Wer ist schuld? Die Frage nach Selbst- und Fremdschuld am Berg
Die Freude an der Natur veranlasst immer mehr Menschen, die Nähe zu den Bergen zu suchen. Dieser Trend ist erfreulich, führt aber gleichzeitig zu einer Häufung von Bergunfällen. Komplexe Haftungsfragen entstehen, die in den allermeisten Fällen auf die Unberechenbarkeit der Natur sowie auf die Neigung des Menschen zurückzuführen sind, die eigenen Fähigkeiten der Beherrschbarkeit riskanter Situationen zu überschätzen. Gegenstand des Forschungsprojektes stellt die rechtliche Beurteilung dieser Haftungsfragen dar, wobei man durch interdisziplinäre und empirische Forschung eine Annäherung von Natur und Recht anstrebt und dadurch verschiedensten Aspekten (wie u.a. den oben erwähnten unberechenbaren Charakter der Natur, sowie auch insbesondere die Eigenverantwortung involvierter Personen) und deren Einordnung und Relevanz im Recht eingehend untersucht.
Für das Strafrecht soll insbesondere ausgelotet werden, wie mit dem in der Natur immer vorhandenen Restrisiko und dem Fehlen verbindlicher Verkehrsnormen besser umgegangen werden kann. Ferner sind Unfälle am Berg oft auf enge Täter-Opfer-Verflechtungen zurückzuführen und erfordern, die Rolle des Opfers bei eigenverantwortlichem Handeln in die strafrechtliche Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen. Zentral ist dabei, Selbst- und Fremdschuld gerechter auseinanderzudividieren. Insofern das italienische Strafrecht in Bezug auf den Eigenverantwortungsgedanken von einer noch deutlich paternalistischen Grundhaltung geprägt ist, kann eine Auseinandersetzung mit anderen Rechtsordnungen, insbesondere mit dem liberaleren österreichischen Ansatz, wertvolle Impulse liefern.
Es folgt eine Analyse dieser Sonderfaktoren aus einer natur- und sozialwissenschaftlichen Sicht. Empirische quantitative und qualitative Untersuchungen zu der Risikowahrnehmung und psychologischen Entscheidungsprozessen am Berg sollen in diese rechtliche Wertung einfließen und dazu beitragen, Haftungsfragen nach dem Schuldprinzip angemessener und gerechter auflösen zu können.
Von den Ergebnissen der Studie und dem Beitrag der externen Partner sind wichtige Impulse für die wissenschaftliche Debatte in den Rechts-, Sozial- und Naturwissenschaften zu erwarten. Darüber hinaus zielt das Projekt darauf ab, Leitlinien und gute Praktiken zu erarbeiten, die über dieses spezifische Projekt hinaus umgesetzt werden sollen. Ziel ist es, eine Risikokultur in der Bevölkerung zu etablieren und somit ein bewussteres Verhalten und mehr Sicherheit in den Bergen zu gewährleisten.