Illustration einer Sternengalaxie

Kombinierte Aufnahme des türkisen Lichts der [O III]-Sauerstoffslinie (274 x 10 Minuten = 45h 40m), des roten Lichtes des Wasserstoff Hα-Linie (246 x 10 min = 41h) und etwa 24h Belichtungen für das Hintergrundbild des Sternenlichtes mit RGB und Lumineszenz-Breitbandfiltern (insgesamt 111h).

Rie­si­ger Plas­ma­bo­gen über der Andro­me­da­ga­la­xie

Einem internationalen Team von Amateurastronomen gelang eine überraschende Entdeckung. Wissenschaftler um Stefan Kimeswenger vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck untersuchen nun in einer länderübergreifenden Zusammenarbeit den neu entdeckten Riesennebel in der Region der Andromedagalaxie. Es könnte sich um die größte derartige Struktur in der nahen Umgebung im Universum handeln.

Die genaue Entstehung des Riesennebels ist noch unbekannt, aber die Indizien lassen wahrscheinliche Szenarien vermuten. Auf einer Aufnahme des französischen Astrofotografen Yann Sainty der Andromedagalaxie (Messier 31 = M31) entdeckten seine Kollegen Marcel Drechsler und Xavier Strottner im August 2022 eine markante bogenförmige Struktur und arbeiteten diese aus dem Hintergrund und dem Rauschen des Sensors hervor. Der Bogen hat eine Ausdehnung von etwa 1,5 x 0,45 Grad, ist nur 1,2 Grad vom Zentrum von M31 entfernt und befindet sich südöstlich des Hauptkörpers der Galaxie. Durch die enorme Ausdehnung bleibt er den kleinen Gesichtsfeldern, welche durch die langen Brennweiten der großen Teleskope entstehen, verborgen.

Die Andromedagalaxie, auch Andromedanebel genannt, ist die der Milchstraße nächstgelegene Spiralgalaxie. Sie ist zweifellos eines der meistfotografierten Deep-Sky-Objekte überhaupt. „Umso überraschender war die neue Entdeckung einer so großen Struktur in unmittelbarer Nähe der Galaxie“, sagt Stefan Kimeswenger vom Institut für Astro- und Teilchenphysik. „Um auszuschließen, dass es sich um eine der vielen möglichen Fehlerquellen bei der Bildaufnahme (Reflexionen in der Optik, Artefakte des Detektors, Verstärkerglühen, usw.) handelt, haben vier verschiedenen Fotografen mit Filtern und Kameras verschiedener Hersteller und an drei verschiedenen Orten der Welt weitere Bildsätze aufgenommen“, erzählt der Astrophysiker. Die Existenz des Objekts wurde somit zweifelsfrei bestätigt. Nun untersucht Stefan Kimeswenger in Zusammenarbeit mit Kollegen in den USA die Herkunft und die Natur dieses Phänomens. Die bisherigen Ergebnisse lassen bereits einige sehr überraschende Schlüsse zu und scheiden vorerst angedachte, für solche Emissionen bereits bekannte Szenarien, aus.

Amateurastronomie und moderne Wissenschaft

Optische Himmelsdurchmusterungen mit Emissionslinien sind besonders nützlich, um verschiedene Arten von Emissionsnebeln zu identifizieren, darunter H II-Regionen, planetarische Nebel, Supernova-Überreste, Sternwindblasen und andere schwache Phänomene. Die meisten dieser Durchmusterungen konzentrierten sich auf den Nachweis von Hα-Emissionen des Wasserstoffs entlang der galaktischen Ebene. Aber auch die [O III]-Emissionslinien sind besonders wichtig für die Untersuchung von Nebeln. „Mit dem Aufkommen erschwinglicher, aber empfindlicherer großformatiger CMOS-Detektoren in Kombination mit hochwertigen Schmalbandfiltern spielen Amateurastronomen eine immer wichtigere Rolle bei der Entdeckung schwacher Emissionsnebel“, sagt Stefan Kimeswenger. „In diesem Fall haben die Amateurastronomen Belichtungen von über 111 Stunden im Computer kombiniert. Die Entdeckung war möglich, weil Amateure und etablierte Wissenschaftler Hand in Hand arbeiteten – ein reger Austausch über zahlreiche nationale Grenzen hinweg.“

Beliebtes Objekt der Astrophotographie

Die Andromedagalaxie M31 ist mit einer Entfernung von etwa 2,5 Millionen Lichtjahren der größte kosmische Nachbar der Milchstraße. „Unter guten Bedingungen ist die Spiralgalaxie das am weitesten entfernte Objekt, das ohne technische Hilfsmittel dauerhaft mit bloßem Auge beobachtet werden kann, wenn man von seltenen kurzlebigen und oft nur Sekunden oder Minuten dauernden Ereignissen wie Hypernovae absieht“, erzählt Stefan Kimeswenger. „Seit dem ersten Foto der Andromedagalaxie sind bereits mehr als 130 Jahre vergangen.“ Am 29. Dezember 1888 machte Isaac Roberts die wahrscheinlich erste Langzeitaufnahme der Andromedagalaxie.

Während M31 bis vor einigen Jahren fast ausschließlich mit Breitbandfiltern aufgenommen wurde, um das Licht des gesamten sichtbaren Spektrums abzubilden, setzten ambitionierte Astrofotografen zunehmend neue Techniken ein. Die Galaxie wurde auch mit Schmalbandfiltern aufgenommen, die nur für eine einzige Emission bestimmter atomarer Übergänge empfindlich sind. Immer leistungsfähigere Sensoren und hochentwickelte Filter führten die Astrofotografie zu immer neuen Höhepunkten. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis Amateure das Licht des doppelt ionisierten Sauerstoffs, die so genannte [O III]-Linie, von Messier 31 bei 500,7 Nanometern einfangen“, sagt Kimeswenger. Das türkis leuchtende Licht der [O III]-Linie findet sich in allen Spiralarmen, aber auch weit außerhalb der galaktischen Scheibe. „Durch den Einsatz moderner digitaler Sensoren hat sich die Qualität der Astrofotografie in atemberaubendem Tempo verbessert“, zeigt sich der Astrophysiker beeindruckt. „Wenn die Wellenlängen von Wasserstoff und Sauerstoff nun kombiniert werden, zeigt Andromeda ein beeindruckendes Farbmosaik, das Details offenbart, die man so noch nie gesehen hatte.“

Nie zuvor beobachtete, gigantische Struktur

Der Emissionsbogen konnte nur im Lichte der türkisfarbenen Linie des doppelt ionisierten Sauerstoffs nachgewiesen werden. Der im Universum viel häufigere Wasserstoff mit seiner markanten roten Linie tritt in der Region nicht in dieser Form auf. Dieses Emissionsmerkmal wurde in der Literatur bisher noch nicht beschrieben. „Wir haben keine signifikante Hα-Emission von Wasserstoff gefunden, die mit den [O III]-Filamenten zusammenfällt, was auf ein Flussverhältnis I([O III])/I(Hα) > 5 schließen lässt“, sagt Kimeswenger. „Auch in anderen verfügbaren Durchmusterungen wurde keine offensichtliche Übereinstimmung mit der Emission gefunden (z.B. im Röntgenbereich mit ROSAT, im UV mit GALEX, im Infrarot mit IRAS, IRIS, und Planck, im optischen Bereich (DSS, SDSS) und im Radiobereich mit VLA FIRST).“

Warum diese [O III]-Emission bisher unentdeckt geblieben ist, ist eine offensichtliche Frage, die es zu klären gilt. Schwache [O III]-Emissionsnebel sind auf Bildern, welche mit Breitbandfiltern oder Farbkameras aufgenommen wurden, vom Sternenlicht überstrahlt und somit praktisch unsichtbar. „Der Grund für die späte Entdeckung des Emissionsbogens um M31 liegt in der Kombination aus der extrem geringen Oberflächenhelligkeit des Nebels und seiner ungewöhnlich großen Ausdehnung und der neuen Technogien“, resümiert Stefan Kimeswenger. „Viele der bisherigen bildgebenden Systeme sind nicht geeignet, einen so schwachen, aber so ausgedehnten Emissionsnebel zu erkennen.“

Auf der Suche nach Erklärungen

Aufgrund der, in kosmischen Zeitskalen gedacht, schnellen, nur wenige hundert bis tausend Jahre dauernden Rekombination des doppelt ionisierten O++ und dem damit verbundenen Verschwinden von [O III]-Linien, kommen nur wenige Phänomene in Frage. Gekrümmte Filament-Strukturen, wie der hier gezeigte Bogen, werden häufig in sehr alten planetarischen Nebeln (PNe) beobachtet. Das Fehlen von infraroten und ultravioletten Signalen könnte zu einem solchen Szenario eines besonders nahen PN passen. Die Modelle zeigen jedoch, dass Elektronentemperaturen von über 60.000 K erforderlich sind, um das beobachtete Linienverhältnis von ionisiertem Sauerstoff zu Wasserstoff zu ermöglichen. Um eine so hohe Erwärmung zu erreichen, sind alle potenziellen Quellen von UV-Strahlung – vor allem Weißen Zwerge – in der Region zu kalt. „Ein filamentartiger Nebel, der hell in [O III] leuchtet, welcher aber praktisch keine Wasserstoffemission aufweist, könnte auch ein Überrest einer Explosion einer galaktischeren Supernova (SNR), hoch über der Scheibe gelegen, sein“, schildert Kimeswenger. „Das Fehlen einer übereinstimmenden Struktur von Radio- oder Ultraviolett-Emissionen macht ein SNR-Szenario jedoch ebenso sehr unwahrscheinlich.“

Die Forscher des Teams halten zwei andere Szenarien für wahrscheinlicher: Entweder befindet sich der Bogen in unmittelbarer Nähe von M31 und ist durch heftige Wechselwirkungen von Stern- und Gezeitenströmen aufgrund von galaktischen Verschmelzungen um M31 entstanden. Zahlreichen dieser Gezeiten- oder Sternströme, die fast immer durch die Verschmelzung kleinerer Strukturen bei der Bildung großer Galaxien im Laufe der Jahrmilliarden umfassenden Geschichte entstehen, sind der Wissenschaft um Andromeda bekannt. „Ein Vergleich mit bisherigen Arbeiten zeigte jedoch, dass der M31-[O III]-Emissionsbogen zu keinem der bekannten stellaren Ströme passt“, so Kimeswenger. „Auch zeigt keiner der anderen bekannten Sternströme solch eine Emission des Sauerstoffs.“ Dennoch ist eine neue derartige Struktur nicht auszuschließen. Modellrechnungen zeigen schon seit längerem, dass solche gigantischen Strukturen in dieser Form existieren müssten. In diesem Fall ist das gefundene Gebilde aus über 60.000 Grad heißem Plasma fast so groß wie unsere ganze Milchstraße.

Kollision von Andromeda und Milchstraße?

Eine andere, noch spektakulärere aber spekulative Idee, ist die Entstehung der Emission durch die Kollision der äußersten dünnen Gashüllen um Andromeda mit jener unserer Milchstraße. Galaxien haben solche Gashüllen aus extrem dünnem Material, welche weit über die im Sternenlicht sichtbare Zone hinausragen. Der vom GAIA-Satelliten 2021 gemessene Vektor der Eigenbewegung von M31 zeigt genau in die Richtung des [O III]-Emissionsbogens. Gleichzeitig ist schon lange bekannt, dass sich Andromeda mit etwas über 100 km pro Sekunde auf unsere Milchstraße zu bewegt. Die Kollisionszone würde etwa auf halber Strecke zwischen den beiden Galaxien liegen. Es stellt sich also die Frage: Sehen wir hier die Wechselwirkung des äußersten Halo-Gases von M31 mit jenem der Milchstraße?

„Ein Spektrum des [O III]-Emissionsbogens würde Informationen über die Radialgeschwindigkeit liefern, die ihn entweder mit bekannten Strukturen in M31 und seinem Halo in Verbindung bringen oder eine völlig neue Komponente aufdecken könnten. Technisch gesehen ist dies aber bei einem solch schwach leuchtenden Objekt eine Grenzüberschreitung von bisher gemachtem“, so Kimeswenger abschließend zu dieser spannenden Entdeckung.

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