Rezensionen 2007

Martin KolozsDie Geschichte geht so
Mit einem Vorwort von Felix Mitterer
Weitra: Bibliothek der Provinz 2007 

Wie eine Geschichte geht, das ist wohl am wenigsten bedeutsam. Wichtig ist, dass Geschichten erzählt werden und natürlich ist es genauso wichtig, dass die Geschichten gehört, gelesen und miterlebt werden. Das ganze Büchlein ist ein Plädoyer für Geschichten, für eine Aufhebung der (vermeintlichen) Gegensätze von Realität und Traumwelt. Und wenn Menschen etwas nicht wissen, dann spinnen sie Geschichten und träumen am hellichten Tag besser als in der Nacht im Bett. Und Geschichten, die erzählt werden können, sind wahr, sonst könnte man sie ja nicht erzählen…
Am Anfang dieser Geschichte sieht es so aus, als würden eigentlich zwei Geschichten erzählt. Zum einen die Geschichte eines Zauberers, der hinter Sonne und Mond an einem silbernen See lebt. Zum andern jene eines Psychiaters, der Verrückten hilft, ihren Verstand wieder zu finden. Dieser soll nun ein psychiatrisches Gutachten erstellen über einen alten Mann in einer kleinen und feuchten Altbauwohnung. Der Alte hat sich nach dem Tod seiner Frau in eine Traumwelt zurückgezogen, er ist davon überzeugt, dass es alle Phantasiewesen aus den Märchen- und Sagenbüchern gibt. Schon bald fließen die zwei Geschichten ineinander. Der Alte wird im Verlauf der Erzählung eins mit dem Zauberer und der Psychiater war einst selbst sein Zauberlehrling, der Xylophon auf einen Zaun spielte, der gelernt hatte, die Zeit rückwärts laufen zu lassen, und der, von seinem Zauberer in einen Esel verwandelt, einen Wettlauf bis zum Horizont gewinnt und diesen sogar mitnehmen kann. Der Zauberer erklärt ihm, dass er das als Mensch nie hätte machen können, da die Vernunft ihn gehindert hätte, daran zu glauben. "Aber um das Unmögliche wahr zu machen, muss man träumen können." Als Zauberer und auch als träumender Mensch kann man aber auch in die Erinnerung zurückgehen, um einen Gedanken zu verfolgen, zumal dann, wenn es sich um einen dunklen Gedanken handelt, dem es gelungen ist, die Mauer des Vergessens unbemerkt vom dort sitzenden kafkaesken Torwärter zu passieren und die Erinnerung zu stehlen. Ohne Erinnerung gibt es aber kein Zurechtfinden in der Gegenwart und keine Zukunft, denn hat man alles vergessen, gibt es keine Grundlage, von der aus man weiterdenken kann. "Vergiß mich nicht und die Geschichte wird weitergehen" sagt der Zauberer zu seinem Zauberlehrling.
Felix Mitterer schickt das Büchlein mit einem begeisterten Vorwort auf Leseabenteuer, nicht zuletzt auch mit dem Hinweis, dass ein ähnliches Lesevergnügen wie bei Saint-Exupèrys "Der kleine Prinz" zu erwarten sei: "Martin Kolozs hat eine Traumgeschichte über die menschliche Existenz geschrieben. Lakonisch, essentiell, hoch poetisch, komplex und einfach zugleich, genial in der Konstruktion und in der Verschränkung der Ebenen."

Anton Unterkircher

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