Lukas MOSCHEN

Contributions to the probabilistic seismic assessment of acceleration demands in buildings

In den frühen Jahren des Erdbebeningenieurwesens wurde das Verhalten der Gebäudeausrüstung, Gebäudeinfrastruktur und der nichttragenden Gebäudekomponenten unter seismischer Einwirkung stiefmütterlich behandelt. Erdbebenereignisse der letzten zwanzig Jahren haben jedoch gezeigt, dass bereits bei relativ schwachen Erdbebenereignissen erheblicher Schaden an der Gebäudeausrüstung auftreten kann. Darüber hinaus ist die Wiederkehrperiode von schwachen bis moderaten Erdbebenereignisse sowie das seismisch angeregte geographische Gebiet wesentlich größer als bei Starkbeben. Da die Gebäudeinfrastruktur wesentlich zum Gesamtrisiko beiträgt, ist es erforderlich das seismische Verhalten der Gebäudeinfrastruktur im Zuge des verhaltensbasierten Erdbebeningenieurwesens zu überprüfen.

Es wird im Wesentlichen zwischen verschiebungssensitiven (driftsensitiven) und beschleunigungssensitiven Gebäudekomponenten unterschieden. Zu der ersteren Gruppe gehören beispielsweise Fassadenelemente und Zwischenwände, welche in der Regel an der Ober- und Unterkante der Geschoßdecke befestigt sind und daher bei zu großen Relativverschiebungen der Decken (Drift) geschädigt werden. Beschleunigungssensitive Gebäudekomponenten hingegen sind beispielsweise Boiler oder medizinische Geräte, welche an einer Decke oder einer Wand angebracht sind. Die maximale seismische Einwirkung ist daher proportional zur maximalen Beschleunigung des Schwerpunkts der Gebäudekomponente.

Es ist dem planenden Ingenieur unzumutbar das dynamische Verhalten aller Gebäudekomponenten im Planungsprozess zu analysieren. Darüber hinaus würde die Gebäudenutzung eingeschränkt sein, falls man diese innerhalb des Gebäudes nicht umstellen dürfte. Es sind daher einfachere Methoden zur Abschätzung des seismischen Verhaltens von Gebäudekomponenten erforderlich. Diese Dissertation beschäftigt sich mit der Abschätzung von seismisch induzierten maximalen Deckenbeschleunigungen (im Englischen peak floor acceleration demand), da diese Größe stark mit der maximalen absoluten Beschleunigung der Gebäudekomponenten korreliert ist. In der gewählten Strategie wird die maximale Deckenbeschleunigung abgeschätzt um eine Aussageüber das Verhalten von beschleunigungssensitiven Gebäudekomponenten treffen zu können.

Zunächst wird eine stochastische Methode zur Auswahl von standortspezifischen Erdbebensätzen vorgestellt. Erdbebenschriebe werden so gewählt, dass die zugehörigen Antwortspektren im statistischen Mittel ein Ziel-Spektrum repräsentieren unter gleichzeitiger Einhaltung einer vorgegebenen Streuung. Die beiden Zielfunktionen (Mittelwert und Streuung) können dabei voneinander unabhängig formuliert werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden liefert der vorgestellte Algorithmus sehr rasch Erdbebensätze ohne Strukturparameter, wie die Grundschwingungsperiode der lastabtragenden Struktur, miteinzubeziehen. Ist für einen Standort ein Erdbebensatz bestimmt worden, kann dieser für die Analyse einer breiten Klasse von Gebäuden verwendet werden. Dies stellt einen enormen Vorteil gegenüber herkömmlich ermittelten Erdbebensätzen dar.

Im Rahmen dieser Dissertation werden generische Tragwerke entwickelt um die Erdbebenantwort einer Vielzahl von verschiedenen lastabtragenden Strukturen zu untersuchen. Diese Tragwerke weisen die wesentlichen dynamischen Eigenschaften von realen Gebäuden auf, deren Parameter können jedoch unabhängig voneinander variiert werden und eignen sich deshalb hervorragend für Sensitivitätsanalysen um Rückschlüsse über das seismische Verhalten einer Klasse von realen Tragwerken gewinnen zu können. Mittels der vorgestellten generischen Strukturen werden ebene und räumliche Tragwerke beschrieben, die unter Erdbebeneinwirkung sowohl in horizontaler und vertikaler Richtung zur Schwingung angeregt werden. Es werden erstmals generische Strukturen zur Abschätzung der vertikalen seismischen Beschleunigungsantwort definiert. Zusätzlich werden räumliche generische Systeme eingeführt um das seismische Verhalten von beschleunigungssensitiven Gebäudekomponenten zu quantifizieren.

Mittels nichtlinearen dynamischen Berechnungen wird die maximale Deckenbeschleunigung von verschiedensten generischen Stahl-, Stahlbeton- und wandartigen Tragwerken ermittelt. Im einfachsten Fall werden einstöckige Tragwerke mittels inelastischer Einmasseschwinger abgebildet. Es wird das Konzept der Beschleunigungs-Duktilität eingeführt, und in einer umfangreichen Parameterstudie wird die Größe als Funktion der Periode und der Festigkeit dargestellt. Zusätzlich werden Funktionen für unterschiedliche Dämpfungsmaße bereitgestellt. Die analytischen Approximationen der Beschleunigungs-Duktilität eignen sich zur qualitativen Abschätzung maximalen Deckenbeschleunigung mehrstöckiger inelastischer generischer Tragwerke. Die gewonnen Ergebnisse stimmen mit denen der wissenschaftlichen Literatur überein. Es wird aufgezeigt, dass bestehende vereinfachte Berechnungsvorschriften in Normen in fast allen Fällen zu nichtkonservativen Abschätzungen der maximalen Deckenbeschleunigung führen. Die vertikale Beschleunigungskomponente wurde bisher von Wissenschaft und Praxis weitgehen ignoriert und in aktuellen Normungen um ein vielfaches unterschätzt. Es wird gezeigt, dass diese Antwortgröße jedoch zu erheblichen Schäden an Gebäudekomponenten führen kann. Weitere Forschung auf diesem Gebiet ist unerlässlich.

Nichtlineare dynamische Zeitverlaufsberechnungen werden in der Praxis des Erdbebeningenieurwesens aufgrund des Aufwandes nach wie vor nur in Spezialfällen verwendet. Im Vergleich dazu sind Antwortspektrummethoden in ihrer Anwendung relativ einfach. In dieser Dissertation wird ein robustes Antwortspektrumverfahren zur Abschätzung der maximalen Deckenbeschleunigung entwickelt, welches auf der Theorie der Zufallsschwingungen basiert. Ergebnisse aus Zeitverlaufsberechnung decken sich mit denen des vorgestellten Antwortspektrumverfahrens, wobei der Rechenaufwand erheblich reduziert wurde. Für praktische Zwecke werden für die geschlossene Lösung Näherungen präsentiert, welche trotz der Vereinfachungen zu hinreichend genauen Abschätzungen der maximalen Deckenbeschleunigung führen. Mit diesen Verfahren wird erstmals die hinreichend genaue Abschätzung der maximalen Deckenbeschleunigung von regelmäßigen als auch unregelmäßigen ebenen und räumlichen Tragwerken praxistauglich aufbereitet.

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