Maria Piok: Otto Grünmandl lernt Englisch
Der ersehnte Brief, der die notwendigen Papiere für die Ausreise enthalten sollte, traf schließlich tatsächlich ein; zu einem Wiedersehen mit der Schwester in England kam es aber dennoch nicht: Der Ausbruch des Krieges bedingte die Schließung aller Grenzen und machte eine Flucht unmöglich.[4] In Hall wurde der elterliche Betrieb arisiert und Vater Alfred im „Arbeitserziehungslager Reichenau“ interniert, aus dem er – wohl aufgrund seines extrem schlechten Gesundheitszustandes[5] – nach vier Wochen als schwerkranker Mann entlassen wurde. Otto Grünmandl selbst musste noch 1944 als Zwangsarbeiter nach Thüringen in die Braunkohlewerke von Rositz, von wo er erst nach Kriegsende – mit dem Fahrrad! – nach Hause zurückkehrte.
Zeilen dieser Art – die freilich vor allem wegen der sprachlichen Interfenzen belustigen – verraten aber nicht nur die Tragik, sondern auch die Komik der Grünmandls: Immer wieder wird versucht, die Empfänger der Briefe, die mitunter scherzhaft mit Anreden wie „Euer Gnaden!“[6] begrüßt werden, trotz der schlimmen Situation zum Lachen zu bringen und zu trösten. In diesem Dienst stehen wohl auch Verse wie „It is going me good / I go with papa in the wood“ des jungen Otto Grünmandl, der bereits damals und ungeachtet seiner Sprachschwierigkeiten das Dichten nicht lassen wollte. Mag sein, dass der späte Otto Grünmandl manchmal an seine Anfänge im Englischen zurückdenken musste, wenn er den Sprecher in Fußbad im Schwarzen Meer räsonieren ließ:
Are there any english or american people inside of you, who understand english very well? Please send your attention to me on the stage. […] Bathing my feed, I take this labor which we call in Austria “Lawoorr” […] and mix the hot and the cool water here in the “Lawoorrr” for the right temperature, which we in Austria call Temperatur. And if the is extremly high or low we call the temperature “Faden”. In that case, we say: heut hats vielleicht einen Faden, which means in English today it has propably a Fääden.[7]
Es mag aber durchaus auch sein, dass Otto Grünmandl bei Zeilen wie „Ich weiß auch nicht, ob es die Juden waren, die dem Toten Meer seinen mir unverständlichen Namen gegeben haben. Vorstellen könnte ich es mir“[8] an seine Jugendzeit gedacht hat – auf jeden Fall lassen sich seine Texte, kennt man die Geschichte der Familie, trotz aller Komik nur mehr schwer als harmlose Valentinade lesen. Vielmehr eröffnet sich mitunter eine beinahe schon schaurige Dimension: „Der Mensch… Ärgern tu ich mich deshalb schon lange nicht mehr. Fürchten, ja, das könnte schon sein.“[9]
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[1] Betty Grünmandl an Familie Grünmandl, Wilmslow, 11.–14.02.[1939]. Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl Nachtrag, Korrespondenzen.
[2] Betty Grünmandl an Familie Grünmandl, Wilmslow, 16.02.1939. Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl, Nachtrag, Korrespondenzen.
[3] Betty Grünmandl an Familie Grünmandl, Wilmslow, 23.02.[1939]. Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl, Nachtrag, Korrespondenzen.
[4] Vgl. Verena Sauermann: Alfred Grünmandl. Ein jüdischer Migrant in Tirol. In: Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv 35, 2016. S. 123–144, hier S. 128.
[5] Vgl. ärztliches Zeugnis von Dr. Victor Schuhmacher für Alfred Grünmandl, 12.01.1946, Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl, Nachtrag, Lebensdokumente.
[6] Betty Grünmandl an Ludwig Grünmandl, Wilmslow, 20.02.[1939]. Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl Nachtrag, Korrespondenzen.
[7] Otto Grünmandl, Ein Fußbad im Schwarzen Meer. Typoskript, Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Nachlass Grünmandl. Signatur 228.14.17.
[8] Ebenda.
[9] Ebenda.
Im Rahmen von Grünmandls Zimmertheater finden im Stromboli in Hall auch diesen Herbst wieder Veranstaltungen statt:
- http://www.stromboli.at/index.php/spielplan/578-do-08-11-18-20-00-die-drei-haxn-d
- http://www.stromboli.at/index.php/spielplan/547-fr-23-11-18-20-00-das-ei-ist-hart