Angelika Mitterhofer, Abstract der Dissertation, 1. März 2020

Zur Rolle der Raumnarration im Werk von Sabine Gruber und deren Aufnahme in der Literaturkritik

Die Romane Aushäusige, Stillbach oder Die Sehnsucht und Daldossi oder Das Leben des Augenblicks sind drei Beispiele aus dem literarischen Schaffen Sabine Grubers, die komplexe Raumnarrationen als zentrales Charakteristikum aufweisen. Eine Analyse dieser literarischen Räume in den drei genannten Werken ist in mehrfacher Hinsicht relevant: Zunächst ermöglicht sie eine fundierte Betrachtung der Themen und Motive in den Romanen, gleichzeitig erfordert sie eine kritische Reflexion des Raumbegriffes mit neuen Impulsen. Der literarische Raum kann in diesem Kontext nämlich nicht auf den geografischen Aspekt reduziert werden, sondern resultiert vielmehr aus narrativen Elementen sowie aus der Kombination von Orten, Figuren und Zeit. Diese Verknüpfung zeigt sich nicht nur innerhalb eines Romans, sondern auch romanübergreifend, wenn beispielsweise Orte wie Venedig, Wien, Sarajewo und Südtirol sowie bestimmte Figuren in mehreren, einige auch in allen bisherigen Romanen Grubers eine Rolle spielen. Die seit dem spatial turn in den 1980er-Jahren auch in der Literaturwissenschaft vermehrt in den Blick genommenen Raumtheorien, wie beispielsweise Michail M. Bachtins Konzept des Chronotopos oder Michel de Certeaus Unterscheidung von Ort und Raum, werden als Orientierungspunkte herangezogen. Um die literarischen Räume in den Romanen Grubers aber adäquat analysieren zu können, wird über die jeweiligen Theorien hinausgedacht und verschiedene Konzepte werden miteinander verschränkt. Eine interdisziplinäre Perspektive bietet sich aufgrund der Themen in den Romanen an, insbesondere wenn es um die Literarisierung von Geschichte geht, denn die Romane bewegen sich zwischen Fiktionalität und einer von Sabine Gruber fundiert recherchierten Faktualität: So werden in Stillbach oder Die Sehnsucht anhand der Stadt Rom historische Entwicklungen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts thematisiert. In Daldossi oder Das Leben des Augenblicks gehören Kriegsfotografie und Krisenberichterstattung zu den zentralen Themen, die bereits in Grubers Debütroman Aushäusige zu finden sind und im Analyseteil nicht nur einer interdisziplinären, sondern auch einer intermedialen Betrachtungsweise bedürfen.
Zu dieser umfassenden Analyse zählt als Ergänzung des textimmanenten Zuganges auch die quantitative und qualitative Auswertung von Rezensionen aus deutsch- und italienischsprachigen Zeitungen sowie aus entsprechenden Literatur- und Kulturzeitschriften. Die Buchbesprechungen werden dahingehend untersucht, wie die komplexen Räume in den drei ausgewählten Romanen thematisiert und wie Autorin und Werk kontextualisiert werden.

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