Panel 15: Wirtschaftliche Perspektiven

Dominik Aukenthaler, Daniela Haas

Abstract

Wirtschaftliche Perspektiven auf die Corona-Krise

Im Panel 15, das unter der Leitung von Wolfgang Meixner (Innsbruck) abgehalten wurde, referierten vier Historiker*innen der Universität Innsbruck über den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft.

Dieses Panel wurde von Andreas Exenberger (Innsbruck) mit dem Vortrag „Eine Weltsystem-Perspektive auf eine potenzielle Wasserscheide. Corona im Lichte langer Konjunkturzyklen“ eröffnet. Im Rahmen des Vortrages beschäftigte sich Exenberger mit der Frage, ob sich das kapitalistische Weltsystem, in dem wir uns seit rund 500 Jahren befinden, bedingt durch die Corona-Pandemie an einem sogenannten Bifurkationspunkt befindet. Ein solcher sei dadurch gekennzeichnet, dass ein eigentlich stabiles System ins Schwanken gerät, wodurch die zukünftigen Entwicklungswege in verschiedene Richtungen gehen können. Hinsichtlich der aktuellen Lage formulierte Exenberger folgende Hypothesen: Zunächst geht er davon aus, dass ein Wandel sehr wahrscheinlich eintreten wird, da wir uns derzeit in einer Phase von multiplen Krisen und Unsicherheiten – Klimakrise, Finanzkrise (2008), Demokratiekrise, Gesundheitskrise und Armuts- beziehungsweise Verteilungskrise – befinden. Zudem sei eine Zunahme an hegemonialer Konkurrenz, allen voran zwischen den USA und China, festzustellen. Ob die Corona-Pandemie tatsächlich einen solchen Bifurkationspunkt darstellt, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage war für mich insbesondere spannend, da mir dadurch bewusst wurde, dass wir uns derzeit in einer Transformationsphase befinden und die Corona-Pandemie im Zusammenspiel mit den anderen Krisen nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Konsequenzen haben wird und das bestehende System möglicherweise ins Schwanken gerät. 

Während des ersten Lockdowns im März betonte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass Europa einen neuen grünen Marshallplan benötige. Damit setzte sich der Historiker Robert Groß (Innsbruck) im Rahmen seines Vortrages „Ein neuer (grüner) Marshall-Plan für Europa? Konzepte des Wiederaufbaus aus umwelthistorischer Perspektive“ auseinander. Groß setzte damit ein, dass der Energieverbrauch seit dem Jahr 1800 massiv angestiegen sei. Die historischen Energietransitionen erfolgten additiv und kumulativ, wodurch ein gesteigerter Energieverbrauch eintrat. Dieser ging mit einer Koppelung an materiellen Beständen einher, was zu weitreichenden Nachhaltigkeitsproblemen führte. Eine mögliche Antwort darauf stellt die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum, Material- und Energieflüssen dar. Am Ende des Vortrages unternahm Groß den Versuch, den aktuellen Stand der Entkoppelung zu beschreiben. Das Ergebnis ist meiner Meinung nach jedoch sehr ernüchternd. Obwohl ein grünes Wachstum derzeit als politisch wichtig gesehen wird, setzt keine oder nur eine relativ geringe Entkoppelung ein. Aus der Forschung geht eindeutig hervor, dass bis dato keine absolute Entkoppelung erzielt werden konnte.

Im Rahmen des dritten Vortrages dieses Panels referierte der Professor für Umweltökonomik Markus Ohndorf (Innsbruck) zum Thema „Ökonomisch-fundierte Klimapolitik nach der Corona-Erfahrung“. Gleich zu Beginn seiner Ausführungen betonte er, dass derzeit zwei verschiedene Krisen zusammenfallen, nämlich die Corona-Pandemie und die Klimakrise, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Auch wenn man auf den ersten Blick glauben könnte, dass die Reduktion an CO2-Emissionen infolge des ersten Lockdowns einen positiven Beitrag zum Erreichen der 1,5° Celsius und 2° Celsius-Klimaziele darstellen könnte, ist der durch den Lockdown stattgefundene Produktions- und Konsumverzicht nicht ausreichend. Das heißt, diese kurzfristigen politischen Maßnahmen haben langfristig wenig Relevanz für die klimapolitischen Ziele. Am Ende seines Vortrages reflektierte Professor Ohndorf über drei konkrete Maßnahmen, die sich langfristig auf den Klimaschutz auswirken könnten. Neben einer Förderung der Baubranche, bei der klimafreundliche Investitionen einen Zuschuss erhalten und so zu wesentlichen neuen Perspektiven der Stadtentwicklung beitragen können, schlug er auch Innovations-Boni, wie beispielsweise eine Förderung von Fernarbeit, wodurch es zu einer Reduktion der CO2-Emissionen kommt, vor. In Österreich sah er großen Handlungsbedarf hinsichtlich der Förderung der nachhaltigen Mobilität. Eine Möglichkeit hierfür stellt die Integration von verschiedenen Verkehrsmodi dar.

Beim letzten Vortrag „Der gesellschaftliche Umgang mit Corona aus verhaltensökonomischer Sicht“ rückte die Universitätsassistentin Katharina Momsen (Innsbruck) die Verhaltensökonomik in den Mittelpunkt. Sie konzentrierte sich bei ihren Ausführungen darauf, wie die einzelnen Personen mit den Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie von der Politik beschlossen wurden, umgehen. Als Basis hierfür betonte sie, dass das menschliche Verhalten in einem Widerspruch zum homo oeconomicus, der seine Entscheidungen auf Basis einer rationalen Nutzenmaximierung trifft, steht und wir in unserem Alltag soziale Präferenzen haben, nach Heuristiken handeln und die Darstellung eines Problems die jeweilige Entscheidung beeinflusst. Um grundsätzlich Verständnis für die Corona-Maßnahmen zu erreichen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen die Erkenntnis, dass das Virus gefährlich ist und zum anderen jene, dass die angeordneten Maßnahmen wirksam und sinnvoll sind. Trotzdem stehen nicht alle Personen hinter den Entscheidungen der Politik. Dafür sieht Frau Momsen folgende Gründe: Die Menschen suchen sich Informationen, die für sie bequem sind und zu ihrem Weltbild passen. Zudem vertrauen sie stärker Peers anstelle von Unbekannten, wie beispielsweise den Nachrichtensprecher*innen. Das Einhalten der Maßnahmen fällt uns auch deshalb so schwer, weil wir im Jetzt leben und die Gegenwart viel stärker gewichten als die Zukunft. Eine Ursache sei auch, dass wir stets in Vergleichen denken und uns vorstellen, wie das Leben ohne Lockdown wäre, und schließlich, dass wir uns selbst als unverwundbar ansehen. Frau Momsen beendete ihren Vortrag mit einem Blick auf die politischen Maßnahmen. Dabei präferierte sie „Nudges“, eine Methode, die darauf abzielt, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei Gebote oder Verbote heranzuziehen, gegenüber dem harten Weg von Strafen.

Sämtliche Vorträge beschäftigten sich mit dem Einfluss und den Folgen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft. Sie alle machten klar, dass Krisen (und Pandemien) die Grundlagen und die Grundausrichtung unseres Wirtschaftssystems stören. Wie stark und welche Veränderungen die Pandemie hervorrufen wird, ist noch nicht absehbar. Wie Ohndorf in seinem Vortrag thematisierte, wird es unabhängig davon dringend Veränderungen benötigen, um die Klimaziele erreichen zu können. Wie im Rahmen der abschließenden Diskussion thematisiert wurde, gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen dem historischen Marshallplan und dem Vorschlag von Ursula von der Leyen, nämlich den, dass beim Marshallplanen nicht jene Regionen am meisten gefördert wurden, die am meisten zerstört wurden, sondern jene, die am zukunftsfähigsten waren. Dies ist derzeit nicht der Fall, denn die meisten Unterstützungen erhielten die Airlines, die wesentlich zur Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur beitragen. Obwohl ein Konsumverzicht schwerfällt, kann die Corona-Pandemie einen Denkanstoß bewirken.

(Dominik Aukenthaler)

Wirtschaftliche Perspektiven – ein Round Table

Unter der Leitung von Wolfgang Meixner, der selbst Wirtschaftshistoriker ist, wurden in Panel 15 der Corona Tagung an der Universität Innsbruck wirtschaftliche Perspektiven auf die weltweite Corona Pandemie gegeben.

Andreas Exenberger, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Fakultät für Volkswirtschaft und Statistik an der Universität Innsbruck, präsentierte eine Weltsystem-Perspektive, die Corona im Lichte langer Konjunkturzyklen mit Hinweisen auf eine potenzielle Wasserscheide darstellte. Robert Groß, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck bot Einblicke in ein mögliches Konzept des Wiederaufbaus aus umwelthistorischer Perspektive mit dem Vortragstitel: Ein neuer (grüner) Marshallplan für Europa? Markus Ohndorf, ebenfalls Professor an der Universität Innsbruck, behandelte in seinem Vortrag die Frage nach einer Ökonomisch-fundierte Klimapolitik nach der Corona-Erfahrung.  Schließlich bot Katharina Momsen vom Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck einen Einblick in ihre Forschung unter dem Titel: Der gesellschaftliche Umgang mit Corona aus verhaltensökonomischer Sicht. Trotz des auf den ersten Blick nicht rein wirtschaftlichen Themas, reihte sich auch dieser Vortrag perfekt in die drei vorherigen an, da klar dargelegt wurde, dass Volkswirtschaft mit dem Leben zu tun hat und mit der menschlichen Reaktion bzw. dem Verhalten auf bestimmte Situationen zusammenhängt.

Andreas Exenberger ging es vor allem darum, eine mögliche Weltsystem-Perspektive (Immanuel Wallerstein) zu geben, die sich anhand der aktuellen Situation in einer longue durée (Fernand Braudel) ergeben könnte. In der momentanen Krisensituation, die wir als eine qualitativ andere als die normale Zeit wahrnehmen, eventuell oder bestenfalls sogar als eine Kairos bzw. günstige Zeit um Entscheidungen zu treffen, könnte diese, von uns schon länger als instabile Phase wahrgenommene Zeit, ein Indiz dafür sein, dass wir jetzt die richtigen Weichen stellen müssen, um das bisherige System resilienter zu machen oder auch um einen Übergang in ein neues System mitgestalten zu können. Exenberger nahm Bezug auf die Theorie der Konjunkturwellen des sowjetischen Ökonomen Nikolai Kondratjew und ging auf Zusammenhänge zwischen Aufschwungphasen, in denen Leitinnovationen die Weltwirtschaft umorganisieren und nach einer Sättigungsphase wieder in eine Abschwungphase übergehen, um wiederum Raum für neue Schlüsseltechnologien zu schaffen, ein. Was diese Theorie der Langen Wellen aber auch die in der sozialwissenschaftlichen Systemforschung anerkannte Theorie des Bifurkationspunkts, die sich mit zukünftigen Entwicklungswegen und denkbaren Endzuständen nach Phasen von massiven Schwankungen beschäftigt, gemeinsam haben, ist die Schwierigkeit, eine fundierte Prognose für die Zukunft zu liefern. Ob die Coronakrise einen Bifurkationspunkt darstellt, wird sich natürlich nur retrospektiv analysieren lassen. Allerdings wiesen Exenbergers Hypothesen darauf hin, dass wir uns einerseits in einer Zeit multipler Krisen (Klima-, Demokratie-, Gesundheits-, Armuts- bzw. Verteilungskrise), offener hegemonialer Konkurrenz und dem bröckelnden Glauben an Autoritäten befinden, die aber, im Gegensatz zu früher, auf eine labilere Systemdynamik treffen und auf einen uns wahrscheinlich relativ rasch bevorstehenden Systemumbruch hinweisen. Zu hoffen sei, dass das verstärkte Bewusstsein für ökologische Balance neue Technologien für eine Abkehr von fossilen Treibstoffen hervorbringt. Auf die Frage, warum Pandemien bisher in den Konjunkturzyklen keinen massiven Impact hatten, sondern ein solcher nur durch große globale Konflikte und Kriege sowie extreme Naturkatastrophen ausgelöst wurde, und warum Exenberger in der Corona Krise trotzdem diesen starken Einschnitt sieht, antwortete er folgendermaßen: Er sieht vor allem in der Dynamik der Konkurrenzsituation, in die sie uns hineinführt, das potenzielle Risiko von Systemdynamikstörungen oder Unterbrechungen, da unser derzeitiges instabiles System nicht so resilient darauf reagieren kann und kleine Anpassungen im System nicht reichen werden, um die Einschnitte nach der Corona Krise wieder auszugleichen. Mir selbst hat Andreas Exenbergs Vortrag klar gemacht, dass wir alle, bewusste Entscheidungen treffen müssen, um in die richtige Richtung und in eine gute Zukunft gehen zu können - Entscheidungen im Großen und im Kleinen sind wichtig. Nicht zu entscheiden wäre aber auch eine Entscheidung. Niemand weiß, ob die Coronakrise nicht doch dieser Bifurkationspunkt ist, an dem es wichtig ist, die richtige Abzweigung in ein neues System zu nehmen.

Die Ausführungen von Umwelthistoriker Robert Groß stellten den Unterbau eines möglichen neuen, grünen Marshallplans als ein Konzept für Europa vor. Die EU möchte Investitionskapital zur Verfügung stellen, um wirtschaftliche Rezession zu bekämpfen, aber auch Investitionen in saubere Energie, intelligente Kreislaufwirtschaft und zukunftstaugliche Verkehrssysteme unterstützen. Zu Beginn ging Groß auf die Geschichte des Marshallplans ein und erläuterte den Anteil, den dieser damals bei der Durchsetzung des Wirtschaftswachstumsparadigmas hatte. Um Nationalökonomien miteinander vergleichen zu können, verpflichteten sich die Teilnehmerländer des Marshallplans dazu, ihre nationale volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu harmonisieren und mittels BIP abzubilden – wobei der OIC (späteren OECD) hier eine Vermittlerrolle zukam. Weiters führte er aus, welche Anstöße im europäischen Energiesystem durch den Marshallplan beschleunigt wurden. Mit der Durchsetzung des Wachstumsparadigmas ging eine sukzessive Transition und eine Überlagerung des Energiesystems von Kohle zu Erdöl einher. Die Summe an vorhandener Energie in Europa und damit auch der Konsum erhöhte sich. Daher wäre es für den Wiederaufbau nach der Corona Krise und einen neuen, grünen Marshallplan von bedeutender Wichtigkeit, Investitionen in die Energiewende zu berücksichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, dass künftige Energietransitionen wieder additiv und kumulativ zu einem steigenden Gesamtenergieverbrauch führen. Eine weitere Herausforderung stellt laut Groß die Entkoppelung des Wirtschaftswachstums von Material, Energieverbrauch und Treibhausgasen dar. Von Entkoppelung könne man dann sprechen, wenn die Wirtschaft so gestaltet wird, dass das BIP wächst aber die Umweltbelastung entweder relativ oder absolut sinkt. Diese Entkopplung, die in den westlichen Industrienationen bis jetzt nicht durchgesetzt werden konnte, müsse daher eine ganz zentrale Rolle in Post-COVID Wiederaufbauplänen oder einem neuen, grünen Marshallplan spielen, um die Klimaziele erreichen zu können.

Der Umweltökonom Markus Ohndorf, dessen Forschungsschwerpunkte in der angewandten Mikroökonomik liegen, begann seinen Vortrag mit einer Grafik, die erschreckend veranschaulichte, dass der positive Effekt durch die weltweiten Corona-Lockdowns auf die CO²-Konzentration in der Atmosphäre, keinen wesentlichen Beitrag für die nötige Emissionsreduktion lieferte, um das 1,5 Grad Erderwärmungsziel zu erreichen. Die Entwicklungen während der Corona Krise zeigen klar, dass der Verzicht auf Konsum und die Produktionsreduktion allein nicht ausreichen wird, um die Klimaziele zu erreichen. Er wies darauf hin, dass CO²-intensive Unternehmen einerseits stark unter den Corona Lockdowns gelitten haben, gleichzeitig aber auch vom Rückgang des Konsums betroffen waren. Obwohl diesen CO²-intensiven Industrien und Sektoren eigentlich ein Signal gegeben werden sollte, CO²-Intensität zu reduzieren, würde laut Ohndorf nun die Gefahr bestehen, dass genau diese Industrien und Sektoren durch konjunkturpolitische Maßnahmen zur volkswirtschaftlichen Stabilisierung gefördert würden. Österreich hat hier aber in Bezug auf Klimapolitik fiskalische Stimuli in die richtige Richtung gesetzt. Neben konjunkturpolitischen Sofortmaßnahmen sowie verteilungspolitischen Komponenten wurde im Investitionsprämiengesetz explizit ausgenommen, dass klimaschädliche Neuinvestitionen gefördert werden. Im Gegenzug dazu soll es für klimafreundliche Investitionen Zuschüsse von 7 bis max. 14 Prozent der Investitionskosten geben. Abschließend führte Ohndorf weitere klimapolitische Maßnahmen an. So müsste sich in der individuellen Mobilität noch einiges verbessern. Investitionen in die Schiene aber auch der mikro-öffentliche Verkehr für den ländlichen Raum sollten gefördert werden. Die Bau- bzw. Energiebranche solle Konzepte für Stadtentwicklung, privaten Wohnbau, Energienetzwerke für Wärme/Kühlung auf emissionsärmere Lösungen hin ausrichten. Und was wir alle in der Pandemie positiv feststellen konnten, Fernarbeit funktioniert, kann noch optimiert werden, aber reduziert ebenfalls und jedenfalls CO²-Emission. An Ohndorf richtete sich die Frage, wie sich der Zielkonflikt zwischen Umwelt und Sozialpolitik, also die Befürchtung, ärmere Haushalte würden stärker unter einer Emissionsbesteuerung leiden, lösen lassen könnte. Laut ihm gäbe es keine ihm bekannte Öko-Steuerreform, die diesen vordergründigen Konflikt nicht durch Direktzahlungen an ärmere Haushalte berücksichtigen würde. Während der Pandemie war es wichtig, kurzfristige Subventionen für Menschen mit Einkommenseinbußen und auch für CO²-intensive Industrien zur Unterstützung der Volkswirtschaft zu tätigen. Für die Schaffung eines klimaneutralen Europas bis 2050 hätten diese Notmaßnahmen aber weniger Einfluss. Viel wichtiger seien zukünftigen Impulse, wie zum Beispiel der European Green Deal, die klimapolitisch in die richtige Richtung gehen würden.

Dazu meldete sich Herr Groß zu Wort, und ergänzte sogenannte „Co-Benefit Effekte“, die einerseits positive Effekte auf das sozioökonomische System erzielen, gleichzeitig positive Effekte auf die Umwelt bzw. das Klima haben und zu Entkopplungseffekten führen sollen. Als Beispiel führte er an, welchen Co-Benefit es haben würde, wenn mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren würden. Das wären einerseits positive Effekte auf die individuelle Gesundheit und auf die globale Umwelt. Vorhaben über zukünftige Kürzungen im Gesundheitssystem hätten seiner Meinung nach keinen Co-Benefit Effekt, denn um Wirtschaft vom Umwelt Impact zu entkoppeln sollte der Dienstleistungssektor, zu dem der Care-Sektor mit Pflege und der Gesundheitsvorsorge gehört, gestärkt werden. Somit wären mehr Menschen in Beschäftigung ohne neue Emission zu produzieren. Die „Rezepte“ wären also da und sollten von der Politik umgesetzt werden.

Zu dem Diskussionspunkt, ob unabhängig davon, wie klimaschädlich gewisse Sektoren sind, Subventionen als Corona Notfallmaßnahmen ausgeschüttet werden sollen, verwies Herr Groß ganz deutlich auf die Idee des Marshallplans nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem nicht jene Industrien gefördert wurden, die am stärksten zerstört waren, oder jene Regionen am stärksten unterstützt wurden die den größten Schaden genommen haben, sondern es wurden ganz aktiv jene Bereiche unterstützt, die am zukunftsträchtigsten waren. Die Frage, wo denn eigentlich unsere Zukunft liegen solle, wäre zu diesem Zeitpunkt also die wichtigste Frage, die es für uns alle zu beantworten gelte.

Katharina Momsen, deren Forschungsschwerpunkte in der Verhaltens- bzw. Experimentalökonomik liegen, rundete das Panel mit ihren Ausführungen zur verhaltensökonomischen Sicht auf den gesellschaftlichen Umgang mit Corona ab. Um Verständnis für die Corona-Maßnahmen zu haben, brauche es zwei Haupteinsichten, einerseits, dass Corona gefährlich ist und andererseits, dass die Maßnahmen sinnvoll sind. Warum es uns, auch wenn wir diese Einsichten haben, trotzdem so schwerfällt, uns an die Corona-Maßnahmen zu halten, erklärte sie mittels ökonomischer Erklärungsansätze. Die erste Hürde, die wir aufbringen müssten, sei es, Zeit aufzuwenden, um fundierte Informationen zu suchen und zu finden. Menschlich ist aber auch, unbequeme Informationen, Fakten, die vielleicht aus nicht glaubwürdigen Quellen stammen oder die nicht in das jeweilige Weltbild passen, zu vermeiden. Generell schwierig für uns sieht Momsen unseren Umgang mit Kausalität und Korrelation. Warum haben wir die erste Corona-Welle in Österreich relativ gut überstanden? Weil das Corona-Virus doch nicht so schlimm war, ich kenne ja niemanden, der Corona hatte und die Maßnahmen waren daher überzogen – oder: Ich kenne deswegen niemanden, der Corona hatte, weil die Maßnahmen genau richtig waren, um das Corona-Virus einzudämmen. Weiters gewichten wir die Gegenwart stärker als die unsichere Zukunft und wir gewichten und leiden unter Verlusten stärker als wir Gewinne gewichten. Wir müssen uns heute einschränken, Masken tragen, soziale Kontakte vermeiden, und weil wir alle das Heute besonders stark gewichten, fällt es uns besonders schwer, für die Zukunft der Allgemeinheit, die uns natürlich nicht so nahesteht wie unser soziales engeres Umfeld, das alles zu opfern. Daher wäre es für den Einzelnen optimal, wenn sich alle anderen einschränken, damit man selbst Trittbrett fahren könne auf dem, was die anderen dazu beitragen – dieses Problem kennen wir auch beim Umweltschutz. Die Politik ist gefordert, Schritte zu setzen, damit wir uns an Maßnahmen halten. Zum harten Weg zählt die Bestrafung. Je nach Höhe der Strafe oder der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, halten wir uns tendenziell mehr oder weniger an die Verordnungen. Der sanftere Weg ist, den Entscheidungsrahmen zu verändern – mit sogenannten Nudges. Dazu zählen beispielsweise in verschiedenen Medien zielgruppenspezifisch gesetzte Appelle zur Einhaltung der Regeln, aber auch Fehlinformationen zu kennzeichnen, Statistiken mit Leben zu füllen, sowie die täglich für uns alle sichtbaren Aufkleber am Boden, mit Hinweisen zum Sicherheitsabstand oder zur Maskenpflicht. Eine Frage, die an Frau Momsen gestellt wurde, war, ob der Verweis in Medien, dass sich sehr viele an die Corona-Maßnahmen halten, um eine Vorbildwirkung auszulösen, nicht auch ins Gegenteil umschlagen könnte und mehr Trittbrettfahrer hervorrufen würde. Sie antwortete, dass es Forschungen aus der Umweltökonomik gebe, in denen der Energieverbrauch einzelner Haushalte mit dem der Haushalte in der Nachbarschaft verglichen wurde – wenn ein Haushalt mehr Energie verbrauchte als die anderen in der Nachbarschaft, dann war hier der Nacheiferungseffekt, Energie einzusparen, sehr hoch. Ob dies auf die Corona-Maßnahmen umzulegen sei, müsse erst erforscht werden. Was aber sicher eine wichtige Rolle dabei spiele sei, ob ich mich in meiner Peergroup angesprochen fühle, daher ist eine zielgruppenspezifische Ansprache sehr wichtig.

(Daniela Haas)

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