Stella Rotenberg an Hermann Kuprian
Nachlass-Bibliothek Hermann Kuprian, Sig. 145-794
„Herrn
Prof. Dr. Hermann Kuprian.
Herzlichste Glückwünsche zum
Geburtstag und
”Many happy returns of the day”
Stella Rotenberg
Leeds, April 1973“
Glückwunschkarte samt der Bildpostkarte mit dem „Portrait of the artists daughter“ von John Jackson (Leeds City Art Gallery), eingeklebt in den Band „Gedichte“ (Tel Aviv: Olamenu 1972)
Stella Rotenberg (geb. Siegmann) stammte aus einer jüdisch-assimilierten Familie in Wien, musste 1938 ihr Medizinstudium abbrechen und floh 1939 über Holland nach England, wo sie als Krankenpflegerin, Arzthelferin und Buchhalterin arbeitete. 1940 heiratete sie Wolf Rotenberg. Seit 1948 lebte das Ehepaar in Leeds.
1940 begann Rotenberg in ihrer Muttersprache Gedichte zu schreiben, scheute sich aber davor, damit an die Öffentlichkeit zu gehen oder gar in der Öffentlichkeit deutsch zu reden. „Stella Rotenbergs Existenz nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in der Spannung zwischen Heimatlosigkeit bzw. Exil und Sehnsucht nach der Heimat und vor allem nach der Sprache (‚Allein die Sehnsucht nach dem Wort hat Feuer, / flammend schlägt sie um mich her, / brennt und sengt mir Sinn und Eingeweide.‘)“[2] So suchte sie 1971 – nach einer schweren Erkrankung – doch nach einer Publikationsmöglichkeit ihrer Gedichte. Sie hatte in einer Zeitschrift gelesen, dass der Wiener Historiker Hugo Gold den Verlag Olamenu in Tel Aviv besaß und dort deutsche Texte druckte. Sie schickte ihm 50 Gedichte, die 1972 erschienen. Diesen Band nun schenkte sie Hermann Kuprian zu seinem Geburtstag (am 12. April).
Rotenberg hatte schon 1971 über Vermittlung des in London lebenden Schriftstellers und Übersetzers Arno Reinfrank Verbindung zu Hermann Kuprian aufgenommen. Der erste erhaltene Brief von Rotenberg an Kuprian trägt das Datum 22. September 1971 und darin äußerst sich Rotenbergs zwiespältige Haltung zu Österreich: „Ich spreche wenig über Oesterreich, aber denke doch heimlich daran, dass es mir ein Schmerz und eine Freude zugleich wäre, gerade in Oesterreich – ich bin aus Wien – meine Gedichte gedruckt zu sehen.“[3] In der Folge hat sie Kuprian mehrmals Gedichte zur Beurteilung geschickt und dieser hat sie in ihrem Schreiben bestärkt und da und dort auf Schwächen vorsichtig hingewiesen. Auch hat Kuprian nach Publikationsmöglichkeiten gesucht und Anfang 1973 mitgeteilt, dass er in der vom Turmbund herausgegebenen Reihe „Brennpunkte“ zwei Gedichte von ihr unterbringen könne. Rotenberg bedankte sich euphorisch am 16.1.1973: „Es ist mir eine Auszeichnung in ‚Brennprunkte‘ vertreten zu sein, es scheint mir sogar, dass ich heute aufgeregter bin als an dem schönen Tag an dem sich ein deutscher Verleger*[* in Tel-Aviv] bereit erklärte 50 von meinen Gedichten in Buchform erscheinen zu lassen.“ Es war dies die erste Publikation in ihrem Heimatland! Der Kontakt mit Kuprian blieb rege bis 1975 und brach 1988 ab.
Über ein von der Theodor Kramer-Gesellschaft zusammen mit dem Institut für Germanistik und dem Brenner-Forum 1990 veranstaltetes Symposion in Innsbruck knüpfte Rotenberg freundschaftliche Kontakte zur Familie von Johann Holzner und zu Maria und Willi Pechtl. 2001 erhielt Rotenberg den erstmals vergebenen „Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil.“
Im April 1973 ließ sich diese positive Entwicklung noch nicht absehen. Die Glückwünsche zum Geburtstag zeigen noch deutlich die Unsicherheit, sich in zwei Sprachwelten zu bewegen. Denn warum sollte sie sonst an den deutschen Glückwunschtext die damals schon antiquierte englische Version mit einem „und“ anführen und diese zusätzlich noch unter Anführungszeichen setzen?
Anton Unterkircher
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[1] Näheres über Stella Rotenbergs Beziehung zu Kuprian findet sich in dem Aufsatz von Chiara Conterno: „Gerne denke ich an Euch im winterlichen Tirol der starken Farben …“. Stella Rotenbergs Beziehung zu Tirol: Der Briefwechsel mit Hermann Kuprian und die Kontakte in Innsbruck. In: Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv 36, 2017, S. 41-63; die Buchwidmung ist in diesem Beitrag nicht berücksichtigt.
[2] Vgl. ebenda, S. 43.
[3] Nachlass Hermann Kuprian, FIBA, Sign. 145-71-34; unter dieser Signatur liegen neben allen Briefen auch mehrere Gedichttyposkripte.