Vorgestellt: Gesundes Arbeitsleben
Unternehmen werden heute regelmäßig restrukturiert, was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht selten verunsichert und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Menschen reagieren auf drohende Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld zum Beispiel mit Bluthochdruck, Herzkreislaufbeschwerden und Depressionen. „Nicht nur der befürchtete Jobverlust, auch die Sorge vor veränderten Aufgaben mit Verlust der Expertise oder auch grundlegende Veränderungen im Team, wie etwa ein Wechsel der Führungskraft oder neuer Kolleginnen und Kollegen, können gesundheitliche Beschwerden auslösen“, sagt Jürgen Glaser vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck. Gemeinsam mit Medizinern der Uni Ulm und Ökonomen der Uni St. Gallen sucht er nach Möglichkeiten, die negativen gesundheitlichen Folgen abzupuffern und Führungskräfte auf diese Problemlage vorzubereiten. „Wir wollen Führungskräften Möglichkeiten aufzeigen, wie sie Mitarbeitende vor negativen Folgen einer solchen Verunsicherung schützen können.“ Umgesetzt wird dieses Vorhaben in einem international tätigen Konzern, in dem Angestellte laufend mit Restrukturierungsprozessen konfrontiert sind. Dabei werden Manager auf ihre eigenen Stresssymptome aufmerksam gemacht und so für das Problem sensibilisiert. Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder ähnliche körperliche und psychische Leiden sollen als Folgen von Stress erkannt werden. Auch werden Bewältigungsstrategien der Manager analysiert und besprochen. „Viele weichen den Problemen aus und schlagen emotionale Ausweichrouten wie Suchtverhalten ein“, sagt Prof. Glaser. „Andere stellen sich den Problemen und suchen nach Lösungen.“ Wie aber kann das Arbeitsumfeld so gestaltet werden, dass Menschen weniger verunsichert werden? „Entscheidungen sollten für Mitarbeitende transparent sein, sie sollen an den Entscheidungen beteiligt werden und auch Anerkennung für ihre Leistungen finden“, beschreibt Jürgen Glaser die Herausforderungen für Führungskräfte. „Manager prägen die Kultur eines Unternehmens. Uns ist es deshalb wichtig, ihnen diese Rolle auch bewusst zu machen.“ In Zukunft will Jürgen Glaser sich verstärkt mit Fragen einer gesundheitsorientierten Führung in Unternehmen auseinandersetzen und noch mehr Ansätze für die Schaffung gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen erarbeiten. Dieses Wissen wird er auch an seiner eigenen Universität einbringen: Im Rahmen des von der Personalentwicklung und dem Vizerektorat für Personal initiierten Projekt „Gesunde Universität“. Hierbei sollten nach dem Wunsch des Arbeitspsychologen nicht nur Ernährung, Bewegung und Schlaf auf dem Programm stehen, sondern auch Führungskultur, soziale Unterstützung im Team und Eigenverantwortung für Prozesse und Produkte.
Arbeit für Pflegende verbessern
Jürgen Glaser befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Arbeit und Gesundheit. Dabei hat er sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie psychische Belastungen am Arbeitsplatz gemessen werden können. Getreu dem Motto „Keine Daten ohne Taten“ entwickelte er Interventionen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen und überprüfte sie auf Wirksamkeit. Neben Behörden und Unternehmen, untersuchte und erprobte er diese Ansätze der Analyse und Gestaltung von Arbeit insbesondere im Gesundheitswesen bei Pflegenden und Ärzten in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Pflegediensten.
Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung mit Pflegeberufen berät der Psychologe auch in einem Projekt, das die Arbeitsfähigkeit von älteren Arbeitnehmern verbessern möchte. Von der Uni Düsseldorf und dem Uniklinikum München werden Pflegekräfte m Krankenhaus entsprechend trainiert. „Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten nicht mehr alles machen, sie brauchen für manche Aufgaben mehr Zeit und Übung oder auch spezielle Qualifizierung für neue Tätigkeiten. Dafür können sie reichhaltiges Erfahrungswissen in der Pflege einbringen, wenn man sie nur lässt“, erläutert Glaser den Ansatz der Forscher.
Ebenfalls in Pflegeberufen eine große Rolle spielt die interaktive Arbeit und die Frage wie Mitarbeitende ihre Emotionen in der Interaktionsarbeit mit Klienten regulieren. „Diese Tätigkeit spielt mitunter eine große Rolle für das eigene Wohlbefinden wie auch für das Wohlbefinden der Klienten, sie wird aber als Arbeit kaum wertgeschätzt“, erklärt Glaser. „Problematisch wird es immer dann, wenn es zu einer chronischen Diskrepanz zwischen gezeigten und erlebten Gefühlen kommt. Wenn man sich solche Gefühle aufgrund bestimmter Arbeitsbedingungen lang andauernd nicht mehr anmerken lassen darf, dann droht ein Burn-out.“
Wie ein Burn-out gemessen werden kann, weiß Jürgen Glaser aus der Praxis. Er hat den momentanen Goldstandard dafür, das Maslach Burnout Inventory, autorisiert ins Deutsche übertragen. Über 40.000 Befragungen wurden damit in den vergangenen Jahren schon durchgeführt. Derzeit arbeitet Glaser an einem Normenhandbuch zum Maslach Burnout Inventory in der deutschsprachigen Fassung.
Zur Person
Jürgen Glaser studierte Psychologie an der Universität Konstanz und war dort nach seiner Tätigkeit als Psychologe im Psychiatrischen Landeskrankenhaus als Landesgraduiertenstipendiat beschäftigt. Danach arbeitete er an der Business School der TU München, wo er 1997 promovierte und sich dann 2004 an der LMU München für das Fach Psychologie habilitierte. Ab 2009 leitete er Forschungs- und Entwicklungsprojekte am Institut für Arbeitsmedizin des Klinikums der LMU und hatte ab 2011 die Vertretungsprofessur für Psychologie der Arbeit und Gesundheit an der Universität Konstanz inne. Seit Oktober 2012 ist Jürgen Glaser Professor für Angewandte Psychologie an der Universität Innsbruck. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.