TIPP Samstag, 02.10.2021
10:00 - 18:00 Uhr
Lienz, Campus Technik Lienz, Linker Iselweg 21
Anmeldung ist nicht erforderlich
Eintritt / Kosten: Eintritt frei
Die Bemalung der Kapelle von Schloss Bruck durch Simon von Taisten ist seit weit mehr als 100 Jahren Gegenstand kunsthistorischer Untersuchungen, denen auch etliche denkmalpflegerische Maßnahmen, zum bisher letzten Mal 2014-2016, ausreichend Gelegenheit boten. Eine genaue Datierung der Fresken steht allerdings noch aus, der gewöhnlich angenommene Zeitraum zwischen 1491, dem ersten mutmaßlichen görzischen Auftrag an Simon von Taisten, und 1496, dem Tod Paolas von Gonzaga folgt allein historischer Plausibilität: Leonhard von Görz und seine Gemahlin Paola von Gonzaga sind sowohl im Marientod (als Stifterpaar) und im darüberliegenden Interzessionsbild als auch in ihrem Allianzwappen, u. a. im Läuteerker, verewigt.
Eine ausführlichere stilkritische Begründung versuchte erstmals Heinrich Waschgler (1935), der Josef Franckenstein in seiner 1976 verfassten Dissertation weitgehend folgt. Anlässlich der Tiroler Landesausstellung „ca. 1500“ im Jahr 2000 ließ Leo Andergassen mit einer steilen These aufhorchen: Das Kunstbedürfnis Leonhards und Paolas, denen unter dem Titel „Ein ungleiches Paar“ der Schwerpunkt im Ausstellungsteil auf Schloss Bruck gewidmet war, sei zu anspruchslos gewesen, als dass nach der Freskierung des Chores der Kapelle, 1452 durch Nikolaus Kenntner, der Wunsch nach weiterem Bildschmuck bestand. Stattdessen nahm er die Erben des 1500 verstorbenen Leonhards als Auftraggeber für die Bemalung und für deren Programm memoriale Motive an.
Andergassen führte seine These in einem Beitrag zur Monografie über die Wallfahrtskirche Maria Schnee in Obermauern 2003 näher aus. Als Beleg zitierte er u. a. eine 1507 bearbeitete Eingabe Simons, in welcher dieser Maximilian I. um Abgeltung der Bemalung des Hauses Graf Leonhards bittet. Dem widersprach Meinrad Pizzinini in einer ausführlichen Anmerkung zu seinem Aufsatz über das „Görzer Haus“ in Lienz in der Festschrift für Franz Caramelle: Mit Graf Leonhards Haus sei nicht Schloss Bruck, sondern die Stadtresidenz des Görzers am Lienzer Hauptplatz gemeint. Allerdings konnte dort keine Bemalung nachgewiesen werden. Das letzte Wort ist somit längst nicht gesprochen, zumal auch die bisher letzte Publikation über die Burgkapelle die aufgeworfenen Probleme nicht anspricht. Nun aber könnte die kunsthistorische Forschung von einer anderen Disziplin Schützenhilfe bekommen: Im Zuge der jüngsten Restaurierungsarbeiten hat sich Anna Maria Petutschnig in ihrer an der Universität Graz bei Romedio Schmitz-Esser verfassten Masterarbeit eingehend mit den in der Kapelle von Schloss Bruck im Laufe der Jahrhunderte angebrachten „Graffiti“ befasst. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Paläografie dazu beiträgt, Datierungsprobleme zu lösen. Auf jeden Fall aber wird durch den interdisziplinären Diskurs ein Denkmal erneut in den Fokus gerückt, um das es noch etliche wissenschaftliche Baustellen gibt, die in dem Kolloquium behandelt werden.
(Foto: Anna Maria Petutschnig)
Universitäten Innsbruck und Heidelberg
Institut für Archäologien, Prof. Stadler
Rudolf Ingruber