen die Männer Diepolds] herbei[,] und sie erhoben ein Freudengeschrei, weil sie die Absicht der Feinde erkannten, und die Mittel hatten, sie zu vereiteln. Das Hinabwerfen der Vertheidigungsdinge wurde dichter, als es bisher gewesen war, es wurde ein Schütten, und wenn man meinte, das Schütten sei am heftigsten, wurde es noch heftiger. [Auch d]Das Hinaussenden der Lanzen, Pfeile, Steine, und anderer Wurfsachen auf die Bogenschüzen wurde ein stettiger Sturm. Der Kampf war sehr kurz. Die Feinde glitten zurük, verließen ihre Geräthe, und wichen gegen die Ihrigen. So thaten sie an allen Stellen. Da sie in Unordnung zurük gingen, öffnete Diepold das Thor, und drang mit einer Schaar Männer, die er bereit gehalten hatte, hinaus, indem er auf seinem schwarzen Pferde unter ihnen ritt. Er eilte den Feinden nach, und was durch [das] Lanze und Schwert zu erreichen war, wurde durch Lanze und Schwert geschlagen. Als sie gegen das ganze Heer der Feinde kamen, wendeten sie um, [ritten auf ihren Pferden] ritten in Schnelligkeit zurük, und wurden durch das Thor aufgenommen.

Jezt war Ruhe auf den Mauern, und die Gloke des heiligen Veit tönte nicht mehr.

Diepold, die Herzogin, der Bischof, Äbte, Priester und Führer gingen jezt auf den Kampfplaz. Da waren die Rüstzeuge des Krieges, die man gebraucht hatte, da waren die ermatteten Krieger, es waren Verwundete und Todte. Die Ärzte und die Pflegediener waren da, Leute aus der Stadt, Frauen, Jungfrauen, Priester und andere waren gekommen, und spendeten Labung. Manche Männer gingen herum, und bluteten an diesem oder jenem Theile ihres Körpers. Andere saßen oder lagen. Der Priester von Daudleb wusch Moyslaw die Wunde eines Lanzenstiches, die er an der Achsel erhalten hatte, und verband sie ihm. Dann schnitt er Zwest die Spize eines Pfeiles aus dem Arme, und verband ihn. Jurik, der Sohn Juriks, dem ein Stein das Knie gestreift hatte, und Zdeslaw, der Sohn Diwis, der einen Lanzenstich hatte, [waren in Pflege] wurden verbunden. Andere wurden von den Ärzten in Sorge genommen, und jeden, wenn es sein konnte, trug man in die Verpflegungsorte. Diepold und seine Begleiter gaben überall Trost. Diepold verlangte, die Todten zu kennen. Man wußte sie noch nicht alle. Budilow [ein] ein reicher Wladyk aus den Fluren von Gradec hatte sein Leben verloren, so auch [|Wat|] Wat, ein Leche aus den Gebirgen an Polen, der mit seinen Leuten unter Jurik gestanden war, so der Wladyk Kunes aus dem Abende des Landes, so Izzo von Tynec, Welich von Suchomast, Radoslaw von Bezno, [|Wal=|] Welkaun von Jesenic, und andere Männer, die auf ihren Eigen mit Sippen gesessen waren. Diepold verordnete, daß von allen ein genaues Verzeichniß [machen] gemacht werde, wenn [es] etwa Verhandlungen mit ihren Angehörigen [werden] würden.

Dann ging er mit allen, die um ihn waren, zu den Verwundeten und Kranken in die Verpflegungshäuser.

Dann ordnete er an, daß Erquikung an Speise und Trank, reichlicher und besser als zu anderen Zeiten, an die Krieger komme.
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(Nun folgt es in der Handschrift 204 weiter)1

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1 Vgl. in H S.204: Nach einer Zeit etc.