... endlich die lang ersehn­te Ruhe wieder einmal herge­stellet ...

Wie verhält sich der Repräsentant einer Universität in Kriegs- und Krisenzeiten, wo Herrschafts­wechsel stattfinden, und die hohe Schule nicht nur mit Einstellungen des Lehrbetriebs, sondern auch mit veränderten politischen und ideologischen Orientierungen konfrontiert ist?
Symbolbild Professoren
Bild: Symbolbild Professoren. Montage (von links): Rektorsgemälde Hieronymus Leopold Bacchettoni (18. Jh.), Büste von Franz Xaver Jellenz (18. Jh.), Prof. Carl Heider (Ferdinadeum Sign. FB16339–013). (Credit: Universität Innsbruck/Ferdinandeum)

Auszug aus der „Uebersicht der Schicksaale der Innsbrucker Universität“ des damaligen Prorektors Isser an das königliche Ministerium des Innern v. 11. November 1809. BayHStA, MInn 23738.

Auszug aus der „Uebersicht der Schicksaale der Innsbrucker Universität“ des damaligen Prorektors Isser an das königliche Ministerium des Innern v. 11. November 1809. BayHStA, MInn 23738.

Transkription:

Nun endlich die lang ersehnte Ruhe wieder einmal hergestellet ist, und wir das Glück haben, unserm rechtmässigen Souvrain anzugehören, erachte ich es meiner Pflicht zu sein, eine gedrängte Uebersicht der Schicksaale der königlichen Universität allhier unerthänigst vorzulegen.

Seit der unseligen Mitte des Aprils, als der österreichische Armee Intendant von Hormair hier eintratt, war Zerrüttung und Leiden unser Loos. Eine seiner ersten Unthaten war, daß er den königlichen Prorektor der Universität Johann Spechtenhauser, den königlichen Bibliothekär Johann Bertholdi und den Professor Schultes in einer solchen Eilfertigkeit deportieren ließ, daß eine Uebergabe, oder Ordnungspflege lediglich unmöglich war. Dieses war das Signal zu allen darauf erfolgen Gewaltthätigkeiten. [...] Hatte es ihnen durch Hormair gelungen, Bertholdi und Spechtenhauser zu entfernen, so war der Rebellen Chef Andrä Hofer, der sich als Tirols Oberkommandanten aufgeworfen hatte, unwissend und bigott genug, alle Entwürfe auszuführen, welche sie ihm unterstekten. Es brach also eine neue Verfolgung gegen die theologischen und philosophischen, wie auch gegen einige Lehrer des Gymnasiums aus. Mit allem Unglümpfe wurden eingehaftet und deportiert die Professoren Feilmoser, Albertini, Hubel, Jud, und Gilg. Mahir und Tanner entgingen einem ähnlichen Schicksaale schon durch eine frühere Flucht. Ich wurde meiner Ämter entsetzet, und war auch von Seite Brixen zur Deportation geeignet. Allein so weit wollte Hofer es mit mir nicht aufnehmen.

Auszug aus der „Uebersicht der Schicksaale der Innsbrucker Universität“ des damaligen Prorektors Isser an das königliche Ministerium des Innern v. 11. November 1809. BayHStA, MInn 23738.

1809 war für die Universität Innsbruck ein schwieriges Jahr. Zwei Professoren waren vom bayerischen König bestellt, andere von ihm, v.a. nach der positiven Einschätzung seines Hofkommissärs Graf Arco, akzeptiert worden. Manche Professoren scheinen die bayerischen Vorstellungen von Universität – die Universität Innsbruck war Ende 1808 bestätigt worden – geschätzt zu haben. Durch die mehrmaligen Herrschaftswechsel innerhalb weniger Monate waren diese besonders bedroht, gingen weg bzw. wurden deportiert. Plünderungen in der Stadt taten ein übriges.

Zumindest ein Teil des städtischen Bürgertums dürfte von der Oberkommandantschaft unter Andreas Hofer nicht besonders begeistert gewesen sein. Dieser hatte auch bereits eine neue Besetzungsliste für die Professuren erstellt und dem Bischof von Brixen zur Bestätigung geschickt.

Die Angaben zu Flucht und Deportation in der Schilderung des Prorektors Isser sind korrekt. Ob der verbale Kniefall am Beginn des Schreibens von Herzen kam oder der Strategie geschuldet war, sich mit dem vormaligen und künftigen Herrscher gut zu stellen, kann nicht festgestellt werden. Isser selbst übernahm nach der Herabstufung der Universität zum Lyzeum die Pfarrei Thaur.

​(Margret Friedrich)

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