Erfahrungsbericht meines Auslandssemesters in Montréal, Kanada von Jänner bis Mai 2017

Von Rita Gsenger

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Von Jänner bis April 2017 durfte ich ein Trimester an der Université de Montréal in der Provinz Québec in Kanada studieren. Dabei habe ich Einblicke in die Kultur des großen weißen Nordens machen dürfen–von der Sprache über das Klima bis hin zur kanadischen Freundlichkeit durfte ich viele spannende Erfahrungen machen.

1. Die Bewerbung

Meine Entscheidung, mich für die Université de Montréal zu bewerben war schnell getroffen: mein Interesse galt der französischen Sprache, der kulturellen Region und der Universität, die für mich sehr spannende akademische Themengebiete anbietet. Ich habe mich am Tag der offenen Tür des Zentrums für Kanadastudienberaten lassen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen und habe dann angefangen diese lange Liste mit den Bewerbungsunterlagen abzuarbeiten. Die Frist für die erste Runde der Bewerbungen für Herbst war im Februar angesetzt und da ich fast ein Jahr früher angefangen habe, mich damit auseinanderzusetzen, hatte ich genügend Zeit, alles zu organisieren. Um einen Sprachnachweis zu erbringen musste ich erst einen Französischkurs machen, der Lehrer war so nett mir dann mein Niveau zu bestätigen, da die Universität das leider nicht macht. Es galt noch ein Empfehlungsschreiben zu organisieren und ein Bewerbungsschreiben zu verfassen, wobei mir sehr geholfen hat, mir selbst klar zu machen, warum ich wirklich dahin will und das dann zu verschriftlichen. Nachdem ich alles abgegeben hatte wartete ich nervös und sehnsüchtig auf eine Nachricht des Kanadazentrums und habe gegen Ende wohl fast alle 10 Minuten meine Nachrichten überprüft. Dann endlich kam das Nominierungsmail und nach einigen Freudenschreien ging der Bewerbungsprozess weiter. Ich hatte mich für zwei Semester beworben und wurde für das Wintersemester, das bedeutet von Jänner bis April, nominiert. Nach einer Überarbeitung meiner Bewerbung und kleinen Problemchen, da ich das mit den Semestern, also wann die jetzt wie genau sind nicht so schnell verstanden hatte, war alles abgeschickt und die Warterei ging wieder los. Nun erhielt ich einen Zugangscode für das Online System der Universität Montréal, wo der Status der Studierenden, in diesem Falle mein Bewerbungsstatus, entweder als rotes Kreuz oder grünes Hakerl aufschien. Nach zahlreichem Einloggen und Wieder-Nachsehen und immer noch bloß ein „in Bearbeitung“ kam endlich das Grüne Hakerl und meine Kanada Pläne konnten konkret werden.

2. Vorbereitung und Anreise

Nun gab es einiges zu erledigen, ich wusste das Semester beginnt am 5. Jänner und es wäre auf jeden Fall gut, einige Tage früher da zu sein. Ich hatte das Glück, dass meine Schwester in Boston studiert, so bin ich schon im Dezember zu ihr geflogen und habe dort in Ruhe meinen Jetlag auskuriert. Meinen Flug nach Montréal habe ich dann für den 2. Jänner gebucht. Die formellen Einreisebestimmungen, vor allem das eTA galt es auszufüllen, auch für die USA musste ich ein Formular online ausfüllen. Das dauert bloß 10-15 Minuten und ist normalerweise kein Problem, außer wenn man es vergisst. Die Wohnungssuche war überraschend einfach. Ich habe mich gegen das Studentenwohnheim entschieden und mir eine WG über craigslist gesucht und innerhalb von einer Woche eine günstige Wg von 270$ mit drei netten Mädels gefunden. Die Entscheidung, welche Kurse ich belegen möchte, musste ich vor Ort treffen, so gab es weiter nichts zu tun als zu warten bis der große Tag kommt und mir zu überlegen, was ich einpacken will. Der Winter ist in Montréal bekanntlich relativ kalt, dementsprechend habe ich viel zu viele Pullover, Schals, Hauben, Handschuhe und dergleichen eingepackt, wohl aus Angst zu erfrieren sobald ich aus dem Flugzeug aussteige. Es war dann alles halb so schlimm.

3. Ankunft und Orientierung

Ich bin schließlich am 2. Jänner mit einiger Verspätung mitten in der Nacht in Montréal gelandet. Bei der Einreise wurde ich relativ streng kontrolliert und mehrere Male befragt. Sehr wichtig ist, irgendeine Bestätigung der Aufnahme von der Universität dabei zu haben, auch eine e-mail genügt. Das gilt für jede Wiedereinreise nach Kanada, auch über den Landweg. Der Flughafen im Westen der Stadt ist mit dem Bus 747 normalerweise relativ leicht erreichbar, da es bereits nach Mitternacht war als ich ankam, nahm ich einen Uber. Das hat gut funktioniert und die Fahrt durch die klirrend kalte Nacht in der verschneiten Stadt hat mich unglaublich beeindruckt. Die gigantischen Eiszapfen auf den Autobahnbrücken am Weg in die Innenstadt und die Hochhäuser, genauso wie die für mich unglaublichen Schneemengen (ja und das obwohl ich aus einer Schiregion komme) fand ich sehr faszinierend. Ein Nachbar hat mir dann wie vereinbart die Tür geöffnet und sogar meinen Koffer in die Wohnung getragen. In den ersten Tagen waren meine Mitbewohnerinnen noch nicht da und ich habe versucht mich etwas zu orientieren. Die Wohnung war sehr zentral gelegen in der Nähe von Berri UQAM, einer großen Métro Station wo alle Linien zusammen laufen. Dieses war zwar ein 40min Weg zur UdeM, jedoch in der Nähe von allem anderen was Montréal zu bieten hat und das ist Einiges. Kurz nach der Ankunft habe ich mir eine Sim Karte für mein Handy besorgt. Ich habe für die 4 Monate eine Wertkarte gekauft, diese war mit 30$/Monat das günstigste Angebot. Ansonsten ist Telefonieren viel teurer als in Österreich. Dann habe ich mir eine Metrokarte besorgt, die Carte OPUS kostet 8$, lässt sich dann jedes Monat aufladen (Also die 8$ sind bloß für die Karte, das kostete für mich als „schon“ über 25jährige 80$/Monat). Montréal ist gut organisiert was Untergrundsysteme und die Métro betrifft, vor allem wenn es sehr kalt war wollte ich keine weiten Strecken gehen, geschweige denn mit dem Rad fahren (und ja, das tun manche wirklich, auch jenseits der -10 Grad) und das Geld hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Anfang Jänner veranstaltete das BEI – Bureau des étudiants internationaux einige Willkommensveranstaltungen im Rahmen einer „Welcome Week“. Das BEI ist die Anlaufstelle schlechthin für alle verlorenen und auch für die nicht so verlorenen AustauschstudentInnen und gerade angekommenen Studierenden aus dem Ausland –unbedingt sofort dahin gehen, wenn man ankommt. Nett sind sie auch. Diese sind schon einmal eine gute erste Orientierung und große Hilfe, wenn es um Organisatorisches wie zum Beispiel Krankenversicherung, den Studentenausweis oder allgemeine Fragen über die Stadt und die Universität geht. Dann musste ich mich für meine Kurse einschreiben. Ich hatte die Vorgabe als Masterstudentin drei Kurse zu machen, nicht mehr und nicht weniger, und als ich mich entschieden hatte musste ich diese von der Zuständigen meines Instituts bestätigen lassen. So bin ich zum Campus gefahren und die Philosophie ist in einem netten Häuschen aus grauem Stein am Ende des Boulevard Édouard-Montpétit (eine lange Straße fast quer über den Campus) untergebracht. Obwohl es ein Werktag und während des Tages war, war die Tür verschlossen. Das wunderte mich sehr, denn es brannte Licht und es konnte ja nicht das ganze Gebäude Mittagspause machen. So bin ich in das BEI und habe gefragt, die meinten dann, dass ich es doch einfach später noch einmal probieren sollte. So bin ich wieder zurück und wieder, war die Tür anscheinend verschlossen. Dann kam jedoch ein netter junger Herr aus dem Gebäude und erklärte mir, ich müsse den Schalter über den Türgriff drücken, damit ich diese öffnen könne. Mit einem sehr netten Lachen hieß er mich Herzlich Willkommen. So konnte ich mich schließlich doch für meine Kurse anmelden.

4. Studieren und Leben in Montréal

Ich besuchte drei Kurse am Institut für Philosophie, da ich im Masterstudium bin waren diese alle wie Seminare aufgebaut und fanden in einem Raum statt, wo Studierende und Professoren an einem großen runden Tischen zusammen saßen. Ein Kurs dauerte drei Stunden und das Arbeitspensum ist um einiges höher als ein einzelner Kurs in Innsbruck, die 10 Ects dafür sind auf jeden Fall gerechtfertigt. Die Studierenden sind, vor allem im Gegensatz zu meinen Erfahrungen an österreichischen Universitäten engagiert und interessiert, was ich sehr genossen habe. Es wurde stets lebhaft diskutiert und fast alle hatten sich mit der Lektüre beschäftigt, weshalb auch das Niveau relativ hoch war. Die ProfessorInnen waren alle sehr freundlich, auch wenn ich sprachlich Schwierigkeiten hatte, was bei dem Akzent in Québec doch öfter der Fall war, kamen sie mir stets zu Hilfe und unterstützten mich. Ich besuchte wie gesagt drei Kurse: „Histoire de l'éthique“ mit dem Titel „Discrimination, Ségrégation et responsabilité collective“. Dafür galt es eine Unterrichtseinheit zu gestalten, also einen Vortrag mit Diskussionsleitung zu machen und zwei längere schriftliche Arbeiten zu verfassen. Ein weiterer war „Éthique Internationale“ mit dem Fokus internationale Politik und Ethik, dafür war gefordert zwei kürzere Referate zu halten, diese zu verschriftlichen und eine Seminararbeit abzugeben. Der dritte Kurs den ich besuchte war „Problèmes de philosophie allemande“ über „Fascisme et antifascisme philosophiques“. Dafür war ein längeres Referat zu halten, dieses zu verschriftlichen und eine Seminararbeit zu schreiben. In allen Kursen war ein Lesepensum von 30-80 Seiten pro Woche vorgesehen. Der Großteil der Texte war auf Englisch, vieles der deutschen Philosophie habe ich auf Deutsch und auf Französisch gelesen. Unterrichtssprache war ausschließlich Französisch. Ich war während meines Semesters sehr viel mit den Kursen beschäftigt, habe es jedoch auch sehr genossen in einem so engagierten und inspirierenden Umfeld lernen zu können. Dies war bei zwei der drei Kurse der Fall, doch so konnte ich herausfinden, was für mich nicht so passend ist. So bin ich auch immer wieder an meine, vor allem sprachlichen Grenzen gestoßen: Der accent québécois war vor allem am Anfang ein großes Problem für mich und barg viel Frustrationspotenzial, da ich an den französischen Akzent gewohnt war und mich so an den Diskussionen weniger als von mir gewünscht beteiligen konnte. Dabei konnte ich die ProfessorInnen sehr gut verstehen, das Problem war eher die Aussprache der Studierenden. Neben dem Studium bietet Montréal viel Kultur und spannende Veranstaltungen, für mich vor allem die lebendige Swing und Lindy Hop Tanzszene und die zahlreichen Museen. Die Stadt faszinierte mich mit der Selbstverständlichkeit der Zweisprachigkeit, der Wechsel von Englisch zu Französisch und zurück scheint so problemlos zu funktionieren. Auch wenn die Zweiteilung in den frankophonen Osten und den anglophonen Westen deutlich zu spüren ist, hat mich die kulturelle Offenheit und Vielfalt sehr beeindruckt, was sich vor allem im Frühling, als die Temperaturen wieder ertragbar wurden, spüren ließ. Der Winter war sehr kalt und schneereich, manchmal konnten aufgrund von Schneestürmen die Kurse an der Universität nicht abgehalten werden. Ich habe mir dort eine gute Ausrüstung zugelegt und so konnte ich die schönen Seiten des Winters genießen und bei sonnigen Tagen Zeit draußen verbringen. Der Frühling kommt auch sehr verspätet, ich habe im Mai noch meinen Wintermantel getragen. Dieser ist dann jedoch umso schöner und die zahlreichen Parks füllen sich mit Menschen, es finden Paraden, Festivalsund Kunstinstallationen in den Straßen statt.

5. Rückkehr und Fazit

Alles in allem hatte ich während des Semesters wenig Zeit, längere Ausflüge oder dergleichen zu unternehmen und so habe ich am Ende des Semesters einen Roadtrip durch Ontario gemacht und bin in die USA gefahren. Im Mai bin ich schließlich zurück nach Österreich geflogen. Die Rückkehr war nicht so einfach wie gedacht, es dauert doch eine Weile, bis man sich wieder an das alte und jetzt doch irgendwie neue Umfeld gewöhnt. Alles in allem würde ich ein Austauschsemester in Montréal auf jeden Fall weiterempfehlen, sowohl akademisch als auch als ein Ort zum Wachsen und sich kennen lernen. Wie das wohl bei Auslandsaufenthalten immer der Fall ist, kommt man an seine Grenzen, überschreitet diese und lernt Neues dazu. Das geht meist über sprachliche und akademische Kompetenzen hinaus. Ich würde es auf jeden Fall wieder tun und hoffe sehr, dass sich die Gelegenheit ergibt wieder einmal zurück zu fahren. 

 

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