Der Komponist und Dirigent Robert Nessler (1919-1996)
Kurze Biografie, Skizzierung seines Wirkungsfeldes, Bibliografie und Diskografie
(Milena Meller)
1947 heiratete Robert Nessler Gertrude Willner (verwitwete Stich, die sich Gloria nannte, Gedichte verfasste und unter dem Namen Gloria Nessler (1917–1994)9) auch im Bestand des Brenner Archivs mit Schriftstücken Aufnahme gefunden hat), 1948 wurde der gemeinsame Sohn Fridolin geboren.
Nach dem plötzlichen Tod des Vaters Robert Nessler senior am 1. Februar 1953 sah sich Robert Nessler gezwungen, seine Mutter zu unterstützen und das Geschäft (die ab 1970 bis heute von Sohn Fridolin Nessler geführte Tabaktrafik in der Innsbrucker Maria-Theresien-Straße) zu übernehmen. 1955 heiratete Robert Nessler in zweiter Ehe die am Landestheater engagierte Tänzerin Mary (bürgerlich Margot) Jerschik (geborene Remer) (1918–1998)10).
Neben seiner Arbeit als Geschäftsmann fand Nessler nun Zeit für die Beschäftigung mit Neuer Musik und für die Komposition. Er setzte sich mit den Entwicklungen in der zeitgenössischen Musik auseinander, soweit er zu Material kommen konnte und beschäftigte sich vor allem eingehend mit den Werken der Zweiten Wiener Schule, die sich für seine eigene kompositorische Entwicklung als besonders einflussreich erweisen sollten.11) In der Folge fand Nessler (nachdem er sich – zeittypischerweise – mit Paul Hindemith auseinandergesetzt und dessen Stil nahe stehende Stücke komponiert hatte12), sich aber auch von Bela Bartók13) oder Olivier Messiaen14) faszinieren und beeinflussen hatte lassen) zu einem Kompositionsstil, der sich durch eine „freie“ und „inspirative“ Zwölftönigkeit auszeichnet.15)
Bereits im Jahre 1971 bekam Robert Nessler den Titel „Professor“ vom Bundespräsidenten verliehen.16) Nachdem er seine Tätigkeit als Komponist und Dirigent also über Jahre hinweg ohne feste Anstellung in diesem Bereich ausgeübt, nebenbei als freier Mitarbeiter (Dirigent von Rundfunkproduktionen hauptsächlich zeitgenössischer Werke) beim ORF gearbeitet und ab 1970 die Aufgaben im Geschäft seinem Sohn überantwortet hatte (der die Trafik 1982 als Inhaber übernahm), trat Robert Nessler 1974 eine Stelle am Innsbrucker Konservatorium als Lehrer für Komposition und Dirigieren an und begann seine Lehrtätigkeit in Kontrapunkt am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Innsbruck.17) Im Jahre 1977 erhielt Robert Nessler eine Anstellung als Leiter einer Kompositions- und Dirigentenklasse sowie als Lehrer für Musiktheorie am Konservatorium Feldkirch, die er bis 1984 innehatte18), 1981 kam noch ein Lehrauftrag für Musiktheorie an der Innsbrucker Zweigstelle der Musikhochschule Mozarteum dazu, der bis Herbst 1983 aufrecht blieb19).
Nesslers Kompositionen - zum überwiegenden Teil Instrumentalkompositionen – wurden großteils in Innsbruck erstmals aufgeführt, so kam zum Beispiel schon 1953 zur Eröffnung der vierten Österreichischen Jugendkulturwoche eine Festfanfare von Robert Nessler unter seinem Dirigat zu Gehör. Zuvor hatte Nessler schon einige Lieder mit Klavierbegleitung sowie Hörspiel- und Bühnenmusiken komponiert, kleinere Werke für Streicher waren bereits aufgeführt worden. Eine Vielzahl von Uraufführungen erlebte Nessler im Laufe der Jahre in Innsbruck bei der von Othmar Costa 1972 gegründeten Konzertreihe „Musik im Studio“, häufig wurden hier auch professionelle Aufnahmeproduktionen erstellt – somit ist Nesslers kompositorisches Werk weitgehend auch auf Tonbändern im Archiv des ORF Landesstudios Tirol dokumentiert.
Auswärtige (Ur-) aufführungen von Nesslers Kompositionen gab es etwa in Dresden, Leipzig und Berlin: Sein Schulfreund Otmar Suitner (Jg. 1922), der Generalmusikdirektor zunächst der Dresdner Staatskapelle und ab 1964 der Berliner Staatsoper war, dirigierte beispielsweise 1963 die Uraufführung von Nesslers Konzert für Klavier und Orchester (1961) mit der Dresdener Staatskapelle am Staatstheater Dresden. 1968 wurde dieses Klavierkonzert in mehreren Vorstellungen am Tiroler Landestheater in Innsbruck als live gespielte Ballettmusik unter dem Titel Sam und die Lilie vertanzt. Sein 1963 komponiertes und uraufgeführtes Kammerkonzert für Klarinette, Klavier und Streicher, das in reiner Zwölftönigkeit geschrieben ist, hatte Robert Nessler acht Jahre später (1971) Gelegenheit, als Gastdirigent der Berliner Staatskapelle selbst zu dirigieren. 1966 hob wiederum Otmar Suitner mit der Berliner Staatskapelle Nesslers 1. Sinfonie in einem Satz aus der Taufe. Seine kurz darauf (1966) komponierte 2. Sinfonie unterscheidet sich von der 1. Sinfonie oder anderen vorhergehenden Werken (wie etwa den Motionen 1964 für sieben Soloinstrumente, die in der damaligen Rezeption als „schmerzhaft“ und in ihrer in der Tradition Anton Weberns stehenden Faktur als irritierend empfunden wurden) insofern, als dass Nessler hier nach eigenen Worten ein „möglichst homogenes Zusammenschmelzen tonaler und dodekaphoner
Seine letzten Lebensjahre war Robert Nessler durch gesundheitliche Probleme zunehmend beeinträchtigt, was schließlich dazu führte, dass er ab 1994 in einem Pflegeheim in Hall in Tirol lebte, wo er am 18. 12. 1996 verstarb.
Bibliografie:
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Ludescher, Andrea: „Robert Nessler, Porträt eines Tiroler Musikers“, Dipl. Musikerziehung, MHS Mozarteum, Innsbruck, 1993.
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Riester, Albert: „Tiroler Komponisten des 20. Jahrhunderts“ in: Österreichische Musikzeitschrift 25, 1970, Heft 11: S.704-708.
Lexikoneinträge:
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Frank, Paul / Altmann, Wilhelm (Hg.): „Nessler, Robert“ in: „Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon. Zweiter Teil: Ergänzungen und Erweiterungen seit 1937“ Bd. 2, Wilhelmshaven, 1978: S. 376.
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Goertz, Harald: „Nessler, Robert“ in: Österreichischer Musikrat (Hg.): „Beiträge ´94. Österreichische Komponisten unserer Zeit“ (Beiträge der Österreichischen Gesellschaft für Musik, Bd. 9), Kassel, 1994: S. 103.
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Günther, Bernhard (Hg.): „Nessler, Robert“ in: „Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich: Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts“, mica, Wien, 1997: S.770-771.
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ChF (Christian Fastl): „Nessler, Brüder“ („Nessler, Siegfried“ und „Nessler, Robert“) in: Flotzinger, Rudolf (Hg.): „Oesterreichisches Musiklexikon“, Bd. 3, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien, 2004: S. 1594.
Diskografie:
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„Robert Nessler: Eine Dokumentation.“ CD, Brenner Forum (Hg.), Rotas 19/89, Innsbruck 1989.
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„Vita et mors“ für Orgel (1961) auf „Vita et mors – Orgelmusik Tiroler Komponisten“, CD, Südtiroler Künstlerbund (Hg.), SKB 01 65.11
1)Andrea Ludescher: Robert Nessler, Porträt eines Tiroler Musikers. Dipl. MHS Mozarteum, Innsbruck 1993: S. 8.
2)Vgl. Ebenda.: S.10-12.
3)Verifizierung dieser Jahreszahl durch das Akademische Gymnasium war leider nicht möglich, da die diesbezüglichen Akten (wegen Umbaus) nicht eingesehen werden konnten.
4)Bisher konnte das Abschlussjahr leider noch nicht eruiert werden.
5)Flotzinger, Rudolf (Hg.): Österreichisches Musiklexikon, online-Version, Wien, 2002: Nessler, Robert.
6)Gespräch der Autorin (Milena Meller) mit Robert Nessler am 11.2.1987.
7)Vgl. Andrea Ludescher: Robert Nessler, Porträt eines Tiroler Musikers. Dipl. MHS Mozarteum, Innsbruck 1993: S. 17.
8)Vgl. Ebenda: S.20-21.
9)Lebensdaten laut Mitteilung von Fridolin Nessler, 09.11.05
10)Ebenso.
11)Vgl. Andrea Ludescher: Robert Nessler, Porträt eines Tiroler Musikers. Dipl. MHS Mozarteum, Innsbruck 1993: S. 24-25.
12)Vgl. Ebenda: S.93.
13)Vgl. Ebenda: S.94.
14)Vgl. Ebenda: S.98/99.
15)Vgl. Ebenda: S. 27.
16)Kopie der Urkunde zur Verleihung der Ehrenprofessur, datiert auf den 1. Oktober 1971, befindet sich im Nachlass.
17)Die zeitliche Richtigkeit dieser Angaben konnte bisher noch nicht bestätigt werden.
18)Bestätigt durch Vorarlberger Landeskonservatorium Feldkirch.
19)Laut Mitteilung der Personalabteilung der Universität Mozarteum Salzburg: Lehrauftrag für Musiktheorie vom 1.11.1981 – 30.9.1983.
20)Vgl. Andrea Ludescher: Robert Nessler, Porträt eines Tiroler Musikers. Dipl. MHS Mozarteum, Innsbruck 1993: S.105-112.
21)Ebenda: S.118.
22)Ebenda: S.139.