Panel 6: Corona sound(s)

Dominik Aukenthaler

Abstract

Corona sound(s): die Pandemie hören

Im Panel 6 referierte ein Forschungsteam der Medical Humanities der Universität Innsbruck zum Oberthema „Corona sound(s): Pandemische Geräuschkulissen zwischen Kakophonie(n) und (lautem) Schweigen“. Die Vorträge gewährten Einblick in das Forschungsfeld der „sound studies“, die interdisziplinär ausgerichtet sind und aus kulturwissenschaftlicher Sicht den Klang erforschen. Eröffnet wurde dieses Panel mit dem Vortrag „Wi(e)der die Rhetorik von Alarm und Krieg? Pandemische Lärm- und Geräuschkulissen im Spiegel der Literatur – Albert Camus‘ „La Peste“: Bestandsaufnahmen – Funktionen – aktuelle Bezüge“ von der Prof.in für Romanistik Julia Pröll (Innsbruck). Sie analysierte die Geräuschkulisse im Roman „La Peste“, der im Jahr 1947 von Albert Camus verfasst wurde. In diesem beschreibt Camus aus der Sichtweise des Arztes Rieux das Auftreten der Pest in der algerischen Stadt Oran. Während in der Stadt vor dem Ausbruch der Pest lebhaftes Treiben vorherrschte, verstummte mit dem Auftreten jegliche Kommunikation. Auf den Straßen war fortan nur mehr ein regelmäßig auftretendes Pfeifen, das im Werk mit der Pest in Verbindung gebracht wird, zu hören. Zum Höhepunkt der Epidemie wurden die Töne immer eintöniger. Während dem bimmelnden Krankenwagen zunächst noch große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wurde der Ton zunehmend zur Gewohnheit und verlor schlussendlich auch seine Resonanz. Mit der Zeit wurde dadurch, dass der Klang mit noch viel schlimmeren „sounds“ der Pest, wie beispielsweise den lodernden Bränden in den Krematorien, in Beziehung gesetzt wurde, sogar das Bimmeln von der Bevölkerung als friedlicher Wohlklang wahrgenommen. In ähnlichen Situationen, wie sie im Buch beschrieben werden, befindet sich derzeit auch das Pflegepersonal, dem mit Applaus von den Balkonen gedankt wurde. Frau Pröll ist sicher, dass Rieux den Applaus der Balkone nicht als Ehre wahrgenommen, sondern viel eher als störend empfunden hätte, da er für das Ausüben seines Berufes kein Extralob hätte erhalten wollen.

Den zweiten Vortrag mit dem Titel „Schreckenslaute für die Menschheit. Geräuschkulissen von Cholera-Epidemien im Spiegel von Selbstzeugnissen des 19. Jahrhunderts“ präsentierte Maria Heidegger (Innsbruck). Dazu wurde einem Essay von Heinrich Heine, der seine Erfahrungen des Choleraausbruchs in der Großstadt Paris im Jahr 1832 festhielt, das damals noch ländliche Meran gegenübergestellt – und zwar anhand einer Chronik in einem Tagebuch, das von einem Lehrer angefertigt wurde. Im Zuge des Choleraausbruches in Paris konnte Heine sehr gut den Wandel vom Lärm hin zur Stille in den Boulevards und Salons von Paris nachvollziehen. Die wenigen Menschen, die sprachen, verwendeten nur sehr wenige und gedämpfte Töne. Zudem war es zum selben Zeitpunkt verpönt, das Wort Cholera in den Mund zu nehmen, da die Mediziner davor warnten, dass das Reden über die Cholera krank machen würde. Aus demselben Grund wurde während des ersten Corona-Lockdowns in einer Pressemeldung berichtet, dass es den Besucher*innen in einem römischen Café untersagt wurde, über Corona zu sprechen. Im Sommer 1836 wurde auch Meran von der Cholera heimgesucht. Während noch vor dem Ausbruch der Klang der Kirchenglocken dem Alltag eine Struktur verlieh, läutete die Sterbeglocke zunächst nur mehr zweimal am Tag und nicht bei jedem einzelnen Todesfall, ehe der Klang mit einer Zunahme der Todesfälle endgültig verstummte. Mit dem Abflachen der Epidemie kehrte nicht nur der Klang der Kirchenglocken zurück, sondern, so der Lehrer, seien nun auch wieder öfter die Vögel zu hören gewesen. Beide Quellen verdeutlichen, dass Pandemien stets auch in Form von Klangereignissen auftreten und deren Analyse zu einem besseren Verständnis der aktuellen Situation beitragen können.

Das Panel schloss mit dem Vortrag der Translationswissenschaftlerin Cornelia Feyrer (Innsbruck) „Hören Sie die Welt“ oder „Killnoise“. Wie klingt Risiko? Translationssoziologische (Sound)Perspektivierungen von Interkulturalität in der Krisenkommunikation“. Feyrer beschäftigte sich mit der Risikokommunikation in Zeiten von Pandemien. Im Zentrum stehen Töne als Medien der Kommunikation. Zudem muss man laut Feyrer beachten, dass Laute nicht universal seien, sondern sich von Sprache zu Sprache unterscheiden könnten und auch von den Rezipient*innen unterschiedlich wahrgenommen würden. Dieses Phänomen gelte es auch im Inland bei einer multikulturellen Umgebung zu beachten.

Rückblickend fand ich alle drei Vorträge sehr interessant, da ich mich im Vorfeld noch nie mit dem Forschungsfeld der „sound studies“ beschäftigt habe. Dadurch wurde mir bewusst, dass nicht nur schriftliche und mündliche Quellen für die Geschichtsschreibung von Relevanz sind, sondern auch Klänge, Töne und Laute. Je nach Dauer, Intensität, Höhe und Tiefe können diese ganz unterschiedliche Botschaften zum Ausdruck bringen. Töne spielen auch in der Prophylaxe von Corona eine Rolle, denn mittlerweile gibt es bereits Apps, die über das Husten versuchen zu ermitteln, ob jemand mit Corona infiziert ist.

(Dominik Aukenthaler)

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