Vorgestellt: Konjunkturen auf der Spur

Der Ökonom Johann Scharler interessiert sich für die großen
wirtschaftlichen Zusammenhänge. „Wir blicken nicht auf einzelne Akteure,
sondern untersuchen die gesamte ökonomische Entwicklungen eines Landes“,
erklärt Scharler. Ganz grundlegend geht es dabei um die Frage, wie sich der
Wohlstand eines Landes im Laufe der Zeit entwickelt. „Wir untersuchen zum
Beispiel, warum manche Länder reich werden und andere arm bleiben“, erläutert
der Volkswirt. „Wir wissen auch, dass solche Entwicklungen nicht geradlinig
verlaufen und fragen uns, warum Konjunkturzyklen entstehen, wie wir sie
charakterisieren können und welche Folgen sie haben.“ Dabei suchen die
Makroökonomen auch nach Möglichkeiten, negative Konsequenzen solcher Konjunkturschwankungen
abzufedern.
In der aktuellen Krise ist oft der Vorwurf zu hören, die
modernen ökonomischen Theorien würden wenig zur Erklärung der gegenwärtigen
Entwicklungen beitragen. Dem widerspricht Johann Scharler vehement: „Ich weiß
gar nicht, woher dieser Vorwurf kommt. Er ist jedenfalls falsch. Wir können mit
unseren Ansätzen die aktuellen Entwicklungen gut beschreiben.“ Damit kommt die
Wissenschaft allerdings auch an ihre Grenze, treffsichere Aussagen über
zukünftige Entwicklungen lassen sich nur sehr schwer daraus ableiten. „Unsere
Aufgabe ist es, Zusammenhänge zu verstehen. Das können wir auch bis zu einem
gewissen Grad. Das heißt aber nicht, dass wir auch gute Prognosen für die
Zukunft ableiten können.“ Seiner Meinung nach werden Zukunftsprognosen deshalb
generell überbewertet.
Experimentelle Forschung
Einen ganz neuen Forschungszweig erschließt Johann Scharler
gemeinsam mit seinen Kollegen mit der experimentellen Makroökonomik. „Hier an
der Fakultät finde ich ideale Voraussetzung für diese Forschung“, sagt Prof.
Scharler. „Innsbruck ist ein Mekka der experimentellen Ökonomik und verfügt
über eine hervorragende Infrastruktur für solche Forschungsansätze.“ So führt
Scharler im Labor zum Beispiel gerade ein Experiment durch, in dem Freiwillige
auf einem fiktiven Markt ein bestimmtes Gut handeln. „Wir analysieren dabei,
welchen Unterschied es macht, ob ein Preis fix vorgegeben wird oder sich der
Preis nach Angebot und Nachfrage richtet.“ Damit soll eine volkswirtschaftliche
Standardtheorie überprüft werden, wonach starre Preise zu starken
wirtschaftlichen Schwankungen führen.
In der Lehre vermittelt Johann Scharler den Studierenden in
diesem Semester Grundlagen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Außerdem
engagiert er sich im PhD-Programm, das die Fakultät vor einigen Jahren gemeinsam
mit der Universität Linz gegründet hat. Mit diesem Angebot wird die Ausbildung
von Doktorandinnen und Doktoranden an das internationale Niveau angepasst.
Auf Umwegen nach Innsbruck
Johann Scharler stammt aus Mittersill in Salzburg und hat in Wien Volkswirtschaftslehre studiert. Nach dem Doktoratsstudium im kanadischen Vancouver kehrte er nach Wien zurück und arbeitete hier mehrere Jahre in der volkswirtschaftlichen Abteilung der Oesterreichischen Nationalbank. 2007 wurde er Assistent an der Universität Linz, wo er bis zu seiner Berufung an die Universität Innsbruck tätig war. Eine Gastprofessor führte ihn in dieser Zeit auch an die Universität Zürich. Seit Februar 2012 ist Johann Scharler Professor für Wirtschaftstheorie mit dem Schwerpunkt Empirische Makroökonomik an der Universität Innsbruck.