Witiko

BZU11


(zu Witiko Seite 11)
durch eine kleine Thür in die Stube. In der Stube stand ein hoher Pflok, der mehrere eiserne Schleifen hatte. In zweien dieser Schleifen staken brennende Buchespäne. Die Frau stekte ihren Span in eine dritte Schleife. Der Reiter sezte sich auf einen hölzernen Stuhl. Die Frau dekte ein Linnen auf einen Tisch von weichem Holze, und stellte dann eine Schüssel mit Suppe auf den Tisch. Der Reiter der Mann die Frau und die Kinder aßen von der Suppe. Dann sagte der Mann: ["Wir wollen euch nun Ruhe gönnen, da ihr ermüdet sein werdet."] "Ich werde euch euer Pferd besorgen, da ihr müde sein mögt."

"Wir werden es beide besorgen," antwortete der Reiter.

Der Mann nahm einen Span, ging dem Reiter voran in den Stall und dieser folgte ihm. In dem Stalle gab der Reiter dem Pferde von dem Futter, das schon vorgerichtet war. Dann ging man wieder in die Stube. Als dieses so oft geschehen war, als sich nöthig zeigte, bis das Pferd seine völlige Pflege erhalten hatte, sagte der Mann: "Jezt begeben wir uns zur Ruhe, und ruhet auch recht gut."

"Ihr auch," sagte der Reiter.

Die Frau brachte die Kinder in ein Seitenkämmerlein der Stube, und der Mann folgte der Frau und den Kindern.

Der Reiter schnallte sein Schwert ab, nahm seine Haube von dem Kopfe, löschte die Späne aus, legte sich angekleidet auf ein Bett, das in einer Eke der Stube stand, legte sein Schwert neben sich, und bereitete sich zum Schlummer.

Als des andern Tages die Sonne über den Wald empor ging, stand der Reiter wieder mit seiner Haube auf dem Kopfe und mit dem Schwerte an der Lende vor der Hütte. Es war ein Stükchen Feld und Wiese um diese wie um die anderen Hütten. Die schwarzen Erhöhungen, welche Kohlenmeiler waren, brannten, und rauchten wie gestern.

Aus der Hütte kam die Frau[,] mit den Kindern, die heute schöner angekleidet waren, und sagte: "Kommt zur Morgensuppe, lieber Herr."

Der Reiter ging in die Stube, und alle zusammen verzehrten eine Schüssel voll warmer Milch mit Roggenbrod.

Der Reiter ging dann in den Stall, und vollendete die Morgenpflege seines Pferdes.

Als dieses vorüber war, sagte er: "Weil heute Sonntag ist, soll das Pferd ruhen. Ich werde in den Wald hin auf, und zu dem Fels der drei Sessel gehen. Ich habe ihn gestern von dem Rande des breiten Berges aus betrachtet. Am Nachmittage werde ich wieder zurük kehren. Du, Mathias, besorge die Mittagpflege des Pferdes, wie du schon weißt."

"Ich werde es betreuen, wie das schöne milchweiße Pferd in Plan, welches ihr gehabt habt," sagte der Mann.

"Das weiße Pferd wäre mir zu dem, was ich jezt vorhabe, doch zu schwach," entgegnete der Reiter.

"So stekt doch wenigsten ein Stük Brod zu euch," sagte die Frau.

Der Reiter nahm das dargereichte Stük Brod, und barg es in seinem Wamse.

Dann ging er gegen das Wasser, welches in der Nähe der Hütte vorüber floß. Die Bewohner der Hütte begleiteten ihn bis an das Wasser.

"Euer Mihelbach fließt recht schön an deiner Hütte vorüber," sagte der Reiter.

"Ja," erwiederte der Mann, "zuweilen aber nicht oft auch in dieselbe hinein."

"Nun gehabe dich wohl, Mathias, und ihr auch, Frau, mit euren Kindlein," sagte der Reiter.

"Gehabt euch wohl, junger Herr," antwortete der Mann.

"Erhizt euch nicht zu sehr, und kommt gesund wieder zurük," sagte die Frau.

"Es wird schon so geschehen," erwiederte der Reiter.

Dann ging er auf dem flachen Holzstege über das Wasser, die andern gingen gegen die Hütte zurük.

Jenseits des Wassers ging er in dem Walde empor. Der Himmel war ganz blau, und man konnte die Waldgloken von Rindern und manchen Schrei eines Vogels hören. Der Reiter wich zuweilen von dem Pfade ab, und ging auf eine Waldblöße hinaus.

Auf einer solchen Waldblöße, auf welcher kurzes Gras und kleine weiße Blümchen waren, und an deren Rande große Ahorne standen, lag, als die Ahorne endeten, ein sehr großer Stein, fast so groß als ein Haus, als wäre er von Menschenhänden hingelegt worden, und an dem Steine stand eine ungemein hohe Tanne. Der Reiter kniete an der Tanne nieder, und verrichtete ein Gebet. Als er gebetet hatte, stand er wieder auf, und ging am Rande der Blöße weiter. Er kam wieder zu Ahornen, unter denen abermals Steine lagen, aber kleine, als wären sie zum Sizen hergelegt worden. Der Reiter versuchte die Steine als Size, und sie taugten. Da er wieder aufgestanden war, und weiter gehen wollte, hörte er plözlich Stimmen. Es war ein Gesang so klar und schmetternd wie von Lerchen. Es waren aber nicht Lerchenstimmen, sondern Menschenstimmen, Mädchenstimmen. Sie sangen jenes Lied ohne Worte, in welchem im Walde und in Bergen das Herz sich in allerlei Schwingungen der Stimme, im Stürzen und Heben derselben im Wandeln und Bleiben ausspricht. Es waren zwei Stimmen, die im Vereine und in Verschlingungen klangen. Sie erklangen, hoben sich, senkten sich, trugen sich, trennten sich, nekten sich, schmollten, und jubelten. Es war die Lust und Freude, die sie tönten. Der Gesang schien näher zu kommen. Mit einem Male traten zwei Gestalten aus den Tannen hervor, und standen am Rande derselben Blöße wie der Reiter und in nicht
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1 Hinweis auf die Fortsetzung in H/S.12 beginnend mit großer Entfernung