Zur Rolle der Leidenschaften

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt tagen seit Mittwoch an der Theologischen Fakultät. In Referaten und Diskussionen erörtern Theologen, Philosophen, Sozialwissenschaftler und Wirtschaftsexperten die Rolle der Leidenschaften in Politik, Wirtschaft und Medien. Der Kongress dauert noch bis Samstag.
Ausschnitt aus einem Fresko von Giotto di Bondone in der Cappella Scrovegni in Padua.
Ausschnitt aus einem Fresko von Giotto di Bondone in der Cappella Scrovegni in Padua.
Leidenschaften spielen eine wichtige Rolle in allen Bereichen von Wirtschaft, Politik und Medien. Neuere Diskussionen in den Wirtschafswissenschaften betonen etwa die Bedeutung einer Leidenschaft wie Neid als treibende Kraft im ökonomischen Bereich. Auch die Welt der Werbung zeigt die Bedeutung der Leidenschaften in der Ökonomie. Bei Fragen des Nationalismus, der Identität, des Fundamentalismus oder des Terrorismus geht es letztlich ebenfalls immer um Leidenschaften. Heutzutage sind sowohl Wirtschaft als auch Politik auf die Medien angewiesen, ein weiteres Beispiel eines von Leidenschaften dominierten Bereichs. Leidenschaften haben auch eine wichtige religiöse Dimension. Im Zentrum aller großen Religionen findet sich eine bestimmte Art, mit Leidenschaften umzugehen.

Auf den Spuren der Leidenschaft

Diese Thematik beschäftigt in diesen Tagen mehr als 200 internationale Forscherinnen und Forscher an der Theologischen Fakultät. In über 80 Vorträgen und anschließenden Diskussionen versuchen sie sich an die Rolle der Leidenschaft anzunähern. Zu den Vortragenden zählen unter anderem der bekannte Kultursoziologe René Girard von der Universität Stanford und die Philosophin Jean Bethke Elshtain von der Universität Chicago. René Girards "mimetische Theorie" soll helfen, den interdisziplinären Dialog zwischen Sozial- und Wirtschaftwissenschaftlern, Philosophen, Literaturwissenschaftlern und Theologen zu ermöglichen. Diese Theorie versucht das Verhältnis zwischen Leidenschaften und Religion zu systematisieren. Nach Girard ist menschliches Begehren immer auf Gott ausgerichtet - oder auf die weltlichen Dinge, die nach dem "Tod Gottes" zu Götzen geworden sind. Die "mimetische Theorie" erklärt hier die religiöse Dimension des Kapitalismus, die gegenwärtige Rückkehr der Religion in die Politik und religiöse Aspekte im Kontext der modernen Massenmedien. Zudem trägt sie zu einem vertieften Verständnis der Rolle der Leidenschaften in Wirtschaft, Politik und Medien bei, indem sie sich auf das mimetische Begehren - menschliches Begehren, das anderes menschliches Begehren nachahmt - konzentriert. Sie erklärt die Rolle, die mimetisches Verhalten in diesen Bereichen spielt und hilft auch die Gefahren einer immer mehr auf Konkurrenz angewiesenen Welt zu verstehen. Girard trägt seine Thesen heute Abend unter dem Titel "Shakespeare on Passions" im Rahmen der Konferenz selbst vor.

Spuren der Macht

Das Symposium wurde von der Theologischen Fakultät in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt "Gewalt und Religion" mit Sitz in Stanford organisiert. Parallel zur Konferenz findet eine Ausstellung der Fotografin Herlinde Koebl statt. Die international anerkannte Künstlerin ist der Frage nachgegangen, wie sich Menschen durch die Ausübung eines Amtes verändern. Die Ausstellung in der Theologischen Fakultät ist bis 11. Juli von Montag bis Freitag (8 bis 18 Uhr) zugänglich. (bb/cf)