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DDr. Max (von) Riccabona Lochau, 4.10.83 Herrn Rabbiner Sehr geehrter Herr Rabbiner! Sie werden sicher überrascht sein, von einem Unbekannten dieses Schreiben zu erhalten. Anlass ist die letzte Nummer des "Profil". Es enthält in Ergänzung eines Artikels von Erika Wantoch über Ihren Amtsantritt als Oberrabbiner auf Seite 70 weitere Ausführungen, die, nehme ich an, von Ihnen stammen. Er enthält u. a. folgenden Passus: ".. Ich kann mich mit Sinowatz identifizieren, nicht aber mit der FPÖ und nicht mit Trachten, Jodlern, Sonnwendfeiern.." Jodler und Trachtenträger mit der FPÖ und Sonnwendfeiern in einem Atem zu erwähnen, ist m. E. eine unzulässige Simplifikation, die mir nicht gefällt. Warum dies so ist, will ich nun, wenn Sie erlauben, weiter erläutern. Zuerst zu meiner Person: Ich bin Trachtenträger und liebe Jodeln, tue es auch selber, leider nicht perfekt. Schallplatten mit uralten tirolischen Jodelliedern wie der Gesang des Spingesser Sturmchorps gehören zu meinen liebsten. Die FPÖ und Sonnwendfeiern mag ich aber genau so wenig wie Sie. Trachten werden nicht nur von Alt-Neonazis und Antisemiten getragen, sondern auch von den Traditionsvereinen und Schützenkompagnien, die vor allem die Tradition der alten Monarchie retten wollen. Ich war von 1941 bis 1945 von den Nazi als Widerstandskämpfer eingesperrt, 3 ½ Jahre davon im K.Z. Dachau. Nach dem Krieg war ich Landesvorsitzender der öst. Widerstandsbewegung, 1946 von der Gesamtösterreichischen Bundesvorsitzender und 1958 im Zentralkomitee der europäischen FILDIR. Trachtenvereine waren aber auch z. B. im Andreas-Hofer-Bund in Südtirol Träger der öst. Tradition gegen den Faschismus Mussolinis ect. Ich bin ferner Träger der österreichischen Freiheitskämpfer-Medaille, die ich übrigens zum Teil den Juden zu verdanken habe. Ich habe nämlich als Abwehroffizier der deutschen Wehrmacht aus dem Stalag XVII A Kaisersteinbruch 1940 von französicshen Kollaborateuren denunzierte Juden dadurch gerettet, dass ich die Anzeigen unterschlagen und diese (die Juden) mit Hilfe eines CV Kartellbruders Dr. Reinberger, der als Stabsarzt die Gefangenen zu betreuen hatte, sofort als arbeitsunfähig repatriieren ließ nach Frankreich. Sie haben überlebt und den Bericht unserer dortigen Widerstandsgruppe gegengezeichnet. Sie blieben alle am Leben. Die Gestapo ist mir auf dies nicht draufgekommen; denn sonst, glauben Sie mir, hätten Sie diesen Brief nicht erhalten können. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener P.S. Entschuldigen Sie bitte die formalen Mängel dieses Schreibens. Ich war bisher immer gewöhnt zu diktieren und bin nächstes Jahr 70. |