... wurde ein men­schlicher Leich­nam seziert ...

Nicht wenige natur­wissenschaftliche Übungen und Erkennt­nisse wurden im 17. und 18. Jahrhundert in Schau­vor­führungen vor einem breiteren, wohl auch sensations­lüsternen Publikum präsentiert und damit „publiziert“.
Symbolbild Professoren
Bild: Symbolbild Professoren. Montage (von links): Rektorsgemälde Hieronymus Leopold Bacchettoni (18. Jh.), Büste von Franz Xaver Jellenz (18. Jh.), Prof. Carl Heider (Ferdinadeum Sign. FB16339–013). (Credit: Universität Innsbruck/Ferdinandeum)

UAI, Tagebuch Theologische Fakultät, Bd. I. Einträge v. 17. März 1690, 20. März 1690, 27. März 1690.

UAI, Tagebuch Theologische Fakultät, Bd. I. Einträge v. 17. März 1690, 20. März 1690, 27. März 1690.

Übersetzung:

Am Morgen war an der Universität frei wegen einer Hinrichtung. Betroffen war ein Münzprüfer – aus Deutsch Wardein – der Geld gefälscht hatte und der versuchten Brandstiftung angeklagt war. Am Nachmittag dann Vorlesung und Wiederholung.

An diesem und den folgenden Tagen der letzten Fastenwoche wurde vom edlen und ausgezeichneten Friedrich Stattländer, ordentlichem Professor für Anatomie, im naturwissenschaftlichen Auditorium ein menschlicher Leichnam seziert. Hierzu wurden auch die Professoren der übrigen Fakultäten durch den Pedell eingeladen, der ihnen eine gedruckte Lobrede auf die Anatomie zustellte.

Von der Kammer wurde Seiner Magnifizenz, dem Rektor, und durch diesen den Dekanen der Fakultäten ein Bittgesuch zugestellt, das der Haller Scharfrichter an den durchlauchtigsten Gouverneur gerichtet hatte. Unter dem Vorwand, sein Gehalt sei zu gering, bat er darum, dass ihm aus den Mitteln der Universität etwas für den Leichnam des Menschen bezahlt werde, den er neulich hingerichtet habe. Nach Einholung eines Gutachtens von seiten des Inhabers des Anatomie-Lehrstuhls (der sich besagten Leichnam vom durchlauchtigsten Gouverneur für seine anatomischen Übungen erbeten hatte) entschied der Dekan aufgrund der in diesem angeführten Gründe, dass er keinen Anspruch auf eine zusätzliche Entlohnung habe.

UAI, Tagebuch Theologische Fakultät, Bd. I. Einträge v. 17. März 1690, 20. März 1690, 27. März 1690. Üb.v. Wolfgang Kofler.

Der Lehrer der Chirurgie der hohen Schule habe sich am ah Ort über Abgang der Bantages [sic], Versagung der entseelten Körper, und Unbequemlichkeit des Theatri Anatomici beschwert. Er muss einen gutächtlichen Bericht erstatten.

Schreiben Gubernium an Protomedicus und Sanitätsrat v. Menghin v. 4. November 1775. TLA, Hofregistratur Gubernium Ecclesiastica Schule und Studien 1775 Juli – Dezember, Fasz. Nr. 125

Anatomische Übungen erhielten für das Medizinstudium immer größere Bedeutung und mussten nicht mehr heimlich und unter Befürchtung von Höchststrafen durchgeführt werden. Interessant ist, dass es sich 1690 um eine regelrechte Schauvorführung handelte, für welche die Professoren nach standesgemäßer Einladung offensichtlich wichtiger waren als die Studenten. Außerdem scheint noch ein Plädoyer für die Bedeutung der Anatomie nötig gewesen zu sein.

Die alte Regelung, dass die Leiche eines Hingerichteten sozusagen dem Scharfrichter gehöre, der sie verkaufen könne, wurde hier schon außer Kraft gesetzt.

Es blieb aber weiterhin schwierig, Leichen für diese Demonstrationen zu bekommen, da die Zahl der Hingerichteten, also derer, die ihre Mitgliedschaft in der menschlichen Gemeinschaft verwirkt hatten, gering war, und eine Bestattung mit kirchlichem Ritual für alle Getauften ein zentrales Moment auf dem Weg ins Jenseits war.

​(Margret Friedrich)

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