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Inhaltsverzeichnis
SCHNELL GENAU UMFASSEND
Kapitel 2
Der Kauf (→ Kauf und Tausch) ist der Prototyp der entgeltlichen Verträge. An ihm lassen sich daher zahlreiche Fragestellungen dieser Gruppe von Rechtsgeschäften aufzeigen und behandeln. Er ist zudem, mag er auch verglichen mit dem Tausch und der Schenkung die jüngste Rechtsentwicklung darstellen, ein alter und insbesondere wirtschaftlich wichtiger Vertragstypus, was sich in seinen vielfältigen Erscheinungsformen äußert. – Nach den Grundgedanken (→ Grundgedanken), wird auf die Frage des Kaufvertragsabschlusses (→ Abschluss des Kaufvertrags) eingegangen, zumal dieser manche Überraschung insoferne bietet, als die rechtliche Lösung keinesfalls immer mit dem Rechtsgefühl von Laien übereinstimmt. Die Besonderheiten des Geschäftsverkehrs führten mitunter zu anderen Lösungen. In Pkt III. wird auf Kaufgegenstand und Kaufpreis, also die essentialia negotii, eingegangen, worauf in Pkt IV. die Lehre vom Synallagma folgt. Arten des Kaufvertrags (→ Arten des Kaufvertrags) und die praktisch wichtigen und zahlreichen Nebenabreden zum Kauf sind Inhalt von Pkt VI. Das mittlerweile aus Verbraucherschutzgründen im KSchG 1979 geregelte Abzahlungsgeschäft (→ Das Abzahlungsgeschäft) beschließt, als Sonderform des Kaufs, die Ausführungen zum Kauf. – Der anschließende Pkt B. behandelt mit der Lehre von Titel und Modus ein Charakteristikum des österreichischen Privatrechts. Mit Kauf und Tausch (allein) geht nämlich Eigentum noch nicht über, wie Laien meinen. Dazu braucht es neben dem schuldrechtlichen Titelgeschäft (zB Kauf oder Tausch) auch noch die sachenrechtliche Verfügung des Modus, die rechtlich taugliche Erwerbungsart. Diese Besonderheit gilt überhaupt für den Erwerb dinglicher Rechte. – Das neu bearbeitete Verbraucherrecht (→ Verbraucherrecht – Konsumentenschutz) wird in den Kontext der entgeltlichen Verträge gestellt, die insbesondere der Kauf repräsentiert. Pkt D. schliesslich lässt das in diesem Kapitel Dargebotene kurz in Form von kleinen Fällen Revue passieren.
Überblick
A. Kauf und Tausch
I. Grundgedanken
1. Warum mit dem Kauf beginnen?
Der Kaufeignet sich ganz besonders dazu, um ins privatrechtliche Denken einzuführen. Er ist so verbreitet, dass ihn jede/r aus eigener Erfahrung kennt. Das bedeutet aber – wie wir sehen werden – nicht, dass man auch rechtlich schon alles über den Kauf weiß. – Darüber hinaus lassen sich an Hand des Kaufs wichtige allgemeine Rechtsentwicklungen aufzeigen und grundlegende funktionale Abläufe des Privatrechts erklären; etwa das Zug-um-Zug-Prinzip des § 1052 ABGB (→ Spielarten des Kaufvertrags) oder das Zusammenspiel von Schuld- und Sachenrechtim Rahmen der Lehre von Titel und Modus (→ Die Lehre von Titel und Modus ). Darüber hinaus ist der Kaufvertrag – wie im Vorspann erwähnt – der Prototyp entgeltlicher Verträge. – Kauf und Lehre von Titel und Modus bieten auch die Gelegenheit, erstmals auf die dem bürgerlichen Recht wichtige Unterscheidung in Fahrnis- und Liegenschaftsrecht mit ihren Besonderheiten einzugehen. – Pkt C stellt im Kontext des Kaufs kurz das Schutzgesetz KSchG vor.
Prototyp entgeltlicher Verträge
Die wirtschaftliche Bedeutung des Kaufvertrags belegt ua die Zahl der jährlichen Autokäufe: Im Jänner 2001 wurden 30.289 Kraftfahrzeuge neu zugelassen, für das ganze Jahr 2001 etwa 305.000 Pkw-Neuzulassungen registriert.
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2. Kauf: entgeltlicher Veräußerungsvertrag
Der Kauf ist das praktisch wichtigste und häufigste Rechtsgeschäft überhaupt. Wie Tausch und Schenkung ist er rechtlich auf die endgültige rechtliche Übertragung einer Sache, nämlich des Kaufgegenstands gerichtet; er bildet mit Tausch und Schenkung die Veräußerungsverträge. – Kauf und Tausch sind entgeltliche Verträge – dh: einer (entgeltlichen) Leistung steht eine ebensolche Gegenleistung, dh aber nicht gleichwertige Leistung, gegenüber! –, die Schenkung ist unentgeltlich. Funktional steuern alle drei Rechtsinstitute den Eigentumserwerb an Sachen/Leistungsgegenstand an; also am Kauf- oder Tauschgegenstand oder dem Geschenk.
Anders ist es bei Miete, Pachtoder Leihe, die sog Gebrauchsüberlassungsverträge sind. Hier erfolgt keine Eigentumsübertragung, obwohl die übergebene Sache gebraucht werden darf und nach außen hin wie eine eigene verwendet wird. Vielmehr ist der Vertragsgegenstand am Ende der bedungenen oder bestimmten Zeit zurückzustellen. Zur sachenrechtlichen Stellung von Mieter/Pächter oder Entlehner → KAPITEL 3: Rechtsbesitz.
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3. Historische Entwicklung
Der Kauf hat sich – vgl das vorangestellte Motto F. Gschnitzers – aus dem Tauschentwickelt. Gemeinsame Wurzel von Kauf und Tausch ist – das mag überraschen – die Schenkung. Die historische Entstehung des Kaufs aus dem Tausch zeigt sich im ABGB noch daran, als dieses, K. A. v. Martini folgend, den älteren Tausch, noch vor dem – heute wie damals – wichtigeren Kauf behandelt: §§ 1045 ff ABGB (Tausch), §§ 1053 ff ABGB (Kauf). § 1066 ABGB ordnet an, auf den Kauf – wo nötig – die Regeln des Tauschs anzuwenden.
ABGB
Das jüngere dtBGB(in Kraft getreten: 1900) regelt schon zuerst den Kauf (§§ 433–513) und daran anschließend in nur einem Paragraphen (§ 515) den Tausch. § 515 dtBGB lautet: „Auf den Tausch finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung.” – Auch das Schweizer Zivilrecht(Obligationenrecht/ OR von 1911) geht bereits diesen Weg.
DtBGB und SchwOR
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4. Kauf und Tausch
Beim Tausch wird „eine Sache gegen eine andere Sache” (§ 1045 ABGB), beim Kauf dagegen „eine Sache ... [gegen] eine bestimmte Summe Geldes einem andern überlassen”; § 1053 ABGB. – Der Kauf, als Unterfall des Tausches, setzt entwicklungsgeschichtlich bereits ein allgemeines Tausch- und Zahlungsmittel, nämlich Geld, voraus.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1981/39 = JBl 1981, 652: Der Tausch ist ein zweiseitig verbindlicher, entgeltlicher Konsensualvertrag und wird grundsätzlich formfrei geschlossen.
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5. Kauf und Tausch als Konsensualverträge
Konsensualvertrag meint: Beide Vertragsarten kommen durch bloße Willenseinigung (Konsens) der Vertragsparteien zustande. Zum gültigen Zustandekommen des Vertrags braucht es nicht mehr. Der reale Leistungsaustausch – beim Kauf der Austausch von Kaufgegenstand und -preis – hat keinen Einfluss auf das gültige Zustandekommen des Kaufvertrags.
Man beachte die Umschreibung in § 1045 ABGB (Tausch) oder § 1053 ABGB (Kauf), wonach für das Zustandekommen eines gültigen Kauf- oder Tauschabschlusses die wirkliche Übergabe nicht – wie bei einem Realvertrag → KAPITEL 3: Das Darlehen als Realvertrag – nötig ist.
Die Übergabe (bei Kauf und Tausch) ist aber nicht bedeutungslos; sie stellt die Erfüllung des jeweiligen Kauf- oder Tauschvertrags dar und verschafft zusammen mit dem Titelgeschäft Eigentum; dazu → Die Lehre von Titel und Modus. Im Falle eines Kaufs unter Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel) wird dadurch Rechtsbesitz (→ KAPITEL 3: Rechtsbesitz) übertragen und ein Gebrauchsrecht am Kaufgegenstand begründet.
Bedeutung der Übergabe
Anordnungen wie die in den §§ 1045 und 1053 ABGB sind einerseits didaktisch sinnvoll und machen zudem deutlich, dass das ABGB ein bürgerliches Gesetzbuch ist, das sich nicht nur an Fachleute richtet. Das wird heute zu oft nicht bedacht!) – Dadurch wird aber auch der Unterschied zu den Realverträgen betont, die das ABGB noch kennt. Der legistische Schritt von Martinis Entwurf (1796) und auch noch dem WGGB1797 zum ABGBvon 1811 ist ua dadurch gekennzeichnet, dass manch’ instruktives Beispiel und erklärender Hinweis im Gesetzestext, den Martini für das Konzept eines Volksgesetzbuchs für sinnvoll gehalten hatte, von Zeiller gestrichen wurde, was zur Folge hatte, dass das ABGB zwar textlich unbedeutend gekürzt wurde, aber nicht mehr jene Volksnähe und Verständlichkeit besaß, die noch das WGGB ausgezeichnet hatte. – Anders ausgedrückt: Normadressat war für Martini – anders schon Zeiller – noch das Volk und nicht die Juristen/der sog Rechtsstab.
Ein neuer Anwendungsbereich des Tauschvertrags liegt im zwischenstaatlichen Handel (insbesondere mit den Ostländern); so wird etwa zwischen Russland, das Erdgas an die OMV liefert, und Österreich vereinbart, dass dafür ein anderer österreichischer (Staats)Betrieb Gegenleistungen in Form von Ölfeldrohren oder Bergwerksanlagen liefert. Man nennt diese Tauschgeschäfte – „Bartergeschäfte”; barter = englisch: Tausch / Handel.
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6. Gefahrtragung bei Kauf und Tausch
Mit der Frage des Eigentums- oder Besitzübergangs bei Kauf und Tausch hängt die Frage der Gefahrtragung, des Gefahrübergangs zusammen. Sie wird in den §§ 1048, 1049 ABGB gemeinsam für Kauf und Tausch geregelt.
§ 1048 ABGB: „Ist eine Zeit bedungen, zu welcher die Übergabe geschehen soll, und wird in der Zwischenzeit entweder die vertauschte bestimmte Sache durch Verbot außer Verkehr gesetzt, oder zufälliger Weise ganz, oder doch über die Hälfte am Werte zu Grunde gerichtet, so ist der Tausch für nicht geschlossen anzusehen.”
§ 1049 ABGB: „Andere in dieser Zwischenzeit durch Zufall erfolgte Verschlimmerungen der Sache und Lasten gehen auf die Rechnung des Besitzers. Sind jedoch Sachen in Pausch und Bogen behandelt worden; so trägt der Übernehmer den zufälligen Untergang einzelner Stücke, wenn anders hierdurch das Ganze nicht über die Hälfte am Werte verändert worden ist.”
Literaturquelle
Die Begriffe Gefahrtragung und Gefahrübergang sind aber nicht nur bei Kauf- und Tauschverträgen von Bedeutung. – Inhaltlich wird darunter folgendes verstanden: Wer – Verkäufer oder Käufer – trägt für die Zeit zwischen Kauf- oder Tauschvertragsabschluss und dem vereinbarten Erfüllungszeitpunkt den Nachteil, der daraus entsteht, dass der Leistungsgegenstand untergeht (also bspw physisch vernichtet wird; zB vom Auto bleibt nur ein Schrotthaufen übrig) oder doch beschädigt wird und das Erbringen der vereinbarten Leistung daher entweder überhaupt nicht mehr möglich ist oder doch nicht mehr so wie vereinbart.
Gefahrübergang
Kurz lässt sich sagen: Wurde ein Leistungszeitpunkt vereinbart, trägt bis zur vereinbarten Übergabszeit der Veräußerer die Gefahr; danach der Erwerber.
Merkregel
Beachte und interpretiere in den §§ 1048, 1049 ABGB die Formulierungen „in der Zwischenzeit” und „in dieser Zwischenzeit”. – Die Anordnung in § 1048 ABGB, dass der Tausch und Kauf unter den genannten Voraussetzungen „für nicht geschlossen anzusehen” ist, bedeutet im Hinblick auf die Gefahrtragung, dass sie zB der Verkäufer zu tragen hat. Das gilt aber nur für die Zeit bis zum vereinbarten Übergabszeitpunkt. Danach liegt Annahmeverzug vor und damit geht die Gefahr auf den Käufer über → KAPITEL 7: Entscheidungsbeispiele zum Verzug.
§ 1049 Satz 2 ABGB trifft im Hinblick auf den sog Kauf in Pausch und Bogen (§ 1276 ABGB: Hoffnungskauf; § 930 ABGB: Gewährleistung) eine Sonderregelung hinsichtlich der Gefahrtragung. – Beachte: Zwischen § 1049 Satz 2 und § 1276 ABGB besteht eine sog Antinomie, also ein Normwiderspruch.
Kauf in Pausch und Bogen
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II. Abschluss des Kaufvertrags
1. Der perfekte Kaufvertrag
Einigen sich die Kaufvertragsparteien über Gegenstand und Preis des Kaufs, ist der Vertrag gültig zustande gekommen. Wir sprechen dann von einem perfekten Kauf, was nichts anderes heißt, als dass der Kaufvertrag zwar schon (gültig) geschlossen, der Leistungsaustausch / die Erfüllung aber noch nicht erfolgt ist. – Abschluss und Erfüllung eines Vertrags sind eben zweierlei.
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2. Rechtsfolgen des perfekten Kaufvertrags
Der perfekte Kaufvertrag verschafft dem Käufer noch nicht Eigentum. Ebenso wenig bewirkt die Kaufpreiszahlung (allein) den Eigentumsübergang vom Verkäufer auf den Käufer.
Der perfekte Kaufvertrag erzeugt vielmehr zwischen den Vertragsparteien (nur) eine schuldrechtliche / obligatorische Verpflichtung, gerichtet auf Vertragserfüllung, also etwa auf Übergabe des Kaufgegenstands; nicht aber schon eine Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung an ihm. Diese wird vielmehr grundsätzlich erst durch die (zB körperliche) Übergabe für bewegliche und die Verbücherung für unbewegliche Sachen erreicht.
Schuldrechtliche Verpflichtung
Trotz Kaufvertragsabschlusses bleibt der Verkäufer also weiterhin Eigentümer und erst die Übergabe oder die Verbücherung lässt das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer übergehen. – Ein Käufer darf sich daher den Kaufgegenstand nicht eigenmächtig holen. Das wäre Besitzstörung und uU auch strafrechtlich ahndbar!
Sachenrechtliche Verfügung
An die in → KAPITEL 1: Dingliche Rechte und Forderungsrechte, erwähnte Unterscheidung zwischen ius in re und ius ad rem sei erinnert.
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3. Einigung über Nebenpunkte?
Ein gültiger Kaufvertragsabschluss setzt den Konsens der Vertragsparteien über Kaufgegenstand und Kaufpreis, also die wesentlichen Vertragspunkte/essentialia negotii, voraus; dazu mehr in → Kaufgegenstand und Kaufpreis
Für die Annahme eines gültigen Kaufvertragsabschlusses ist es daher – was oft verkannt wird – belanglos, wenn die Kaufvertragsparteien keine Vereinbarung über die Erfüllungszeit, den Erfüllungsort oder andere Nebenpunkte, wie die Vertragserrichtungskosten, Zahlungsmodalitäten, eine Wertsicherung
Grundregel
sowie Steuern oder Gebühren getroffen haben. Dies deshalb, weil das Gesetz im Falle des Fehlens dieser Punkte im Vertrag – ja gerade für diesen Fall! – eine eigene Regelung bereithält; vgl zB §§ 904 und 905 ABGB: sog Dispositivrecht füllt die Lücke, die von den Parteien gelassen wurde → KAPITEL 1: Nachgiebiges und zwingendes Recht und → KAPITEL 7: Nachgiebiges und zwingendes Recht.
Die Gültigkeit eines Kaufabschlusses wird also nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Parteien solche Nebenpunkte gar nicht besprochen und daher auch nicht geregelt haben.
Davon zu unterscheiden ist aber die folgende Konstellation: Obwohl es – wie wir eben gehört haben – für das Zustandekommen eines Kaufs nicht notwendig ist, dass die Parteien zB die Vertragserrichtungskosten regeln oder überhaupt ansprechen, verhindert es das gültige Zustandekommen des Vertrags, wenn dieser oder ein anderer Nebenpunkt zwar erörtert, aber einer späteren Einigung vorbehalten wird. Es fehlt dann am (vollständigen) Konsens und dieser ist für das Zustandekommen des Vertrags unverzichtbar.
Ausnahme
Rspr-Beispiele für das Zustandekommen von Kaufverträgen:
Rechtssprechungsbeispiel
Müssen Nebenpflichten vereinbart werden? – JBl 1966, 142: Auch wenn Nebenpunkte (zB Steuern oder Vertragserrichtungskosten) von den Parteien nicht geregelt wurden, kommt ein gültiger Kaufvertrag zustande.
JBl 1978, 424: Dies gilt jedoch dann nicht, wenn solche Nebenpunkte bei Vertragsverhandlungen erörtert und eine Vereinbarung über offengebliebene – wenn auch unwesentliche – Punkte (einer späteren Vereinbarung) vorbehalten wurde; ebenso SZ 44/73 (1971).
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4. Der Kauf ist „formfrei” gültig
Kaufverträge unterliegen grundsätzlich keiner Formpflicht undkönnen demnach sowohl mündlich wie schriftlich abgeschlossen werden. Es bestehen aber Ausnahmen von der Formfreiheit:
Kauf- und Tauschverträge zwischen Ehegatten (§ 1 NZwG: Notariatsakt) oder § 24 KSchG: Ratenbrief → Gesetzliche Voraussetzungen, S.. – Mehr zur Form → KAPITEL 15: Die Form (im Privatrecht).
Das ABGB verlangt nicht einmal für den Abschluss von Liegenschaftskäufen eine Form. Auch ein Liegenschaftskaufvertrag mit einem Kaufpreis von vielen Millionen Euro wird mündlich gültig geschlossen! Natürlich können die Vertragsparteien auch hier die Schriftform vereinbaren, und in der Praxis geschieht dies auch häufig; § 884 ABGB. – Vgl aber zB → KAPITEL 15: Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG.
Keine Form für Liegenschaftskäufe
Eine Art nachträglicher Formpflicht besteht aber insofern, als ein mündlich gültig – dh verbindlich – geschlossener Liegenschaftskauf für die Eintragung ins Grundbuch (und dem erst damit verbundenen Eigentumserwerb) nachträglich schriftlich ausgefertigt werden muss. Das Grundbuchsverfahren als reines Aktenverfahren braucht nämlich ein entsprechendes Schriftstück. Dieses „nachträgliche” Schriftlichkeitsgebot für die Intabulation ändert aber nichts an der Gültigkeit bloß mündlich geschlossener Liegenschaftskäufe.
Nachträgliche Formpflicht
Die Rspr kommt der Rechtsdurchsetzung bloß mündlich (gültig) geschlossener Kaufverträge entgegen; vgl die idF wiedergegebenen En, etwa SZ 36/76. – Die vom Grundbuchsrecht nachträglich geforderte Verschriftlichung/Vertragsbeurkundung stellt auch kein eigenes, vom mündlich erfolgten Vertragsschluss unabhängiges Rechtsgeschäft dar, sondern ist bloße Erfüllungshandlung des mündlich (gültig) geschlossenen Vertrags. Der mündlich geschlossene Liegenschaftskaufvertrag verpflichtet also bereits beide Vertragsparteien. Das ist insofern von Bedeutung, als die schriftliche Vertragsausfertigung sich inhaltlich nicht vom mündlich geschlossenen unterscheiden darf; es sei denn, die Änderung wäre wiederum von beidenParteien vereinbart worden! In abweichenden späteren Formulierungen liegt eine Gefahren- und Manipulationsquelle, auf die in der Praxis zu achten ist. – Natürlich gilt das Gleiche, wenn schon der erste Vertrag schriftlich geschlossen wurde (zB als Vor- oder Anwartschaftsvertrag), aber für die Verbücherung ein weiterer – verbücherungsfähiger – Kaufvertrag errichtet wird. Weicht die spätere Vertragsausfertigung vom ursprünglichen Vertragsinhalt ab, kann Berichtigung begehrt werden. – Pacta sunt servanda!
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 29. 5. 2001, 4 Ob 118/01h, JBl 2002, 112: Die Parteien eines Liegenschaftskaufs vereinbaren die Übernahme von Gemeindeabgaben durch den Käufer. Der vertragsgestaltende Rechtsanwalt wird davon aber nicht in Kenntnis gesetzt und berücksichtigt daher in der schriftlichen Ausfertigung des Kaufvertrags diese Vereinbarung nicht. – OGH: Mündliche Parteienvereinbarung geht nach § 914 ABGB der schriftlichen Vertragsausfertigung vor. (Didaktisch interessante E, die auch der Formfreiheit des Liegenschaftskaufs Rechnung trägt).
Zur allenfalls nötigen Rechtsdurchsetzung mündlich gültig geschlossener Liegenschaftskäufe:
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1964, 501: Zwar ist für die Einverleibung (= Eintragung ins Grundbuch) eine verbücherungsfähige Urkunde nötig, aber aus dem formlos geschlossenen Liegenschaftskauf kann schon auf die Errichtung dieser Urkunde oder (!) gleich auf Verbücherung geklagt werden.
SZ 36/76 (1963): „ ... Ist ein Liegenschaftskauf perfekt, muss nicht [erst] auf Unterfertigung des Kaufvertrags geklagt werden; es genügt das Begehren auf Einwilligung in die Verbücherung.”
OGH 28.5.1999, 6 Ob 71/99f: Zulässig ist ein Klagebegehren, wonach der beklagte Verkäufer verpflichtet ist, den Kaufpreis für eine Liegenschaft nur für den Fall zurückzuzahlen, wenn er der Verbücherung des Käufers / Klägers nicht zustimmt; jedoch Achtung wegen Berufungs- / Rekursfrist (uU nur zwei Wochen)!
Anders als das ABGB verlangen etwa das Schweizer Privatrecht (Art 216 OR) und das dtBGB (§ 873 Abs 2) für Liegenschaftskäufe eine Form.
SchwOR und dtBGB
Form kann zum Beispiel sein: Einfache oder qualifizierte Schriftform oder öffentliche Beurkundung durch Gericht oder Notariatsakt; dazu → KAPITEL 15: Verschiedene Fragen der Schriftform.
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5. Kauf und Eigentumserwerb
Wir haben gehört, dass auch der perfekt geschlossene Kaufvertrag, Eigentum nicht überträgt. Dazu bedarf es (nach der Lehre von Titel und Modus) der Übergabe beweglicher Sachen und der Verbücherung von Liegenschaften; dazu → Das Grundbuch. Aber auch die Kaufpreiszahlung allein überträgt ohne gleichzeitige Sachübergabe/ traditio kein Eigentum. – Umgekehrt geht Eigentum aber über, wenn der Kaufgegenstand vereinbarungsgemäß, „ohne das Kaufgeld zu erhalten”, übergeben wird; Borg- oder Kreditkauf iSd § 1063 ABGB → Kreditkauf.
Zum Eigentumserwerb bei realer Übergabe der Kaufsache unter Eigentumsvorbehalt → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel. Beim Abzahlungsgeschäft oder Ratenkauf ( → Das Abzahlungsgeschäft) kommt es idR zu einer Kombination von Kaufpreiskreditierung und hinausgeschobenem Eigentumserwerb (durch Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes) trotz realer Übergabe der Kaufsache.
Kauf und Eigentumsübergang folg(t)en in der Rechtsgeschichte und in anderen Rechtsordnungen unterschiedlichen Regeln. Schon das römische Zwölftafelgesetz (Tafel VIII 11) bestimmte – griechischen Vorbildern folgend, dass an verkauften und übergebenen Sachen vom Käufer erst dann Eigentum erworben wird, wenn dieser dem Verkäufer den Preis bezahlt oder ihn auf andere Weise befriedigt hat; zB durch Schuldübernahme eines Dritten. Das war neben dem griechischen, auch im babylonischen und altägyptischen Recht so, was vermuten lässt, dass schon das antike griechische Recht Anleihen bei diesen Rechten gemacht hat. – Zu den Lösungen des dtBGB und des frCC → Die rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio
Kauf und Eigentumsübergang in der Rechtsgeschichte und heute
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III. Kaufgegenstand und Kaufpreis
1. Kaufgegenstand
Gegenstand des Kaufs sind – das gleiche gilt für den Tausch – Sachen iSd § 285 ABGB.
Zum Sachbegriff und zur Sacheinteilung → KAPITEL 8: Die Lehre vom Rechtsobjekt.
Gekauft werden können danach: – Bewegliche(zB ein Auto) und unbewegliche Sachen: etwa eine Liegenschaft mit oder ohne Gebäude, eine Eigentumswohnung, aber auch ein Miteigentumsanteil an einem Haus → KAPITEL 8: Schlichtes oder ideelles Miteigentum; – körperliche (zB Energien) und unkörperliche Sachen. Zu den unkörperlichen Sachen gehören insbesondere Rechte, und zwar absolute (zB Patent- oder Markenrechte) wie relative Rechte (Forderungen), etwa Unternehmensanteile einer Aktiengesellschaft. Auch ein Unternehmen (als Ganzes) kann Gegenstand eines (einheitlichen) Kaufvertrags sein, obwohl es uU aus vielen verschiedenen „Komponenten” besteht; etwa Liegenschaften, Gebäuden, Maschinen, Rohstoffen, gelagerten Produkten / Waren, Fuhrpark und insbesondere dem technischen und kaufmännischen Know-How usw. Zum Eigentumserwerb beim Liegenschaftskauf und überhaupt zum Liegenschaftszubehör iSd §§ 296, 297 ABGB → KAPITEL 8: Zugehör ¿ Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen.
Was kann gekauft werden?
Beispiel
Obwohl Unternehmen (→ KAPITEL 8: Gesamtsachen) durch einen einheitlichen Rechtsakt ge- und verkauft werden können, erfolgt der Eigentumserwerb an den einzelnen Unternehmensbestandteilen nicht durch einen einheitlichen (Rechts)Akt, sondern aufgespalten, wenngleich idR zusammengefasst in einem einheitlichen Vertrag: Die Liegenschaften sind zu verbüchern (und erst dadurch wird Eigentum übertragen und erworben! Besitz und Gefahr werden aber auch an Liegenschaften häufig „außerbücherlich”, nämlich durch einen entsprechenden Passus im Vertrag übertragen), bewegliche Sachen zu übergeben (§§ 426 ff ABGB: Übergabe durch Erklärung iSd § 428 ABGB ist jedoch möglich! → Übergabe durch Erklärung), Forderungen müssen abgetreten / zediert (→ KAPITEL 14: Zession, Gläubigerwechsel, Forderungsübergang), Schulden übernommen ( → KAPITEL 14: Der Schuldnerwechsel) werden und sie werden erst durch diese spezifischen Rechtsakte auf den neuen Gläubiger / Schuldner übertragen. Bestehende Arbeitsverträge werden durch Vertragsübernahme (→ KAPITEL 14: Die Vertragsübernahme) auf den Erwerber übertragen. – Daran zeigt sich, dass Schuld- und Sachenrecht unterschiedliche Wege gehen.
Gegenstand des Kaufs sind auch (selbständig) noch gar nicht existierende, also künftige (§ 1065 iVm §§ 1275 f ABGB), aber auch fremde Sachen; etwa noch nicht geernteter/s Wein, Obst oder Gemüse, Tiere eines künftigen Wurfs, noch nicht erlegte Jagdbeute /Wildbret. – Oder: Ein Verkäufer muss sich die verkauften Sachen selbst erst besorgen, weil sie ihm noch nicht gehören. (In einer derartigen Vereinbarung liegt idR eine Bedingung → KAPITEL 13: Die Bedingung). Zum Hoffnungskauf der §§ 1275 f ABGB → Hoffnungskauf.
Künftige und fremde Sachen
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 44/89 (1971): Was ist Gegenstand des Kaufs? „ ... [Kaufgegenstand] können alle vom Rechtsverkehr nicht ausgenommenen körperlichen und unkörperlichen Sachen sein, insbesondere auch alle Rechte.”
EvBl 1962/452: Gegenstand des Kaufs können auch fremde Sachen sein; zB ein (Auto)Händler verkauft einen Pkw, den er selbst erst besorgen muss.


 Kaufgegenstand und Kaufpreis
Abbildung 2.1:
Kaufgegenstand und Kaufpreis


 Was gilt heute als Geld? – Mögliche Zahlungsarten
Abbildung 2.2:
Was gilt heute als Geld? – Mögliche Zahlungsarten
Gegenstand des Kaufs sind also Sachen iSd § 285 ABGB. Davon zu unterscheiden ist die Person und alles, was zu ihr gehört → KAPITEL 4: Unterscheidung: Rechtssubjekt und Rechtsobjekt. Der Mensch als (natürliche) Person ist keine Sache und daher auch nicht Gegenstand von Kaufverträgen.
Gegenstand des Kaufs sind Sachen
Zu Zeiten des römischen Rechts – und zwar auch noch in christlicher Zeit – war das anders: Sklaven/innen konnten ge- und verkauft, verschenkt oder verpfändet werden, ja sogar Säuglinge freier armer Leute; vgl etwa die Konstitution von Kaiser Konstantin I aus dem Jahr 329: Cod Just 4, 43, 2. – Auch der Sprachgebrauch ist zum Teil heute noch ein anderer: Im Fußball wird bspw von Spielerkäufen und –verkäufen gesprochen.
Alles was Person ist und zu ihr gehört, kann nicht Gegenstand eines Kaufvertrags sein; zB menschliche Organe: § 62a Abs 4 KAG → KAPITEL 8: Zur Abgrenzung Person <-> Sache. Auch die menschliche Arbeitsleistung / Arbeitskraft ist keine Ware / Sache und daher nicht Kaufgegenstand. § 303 ABGB zählt aber „Dienstleistungen, Hand- und Kopfarbeiten” zu den schätzbaren Sachen → KAPITEL 8: Schätzbare und unschätzbare Sachen). – Die Unterscheidung zwischen Person und Sache ist nicht immer einfach. Man denke an künstliche Organe oder Organteile oder Gliedmaßen oder auch nur an eine Zahnprothese.
Menschliche Arbeitsleistung – Organe
Man tendiert heute dazu, den privatrechtlichen und strafrechtlichen Schutz so auszudehnen, als handle es sich dabei um verletzte Körperteile; auch das Ausschlagen eines künstlichen Zahnes stellt demnach eine (schwere) Körperverletzung dar. Auf der anderen Seite löst das nicht alle Probleme. Passt die Zahnprothese nicht, braucht es uU Gewährleistungsansprüche des Patienten gegen den Zahnarzt. Dann wird die Prothese in dieser Beziehung doch wieder als Sache behandelt und es gelten die Gewährleistungsvorschriften (→ KAPITEL 7: Gewährleistung als ¿Schlecht-Erfüllung¿) für Werkverträge. Zu denken ist aber auch an die Lebendspende eines Organs (Explantation), wobei menschliche Organe– zB für die Zeit zwischen Ex- und neuerlicher Implantation – doch wieder wie Sachen behandelt werden, wenngleich sie kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift nicht ge- und verkauft werden können. Mit der Implantation geht der transitorische Sachcharakter aber wieder verloren.
Zur Abgrenzung Personn Sache vgl auch → KAPITEL 8: Zur Abgrenzung Person <-> Sache.
Wird der Kauf- oder Hauptgegenstand eines Vertrags nachträglich umgeändert, tritt zB an Stelle des ursprünglich vereinbarten Kaufs einer unbebauten Liegenschaft eine Eigentumswohnung, liegt Novation vor → KAPITEL 7: Novation oder Neuerungsvertrag.
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2. Kaufpreis
§ 1053 ABGB verlangt, dass der Kaufpreis in „einer bestimmten Summe Geldes” bestehen muss. Mit „bestimmt” ist gemeint, dass der Kaufpreis nicht völlig unbestimmt sein darf. An die Bestimmtheit werden aber von der Praxis keine allzu strengen Erfordernisse gestellt; vielmehr genügt es, wenn der Kaufpreis wenigstens bestimmbar ist: Der Preis ist danach genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist, was angenommen wird, wenn zwar der Preis nicht aus der Vereinbarung selbst, aber nach anderen Kriterien bestimmt werden kann; zB Markt?, Börsen- oder Schätzpreis, ortsüblicher oder Ladenpreis usw. – Mitunter vereinbaren die Kaufvertragsparteien aber gar nichts. In solchen Fällen wird den Parteien die Vereinbarung eines orts- oder verkehrsüblichen Preises unterstellt; vgl dazu die Vertragsauslegungsregel des § 914 ABGB: Übung des redlichen Verkehrs oder § 346 HGB: Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs (unter Kaufleuten).
Bestimmt oder doch bestimmbar
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 53/104 (1980): Für eine gültige Preisvereinbarung muss der Preis zumindest „bestimmbar” sein, also etwa durch den Laden-, kundenüblichen oder den Marktpreis; EvBl 1968/156: Wer im Laden etwas kauft, ohne nach dem Preis zu fragen, hat den zur Zeit geltenden Ladenpreis zu zahlen. Zum Fall: Ein Kaufpreis ist bestimmbar, wenn auf die Selbstkosten des Verkäufers abgestellt wird. Wurde beim Kauf eines erst fertigzustellenden Baus ein Cirkakaufpreis vereinbart, muss der Käufer eine der allgemeinen Entwicklung der Baukosten entsprechende – allenfalls auch nicht unbedeutende – Preissteigerung hinnehmen.
OGH 12. 3. 2002, 5 Ob 63/02d, EvBl 2002/149: Käuferin einer Liegenschaft erwirbt von zwei außerbücherlichen Miteigentümern und versucht die bei Abweichung von § 21 GBG nach § 22 GBG notwendige geschlossene Kette von Urkunden nachzuweisen. – OGH verneint aber die Eignung des konkreten Kaufvertrags als gültigen Rechtsgrund (§§ 26 Abs 2 iVm 35 GBG) weil eine Kaufpreisbestimmung im schriftlichen Kaufvertrag ebenso fehlt, wie eine Bestimmung der Anteile der verkaufenden Miteigentümer. – OGH geht nicht auf den offenbar vorgeschaltenen mündlichen Kaufvertrag ein und lässt offen, ob nicht durch diesen eine Preisbestimmung erfolgt ist; gleiches gilt für die Bestimmung der Miteigentumsanteile der Verkäufer.
Die §§ 1056 ff ABGB handeln von besonderen Preisbestimmungsmodalitäten: So sieht § 1056 ABGB die Möglichkeit vor, dass die Kaufvertragsparteien die Preisfestlegung einer dritten Person überlassen. Das kann auch ein Schiedsgutachter sein; vgl SZ 69/168 (1996) mwH. In einem solchen Fall unterliegt, ebenso wie wenn eine Vertragspartei die Preisbestimmung vornimmt, die Preisfestlegung einer nachträglichen richterlichen Kontrolle. Geprüft wird dabei – unter Heranziehung des § 879 ABGB –, ob die Leistungsbestimmung augenscheinlich unrichtig oder offenbar unbillig war. Die Parteien können aber in ihrer Vereinbarung noch weiter gehen und bestimmten, dass die Leistungsbestimmung in jeder Richtung geprüft werden kann.
Preisbestimmungsmodalitäten
Eine praktische Rolle gespielt hat § 1056 ABGB bspw im Wohnbau, wo sich gemeinnützige Bauträger (auf fragwürdige Weise) vom Käufer die endgültige Preisbestimmung durch einen (ihnen nahestehenden) Fachmann – zB einen Architekten – einräumen ließen.
Von geringer praktischer Bedeutung ist § 1057 ABGB (Preisbestimmung durch mehrere Personen), während § 1058 Satz 1 ABGB die gesetzliche Grundlage für limitierte Vorkaufsrechte bietet → limitiertes VKR.
Für Kaufleute gelten (allgemein und auch für die Entgeltvereinbarung) gewisse Sonderregeln; so enthält § 354 HGB eine Entgeltsvermutung, die nicht nur für Kaufverträge gilt. Das Gesetz nennt: Geschäftsbesorgung, Dienstleistung, Aufbewahrung, Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen. Das heißt: ein Kaufmann kann für alles, was er tut, auch ohne ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung/Erwähnung, ein Entgelt verlangen. Kaufleute tun nichts umsonst; vgl das folgende Beispiel!?
Entgeltsvermutung
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 15.1.1985, 4 Ob 504/85; RdW 1985, 245: Die Verwaltung eines Hauses durch einen Miteigentümer, der zugleich Kaufmann ist, unterliegt der Entgeltsvermutung des § 354 Abs 1 HGB. Diese E ist allerdings zu hinterfragen: arg „… seines Handelsgewerbes”! Bereits die Wortinterpretation führt zu einem anderen Ergebnis.
§ 354 HGB
(1) Wer in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne Verabredung Provision und, wenn es sich um Aufbewahrung handelt, Lagergeld nach den an dem Orte üblichen Sätzen fordern.
(2) Für Darlehen, Vorschüsse, Auslagen und andere Verwendungen kann er vom Tage der Leistung an Zinsen berechnen.”
Auch im ABGB wird Unentgeltlichkeit nicht vermutet; vgl § 1152 ABGB (Dienst- und Werkvertrag) oder § 915, 1. HalbS (Schenkung). – Anders zum Teil das KSchG: Zur Unentgeltlichkeitsvermutung bei Kostenvoranschlägen nach § 5 KSchG → Kostenvoranschläge (§ 5)
Unentgeltlichkeit?
Unter Geld wird heute nicht nur staatliches Währungsgeld verstanden, sondern auch Geldsurrogate wie Wechsel, Scheck und Kreditkarte. Ein Annahmezwangbesteht allerdings nur für Geld ieS; dh die staatlich anerkannte Währung! Gezahlt wird aber nicht nur bar, sondern häufig mittels (Bank)Überweisung; sog bargeldloser Zahlungsverkehr. Wird auf Geschäftspapieren die Kontonummer angeführt, gilt dies als schlüssiges Einverständnis dazu, den Kaufpreis bargeldlos überweisen zu dürfen; § 863 ABGB → KAPITEL 5: Arten von Willenserklärungen: § 863 ABGB..
Geld und Geldsurrogate


Mögliche Zahlungsarten– Was gilt heute als „Geld”?


• Bargeld
• Banküberweisung
• Kreditkarte
• Scheck
• Wechsel
• Chip-Karte
• Zahlung durch Aufrechnung, zB Kontokorrent
• Kundenkarte
• Telefon(wert)karte
• Zession etc
Gesetzlicher Annahmezwang besteht aber nur für staatliches Geld und zwar nur für die jeweilige Landeswährung, dh nunmehr den EURO
Annahmezwang
Ab dem 1. März 2002 ist der Euro alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Der Schilling hat seine Gültigkeit verloren.
Von Oktober 2001 bis Ende Februar 2002 bestand nach dem Euro-WährungsangabenG 2000 (EWAG) die Pflicht zu doppelter Preisauszeichnung, um die Währungsumstellung zu erleichtern. Das Gesetz enthielt auch Umrechnungsbestimmungen / Rundungen.
Nur wenn die Preisbestimmung völlig unbestimmt bleibt, kommt kein gültiger Kaufvertrag zustande. – Im Zweifel enthält der Kaufpreis auch die Mehrwertsteuer; das gilt sowohl für Verbraucher wie Kaufleute!
Vgl dazu den Leitsatz von SZ 48/30 (1975): „Wenn im Kaufvertrag nicht ausdrücklich vereinbart wurde, dass die Mehrwertsteuer zum Kaufpreis hinzukomme [sog Nettopreisvereinbarung], ist der Käufer, wenn sich nicht ein abweichender Handelsbrauch in der bestimmten Branche entwickelt hat, nicht verpflichtet, die Mehrwertsteuer zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.”
Mehrwertsteuer
Sofern nicht Vereinbarung und Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig – Zug um Zug iSd § 1052 ABGB – zu erfüllen; vgl die ausdrückliche Anordnung in Art 184 Abs 2 OR, aber auch § 1052 iVm § 1062 ABGB (→ Zug um Zug-Leistung): „ ... zugleich aber auch das Kaufgeld bar abzuführen; ...”.
Der Kaufpreis kann auch gesetzlich oder kraft Vereinbarung der Höhe nach geregelt sein. So kennt der Buchhandel die Preisbindung an den vom Verlag empfohlenen / vorgegebenen Preis; und das KartellG verbietet seit dem 1.1.2000 im Handel einen Verkauf unter dem sog Einstandspreis, womit unfairer Verdrängungswettbewerb bekämpft werden soll.
Gesetzliche Bestimmung
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IV. Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag – Das Synallagma
Im Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer dem Käufer gegenüber, den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm Eigentum daran zu verschaffen; vgl § 1061 iVm § 1047 ABGB. (Wie erwähnt, verschafft der Abschluss des Kaufvertrags allein aber ebenso wenig Eigentum, wie die Zahlung des Kaufpreises ohne Sachübergabe.) – Der Käufer verpflichtet sich vice versa, dem Verkäufer gegenüber, den Kaufpreis zu entrichten. Die Pflichten von Verkäufer und Käufer sind insofern gegenseitig verschränkt (Gegenseitigkeitsverhältnis / Synallagma), als sie nur gemeinsam entstehen und – in der Folge – nur gemeinsam bestehen bleiben (können) und darüber hinaus auch der konkrete Leistungsaustausch in einem Zug um Zug-Austauschverhältnis steht; vgl die Formulierung in § 1047 ABGB:
• „ ... zum freien Besitz zu übergeben und zu übernehmen”
• sowie in § 1052 ABGB: „Wer auf die Übergabe dringen will, muss seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein. …”
Arten des SynallagmaDiese gegenseitige Verknüpfung der Leistungen bei der Rechtsentstehung (genetisches S.) und in der Folge beim Weiterbestand ( konditionales S.) und der Erfüllung (funktionales S.) bei entgeltlichen Verträgen wird Synallagma genannt.


Kauf – gegenseitige Rechte und Pflichten
Abbildung 2.3:
Kauf – gegenseitige Rechte und Pflichten
Das Gesetz (§ 1062 ABGB) verpflichtet den Käufer aber nicht nur zu barer Kaufpreiszahlung, sondern auch dazu, „die Sache sogleich, oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen”. – Trotz dieser klaren gesetzlichen Anordnung nimmt die hM grundsätzlich aber keine (rechtlich, dh prozessual durchsetzbare) Abnahmepflicht des Käufers an. Man sagt: Der Gläubiger habe zwar ein Recht auf die Leistung, nicht aber die Pflicht, diese – real (!) – abzunehmen. Der Verkäufer – als Schuldner der Sachleistung/des Kaufgegenstands – kann daher die Abnahme seiner geschuldeten Leistung klagsmäßig nicht erzwingen. Nur wenn der Schuldner ein besonderes Interesse an der Abnahme seiner Leistung hat, wird eine rechtlich durchsetzbare Abnahmepflicht angenommen.
Abnahmepflicht des Käufers?
Der Käufer – als Gläubiger der Sachleistung – gerät allerdings in Annahme- oder Gläubigerverzug, wenn er die ihm vom Schuldner ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht abnimmt → KAPITEL 7: Gläubiger- oder Annahmeverzug.
1. Haupt- und Nebenpflichten beim Kaufvertrag
Die Übergabe des Kaufgegenstandes (durch den Verkäufer) / Sachverschaffung und die Bezahlung des Kaufpreises (durch den Käufer) bezeichnet man als Haupt(leistungs)pflichten des Kaufvertrags.
Davon unterschieden werden die Neben(leistungs)pflichten, etwa gegenseitige Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten; zB eine Produktanleitung / Gebrauchsanweisung zu liefern (vgl etwa den sog Beipackzettel bei Medikamenten) oder das mit dem rechtsgeschäftlichen Kontakt erlangte Wissen für sich zu behalten; Schweigepflichten.
Beispiel
Der Sinn von Neben(leistungs)pflichten liegt darin, Schaden und Nachteile des Vertragspartners möglichst zu vermeiden, die durch Unwissenheit und mangelnde Erfahrung leicht entstehen können. – Nebenleistungspflichten entspringen aber auch einer besonderen Interessenlage des Vertragspartners / Käufers, der zB für steuerliche Zwecke noch im alten Jahr eine korrekte Rechnung benötigt.
Sinn von Neben(leistungs)pflichten
Neben(leistungs)pflichten entstehen und bestehen nicht nur ausdrücklich aus Gesetz oder Vertrag, sondern auch – ohne explizite Regelung – aus Treu und Glauben. Eingang in die konkrete Vertragsbeziehung finden solche Pflichten etwa über § 914 ABGB:
Neben(leistungs)pflichten: aus Gesetz, Vertrag oder nach Treu und Glauben
„Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.”
Als gesetzliche Stütze dient dabei immer wieder auch § 918 ABGB: Erfüllung „auf die bedungene Weise”.
§ 918 ABGB
Auch wer Neben(leistungs)pflichten nicht (korrekt) erfüllt, gerät uU mit seiner vertraglich geschuldeten Leistungspflicht in (Schuldner)Verzug, was den Vertragspartner (Gläubiger) zum Rücktritt berechtigen kann; vgl § 918 ABGB (→ KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB), wo auch auf die sog positiven Vertragsverletzungen kurz eingegangen wird. – Auch die Verletzung von Nebenpflichten kann demnach eine Leistungsstörung darstellen.
Verletzung von Nebenpflichten (als Leistungsstörung)
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 2/12 (1920): Berechtigter Rücktritt eines Mostverkäufers von der noch nicht erbrachten Lieferung, weil der vorleistungspflichtige Käufer – er hätte die für die Lieferung nötigen Fässer / Gebinde liefern sollen – diese nicht beistellt.
SZ 54/179 (1981): Der Verkäufer einer Sache (hier eines Alu-Schwimmbeckens) darf annehmen, dass der Käufer mit der Vornahme der erforderlichen Montagearbeiten einen befugten Gewerbsmann betrauen wird.
Haupt- und Nebenpflichten entstehen aber nicht nur beim Kaufvertrag; eine wichtige Neben(leistungs)pflicht der Kreditinstituteaus Geschäftsverbindungen (zB Darlehen, Kreditvertrag etc) mit ihren Kunden ist zB das Bankgeheimnis nach § 38 BWG. – Auf die Schweigepflichten anderer Berufsgruppen wurde schon hingewiesen.
Haupt- und Nebenpflichten bei anderen Verträgen
Wichtige Neben(leistungs)pflichten entstehen auch aus Arbeits- und Werkverträgen; zB Wettbewerbsverbote und -klauseln. Eine interessante gesetzliche Neben(leistungs)pflicht resultiert aus dem Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient → KAPITEL 10: Behandlungsvertrag ¿ Medizinhaftung: Ärzte trifft ua die gesetzliche Nebenpflicht, den Behandlungsverlauf korrekt schriftlich zu dokumentieren; § 51 ÄrzteG 1998. Korrespondierend dazu besitzen Patienten/innen das Recht auf Einsicht in ihre Krankengeschichte.


Haupt- und Nebenleistungspflichten
Abbildung 2.4:
Haupt- und Nebenleistungspflichten
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2. Besonderheiten des Liegenschaftskaufs
Beim Liegenschaftskauf erfolgt die Erfüllung typischerweise in mehreren Akten: Wurde der Liegenschaftskauf bloß mündlich geschlossen, muss nachträglich – wie ausgeführt → Nachträgliche Formpflicht – noch ein verbücherungsfähiger, schriftlicher Kaufvertrag ausgefertigt werden; vgl §§ 26, 27 und §§ 31-34 GBG. Zu beachten ist dabei § 31 Abs 1 GBG („Von der Einverleibung”), wonach die Einverleibung nur auf Grund solcher Urkunden erfolgen darf, „auf denen die Unterschriften der Parteien gerichtlich oder notariell beglaubigt sind und der Beglaubigungsvermerk bei natürlichen Personen auch das Geburtsdatum enthält”.
Zur Verbücherung bedarf es aber (auch im Normalfall) noch weiterer Voraussetzungen: nämlich der
Voraussetzungen der Verbücherung
Aufsandungserklärung und der
Unbedenklichkeitsbescheinigung (dazu gleich mehr) sowie allenfalls
• weiterer Genehmigungen; zB einer grundverkehrsbehördlichen oder Ausfuhrgenehmigung.
Immobiliengeschäfte bewegen sich meist in größeren finanziellen Dimensionen. Daher ist bei ihnen auf folgendes zu achten:
Faustregel für den Liegenschaftskauf
Zahlen Sie keinen Groschen des Kaufpreises ohne entsprechende Sicherheit! Andernfalls laufen Sie Gefahr etwa bei Insolvenz des Vertragspartners schwere Nachteile zu erleiden; zB Verlust der Wohnung oder nochmalige Zahlung des Kaufpreises! Typische Beispiele liefern die Maculan-Pleite und der Itzlinger-Skandal für Käufer von Eigentumswohnungen.
• Einerseits auf eine möglichst solide, also „perfekte” Vertragsgestaltung und
• andrerseits auf eine sichere Zahlung / Geldabwicklung.
• Zu achten ist auch auf die beim Liegenschaftskauf anfallenden Kosten
• Zu den Sonderregeln des BTVG 1997 gleich unten.
Unter Aufsandungserklärung versteht das Grundbuchsrecht „die ausdrückliche Erklärung desjenigen, dessen bücherliches Recht beschränkt, belastet, aufgehoben oder auf eine andere Person übertragen werden soll, dass er in die Einverleibung einwillige”; § 32 Abs 1 lit b GBG.
Aufsandungserklärung
Die Aufsandung kann:
im Kaufvertrag selbst enthalten sein, oder
• als eigene Urkunde errichtet werden.
Das Zurückhalten der (in einer eigenen Urkunde abgegebenen) Aufsandungserklärung durch den Verkäufer dient (praktisch) der Sicherung seiner offenen (Rest)Kaufpreisforderung. Eintragungen ins Grundbuch sind nämlich nach § 21 GBG nur gegen denjenigen zulässig, „der zur Zeit des Ansuchens als Eigentümer der Liegenschaft oder des Rechtes, in Ansehung dessen die Eintragung erfolgen soll, im Grundbuch aufscheint ...”.
Beispiel
Im Hinblick auf die Aufsandung ist bei Liegenschaftskaufverträgen also zwischen:
Unterscheide
verbücherungsfähigen und
nicht verbücherungsfähigen Kaufverträgen zu unterscheiden; vgl § 433 letzter HalbS ABGB.
Verbücherungsfähige Kaufverträge enthalten die Aufsandungserklärung des verkaufenden bisherigen grundbücherlich Berechtigten, während sie im andern Falle fehlt. Eine im Liegenschaftskaufvertrag fehlende Aufsandung wirkt – dem Eigen(tums)vorbehalt vergleichbar – als Sicherung des Verkäufers, der dann immer noch formeller Liegenschaftseigentümer bleibt, obwohl die Liegenschaft uU sogar schon an den Käufer (außerbücherlich) übergeben wurde und dieser bereits Besitzer geworden ist; zB Schlüsselübergabe für die gekaufte Wohnung. Sinnvoll ist diese Vorgangsweise dann, wenn der Verkäufer den Kaufpreis des Käufers nicht Zug um Zug gegen Aushändigung des verbücherungsfähigen Kaufvertrags erhält. Der Verkäufer erteilt in einem solchen Fall die Aufsandung erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung. Diese Vorgangsweise dient aber nur der Sicherheit des Verkäufers, nicht der des Käufers.
In derartigen Fällen – Schlüsselübergabe an den Käufer einer Wohnung ohne Verbücherung – schützt aber die Publizianische Klage (actio Publiciana) des § 372 ABGB (→ KAPITEL 8: Schutzinstrumente ) auch gegenüber Dritten. So, wenn die Wohnung auch an einen anderen verkauft wurde.
Vom bloßen Zurückhalten der Aufsandungserklärung durch den Verkäufer zu unterscheiden sind jene Fälle, in denen ein (Liegenschafts)Anwartschaftsvertrag geschlossen wird, was bspw im Rahmen der Begründung von Wohnungseigentum, aber auch beim Abverkauf von Reihenhäusern häufig vorkommt. Hier liegt regelmäßig kein verbücherungsfähiger Kaufvertrag vor, allenfalls aber ein Vorvertrag iSd § 936 ABGB → KAPITEL 6: Der Vorvertrag: § 936 ABGB. In beiden Fällen ist darauf zu achten, dass später verfasste Vertragstexte inhaltlich von der früheren Vereinbarung nicht (un)gewollt abweichen! Häufig ist nämlich bereits ein gültiger Kauf(vor)vertrag anzunehmen.
(Liegenschafts) Anwartschaftsvertrag
Mitunter übermittelt der Bauträger seiner Kundschaft nur ein von ihm formuliertes – aber formell von Käuferseite gestelltes – Kaufanbot für die Eigentumswohnung, das von ihm nach Unterfertigung durch den Käufer erst wiederum angenommen werden muss, womit der Vertrag erst perfekt wird. Hier erscheinen Fristsetzungen (für die Unterschriftleistung des Verkäufers!) durch den Kaufanwärter sinnvoll, um zu wissen, ab wann der Vertrag geschlossen ist.
Bei Anwartschaften handelt es sich idR um bedingte oder betagte Rechte (→ KAPITEL 6: Vorvertrag <-> Anwartschaftsverträge), die nach hA vor Terminablauf oder Bedingungseintritt noch nicht zu vollem Recht erwachsen sind und daher auch nicht verbüchert werden können; vgl etwa SZ 55/58 (1982). – Unterschieden werden bloß schuldrechtliche und dingliche Anwartschaften, je nachdem, welche Art von Rechtserwerb beabsichtigt ist.
Literaturquelle
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes bestätigt, dass der Liegenschaftskäufer alle mit dem Grund(stücks)erwerb zu entrichtenden Steuern, Gebühren und Abgaben bezahlt hat. Die Vorlage dieser Bescheinigung ist für die Verbücherung notwendig; Rechtssicherheit als Serviceleistung des Staates!
Unbedenklichkeitsbescheinigung
Welche ein- oder zweiseitigen Sicherungsmöglichkeiten bestehen beim Liegenschaftskauf?
Sicherungsmöglichkeiten beim Liegenschaftskauf?
Anmerkung der Rangordnung (samt Rangordnungsbescheid): §§ 53 ff GBG – Sie ist ideal für Verkäufer und (!) Käufer! → Anmerkung der Rangordnung und Rangordnungs­bescheid: §§ 53-57 GBG;
Restkaufpreishypothek: Sichert nur den Verkäufer;
Zurückhalten der Aufsandungserklärung: sichert nur den Verkäufer;
• nunmehr BTVG 1997, BGBl I 7: Sichert Käufer indem es ein neues Sicherungssystem für Wohnungsanzahlungen einführt (Bankgarantien, Treuhandschaften oder Pfandrechte sollen Käufer gegen Unsicherheiten bis zur Verbücherung schützen) und den Bauträgervertrag der Schriftform unterwirft; mehr in → KAPITEL 15: Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG.
Die Rechtspraxis hat aber gezeigt, dass bspw in Tirol Baugesellschaften auch das neue Gesetz zu umgehen wissen; etwa dadurch – zum Nachteil von Eigentumswohnungskäufern –, dass vom Bauträger Zahlungen nicht (wie vom Gesetz gefordert) an den Treuhänder, sondern direkt an sich (also den Bauträger) verlangt, und in der Folge durch Wohnungskäufer auch geleistet wurden, wodurch der Sicherungszweck des BTVG vereitelt wird.
Literaturquelle
Treuhandlösung sichert beide Vertragsteile; allgemein zur Treuhand → KAPITEL 15: Die Treuhand.
Zur Treuhandlösung sei angemerkt: Häufig braucht ein Grundstückskäufer Geld, das als Darlehen / Kredit von einer Bank beschafft wird. Das Kreditinstitut zahlt aber bei der sog Immobilien-Treuhand das Geld zur Kaufpreisfinanzierung meist nicht (unmittelbar) dem Käufer und Darlehensnehmer aus, sondern (auch zur eigenen Sicherung) einem Treuhänder – zB Notar oder Rechtsanwalt –, der laut Vereinbarung das Geld an den Verkäufer nur dann (Zug um Zug) auszahlen darf, wenn einerseits alle Verbücherungsvoraussetzungen für den Käufer erledigt wurden und zudem der Bank am Grundstück eine Hypothek eingeräumt wurde.
Treuhandlösung
Rechtssprechungsbeispiel
SZ 71/12 (1998): Notar hat Liegenschaftsvertrag verfasst und ist mehrseitiger Treuhänder; nämlich der Kaufvertragsparteien, der Hypothekargläubigerin, die voll befriedigt werden soll und des Kreditinstituts, das den Kaufpreis finanziert hat. Notar muss den treugebenden Verkäufer bei Abänderung des Auftrags aufklären.
Die österreichischen Notare haben ein notarielles Treuhandregister und eine Notartreuhandbank eingerichtet → KAPITEL 19: Personen der Rechtspflege: Link. – Auch die Rechtsanwälte sichern nunmehr ihre Treuhandtätigkeiten besser ab. Häufigste Anwaltsverfehlung ist die Veruntreuung (§ 133 StGB); so wurde bspw 1999 ein Wiener Wirtschaftsanwalt wegen Veruntreuung von 242 Mio Schilling zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.
Die Treuhandlösung hat demnach immer auch das Risiko der Integrität von Rechtsanwälten und Notaren zu berücksichtigen.
Literaturquelle


Besonderheiten des Liegenschaftskaufs (1)
Abbildung 2.5:
Besonderheiten des Liegenschaftskaufs (1)


Besonderheiten des Liegenschaftskaufs (2)
Abbildung 2.6:
Besonderheiten des Liegenschaftskaufs (2)
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V. Arten des Kaufvertrags
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag können sowohl zeitlich, als auch im Hinblick auf die Art der Erfüllung / Leistungserbringung unterschiedlich vereinbart werden. – Der Kauf ist grundsätzlich als Zielschuldverhältnis angelegt (zB Ladenkauf), kommt aber mittlerweile häufig auch als Dauerschuldverhältnis vor. Typisch für letzteres sind die kommunalen Bezugsverträge für Strom, Wasser, Gas oder Zei­tungs- und Zeitschriften­abos. Mehr dazu → KAPITEL 6: Die ¿zeitliche¿ Ausgestaltung der Leistung.


Arten des Kaufs
Abbildung 2.7:
Arten des Kaufs
1. Spielarten des Kaufvertrags
Die zeitlich unterschiedliche Erbringung der beiden Hauptleistungen des Kaufvertrags zueinander – also von Sach- oder Geldleistung, lässt verschiedene Arten des Kaufvertrags entstehen:
Das Gesetz spricht in § 1063 ABGB von „Kauf auf Borg”. Hier wird zuerst – und zwar vereinbarungsgemäß! – der Kaufgegenstand übergeben, womit Eigentum übergeht, der Kaufpreis aber erst später (in einer oder mehreren Teil/Zahlungen) entrichtet. Darin liegt ein gewolltes Abgehen vom Zug um Zug-Prinzip. Daran zeigt sich aber auch die Kraft des Traditionsprinzips, das auch ohne Kaufpreiszahlung wirkt.
Kreditkauf
Zu unterscheiden ist der schlichte Kreditkauf vom Kreditkauf mit vereinbartem Eigentumsvorbehalt (→ KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel) mit dem Kreditkäufe häufig gekoppelt werden. – Hier wird (aufgrund einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung) der Kaufgegenstand dem Käufer zwar „ohne das Kaufgeld zu erhalten, übergeben”, das Eigentum geht aber kraft der Vorbehaltsabrede trotz Übergabe nicht auf den Käufer über.
Eine besondere Art des Kreditkaufs stellt der Leibrentenvertragdar (§§ 1284-1286 ABGB), mit dem Liegenschaften und Unternehmen (zu tragbaren finanziellen Konditionen) veräußert / erworben werden können. Dazu auch → KAPITEL 12: Arten der Glücksverträge.
Leibrentenvertrag
Beispiel
Der Leibrentenvertrag gehört zu den Glücksverträgen → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte. Die Leibrente ist eine Lebensrente, dh sie stellt „auf die Lebensdauer einer gewissen Person” – idR des Verkäufers – ab; § 1284 ABGB. § 1285 ABGB gestattet aber Modifikationen dieser Grundregel. – Das dtBGB regelt die Leibrente in den §§ 759-761; § 761 BGB verlangt „schriftliche Erteilung des Versprechens”.
Beim Vorauszahlungs- oder Pränumerandokauf erfolgt – komplementär, also seitenverkehrt zum Kreditkauf – zuerst die Kaufpreiszahlung (oder es werden im Voraus Teilzahlungen geleistet) und erst später die Übergabe des Kaufgegenstands; vgl § 27 KSchG.
Vorauszahlungs- oder Pränumerandokauf
Vorausleistungspflichten spielen aber auch bei anderen Vertragstypen als dem Kauf eine Rolle; insbesondere beim Werkvertrag, wo bspw § 1170 ABGB eine grundsätzliche Vorausleistungspflicht des Werkunternehmers festlegt, wenn es in dessen 1. Satz heißt: „In der Regel ist das Entgelt nach vollendetem Werk zu entrichten ....” – In Umkehrung dieser gesetzlichen Regel ist zB bei Telefonwertkarten / Calling Cards oder Travel Phone Card zuerst das Entgelt für die Karte zu bezahlen (pre-paid), ehe diese Dienstleistung in Anspruch genommen werden kann. Wir haben es mit einem Pränumerando-Werkvertrag zu tun. – Vorausleistungspflichten können jede Vertragspartei treffen. – Im Zusammenhang mit der Vorausleistungspflicht ist an § 1052 ABGB zu erinnern; dazu gleich mehr.
Beispiel
Zum Ratenkauf/Abzahlungsgeschäft → Das Abzahlungsgeschäft.
Beim Barkauf erfolgt der (reale) Leistungsaustausch immer Zug um Zug. Die Kaufvertragsperfektion erfolgt aber oft schon früher – dh vor dem realen Leistungsaustausch.
Barkauf
Beispiel
Beim Hand- oder Realkauf erfolgen Kaufvertragsperfektion und der Zug um Zug-Leistungsaustausch einheitlich an einem Zeitpunkt. – Der Hand- oder Realkauf ist eine Spielart des Barkaufs. Vertragliche Konsensbildung und gegenseitige Erfüllungshandlungen (Zahlung + Freigabe der Ware) erfolgen Zug um Zug und sind oft kaum zu trennen.
Hand – oder Realkauf
Beispiel
Vgl § 1052 ABGB und die funktionale Verknüpfung in den §§ 1061, 1062 ABGB. Schon das römische Recht sprach von: Do ut des: Ich gebe, damit du gibst; D. 19, 5, 5 pr und § 1 (Paulus). – Der Begriff Zug um Zug-Leistung ist wörtlich zu nehmen. Es geht dabei um den mehr oder weniger gleichzeitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung im Rahmen der (Vertrags)Erfüllung.
Zug um Zug-Leistung
Zum Begriff Synallagma → Gegenseitige Pflichten aus dem Kaufvertrag – Das Synallagma – Unter Umständen muss sich ein Käufer zur Wehr setzen, um dem Zug um Zug-Prinzip Geltung zu verschaffen; vgl HS 4297/20 (1963): Auf die Verpflichtung des Klägers zur Zug um Zug-Leistung ist von Amts wegen – dh ohne entsprechende Einwendung des Beklagten – nicht Bedacht zu nehmen.
Die praktisch wichtige Zug um Zug-Leistung beruht auf dem uralten Gegenseitigkeitsprinzip. Damit ist gemeint: Niemand soll rechtlich zu einem Verhalten gezwungen werden (können), zu dem der Fordernde selbst nicht bereit ist. Dieses Prinzip der Reziprozität ist ein fundamentales (Bau)Element menschlicher Gesellschaften und insbesondere des Rechtsdenkens. Es reicht weit über das (Privat)Recht hinaus. Ja das Privatrecht griff vielleicht auf diesen Rechtsgedanken, der in anderen (Rechts)Bereichen früher entwickelt war, zurück.
Gegenseitigkeitsprinzip
Das Völkerrecht bedient sich seiner ebenso, wie das Strafrecht (Talion: Auge um Auge, Zahn um Zahn), aber auch das Schadenersatzrecht und das Internationale Privatrecht kennen ihn. – Natürlich bedient sich seiner auch das materielle Privatrecht; so § 1052 ABGB: „Wer auf die Übergabe dringen will, muss seine Verbindlichkeit erfüllt haben oder sie zu erfüllen bereit sein ...”
§ 1052 ABGB
Der Käufer kann daher vom Verkäufer nur unter der Voraussetzung Lieferung / Übergabe des Kaufgegenstands verlangen, wenn er selber zur Kaufpreiszahlung bereit ist! Solange nämlich der Verkäufer den Kaufgegenstand nicht aus der Hand gegeben hat, geht er kein Risiko ein. Hat er die Ware aber übergeben, ohne dafür den Kaufpreis (also die Gegenleistung) zu erhalten, ist er von der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit seines Schuldners (bspw des Käufers) abhängig. Er begibt sich dadurch einer für ihn wichtigen Sicherheit. Verzichtet er darauf, kann dies nur freiwillig geschehen. Gezwungen werden kann der Verkäufer dazu nicht, es sei denn, er hätte sich selbst dazu verpflichtet; sog Vor(aus)leistungspflicht. Das Gesetz (§ 1052 ABGB) verlangt dies aber grundsätzlich weder vom Verkäufer noch vom Käufer; vgl aber § 1170 ABGB für den Werkvertrag. – Aber selbst wenn die Verkäuferseite zur Vorleistung (vertraglich) verpflichtet ist, gibt es rechtliche Möglichkeiten, die dadurch entstehende rechtliche Unsicherheit iSd – wenngleich etwas gelokkerten – Gegenseitigkeitsdenkens (wiederum) auszugleichen; vgl einerseits § 1052 Satz 2 ABGB und andrerseits das Rechtsinstitut des Eigentumsvorbehalts → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel, S.. § 1052 Satz 2 ABGB gewährt auch dem „zur Vorausleistung Verpflichtete[n]” bis „zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung” ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn die Gegenleistung „durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mussten”.
Beispiel
Entdeckt wurde die Bedeutung des Gegenseitigkeitsprinzips für menschliche Gesellschaften und damit auch für das Rechtsdenken nicht von Juristen, sondern vom Anthropologen und Ethnologen R. Thurnwald. Von ihm stammt das berühmte Werk: „Die menschliche Gesellschaft in ihren ethno-soziologischen Grundlagen”; Bd V behandelt „Werden, Wandel und Gestaltung des Rechtes” (1934). – Vgl auch den folgenden Text von Bronislaw Malinowski, GegenseitigkeitundRecht: Die bindende Kraft ökonomischer Verpflichtung. – Aus: F. Kramer / Ch. Sigrist (Hg), Gesellschaften ohne Staat. Gleichheit und Gegenseitigkeit 135 (1983):
R. Thurnwald und B. Malinowski
”Wir wollen den Fischern zum Strand folgen, um die Natur dieser bindenden Verpflichtungen besser verstehen zu können. Schauen wir, was bei der Teilung des Fanges vor sich geht. In den meisten Fällen bleibt nur ein kleiner Teil in den Händen der Dorfbewohner. Regelmäßig werden wir sehen, dass eine Anzahl von Leuten einer Gemeinde im Landesinneren am Strand wartet. Sie erhalten die Fischbündel und tragen sie nach Hause; Hier finden wir wieder ein System gegenseitiger Dienste und Verpflichtungen, das auf einer bestehenden Übereinkunft zwischen zwei Dorfgemeinden beruht. Das Dorf im Inneren versorgt die Fischer mit Gemüse: Die Gemeinschaft an der Küste zahlt dafür mit Fisch. Diese Übereinkunft ist in erster Linie ökonomisch. Sie hat auch einen zeremoniellen Aspekt, denn der Tausch muss entsprechend einem ausgefeilten Ritual durchgeführt werden. Aber es gibt auch noch eine rechtliche Seite, ein System gegenseitiger Verpflichtungen, das den Fischer zur Zahlung zwingt, wann immer er eine Gabe von seinem Partner aus dem Innern erhalten hat, und umgekehrt. Kein Partner kann dies verweigern, keiner kann mit seiner Gegengabe knausern, keiner sollte die Sache hinauszögern.
Was ist die treibende Kraft hinter diesen Verpflichtungen? Die Dörfer an der Küste und im Innern sind aufeinander angewiesen in der Versorgung mit Nahrung. An der Küste haben die Eingeborenen niemals genug Gemüse, während die Leute im Innern immer Fisch brauchen. Mehr noch, der Brauch verlangt, dass an der Küste alle großen zeremoniellen Darbietungen und die Verteilung der Nahrung, die einen außerordentlichen Aspekt des öffentlichen Lebens dieser Eingeborenen bilden, mit bestimmten Gemüsen in besonders großer und reichhaltiger Auswahl gemacht werden müssen, die nur in den fruchtbaren Ebenen des Innern gedeihen. Dort wiederum ist Fisch von entsprechender Bedeutung für eine Verteilung und ein Fest. So kommt zu allen anderen Gründen des Wertes der jeweils selteneren Nahrung eine künstliche, kulturell entstandene gegenseitige Abhängigkeit der beiden Bezirke hinzu. Auf diese Weise ist insgesamt jede Gemeinschaft sehr stark auf ihre Partner angewiesen. Wenn eine von ihnen sich jedoch früher jemals eines Versäumnisses schuldig gemacht hat, so weiß sie, dass sie auf die eine oder andere Weise ernsthaft bestraft werden wird. Jede Gemeinschaft hat deshalb eine Waffe zur Erzwingung ihrer Rechte: die Gegenseitigkeit.
Dies ist nicht beschränkt auf den Austausch von Fisch und Gemüse. IdR sind zwei Gemeinden außerdem in anderen Formen des Handels und anderen gegenseitigen Diensten aufeinander angewiesen. So wird jede Kette der Gegenseitigkeit noch bindender als Teil eines ganzen Systems gegenseitiger Verpflichtungen.” (Hervorhebungen von mir)
• Bei der Anmerkung der Rangordnung → Anmerkung der Rangordnung und Rangordnungs­bescheid: §§ 53-57 GBG. und nunmehr den (Sicherungs)Vorschriften des BTVG 1997 → KAPITEL 15: Das Bauträgervertragsgesetz / BTVG;
• beim Dokumentenakkreditiv → KAPITEL 15: Das Dokumentenakkreditiv;
• der Bankgarantie → KAPITEL 15: Garantievertrag und Bankgarantie;
• dem sog wechselbezüglichen Testament → KAPITEL 17: Sondertestamente;
• dem Zurückbehaltungsrecht des § 471 ABGB” → KAPITEL 15: Das Zurückbehaltungsrecht: § 471 ABGB.
Wichtig für das Entstehen einer Stück- und Gattungsschuld ist die Unterscheidung zwischen unvertretbaren und vertretbaren Sachen , → KAPITEL 8: Vertretbare und unvertretbare Sachen. Denn wenn der Parteiwille nichts anderes bestimmt, entscheidet für das Entstehen einer der beiden Arten von Schuldverhältnissen die Verkehrsauffassung, die sich grundsätzlich wiederum an der Sachqualität orientiert.
Beim Gattungskauf wird der Kaufgegenstand nach Maß, Zahl und Gewicht, also generellen oder Gattungsmerkmalen, beim Stückkauf dagegen nach individuellen Gesichtspunkten bestimmt. – Stückkauf ist bspw der Kauf eines alten (Perser)Teppichs vom Händler oder eines Oldtimers; Gattungskauf der Kauf eines (beliebigen) neuen Teppichs oder Autos. – Von besonderer Bedeutung ist der Gattungskauf im kaufmännischen Bereich, weil fabriks- und serienmäßig erzeugte Waren heute überwiegen.
UnterscheidungStück- und Gattungskauf
Die meisten (Gattungs)Käufe sind Handelskäufe; dazu gleich unten.
Die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschuld ist für die sog Gefahrtragung von Bedeutung; dazu schon → KAPITEL 8: Gefahrtragungsregeln für Stück- und Gattungsschulden . Gefahrtragung bedeutet auch hier: Wer hat die zufällige Verschlechterung oder den zufälligen Untergang des Leistungsgegenstands zwischen Vertragsschluss und (vereinbarter) Übergabe zu tragen? – Die Gefahrtragungsregeln für den Stück- und Gattungskauf sind nämlich unterschiedlich. Wir merken uns hier aber einstweilen nur soviel grundsätzlich: Bis zur Übergabe trägt der Verkäufer die Gefahr, mit der Übergabe geht sie auf den Käufer über. Mehr dazu in → KAPITEL 8: Einteilung der Sachen ¿ Überblick.
Gefahrtragung
Er ist wichtig für Kaufleute; daher Regelung in § 375 HGB als Sonderfall des Handelskaufs. Hier übernimmt der Käufer die (zusätzliche) vertragliche Pflicht, die im Vertrag nur der Gattung nach bestimmte Ware später noch näher zu bestimmen, eben zu spezifizieren. Es handelt sich um eine Sonderform des Gattungskaufs. Das Gesetz trifft Vorsorge dafür, wenn der Käufer seiner Spezifikationsverpflichtung nicht nachkommt, also damit in Schuldnerverzug gerät.
Spezifikations- oder Bestimmungskauf
Beispiel
Rechtssprechungsbeispiel
HS 4303/23 (1963): Spezifikations- oder Bestimmungskauf(§ 375 HGB): Verzug des Käufers. „Wenn der Käufer mit der Bestimmung [des Kaufgegenstands] in Verzug gerät, kann der Verkäufer keineswegs gleich den Kaufpreis verlangen, sondern er muss zunächst die Bestimmung selbst vornehmen. Nach dem unzweideutigen Wortlaut des Gesetzes ist dabei nicht zu unterscheiden, ob es sich um einen gewöhnlichen Verzug oder um eine ausdrückliche Weigerung des Käufers handelt. Der Kaufvertrag muss, wenn der Käufer zur Zahlung des Preises verurteilt werden soll, eindeutig feststehen, wozu die genaue Bestimmung des Vertragsgegenstandes gehört.” Die Klägerin war eine Brüsseler Textilfabrikantin, Beklagter eine Salzburger Firma für Regenbekleidung.
(1) Ist bei dem Kaufe einer beweglichen Sache dem Käufer die nähere Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse vorbehalten, so ist der Käufer verpflichtet, die vorbehaltene Bestimmung zu treffen.
§ 375 HGB
(2) Ist der Käufer mit der Erfüllung dieser Verpflichtung im Verzuge, so kann der Verkäufer die Bestimmung statt des Käufers vornehmenoder gemäß §§ 918, 920 und 921 ABGB Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrag zurücktreten. Im ersteren Falle hat der Verkäufer die von ihm getroffene Bestimmung dem Käufer mitzuteilen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung zu setzen. Wird eine solche innerhalb der Frist von dem Käufer nicht vorgenommen, so ist die von dem Verkäufer getroffene Bestimmung maßgebend. (Hervorhebungen von mir)
Zum Fahrnis- und Liegenschaftskauf → Der Kauf ist „formfrei” gültig
Zum sog Doppelverkauf, der bei Fahrnis (§ 430 ABGB) und Liegenschaften (§ 440 ABGB ) vorkommt → KAPITEL 8: Der sog Doppelverkauf.
Zum Versendungskauf: § 429 ABGB → Versendungskauf: § 429 ABGB.
Zum Kauf als Ziel- oder Dauerschuldverhältnis → KAPITEL 6: Ziel- und Dauerschuldverhältnisse.
Die meisten Käufe des Alltagslebens sind Handelskäufe (n Kauf nach bürgerlichem Recht). Die §§ 373 ff HGB treffen dafür Sonderregeln. – Ein Handelskauf setzt voraus, dass wenigstens auf einer Vertragsseite ein Kaufmann beteiligt ist (sog einseitiger Handelskauf), und dass das Geschäft für diesen unternehmenszugehörig ist sowie dass Kaufgegenstand Waren oder Wertpapiere iSd § 1 HGB (bewegliche Sachen) sind. Beim zweiseitigen Handelskauf sind beide Vertragspartner Kaufleute.
HGB – Viertes Buch: Handelsgeschäfte, Erster Abschnitt, Allgemeine Vorschriften
Zu unterscheiden sind einseitige und zweiseitige Handelsgeschäfte; der Handelskauf ist ein Unterfall davon. – Auch auf einseitige Handelsgeschäfte ist grundsätzlich Handelsrecht anzuwenden, wenngleich nicht alle Bestimmungen desselben. Bestimmte – strenge! – Normen des Handelsrechts gelten nur für zweiseitige Handelsgeschäfte; so etwa die Bestimmungen der kaufmännischen Mängelrüge (§§ 377 f HGB) → KAPITEL 7: Kaufmännische Rügepflicht. Zur parallelen Anwendung des KSchG, neben ABGB und HGB, → Abgrenzung zum ABGB und HGB.
§ 343 Abs 1: „Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmannes, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören.”
§ 344 Abs 1: „Die von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig.”
§ 345: „Auf ein Rechtsgeschäft, das für einen [!] der beiden Teile ein Handelsgeschäft ist, kommen die Vorschriften über Handelsgeschäfte für beide Teile gleichmäßig zur Anwendung, soweit nicht aus diesen Vorschriften sich ein anderes ergibt.”
Zum internationalen Kauf nach dem CISG/Wiener oder UN-Kaufrecht → KAPITEL 1: Das UN- oder Wiener Kaufrecht.
§ 1065 ABGB verweist bezüglich des „Kaufs einer gehofften”, dh einer künftigen Sache – hier werden Sachen gekauft, „die noch zu erwarten stehen”, auf das 29. Hauptstück: „Von den Glücksverträgen”; §§ 1267-1292 ABGB → KAPITEL 12: Glücksverträge ¿ Gewagte Geschäfte.
Hoffnungskauf
Dort wird unter dem Oberbegriff des Hoffnungskaufs zwischen dem Kauf einer Hoffnung (emptio spei; § 1276 zweiter HalbS ABGB) und dem Kauf einer gehofften Sache (emptio rei speratae; § 1275 ABGB) unterschieden.
Hier wird – wie auch sonst bei Käufen – für eine bestimmte Menge eines künftigen Erträgnisses ein bestimmter Preis versprochen; ordentlicher Kaufvertrag. Der Käufer trägt hier jedoch – anders als im Normalfall – das Qualitätsrisiko hinsichtlich des Kaufgegenstands; daher keine Mängelhaftung / Gewährleistung und keine Verkürzung über die Hälfte. Beim Verkäufer verbleibt nur das Risiko, dass überhaupt wirtschaftlicher Ertrag entsteht. – Wird bspw die Weinernte (völlig) vernichtet, ist der Kauf hinfällig, denn dieser Kauf wird im Hinblick auf die Entstehung der Sache bedingt geschlossen.
Kauf einer gehofften Sache
Hier trägt der Käufer nicht nur das Qualitäts-, sondern auch noch das Quantitätsrisiko, dh „die Gefahr der ganz vereitelten Erwartung”. Hier ist der Kaufpreis – anders als beim Kauf einer gehofften Sache – auch dann (voll!) zu entrichten, wenn Hagel oder Sturm die Wein- oder Getreideernte vernichten oder bei einem Fischzug nichts erbeutet wird; D. 18, 1, 8 pr 1.
Kauf einer Hoffnung (iS einer bloßen Gewinnaussicht)
Nach Gschnitzer ist im Zweifel die Übernahme des kleineren Risikos anzunehmen; also nicht Kauf einer Hoffnung, sondern bloß Kauf einer gehofften Sache. – Welche Unklarheitenregel des § 915 ABGB (→ KAPITEL 11: Die Unklarheitenregeln der §§ 915, 869 ABGB) kommt dabei zur Anwendung?
Zum Erbschaftskauf → KAPITEL 17: Der Erbschaftskauf. – Zum Leibrentenvertrag → Leibrentenvertrag mwH.
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2. „Teil”-Leistungen
Aber nicht nur die beiden Hauptleistungen des Kaufvertrags – Kaufgegenstand und Kaufpreis – können als Ganze zeitlich „versetzt” erbracht werden; die jeweilige Leistung von Verkäufer und Käufer kann auch als solche in Teilen – also Teilleistungen– von Sache oder Preis erbracht werden:
Beim Abzahlungsgeschäft/ Ratenkauf(→ Das Abzahlungsgeschäft) wird der Kaufpreis in Teilzahlungen entrichtet, während der Kaufgegenstand vollständig und sogleich übergeben wird, mag auch damit idR noch nicht das Eigentum übergehen.
Abzahlungsgeschäft / Ratenkauf
Umgekehrt liegt der Fall bei Erbringung des Kaufgegenstands in „Teil”-Leistungen –sog Sukzessivlieferungsverträge – oder Abruf des Kaufgegenstands in „Teil”-Leistungen (Bezugsverträge– Hier ist also erneut zu unterscheiden zwischen:
Sukzessivlieferungs- und Bezugsverträge
Bei Sukzessivlieferungsverträgen (zB der Lieferung eines 12-bändigen Konversationslexikons oder einer Loseblattsammlung über die geltenden Schulgesetze) erfolgt die Lieferung der einzelnen Bände – also un selbständiger Teilleistungen – sukzessiv, also in zeitlich vereinbarten Abständen, etwa vierteljährlich. Jeder einzelne Band wird aber wieder Zug um Zug bezahlt. Wichtig für die Qualifikation des Sukzessivlieferungsvertrags als Zielschuldverhältnis ist es, dass bei ihm die gesamte Leistung (also hier alle 12 Bände) von vornherein feststeht.
Sukzessivlieferungsverträge
Im Hinblick auf Sukzessivlieferungsverträge ist die Terminologie uneinheitlich. Wie in anderen Ländern – etwa der Schweiz oder Deutschland – werden auch in Österreich darunter irreführenderweise auch Dauerschuldverhältnisse verstanden. – Vorzuziehen ist es, den Begriff Sukzessivlieferungsvertrag auf Zielschuldverhältnisse zu beschränken; so Barta / Call, Der Sukzessivlieferungsvertrag. Ein Beitrag zur Lehre vom Ziel- und Dauerschuldverhältnis, JBl 1971, 76 und 117. Zur Grenzziehung Zielschuldverhältnis n Dauerschuldverhältnis → KAPITEL 6: Ziel- und Dauerschuldverhältnisse. Für Dauerschuldverhältnisse steht der eingelebte Begriff des Bezugsvertrags zur Verfügung. Anders als Bezugsverträge haben Sukzessivlieferungsverträge – wie erwähnt – einen (vertraglich) vorgegebenen Leistungsumfang / -inhalt.
Genau genommen kann von „Teil”-Leistung nur gesprochen werden, wenn die geschuldete (Sach)Leistung wirklich auch teilbar iSd § 918 Abs 2 ABGB ist; dh in gleichartige und in etwa gleichwertige Stücke zerlegbar ist, ohne dass darunter das Ganze leidet. Das trifft aber zB auf das sukzessive Erbringen der Leistung im Rahmen eines Sukzessivlieferungsvertrags nicht zu, da hier die einzelnen Leistungspositionen unselbständig sind, weil eine unteilbare Gesamtleistung geschuldet wird. Ein fehlender Lexikonband entwertet das ganze Lexikon! – Dennoch wird (immer wieder ungenau) von Teil-Leistung gesprochen.
„Teil”-Leistung
Die Frage der Teilbarkeit einer Leistung ist insofern von Bedeutung, weil nur bei teilbarer Leistung ein Teilrücktritt iSd § 918 Abs 2 ABGB möglich ist, während bei Unteilbarkeit nur ein Gesamtrücktritt vom Vertrag in Frage kommt. – Vgl auch → KAPITEL 7: Mehrheit von Berechtigten und Verpflichteten: Gläubiger- und Schuldnermehrheit.
Sie sind Dauerschuldverhältnisse → KAPITEL 6: Ziel- und Dauerschuldverhältnisse; zB kommunale Strom-, Wasser- oder Gaslieferungsverträge. Hier ist der Umfang der Sachleistung mengenmäßig nicht mehr von vornherein bestimmt; vielmehr bestimmt hier die Zeit den (tatsächlich erbrachten) Leistungsumfang. Und zwar entweder so, dass der Vertrag von vornherein auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen wird, oder so, dass zwar der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird, die Verrechnung aber nach vereinbarten Zeiteinheiten – etwa monatlich oder vierteljährlich – erfolgt. Wird ein Bezugsvertrag auf bestimmte Zeit – etwa 6 Monate – geschlossen und Lieferung zu bestimmten Zeiteinheiten vereinbart – zB wöchentlich 5 Tonnen Schotter –, ist damit die Gesamtmenge ebenfalls berechenbar; zB 24 x 5 Tonnen = 120 Tonnen. Dennoch werden solche Verträge als Bezugsverträge und damit als Dauerschuldverhältnis angesehen, weil der Faktor Zeit den Leistungsumfang bestimmt. – Bei auftretender Leistungsstörung oder einem Mangel in der Wurzel wäre daher zu kündigen (ex-nunc-Wirkung) und nicht der Rücktritt zu erklären. Bei Teilbarkeit der Leistung ist das Ergebnis aber dasselbe.
Bezugsverträge
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VI. Nebenabreden beim Kauf
Im Rahmen von Kaufvertragsabschlüssen werden häufig Nebenabreden vereinbart; vgl die Aufzählung in § 1067 ABGB. Die im Schuldrecht geltende Vertragsfreiheit (hier: Inhaltsfreiheit → KAPITEL 5: Gestaltungs- oder Inhaltsfreiheit. ) ermöglicht solche Anpassungen an individuelle rechtliche Bedürfnisse; Kautelarjurisprudenz.
Beispiel
1. Nebenabreden beim Kauf – Übersicht
Kauf auf Probe (§§ 1080-1082 ABGB, Art 8 Nr 18 der 4. hrEVO): Käufer hat freies Gestaltungsrecht, innerhalb einer vereinbarten oder gesetzlichen Probezeit den Kaufvertrag perfekt zu machen oder vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen (Gesetz lesen!) – Stillschweigen gilt hier ausnahmsweise als Zustimmung; vgl etwa JBl 1982, 90 und → KAPITEL 5: Annahme durch Stillschweigen?.
• Art 8 Nr 17 + Nr 18 EVHGB (reiner Textlink)
Kauf zur Probe: Unbedingter Kauf mit unverbindlich geäußertem Motiv, bei Gefallen mehr zu kaufen.
Kauf nach Probe / Muster: Kaufgegenstand bestimmt sich entsprechend einer Probe; zB ein weiteres Glas Wein oder Bier im Gasthaus; Art 8 Nr 17 EVHGB.
Prüfungskauf: Kaufvertrag gemäß bindendem Sachverständigengutachten.
Kauf auf Umtausch: Käufer hat bei Umtausch freie Auswahl, ist aber verpflichtet zu kaufen; Umtauschrecht wird oft erst im nachhinein gewährt.
Kauf mit Vorbehalt eines besseren Käufers (§§ 1083 ff ABGB): Verkäufer behält sich das Recht vor (= Gestaltungsrecht) einen besseren Käufer vorzuziehen.
Vorkaufsrecht (§§ 1072 ff ABGB): → Das Vorkaufsrecht
Rückverkaufsrecht (§ 1071 ABGB): Recht des Käufers die Sache zurückzuverkaufen.
Wiederkaufsrecht (§ 1068 ff ABGB): Verkäufer kann Sache zurückkaufen. Vgl das Beispiel → KAPITEL 7: Geldbetrags- und Geldwertschulden : SZ 60/37.
Verkaufsauftrag oder Trödelvertrag (§§ 1086 ff ABGB): Gestaltungsrecht des Käufers; Großhändler kreditiert zB einem Kleinhändler Waren, und dieser muss nach der vereinbarten Zeit die verkauften Stücke abrechnen, die nicht verkauften nimmt der Großhändler zurück; Vertrag sui generis – vgl nunmehr das Kommissionsgeschäft des Handelsrechts; §§ 383 ff HGB.
Prämiengeschäfte im Börsenverkehr: Gegen Prämie werden zu Kaufverträgen verschiedene spekulative Nebenabreden vereinbart: zB vertragliches Rücktrittsrecht(einfaches Prämiengeschäft); Wiederkaufs- und Rückverkaufsrecht (Kostgeschäft); Recht den Erfüllungstag zu ändern (Eskomptgeschäft) oder die vereinbarte Menge (Geschäft auf fest und offen); Wahlrecht zu verkaufen oder zu kaufen (Stellagegeschäft) uam.
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2. Das Vorkaufsrecht
Die §§ 1072-1079 ABGB regeln das Vorkaufsrecht (VKR), das alte rechtsgeschichtliche Wurzeln besitzt. Das dtBGB regelt unser Rechtsinstitut in den §§ 463-473 BGB. Das VKR stammt aus einer Zeit, in der insbesondere das Liegenschaftseigentum noch Gemeinschaftseigentum war (Familien- oder Gemeindeeigentum als Form kollektiven Eigentums → KAPITEL 8: Eigentumsformen) und diese Gemeinschaftsbindung auch nach der Entwicklung von Individualeigentum in mancher Hinsicht nachwirkte. Noch im Mittelalter und der frühen Neuzeit standen zB Miterben, Nachbarn oder Gemeindegenossen dingliche Näher-, Retrakts- oder Einstandrechte zu, mittels derer dieser Personenkreis einen Verkauf an Dritte – zB an Nichtfamilien- oder Gemeindemitglieder – durch Eintritt in den Kaufvertrag verhindern konnte. – Daran erinnern noch die §§ 1140, 1141 ABGB sprechen noch vom Vorkaufs- oder Einstandsrecht sprechen.
§ 1072 ABGB kennt das VKR nur als Nebenabrede zum Kaufvertrag. Heute wird ein autonomes Vereinbaren von VKR ebenso zugelassen wie seine Verbindung mit anderen Verträgen – etwa Bestand- oder Franchiseverträgen – was praktisch sein kann; zB Pächter sichert sich am Pachtobjekt ein VKR.
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1991/88: Bei einem gleichzeitig mehreren Personen eingeräumten VKR kann jeder Einzelne dingliche Vorkaufsberechtigte gemäß § 61 GBG auf Löschung der seine bücherlichen Rechte verletzenden Eintragungen klagen.
OGH 25. 7. 2000, 1 Ob 49/00p, SZ 73/120 = EvBl 2001/16: Der Eigentümer einer mit einem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft will diese an einen Dritten verkaufen. Im Kaufvertrag mit der Drittkäuferin wird die Suspensivbedingung der Nichteinlösung durch den Vorbehaltsberechtigten und Tragung der Vertragserrichtungskosten durch jeden Vertragspartner vereinbart. Als der Vorkaufsberechtigte die Einlösung erklärt, verlangt die Drittkäuferin von diesem den Ersatz der frustrierten Vertragserrichtungskosten als „Nebenleistungskosten”. – OGH verneint die Subsumtion der Vertragserrichtungskosten unter die „Nebenbedingungen” nach § 1077 zweiter Satz ABGB. Dieses Kostenrisiko trägt der Drittkäufer. (Für die Haftungsfreiheit des Vorkaufsverpflichteten gegenüber dem Drittkäufer genügt schon der bloße Hinweis im Drittvertrag auf das Vorhandensein des Vorkaufsrechts.)
1073 Satz 1 ABGB bezeichnet das VKR als ein „persönliches Recht” und betont damit seinen schuldrechtlichen Charakter. Satz 2 stellt aber klar:
„In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden”; vgl auch § 9 GBG: Bücherliche Rechte.
Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der Verletzung bloß schuldrechtlich vereinbarter oder dinglich gesicherter VKR nennt § 1079 ABGB:
VKR als „persönliches“ Recht
„Hat der Besitzer dem Berechtigten die Einlösung nicht angeboten, so muss er ihm für allen Schaden haften. Im Falle eines dinglichen Vorkaufsrechtes kann die veräußerte Sache dem Dritten abgefordert werden, und dieser wird nach Beschaffenheit seines redlichen oder unredlichen Besitzes behandelt.”
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1995, 526 (Verletzung eines nichtverbücherten Vorpacht- und VKR); Leitsatz: Wer sich nur auf ein nicht verbüchertes VKR berufen kann, hat nur unter der Voraussetzung der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte (→ KAPITEL 11: Verletzung fremder Forderungsrechte) einen Anspruch auf Naturalrestitution gegen den dritten Käufer. – Die bloße Kenntnis des fremden Rechts verpflichtet den Käufer nicht zu Erhebungen, ob der Verkäufer seinen Vertrag mit dem Berechtigten verletzt; die Forderung nach Einhaltung derartiger Sorgfaltspflichten würde zu einer unzumutbaren Einschränkung im wirtschaftlichen Verkehr führen.” (?) In concreto war dem Käufer das vertragliche VKR bekannt.
Streitig ist, wieweit der dingliche Charakter des VKR reicht; dasselbe gilt für das Wiederkaufsrecht. Richtig erscheint es, § 9 GBG zu folgen und das VKR nicht generell als dingliches Recht anzusehen, sondern nur in Bezug auf den Herausgabeanspruch des Berechtigten gegen Dritte.
Dinglicher Charakter des VKR?
Nach § 1074 ABGB kann das VKR als höchstpersönliches Recht, weder „einem Dritten abgetreten”, also an ihn übertragen, noch vererbt werden.
VKR als höchstpersönliches Recht
Bedenkenswert erscheint § 473 dtBGB, der dieser Linie folgt, aber ergänzt: „… sofern nicht ein anderes bestimmt ist. Ist das Recht auf eine bestimmte Zeit beschränkt, so ist es im Zweifel vererblich.”
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 2002/84 = JBl 2002, 458: § 1074 (§ 1075) ABGB – Zur Erstreckung der Vorkaufsverpflichtung: Die Erstreckung des VKR auf mehrere Vorkaufsfälle kann wirksam vereinbart werden. In der Erklärung des Verpflichteten, die Vorkaufsbelastung auf den Rechtsnachfolger zu überbinden, liegt keine unzulässige Verlängerung des VKR: Liegenschafts-Miteigentümer schließen Konsortial- oder Gesellschaftsvertrag, um einen Abverkauf von Liegenschaften an dritte Personen zu verhindern. Dazu werden auch ”immerwährende” gegenseitige Vorkaufsrechte eingeräumt. IdF will ein Miteigentümer einen Liegenschaftsanteil, bezüglich dessen das Vorkaufsrecht bereits einmal ausgeübt wurde, an einen Dritten veräußern und sich nicht mehr an die Vereinbarung halten. – OGH erachtet das Erstrecken des Vorkaufsrechts auf mehrere Vorkaufsfälle als wirksam, weil die zwingende Bestimmung des § 1074 ABGB dies ermöglicht und § 1075 ABGB bloß Dispositivrecht enthält.
Das vertraglich oder allenfalls gesetzlich eingeräumte Gestaltungsrecht (des Vorkaufs) wird durch den sog Vorkaufsfall ausgelöst. Unstreitig löst ein Kaufvertragsabschluss, also ein perfekter Kaufvertrag mit einem Dritten das VKR aus; ob auch schon die bindende Offerte eines Dritten, ist strittig. Konsequenter ist es, einen perfekten Kaufvertrag zu verlangen, zumal Missbrauchsmöglichkeiten ohnehin Tür und Tor geöffnet ist und auch eine Punktation (§ 885 ABGB) dazu ausreicht.
Vorkaufsfall
Dafür hat sich auch § 463 dtBGB entschieden: „… sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.”
Das Schutzbedürfnis von VKR wird immer noch gering geachtet; vgl etwa JBl 1995, 526: Restaurationsbetrieb (s. oben). – Dennoch wird überwiegend eine Offerte als ausreichend erachtet; so auch Welser, ZfRV 1971, 314.
Ausgelöst wird das VKR nach hA auch nur durch den (beabsichtigten) Abschluss eines Kaufvertrags – also eines Weiterverkaufs –, nicht aber durch andere Veräußerungsarten, wie einen Tausch oder eine Schenkung. § 1078 ABGB lässt es aber zu, das VKR „auf andere Veräußerungsarten … aus[zu]dehnen”. In einem solchen Fall muss der Einlösungspreis aber wenigstens bestimmbar sein; SZ 55/57: Schenkung. Der Vertragsauslegung ist Bedeutung beizumessen; § 914 ABGB. – Die gegenwärtige Rspr geht aber zu weit und fördert Umgehungen.
Anwendung des VKR „auf andere Veräußerungsarten“
Rechtssprechungsbeispiel
EvBl 1964/361: Ein Erbschaftskauf (→ KAPITEL 17: Der Erbschaftskauf) wird als andere Veräußerungsart qualifiziert, nicht dagegen ein Leibrentenvertrag (EvBl 1904/2), was im Hinblick auf dessen Versorgungszweck fraglich erscheint;
SZ 70/50 (1997): Ein Sacheinlagenvertrag fällt unter den Begriff der „anderen Veräußerungsart” nach § 1078 ABGB;
SZ 71/60 (1998): Ein Erbteilungsübereinkommen ist einem Kaufvertrag iSd § 1072 ABGB nicht gleichzuhalten.
Die Einlösung des VKR umfasst nach § 1077 ABGB die Erklärung des Vorkaufsberechtigten, die Sache kaufen und den „vollständigen Preis, welcher von einem Dritten angeboten” wurde, entrichten zu wollen. – Die Einlösungsfrist beträgt nach § 1075 ABGB für bewegliche Sachen 24 Stunden, für unbewegliche 30 Tage, berechnet „nach der geschehenen Anbietung”. Danach erlischt das VKR; Präklusivfrist.
Einlösung des VKR
Probleme schafft immer wieder der zweite Satz des § 1077 ABGB, der in die „wirkliche” Einlösung auch mit dem Dritten vereinbarte, also „angebotene Nebenbedingungen” mit einbezieht. – Die Lösung des Gesetzes besteht darin: Kann der Einlösungsberechtigte diese Bedingungen „nicht erfüllen und lassen sie sich auch durch einen Schätzungswert nicht ausgleichen, so kann das [VKR] nicht ausgeübt werden.” Das betrifft insbesondere Dienstleistungen (wie Pflege), Instandhaltung, Reinigung und ähnliches, die der Dritte zu übernehmen bereit ist. Derartige „Dienste” als Nebenbedingungen des Erwerbs dienen aber immer wieder der Umgehung und sind oft gar nicht gewollt. Die Rspr hat daher die Ernsthaftigkeit ernsthaft zu prüfen; § 914 ABGB.
Rechtssprechungsbeispiel
JBl 1966, 35 (Krankenpflege): „Bei Veräußerung gegen Geld- und Pflegeleistungen ist § 1055 ABGB sinngemäß anzuwenden. Stellt die Pflege eine Hauptleistung dar, wird ein VKR gar nicht ausgelöst; ist sie eine Nebenleistung, so kann sie vom VK-Berechtigten erfüllt oder durch den Schätzwert ausgeglichen werden.”
Übt der VK-Berechtigte sein Gestaltungsrecht aus, kommt es zwischen ihm und dem Verkäufer zum Abschluss eines Kaufvertrags, dessen Inhalt der mit dem Dritten ausgehandelte Vertrag ist. – Um sich vor Ersatzansprüchen zu bewahren ( §§ 430, 440 ABGB!) sollte der Verkäufer den Dritten wenigstens auf das Bestehen des VKR hinweisen; so Mayer-Maly, FS Wagner 287 (1987).
Gestaltungsrecht
Beim limitierten VKR wird der künftige Kaufpreis schon bei Einräumung des VKR bestimmt, was – so realisierbar – ratsam erscheint, weil andernfalls versucht werden kann, fingierte Kaufpreise vorzutäuschen; vgl § 1058 Satz 1 ABGB.
limitiertes VKR
§ 1076 ABGB regelt die Behandlung des dinglichen VKR im Rahmen einer gerichtlichen Versteigerung und bestimmt, dass der VK-Berechtigte „zur Feilbietung insbesondere vorgeladen werden muß.” – Andere (Vor)Rechte stehen VK-Berechtigten aber nicht zu; insbesondere besteht kein bevorzugter Erwerbsanspruch.
Gerichtliche Versteigerung
Die Praxis kennt auch Vormiet- und Vorpachtrechte, auf welche die Bestimmungen des VKR analog angewendet werden. Sie können zwar schuldrechtlich vereinbart, wegen der taxativen Aufzählung der bücherlichen Rechte in § 9 GBG aber nicht verbüchert werden.
Vormiet- und Vorpachtrechte
Beispiel
Die Einräumung von VKR erfolgt häufig entgeltlich. Dabei sollte klargestellt werden, ob der entrichtete Betrag auf den Kaufpreis anzurechnen ist oder nicht. Im Zweifel gilt letzteres.
Entgeltliche Einräumung
Das VKR ist – zum Unterschied vom Wiederkaufsrecht – nicht auf unbewegliche Sachen beschränkt und ist daher bspw auch an einem Kunstwerk oder einem Buch möglich.
Nicht auf unbewegliche Sachen beschränkt
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VII. Das Abzahlungsgeschäft
Die Regeln über das Abzahlungsgeschäft, den alten Ratenkauf, stellen typische Konsumentenschutzbestimmungen dar. Insofern war es konsequent, sie 1979 in das KSchG (§§ 16 ff) aufzunehmen. Früher – 1896 und 1961 – gab es eigene RatenGe. Es gilt nämlich kaufunerfahrene KäuferInnen vor Übervorteilung durch die erfahrene/re Verkäuferseite ebenso zu schützen, wie vor eigener Unbedachtheit (Überschuldung). Verführt doch ein überreiches Warenangebot leicht dazu, Waren anzuschaffen, die nicht gebraucht, und Verpflichtungen einzugehen, die finanziell nicht verkraftbar sind. – Dafür gewährt das Gesetz als Schutzgesetz Hilfestellung; etwa das Rücktrittsrecht des § 3 KSchG bei Haustürgeschäften.
Das Rücktrittsrecht von sog Haustürgeschäften (§§ 3, 4 KSchG) gilt seit Inkrafttreten des KSchG (1979) nicht nur für Abzahlungsgeschäfte, sondern für alle Verbrauchergeschäfte. Noch im RatenG von 1961 stand dieses Recht bloß RatenkäuferInnen zu. – Daraus ersieht man, dass eine zunächst nur für ein bestimmtes Gebiet gedachte Regel dann, wenn sie sich bewährt, ausgedehnt wird.
Haustürgeschäfte
Häufig kommt es zu einer Kombination von Abzahlungsgeschäft und Eigentumsvorbehalt → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel.
1. Gesetzliche Voraussetzungen
Verbraucher - UnternehmerDer Käufer muss Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sein; auf Verkäuferseite muss dagegen ein Unternehmer (iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG) stehen, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört.
Teilzahlungsvereinbarungen bei Kaufverträgen zwischen Kaufleuten unterliegen daher nicht den §§ 16 ff KSchG Kaufvertrag
Das Abzahlungsgeschäft ist grundsätzlich ein Kaufvertrag (vgl jedoch § 17 KSchG: „gleichgestellte Geschäfte”):
• „über ... bewegliche körperliche Sache[n]” (ausgeschlossen sind damit Käufe von Liegenschaften und Rechten)
• „die vor vollständiger Bezahlung dem Verbraucher ... übergeben” werden,
• wobei der Käufer „das Entgelt in Teilzahlungen zu entrichten hat.”
• Das Gesamtentgelt darf seit 1.1.1994 grundsätzlich 25.000 ı (bis 1993: 150.000 S, danach 310.000 S) nicht übersteigen; § 16 Abs 1 Z 1 KSchG Fall 2.
• Das Gesetz verlangt neben der Anzahlung wenigstens zwei weitere Teilzahlungen; § 16 Abs 1 Z 2 KSchG.
Die Anzahlungspflicht soll der Käuferseite klar machen, dass auch bei Abzahlungsgeschäfteneine eigene Leistung zu erbringen ist; Schutzvorschrift gegen Überschuldung. Daher auch die harte Sanktion des § 20 Abs 2 KSchG: Übergibt der Unternehmer dem Verbraucher die Sache, ohne die Mindestanzahlung (→ KAPITEL 2: Gesetzliche Voraussetzungen) erhalten zu haben, verliert er seinen Anspruch auf diesen Teil des Kaufpreises.
Sinn der Anzahlung
• Für den Abschluss eines Abzahlungsgeschäfts besteht ausnahmsweise Formpflicht; § 24 Abs 1 KschG:
„Der Vertrag über das Abzahlungsgeschäftist schriftlich festzuhalten (Ratenbrief).”
Der Ratenbrief hat ua zu enthalten: Neben den Personaldaten der Vertragsparteien, dem Gegenstand des Geschäfts, auch den Barzahlungspreis und das Gesamtentgelt (was einen Vergleich der Kreditkosten ermöglichen soll!), die Höhe der Anzahlung sowie Zahl, Höhe und Fälligkeit der Raten usw.
Eine Verletzung dieser Formvorschrift macht das Geschäft nicht ungültig, die Sanktion besteht in einer Verwaltungsstrafe; § 32 Abs 1 Z 1 lit a KSchG.
• Die Laufzeit von Ratengeschäften beträgt nach § 21 KSchG längstens 5 Jahre.


Drittfinanzierung: Konsumfinanzierung
Abbildung 2.8:
Drittfinanzierung: Konsumfinanzierung
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2. Drittfinanzierter Abzahlungskauf: §§ 18, 19, 22 KSchG
Abzahlungsgeschäftewerden häufig unter Einschaltung von Kreditinstituten geschlossen. Und zwar entweder so, dass das Kreditinstitut den Kredit dem Käufer ( Konsumfinanzierung) oder direkt dem Verkäufer ( Absatzfinanzierung) gewährt. Da das Kreditinstitut – neben den Vertragsparteien des Kaufvertrags – eine „Dritte” Person ist, wird von Drittfinanzierung gesprochen.
Konsum- und Absatzfinanzierung


Sonderfall der Konsumfinanzierung: Autokauf
Abbildung 2.9:
Sonderfall der Konsumfinanzierung: Autokauf
Dem KSchG geht es rechtspolitisch darum, dass durch das Einbeziehen eines am Kaufvertrag / Grundgeschäft nicht beteiligten Dritten, die Rechte von Verbrauchern nicht geschmälert werden. § 18 KSchG geht daher auch in solchen Fällen von der wirtschaftlichen Einheit des Gesamtgeschäfts aus und wendet die Regeln des Abzahlungsgeschäftsauch im Verhältnis Konsument – Dritter / Kreditinstitut an. So stehen Verbrauchern nicht nur Einwendungen aus dem Vertrag gegen den Unternehmer (als primärem Vertragspartner) zu, sondern auch gegen den Geldgeber. Dh: Ein Käufer „kann die Befriedigung des Geldgebers auch verweigern, soweit ihm Einwendungen aus seinem Rechtsverhältnis zum Unternehmer ... zustehen”; § 18 letzter Satz KSchG: sog Einwendungsdurchgriff. Vgl auch § 26c KSchG.
Einwendungsdurchgriff


Drittfinanzierung: Absatzfinanzierung
Abbildung 2.10:
Drittfinanzierung: Absatzfinanzierung


Abzahlungsgeschäft: §§ 16 ff KSchG (1) + (2)
Abbildung .11:
Abzahlungsgeschäft: §§ 16 ff KSchG (1) + (2)
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VIII. Vertragsbeispiele
1. Vorläufiger Tauschvertrag
Arrondierung
Zwischen Herrn Ferdinand Graf v. Arco Valley, Herrschaftsbesitzer in St. Martin i/I. einerseits und Herrn u. Frau Hans und Anna Standhartinger, Kaufmann in Aurolzmünster Nr. 28 anderseits, wird zwecks Arrondierung folgender vorläufiger Tauschvertrag geschlossen:
I. Herr u. Frau Hans u. Anna Standhartinger übergeben an Herrn Ferdinand Graf v. Arco Valley die ihnen eigentümliche Grundparzelle Nr. 208 der Kat. Gem. Schacha, Gem. Aurolzmünster
im Ausmasse von ca. ……………………………………………8.017 m 2
lastenfrei.
Herr Ferdinand Graf v. Arco Valley übergibt an Herrn u. Frau Hans und Anna Standhartinger die ihm eigentümliche Grundparzelle Nr. 171/2 Teil der Kat. Gem. Aurolzmünster mit den darauf stehenden Obstbäumen,
im Ausmasse von ………………………………………………..5.400 m 2
lastenfrei.
Beide Parteien haben die Grundstücke besichtigt und erklären sich mit dem Tausch einverstanden.
II. Die Vermessungen und Vermarkungen wird Herr Zivilgeometer Ing. Spindler in Ried, Hauptplatz 44, durchführen.
III. Der entgiltige Tauschvertrag wird in der Kanzlei Dr. O. Steinkogler in Ried, Hauptplatz, durchgeführt.
IV. Alle mit diesem Tausch verbundenen Kosten, wie grundbücherliche Eintragung, Vermessung, usw. gehen zu Lasten des Herrn Ferdinand Graf zu Arco Valley.
V. Herr und Frau Standhartinger verpflichten sich das erworbene Grundstück mit einem festen Zaun zu umgeben und nicht zu dulden dass Klein und Federvieh auf die benachbarten herrschtl. Grundstücke gelangt. Ein Tor oder Gartentürl darf nur von der Strassenseite angebracht werden, aber nicht gegen die herrschftl. Grundstücke.
VI. Dieser Tauschvertrag tritt in Kraft wenn beide Teile den Vertrag unterfertigt haben. Bis 30. Oktober haben beide Teile das Recht ihre Grundstücke zu Nutzen.
St. Martin i/I. am 1. Okt. 1952]
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2. (Liegenschafts)Kaufvertrag
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3. Ratenbrief
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B. Die Lehre von Titel und Modus
Literaturquelle
Wir haben den Kaufvertrag behandelt und gehört, dass der bloße Kaufvertrag, also der perfekte, aber noch nicht erfüllte Kauf (nach ABGB) kein Eigentum überträgt. Der Kaufvertrag ist aber eine unabdingbare Voraussetzung des Eigentumserwerbs durch den Käufer: Er ist Titel / Rechtsgrund/ tauglicher rechtlicher Erwerbsgrund für die Eigentumsübertragung, die Übereignung, den Modus.
Das Titelgeschäft, etwa ein Kauf, benennt den Rechtsgrund, aus dem heraus Eigentum übertragen werden soll. Etwa: Der Kaufvertrag (als Titelgeschäft) verpflichtetden Verkäufer schuldrechtlich – für den Käufer besteht eine spiegelbildliche Verpflichtung bezüglich des Kaufpreises (§ 1062 ABGB) –, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben / zu tradieren (Übergabe / traditio), und damit idR Eigentum am Kaufgegenstand zu verschaffen; vgl § 1053 iVm § 1061 ABGB.
Titelgeschäft
Damit folgt das ABGB dem römischen Recht (D. 41, 1, 31 pr.): Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur; vgl auch CodTher II 4 Num 1 sowie die Formulierung des § 433 Abs 1 dtBGB: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen ....” – Darauf wird in der Folge näher eingegangen.
ABGB und römisches Recht
Der Begriff „Rechtstitel” wird umgangssprachlich auch in einem anderen Sinn verwendet; so wenn davon die Rede ist, dass jemand einen oder keinen Rechtstitel besitze. Gemeint ist damit meist nur, dass jemandem ein Rechtsanspruch zusteht oder fehlt.
I. Derivativer Eigentumserwerb durch Übereignung
1. § 380 ABGB – Erwerb dinglicher Rechte
§ 380 ABGB formuliert knapp:
„Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart [= Modus] kann kein Eigentum erlangt werden.”
Das ABGB handelt die Lehre von Titel und Modus – gleichsam als Teil fürs Ganze – beim wichtigsten Fall, dem Eigentumserwerb ab, mag die Lehre von Titel und Modus auch für den Erwerb aller andern (beschränkten) dinglichen Sachenrechte (vgl etwa § 449 ABGB: Pfandrecht oder § 480 ABGB: Servituten) und das Erbrecht gelten.
Das ABGB wendet die Lehre von Titel und Modus auch auf den Erbschaftserwerb an. Das hat seinen Grund darin, dass das ABGB das Erbrecht noch als dingliches (Sachen)Recht ansieht und nicht – wie heute – als absolutes Recht; vgl § 308 ABGB. (Erbrechts)Titel ist danach der jeweilige Berufungsgrund, Modus die gerichtliche Einantwortung → KAPITEL 17: Einweisung in die Erbschaft ¿ Das Verlassenschaftsverfahren . – Zur Bedeutung der Lehre von Titel und Modus für die Zession als schuldrechtliches Verfügungsgeschäft → KAPITEL 14: Verfügungsgeschäft
Erbschaftserwerb
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2. Originärer und derivativer Erwerb
In Bezug auf den Eigentumserwerb unterscheidet das ABGB zwischen:
originärem und
derivativem (Eigentums)Erwerb.
Der originäre, ursprüngliche oder – wie ihn das ABGB auch nennt – der unmittelbare Eigentumserwerb ist ein solcher, der den Rechtserwerb nicht von einem Vormann (iS eines früheren Berechtigten) ableitet, sondern unabhängig von einem (allfälligen früheren) Vorberechtigten eintreten lässt; vgl zB die §§ 381 ff ABGB: Erwerb freistehender Sachen, aber auch § 367 ABGB: Gutglaubenserwerb → KAPITEL 8: Gutgläubiger Eigentumserwerb.
Beim derivativen, abgeleiteten oder mittelbaren Eigentumserwerb (vgl § 423 ABGB) wird der Rechtserwerb dagegen von einem/r Vorberechtigten abgeleitet, was zur Folge hat, dass der Rechtsnachfolger nie mehr Recht erwerben werden kann, als der Vorberechtigte besaß; römisches Recht: Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet.
Nemo plus iuris transferre potest …
Zunächst wird auf den derivativen / abgeleiteten (Eigentums)Erwerb eingegangen, weil diese Erwerbsart von größerer praktischer Bedeutung ist. Zum originären Erwerb → Originärer und derivativer Erwerb.
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3. Zur Lehre vom Rechtsgrund: Titel / causa
Das Titelgeschäft benenntden Rechtsgrund: Die Parteien eines Rechtsgeschäfts übertragen Eigentum nämlich nicht ohne Grund, also schlechthin / abstrakt, sondern stets aus einem ganz bestimmten rechtlichen und wirtschaftlichen Grund / also kausal, eben dem Rechtsgrund. Mit dem Rechtsgrund oder Titelgeschäft wird ein bestimmter rechtlich-wirtschaftlicher Zweck verfolgt. Der Titel enthält den Rechtsgrund, aus dem heraus übereignet oder ein anderes dingliches Recht – etwa eine Servitut – übertragen werden soll. Dieser Rechtsgrund ist im Titelgeschäft – zB einem Kauf- oder Werkvertrag – enthalten / formuliert und das Titelgeschäft begründet den (schuld)rechtlichen Anspruch auf Übereignung.


Unterschiedliche Zielsetzungen
von Schuld- und Sachenrecht
Abbildung 2.12:
Unterschiedliche Zielsetzungen von Schuld- und Sachenrecht
Der Kaufvertrag als Titelgeschäft überträgt selbst aber noch nicht Eigentum, verpflichtet aber (schuldrechtlich) dazu! Die sachenrechtliche Übereignung ist – nach den Intentionen des ABGB – Erfüllungs- und Vollzugsakt der schuldrechtlichen Verpflichtung und hängt mit dem Titel genetisch zusammen.
Kauf überträgt nicht Eigentum
Die vom ABGB einheitlich konzipierte „Lehre” von Titel und Modus wird häufig – in Anlehnung an die Pandektistik und das dtBGB – auseinandergerissen und dabei das einheitliche Rechtsgeschäft in ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft / Titel (= Rechtsänderung wird bloß zugesagt) und einen Modus als – eigenes – dingliches Verfügungsgeschäft (= Rechtsänderung wird tatsächlich bewirkt) geteilt. Dazu auch → Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft


Die Lehre von „Titel und Modus”: § 380 ABGB
Abbildung 2.13:
Die Lehre von „Titel und Modus”: § 380 ABGB


Sinn von Titel und Modus
Abbildung 2.14:
Sinn von Titel und Modus
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4. Die rechtliche Erwerbungsart: Modus traditio
Die rechtlich taugliche Erwerbungsart (auch Modus genannt) ist für:
bewegliche (körperliche) Sachen die Übergabe / traditio (§§ 426, 427, 428 ABGB);
unbewegliche Sachen die Eintragung ins Grundbuch;
• das Bewirken der Eigentumsübertragung nichtverbücherter Liegenschaften die Urkundenhinterlegung → Urkundenhinterlegung statt Intabulation
Worin liegen Sinn und Funktion des Modus? –Übergabe und Verbücherung sollen den Rechts-, insbesondere den (aufgrund einer Rechtsänderung eintretenden) Eigentumsübergang nach außen hin kenntlich, also publik machen, zumal Sachenrechte auch von dritten Personen, die sonst keine Kenntnis davon haben (können), respektiert werden sollen; Publizitätsprinzip. – Kurz: Durch den Modus soll die dadurch bewirkte Rechtsänderung auch nach außen hin (über die Vertragspartner hinaus) erkennbar werden; und zwar auch für Dritte, die nicht am Rechtsgeschäft beteiligt sind. Das ist vor allem für das Pfandrecht von Bedeutung; Gläubigerschutz.
Funktion des Modus
Nur wenn beide Voraussetzungen – Titel und (!) Modus – erfüllt sind, wird zB gültig übereignet und dadurch Eigentum übertragen; sog kausale (= rechtsgrundabhängige) Natur der Tradition, iSv Übergabe. – Stellt sich zB erst nach erfolgter Übergabe heraus, dass das Titelgeschäft (bspw ein Kaufvertrag) ungültig ist – etwa weil ein Teil nicht geschäftsfähig war oder das Geschäft erfolgreich wegen Irrtums (§ 871 ABGB) angefochten wurde –, so ist entgegen dem äußeren Anschein Eigentum (trotz allenfalls schon erfolgter Übergabe) gar nicht übergegangen. Bereits übergebene Sachen sind dann nach § 877 ABGB zurückzustellen; sog dingliche Rückabwicklung → KAPITEL 5: Rückstellungspflichten ¿ Rückabwicklung.
Kausale Natur der Tradition
Dies ist die Konsequenz der Lehre von Titel und Modus; denn nur ein gültiger Titel und (!) ein gültiger Modus bewirken den Eigentumsübergang oder Pfandrechtserwerb. Ein gültiger Modus allein reicht ebenso wenig aus, wie ein gültiger Titel.
Beispiel
Vom Eigentumserwerb (an Liegenschaften) durch den Modus gibt es Ausnahmen, obwohl das GBG den Eintragungsgrundsatz scheinbar kategorisch regelt:
Ausnahmen
§ 4 GBG
„Die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung der bücherlichen Rechte ... wird nur durch ihre Eintragung in das Hauptbuch bewirkt.”
Solche Ausnahmen betreffen insbesondere die Enteignung, den Erbgang und die Ersitzung.
Weitere Beispiele für die Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes und eine Zusammenfassung finden sich in → Durchbrechungen des Eintragungsgrundsatzes (Folie).
Zur unterschiedlichen Lösung im dtBGB und frCC vgl auch → KAPITEL 2: § 380 ABGB ¿ Erwerb dinglicher Rechte. – Das aus dem römischen Recht stammende Traditionsprinzip erfüllt auch Gerechtigkeitsansprüche, was gerade heute wieder von Bedeutung ist, zumal die Gefahr besteht, dass Rechtsbeziehungen immer mehr entpersönlicht, ja anonymisiert werden.
Rechtsvergleich: DtBGB und frCC
Dem Traditionssystem folgten auch die Niederlande (Art 3:84, 3:90 NBW), Spanien, Argentinien, Brasilien und Chile. Die ABGB-Lehre von der iusta causa traditionis ist der Lösung des dtBGB (§ 929 BGB) von 1900, aber auch der des frCC (Art 711, 1138, 1583) von 1804 überlegen. – Auch das englische und us-amerikanische Privatrecht gehen aber mitunter den Weg des französischen Rechts.
Literaturquelle
Aber auch die Lösung des frCC wurzelt im römischen Recht; Trennung von emptio-venditio (Kauf) und traditio. Die französische Kautelarjurisprudenz überbrückte diesen Gegensatz dadurch, dass in den Kaufvertrag eine Übergabsklausel aufgenommen wurde (Übergabe durch Erklärung!) und damit die Übergabe als erfolgt angesehen wurde; traditio ficta (fingierte Übergabe). Während diese alte französische Praxis theoretisch noch am Traditionserfordernis festhielt, ließ das – sich auch im frCC manifestierende – Vernunftrecht in Frankreich auch diese letzte Verbindung zwischen causa und traditio fallen und begnügte sich damit, dass Eigentum „nur durch den Willen der Beteiligten” (E. Rabel) übertragen werden könne. Diesem System folgten zB Belgien, Italien (itCC, Art 1376), Portugal und Rumänien. An diesem Grundsatz des sog Realkaufs wird in Frankreich auch für Grundstücke und Forderungen festgehalten, wenngleich er durch Publizitätsakte bei der Zession (frCC Art 1690) und dem Erfordernis der Transskription bei Grundstücken stark eingeschränkt wird; Grundsatz: En fait de meubles possession vaut titre. – Die Ergebnisse der genannten Rechtsordnungen sind daher bei näherem Hinsehen nicht so unterschiedlich, wie es zunächst aussieht; vgl E. Rabel, Das Recht des Warenkaufs I 27 (1936).
Konsequenter ausgeprägt als beim Eigentumserwerb ist die Publizitätsfunktion des Modus bei der Pfandrechtsbegründung; und zwar sowohl an beweglichen Sachen (sog Faustpfandprinzip), als auch beim Liegenschaftspfand, der Hypothek, die nur durch Eintragung ins Grundbuch entsteht. Man sagt daher, die Hypothek führe ein reines Buchleben! – Durch das Erfordernis, ein Faustpfand wirklich übergeben zu müssen – wozu nach hA alle Übergabsarten der §§ 426-428 ABGB, das Besitzkonstitut ausgenommen, ausreichen –, wird ein effizienter (Pfand)Gläubigerschutz erreicht. Dadurch wird nämlich verhindert, dass der Schuldner / Pfandbesteller an ein und derselben beweglichen Sache – zB einem wertvollen Schmuckstück – für mehrere Gläubiger zeitlich nacheinander gültiges Pfandrecht begründen kann.
Faustpfandprinzip
• Vgl auch den Unterschied zwischen normaler Zession (zB Forderungskauf) und Sicherungszession → KAPITEL 14: Sicherungszession oder der Verpfändung einer Forderung in Bezug auf die Verständigung des Schuldners / Zessus → KAPITEL 15: Verpfändung und Pfändung von Forderungen oder Rechten.
• Vgl dazu auch die Folie → KAPITEL 15: Formen der Übergabe.
• Zur Anwendung der pfandrechtlichen Publizitätserfordernisse auf die Sicherungsübereignung → KAPITEL 8: Die Sicherungsübereignung.


Formen der Übergabe
Abbildung 2.15:
Formen der Übergabe
Mit der Übergabe des Kaufgegenstands geht im Regelfall nicht nur das Eigentum, sondern auch die Gefahr (tragung) über. Dh, dass ab diesem Zeitpunkt ein zufälliger Untergang oder eine zufällige Verschlechterung des Kaufgegenstands bereits den Käufer trifft (und nicht mehr den Verkäufer)! Vgl dazu § 1064 iVm § 1051 ABGB. Die Parteien können aber (vgl § 1051 letzter HalbS ABGB) etwas anderes vereinbaren; so wird in der Vertragspraxis häufig vereinbart, dass die Gefahr schon mit Vertragsunterzeichnung, also schon vor der tatsächlichen (und erst recht vor der rechtlichen, das wäre zB die Verbücherung) Übergabe des Kaufgegenstands vom Verkäufer auf den Käufer übergehen soll.
Übergabe und Gefahrübergang
Vgl dazu das (Liegenschafts)Kaufvertragsbeispiel → Vertragsbeispiele
Zur Gefahrtragung beim Eigentumsvorbehalt, wo die bewegliche Sache zwar körperlich übergeben und damit die Gefahr übergeht, ohne dass auch das Eigentum wechselt → KAPITEL 8: Eigentumsvorbehalt als Warensicherungsmittel. – Zur unterschiedlichen Gefahrtragung bei Stück- und Gattungsschuld (zwischen Vertragsschluss und Übergabe) → KAPITEL 8: Gefahrtragungsregeln für Stück- und Gattungsschulden .
Beispiel


Übergabsarten – Überblick: §§ 426 ff ABGB
Abbildung 2.16:
Übergabsarten – Überblick: §§ 426 ff ABGB
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5. Übergabsarten für bewegliche Sachen
Die Übergabsformen der §§ 426-428 ABGB dienen dem Erwerb dinglicher Rechte (Eigentum, Pfandrecht etc) an beweglichen Sachen. Dem ABGB schwebte eine Art „Rangordnung” dieser gesetzlichen Übergabsformen vor; vgl § 426 ABGB: „ ... können in der Regel nur durch.” Die Übergabsform steht demnach nicht völlig im Ermessen der Parteien. – Neben der körperlichen Übergabe kennt das Gesetz noch die Übergabe durch Zeichen und die Übergabe durch Erklärung.
Bewegliche Sachen sind nach § 426 ABGB grundsätzlich körperlich – dh „von Hand zu Hand” – zu übergeben.
Körperliche Übergabe
Nur wenn bewegliche Sachen eine körperliche Übergabe nicht zulassen (oder wenn diese nicht tunlich, dh unwirtschaftlich ist) – zB bei Frachtgütern, einem Warenlager oder einer „anderen Gesamtsache”, gestattet § 427 ABGB die Übergabe durch Zeichen, die auch symbolische Übergabe genannt wird,
Übergabe durch Zeichen
„indem der Eigentümer dem Übernehmer die Urkunden, wodurch das Eigentum dargetan wird, oder die Werkzeuge übergibt, durch die der Übernehmer in den Stand gesetzt wird, ausschließend den Besitz der Sache zu ergreifen; oder, indem man mit der Sache ein Merkmal verbindet, woraus jedermann deutlich erkennen kann, dass die Sache einem anderen überlassen worden ist.”
Zum Begriff der „wirklichen Übergabe” in § 943 ABGB → KAPITEL 3: ¿Wirkliche Übergabe¿ iSd ABGB und NotZwG.


Übergabe durch Erklärung: § 428 ABGB
Abbildung 2.17:
Übergabe durch Erklärung: § 428 ABGB
Neben den Übergabsformen der §§ 426 und 427 ABGB, die den Publizitätsanforderungen des Sachenrechts voll, wenngleich in unterschiedlichem Maße entsprechen, gibt § 428 ABGB zum Teil das Publizitätserfordernis auf: Übergabe durch Erklärung. Problematisch in Bezug auf den Publizitätsgedanken ist vor allem das Besitzkonstitut.
Übergabe durch Erklärung
§ 428 ABGB: „Durch Erklärung wird die Sache übergeben, wenn der Veräußerer auf eine erweisliche Art seinen Willen an den Tag legt, dass er die Sache künftig im Namen des Übernehmers innehabe [Besitzkonstitut]; oder, dass der Übernehmer die Sache, welche er bisher ohne ein dingliches Recht innehatte, künftig aus einem dinglichen Rechte besitzen solle [Übergabe kurzer Hand].”


Besitzkonstitut: § 428 1. Halbsatz ABGB
Abbildung 2.18:
Besitzkonstitut: § 428 1. Halbsatz ABGB


Übergabe kurzer Hand: § 428 2. Halbsatz ABGB
Abbildung 2.19:
Übergabe kurzer Hand: § 428 2. Halbsatz ABGB
Die Besitzanweisung, als 3. Fall des § 428 ABGB wurde erst von der Praxis entwickelt. Vorbild war das ALR; vgl dort I 7 §§ 66-69. Es handelt sich mittlerweile um Gewohnheitsrecht.


Besitzanweisung
Abbildung 2.20:
Besitzanweisung
Diese (auf den Eigentumserwerb abstellenden) Regeln werden analog auf den bloßen Besitzerwerb an beweglichen und unbeweglichen Sachen angewandt. Bei beweglichen Sachen spielt das bspw beim Eigentumsvorbehalt eine Rolle. Bei Liegenschaften geschieht dies häufig durch vertragliche (Übergabs)Erklärung iSd § 428 ABGB. Eine typische vertragliche Formulierung einer solchen Besitz- und Gefahrübertragung an einer Liegenschaft (Eigentum wird erst durch Verbücherung erworben!) enthält Pkt III des Liegenschaftskaufvertrags → Vertragsbeispiele.
Besitzerwerb
Unbekannt ist unserem bürgerlichen Recht die Eigentumsübertragungsform beweglicher Sachen durch Abtretung des Herausgabeanspruchs iSd § 931 dtBGB:
Abtretung des Herausgabeanspruchs?
„Ist ein Dritter im Besitze der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt.”
Das läuft auf die Übertragung von Eigentum (an beweglichen Sachen) durch Zession hinaus. – Funktional entspricht die deutsche Abtretung des Herausgabeanspruchs in etwa (wo liegt der Unterschied?) unserer Besitzanweisung. Vgl dazu → KAPITEL 2: Besitzanweisung (FOILIE): SZ 22/27 – Bob Cracler.
Rechtssprechungsbeispiel
HS 4275: Eigentums- und Pfandrechtserwerb an einem Pkw erfolgt nur durch körperliche Übergabe: OGH 17.3.1964, 8 Ob 290/63 (39).
HS 4276 (1964): Übergabe eines Kraftfahrzeugs – Die Klägerin hat einen Kaufvertrag unterzeichnet. Auf ihren Namen wurden die Wagenpapiere und die Versicherungspolizze ausgestellt, ihr wurden diese Papiere übergeben, und zu ihr wurde der Wagen schließlich auch vom Beklagten gebracht, der ihn nur im Auftrag der Klägerin von der Verkäuferfirma übernommen hat. Der Wagen wurde der Klägerin also nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich übergeben, und sie war in der Lage, darüber ausschließlich zu verfügen, so dass alle Erfordernisse des § 426 ABGB für den Eigentumserwerb erfüllt sind. Der Umstand, dass sie den Wagen sofort dem Beklagten zur Benützung überließ, ändert daran nichts (OGH).
HS 4277 (1964): Der Typenschein ist nicht der wesentlichste Bestandteil des Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug; die symbolische Übergabe eines Kraftfahrzeugs durch bloße Aushändigung des Typenscheines ist vielmehr iSd § 427 ABGB nicht gültig (OGH).
HS 4278 (1963): Zeitliche Differenz zwischen Übertragungs- und Aneignungshandlung. Nach stRspr und Lehre [OGH 5.4.1911, GlUNF 5426; SZ 26/147; EvBl 1963/24*; Klang, Komm z ABGB2, II 316] können bei Begründung von Eigentum die Übertragungs- und Aneignungshandlungen zeitlich auseinanderfallen. Liegt die Zustimmung des Übergebers vor, kann sich der Übernehmer auch in Abwesenheit in den Besitz der Sache setzen und dadurch den Eigentumsübergang herbeiführen (OGH).
Man nennt diese Form der Besitz- oder Eigentumsübertragung auch traditio longa manu / Übergabe langer Hand. Es handelt sich dabei um eine (im Gesetz nicht geregelte) Form der Übergabe durch Zeichen und Erklärung, wobei zB der Vorbesitzer oder Voreigentümer, die zu übergebende (bewegliche) Sache bereitstellt und dem Übernehmer gestattet, sie sich zu holen; etwa: Verkauf von geschlägertem Holz, das im Wald aufgeschlichtet und mit einem bestimmten (Farb)Zeichen versehen wird. Dem Erwerber werden Ort und Zeichen genannt, damit er das Holz selbst abholen kann und damit zB Eigentum erlangt.
Beachte
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6. Versendungskauf: § 429 ABGB
Beim anschließend (an § 428 ABGB) geregelten Versendungskauf versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers – was auch schlüssig geschehen kann – die verkaufte Ware / Sache an einen andern Ort als den Erfüllungsort. – § 429 ABGB versteht sich als Anwendungsfall der §§ 426 ff ABGB.


Versendungskauf: § 429 ABGB
Abbildung 2.21:
Versendungskauf: § 429 ABGB
Beim Versendungskauf gehen nach hA im bürgerlichen Recht schon mit der Übergabe des Kaufgegenstands / der Ware durch den Verkäufer an die Transportanstalt – zB Post, Bahn oder Spediteur – Eigentum und Gefahr (auf den Käufer) über. Dies trotz der Formulierung im Gesetz:
Besonderheiten beim Versendungskauf
”In der Regel werden überschickte Sachen erst dann für übergeben gehalten, wenn sie der Übernehmer erhält.”
Die Übergabe an Post oder Bahn durch den Verkäufer gilt nämlich als vom Käufer genehmigte „Überschickungsart”. Die Praxis verkehrt demnach den Grundsatz des Gesetzes ins Gegenteil, was dem Rechtsgefühl des Volkes nicht entspricht. Auch das KSchG hat daran bislang nichts geändert.
Das Handelsrecht regelt in Art 8 Nr 20 Abs 1 EVHGB nur (!) den Gefahrübergang; vgl das folgende Beispiel (HS 5345). Der Eigentumsübergang folgt den (eben dargelegten) Regeln des bürgerlichen Rechts.
Handelsrecht
Art 8 Nr 20 Abs 1 der 4. hrEVO: Gefahrtragung beim Versendungskauf
Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Ware nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Ware dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat.
Vgl auch → KAPITEL 7: Trade Terms und Incoterms: Trade- und Incoterms.
Die Übergabe des Kaufgegenstands / der Ware durch den Verkäufer an die Transportanstalt (also eine dritte Person) wird also bereits als Übergabsakt an den Käufer gedeutet. Der Dritte (= die Transportanstalt) ist demnach nicht Erfüllungshilfe (§ 1313a ABGB) des Verkäufers. Der Verkäufer / Übergeber erfüllt seine Vertragspflicht bereits voll mit Übergabe Absendung des Kaufgegenstands an den Dritten.
Übergabe an Transportanstalt als Übergabsakt


Versendungskauf: § 429 ABGB
Abbildung 2.22:
Versendungskauf: § 429 ABGB
Rechtssprechungsbeispiel
HS 5345 (1965): „Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Kaufvertrag ist ein Versendungskauf, bei welchem zufolge der Bestimmung des Art 8 Nr 20 EVHGB die Transportgefahr auf den Käufer überging, sobald der Verkäufer die Ware an die Spedition zur Versendung an den Käufer übergeben hatte. Mit dieser Übergabe ist aber auch das Eigentumsrecht an der Ware auf den Käufer gemäß § 429 ABGB übergegangen, da, wie Klang (Komm z ABGB2, II 326) ausführt, für gewöhnlich angenommen werden muss, dass der Übernehmer mit der Versendung durch die Eisenbahn oder die Post einverstanden ist, und daher in den meisten Fällen das Eigentum mit der Übergabe zum Transport auf den Empfänger übergeht. Das im § 433 HGB normierte Dispositionsrecht des Verfrächters [sog Right of Stopppage; vgl § 45 KO] steht dem nicht entgegen (Klang, aaO 327, unter 4).”
Transportgefahr
§ 45 KO: Verfolgungsrecht
Verfolgungsrecht
Der Verkäufer oder Einkaufskommissionär kann Waren, die von einem anderen Ort an den Gemeinschuldner abgesendet und von diesem noch nicht vollständig bezahlt worden sind, zurückfordern, es sei denn, daß sie schon vor der Konkurseröffnung am Ablieferungsorte angekommen und in die Gewahrsame des Gemeinschuldners oder einer anderen Person für ihn gelangt sind.
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7. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
Im Zusammenhang mit Titel und Modus wird auch folgende begriffliche Unterscheidung getroffen:
Das (schuldrechtliche) Titelgeschäft wird auch Verpflichtungsgeschäft genannt, weil es die zugesagte Rechtsänderung noch nicht selbst herbeigeführt, sondern nur die Verpflichtung dazu begründet. – Kurz: Die Rechtsänderung wird durch das Verpflichtungsgeschäft bloß zugesagt, aber noch nicht bewirkt.
Verpflichtungsgeschäft
Beispiel
Vom Titelgeschäft zu unterscheiden ist das (sachenrechtliche) Verfügungsgeschäft (Modus), das die Rechtsänderung nicht bloß zusagt, sondern selbst herbeiführt. – Kurz: Die Rechtsänderung wird durch das Verfügungsgeschäft bewirkt. Dadurch werden Rechte definitiv übertragen, aufgehoben, abgeändert oder beschränkt.
Verfügungsgeschäft
Beispiel
Beachte


Rechtsgeschäftliche Übertragung von Rechtspositionen
Abbildung 2.23:
Rechtsgeschäftliche Übertragung von Rechtspositionen
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8. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte
Die Unterscheidung in kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte hat im Titelgeschäft ihren Sitz:
Ein Rechtsgeschäft, insbesondere ein Verpflichtungsgeschäft, ist kausal, wenn es seinen Zweck / die causa / den konkreten Rechtsgrund benennt, der die rechtliche Verpflichtung zur Rechtsänderung etc trägt.
Beispiel
Das österreichische Privatrecht steht kausalen Rechtsgeschäften freundlich, abstrakten dagegen abweisend gegenüber; vgl etwa § 937 ABGB: Danach sind „Allgemeine, unbestimmte Verzichtleistungen auf Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrages … ohne Wirkung”.
ABGB favorisiert kausale Rechtsgeschäfte
IdR setzt ein Rechtsübergang daher eine/n causa / Rechtsgrund voraus. Dennoch kennen wir auch abstrakte Geschäfte / Verpflichtungen. – Die Gründe der Ablehnung abstrakter Rechtsgeschäfte sind folgende: Wären abstrakte Rechtsgeschäfte ohne Einschränkung wirksam, könnten damit sehr einfach gesetzwidrige, sittenwidrige oder unerlaubte Vereinbarungen geschlossen und rechtlich durchsetzbar (= einklagbar) gemacht werden. Der Rechtsgrund für die Rechtsänderung wäre nicht einsichtig.
Beispiel
Ist ein Rechtsgeschäft vom Rechtsgrund unabhängig / losgelöst, ist es abstrakt. Es (be)nennt den Rechtsgrund der Verpflichtung nicht.
Abstrakte Rechtsgeschäfte
Beispiel
ABGB (kausaleNatur der Tradition / Übergabe) und dtBGB (abstrakte Natur der Tradition) messen dem Grundgeschäft unterschiedliche Bedeutung zu. So verhindert nach ABGB die Ungültigkeit des Titel- oder Grundgeschäfts den Eigentumsübergang, während nach dem dtBGB der Erwerber auch in einem solchen Fall Eigentümer wird und bleibt. – Der Unterschied zeigt sich an den Konsequenzen: Dem Verkäufer steht in diesem Fall nach ABGB die dingliche Eigentumsklage auf Rückstellung zu (Eigentum ist nicht übergegangen!), während das dtBGB nur einen obligatorischen Bereicherungsanspruch (→ KAPITEL 5: Bereicherungsrecht im ABGB?) gewährt, weil der Erwerber zwar Eigentümer geworden ist, er die Sache aber ungerechtfertigt, dh ohne (gültigen) Rechtsgrund erlangt hat. – Der dinglich wirkende Schutz des ABGB ist natürlich viel effizienter; vgl nur den Fall der Insolvenz des Erwerbers!
Rechtsvergleich
Einen anderen Weg für den Erwerb von Fahrnis schlägt der frCC ein: Er lässt Eigentum mit Kaufvertragsperfektion übergehen.
Dazu Gschnitzer, Sachenrecht 2 102.
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II. Das Grundbuch
Wichtige Rechtsquellen: – GrundbuchsG (GBG) 1955, BGBl 39; – GrundbuchsumstellungsG (GUG) 1980, BGBl 550; – Allgemeines GrundbuchsanlegungsG (AllgGAG) 1929, BGBl 2/1930; – LiegenschaftsteilungsG 1930, BGBl 3.
Literaturquelle
1. Allgemeines – Geschichtliches
Das Ziel, den Liegenschaftsverkehr zu sichern und die Rechtslage an Grundstücken klarzustellen, ist alt, zumal Liegenschaften schon im alten Griechenland als Sicherungsobjekte für Schulden des Liegenschaftseigentümers verwendet wurden. Das antike griechische Recht hatte – im Gegensatz zum römischen Recht – ein aus heutiger Sicht modernes Publizitätskonzept für den Liegenschaftverkehr entwickelt. Aus dem hellenistisch-ptolemäischen Ägypten (Nachfolge des Alexanderreichs) sind hochentwickelte Grundbücher erhalten.
Das antike griechische Recht kannte bereits frühe und interessante Formen des Publizitätsgedankens, der in Griechenland hoch entwickelt war und später übernommen werden konnte: Am Anfang standen Gedächtnismänner / Mnemones, die als Abschlusszeugen dem Liegenschaftskauf beigezogen wurden; sie sagten im Streitfall aus. Früh gab es Archive, wo die Urkunden hinterlegt und schließlich sogar die Verträge (unter Beiziehung der Archivbeamten) geschlossen wurden.
Streit kann vermieden werden, wenn das Eigentum an Liegenschaften klar feststellbar und überhaupt dingliche Rechte und Pflichten an Liegenschaften – seien es Eigentum, Hypotheken oder Servituten – einsehbaren Aufzeichnungen zu entnehmen sind. – Daher die frühen Versuche, Rechtssicherheit im Liegenschaftrecht zu erlangen.
Rechtssicherheit im Liegenschaftrecht
So entstanden (in der Neuzeit) zunächst für den herrschaftlich-adeligen Grundbesitz Landtafeln und in der Folge Stadtbücher für den städtischen sowie Grundbücher ieS insbesondere für den bäuerlichen Grundbesitz; dazu Klang in Klang2 II 329 und Ehrenzweig, Sachenrecht 27 (19852). Wurden zunächst in diese Bücher – ohne besondere Systematik – bloß chronologische Aufzeichnungen eingetragen (rechtliche Änderungen waren selten!), ging man später zum Personal- und schließlich zum Realfoliensystem über. – Personalfoliensystem bedeutet, dass sich der innere Aufbau des Grundbuchs nicht am Grundbuchskörper (Liegenschaften) orientiert, sondern an den Personen, denen diese gehören.
Grundbücher, Stadtbücher, Landtafeln
1871 kam es in Österreich zur ersten einheitlichen gesetzlichen Regelung des Grundbuchswesens. In Tirol, wo die Widerstände der Bauern gegen die Grundbuchsanlegung groß waren, galten die alten Verfachbücher bis zum schließlichen Beginn der Grundbuchsanlegung im Jahre 1897 und darüber hinaus. Dieses erste öGBG von 1871 gilt noch heute in Südtirol. 1955 wurde das Grundbuchsrecht gesetzlich neu gefasst; GBG 1955. Die Neuerungen hielten sich in Grenzen. Mit dem GUG 1980wurde das österreichische Grundbuchsystem auf EDV umgestellt.
Tirol
Neben dem allgemeinen Grundbuch existieren noch heute Sondergrundbücher als Verzeichnisse:
• die Landtafeln für die ehemals ständischen Güter,
• die Eisenbahnbücher (seit 1874),
• das Bergbuch weist die Bergwerksberechtigungen aus, und
• die Wasserbücher verzeichnen die Wassernutzungsrechte.
• Andere öffentliche Register sind zB:
• das Firmenbuch → KAPITEL 15: Das Firmenbuch / FB.
• der Grenzkataster (beim Vermessungsamt),
• das Schiffsregister sowie
• das Patent-, Marken-, Musterrechtsregister → KAPITEL 15: Marken-, Muster- und Patentregister.


Das Grundbuch (1)
Abbildung 2.24:
Das Grundbuch (1)


Das Grundbuch (2)
Abbildung 2.25:
Das Grundbuch (2)


Bücherliche Rechte: § 9 GBG
Abbildung 2.26:
Bücherliche Rechte: § 9 GBG
Rechtstatsachen zum Grundbuch: Etwa 150 Bezirksgerichte führen Gundbücher mit 2,2 Mio Grundbuchseinlagen. Diese erfassen 12 Mio Grundstücke. Jährlich werden ca 3,5 Mio Grundbuchsauszüge angefertigt; Kosten pro Auszug: 8 ı.
Wir haben die Lehre von Titel und Modus bereits besprochen und wissen, dass das Eigentum und andere (beschränkte) dingliche (Sachen)Rechte insbesondere auch das Liegenschaftspfand / die Hypothek und die Servituten als dingliche Rechte nur dadurch erworben werden, dass das Titelgeschäft – sei es ein Kauf-, Servituts- oder Pfandbestellungsvertrag – ins Grundbuch eingetragen wird. Die Eintragung stellt den Modus, die rechtlich taugliche Erwerbsart, dar. Erst sie bewirkt den Eigentumsübergang an Liegenschaften oder das Entstehen einer Hypothek als Liegenschaftspfand. Daher sagt man, die Hypothek führe ein „reines Buchleben”, denn außerhalb des Grundbuchs existiert sie nicht. – Was für bewegliche Sachen im Hinblick auf den Besitz- und Eigentumserwerb die Übergabe ist, ist für den Eigentumserwerb an Liegenschaften (= unbewegliche Sachen) die Verbücherung.
Grundbuch als Modus
§ 431 ABGB bestimmt: „Zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen muss das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Die Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).”
Beachte
Nach § 432 ABGB ist für die Intabulation eine beglaubigte Urkunde über das Erwerbs-, also das Titelgeschäft nötig; vgl auch §§ 31 ff GBG! § 433 ABGB bestimmt, was Inhalt dieser Urkunde zu sein hat: Sie hat die am Geschäft beteiligten Personen anzugeben sowie Liegenschaft und Titelgeschäft / Rechtsgrund zu benennen usw.
Voraussetzungen der Intabulation
§ 433 letzter HalbS ABGB enthält den Hinweis auf die sog Aufsandungserklärung → Besonderheiten des Liegenschaftskaufs:
„ ... und es muss von dem Übergeber in dieser oder in einer besonderen Urkunde die ausdrückliche Erklärung abgegeben werden, dass er in die Einverleibung einwillige”.
Zur Eigentumsübertragung an Liegenschaften oder Superädifikaten – dazu gleich mehr, die nicht im Grundbuch eingetragen sind braucht es nach § 434 ABGB statt der Intabulation die gerichtliche Hinterlegung der Urkunde beim Grundbuchsgericht; heute geregelt im UHG, BGBl 1974/326. Dingliche Rechte an solchen Liegenschaften werden nach § 1 Abs 2 UHG grundsätzlich „erst mit der Urkundenhinterlegung” erworben; § 29 GBG (Rangordnung dinglicher Rechte) gilt sinngemäß.
Urkundenhinterlegung statt Intabulation
Das sind Überbauten iSd § 435 ABGB. Das Gesetz ordnet an, dass „dasselbe [dh wie in § 434 ABGB angeordnet] ... auch für die Übertragung des Eigentums an Bauwerken [gilt], die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen [!], soferne sie nicht Zugehör [→ KAPITEL 8: Zugehör ¿ Rechtliche Zusammengehörigkeit von Sachen; sog Sachverbindungen] eines Baurechts sind.”
Superädifikate
Der Eigentumserwerb an Superädifikaten folgt den Regeln des UHG.
Ein Superädifikat – der Begriff darf nicht mit dem der Superficies verwechselt werden – liegt also nur dann vor, wenn das Recht der Liegenschaftsbenützung von vornherein zeitlich begrenzt ist. Andernfalls greift der Grundsatz des § 297 ABGB (sog Superficies): superficies solo cedit = wörtlich übersetzt: das Bauwerk weicht Grund und Boden, dh: ein Bauwerk gehört grundsätzlich dem Liegenschaftseigentümer. Von diesem (römischrechtlichen) Grundsatz weicht die Regelung für sog Superädifikate ab.
Superficies
Superädifikate gelten, trotz ihrer engen Verbindung mit einer Liegenschaft, als bewegliche Sachen; Umkehrschluss aus § 297 iVm § 435 ABGB: so SZ 10/94 (1928) oder 55/155 (1982): Der Eigentümer eines gepfändeten Superädifikats hat mit Beschwerde nach § 68 EO Abhilfe zu suchen oder mit der Widerspruchsklage nach § 37 EO vorzugehen.
Wichtig für das Verständnis ist es, dass Superädifikate sonderrechtsfähig sind (vgl JBl 1991, 378); dh: das (Mit)Eigentum und andere Rechte an der Liegenschaft – zB eine Servitut –und am Superädifikat können getrennte Wege gehen. So verschafft ein (Mit)Eigentumserwerb an der Liegenschaft, nicht notwendig das Eigentum am Superädifikat.
Rechtssprechungsbeispiel
Eine Fertigteilgarage, aber auch ein in massiver Bauweise ausgeführtes Wohn- oder Geschäftshaus (vgl JBl 1930, 393), kann Superädifikat sein, zumal keinerlei Größen- oder Höhenbeschränkungen bestehen.
SZ 44/101 (1971): Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an einem Superädifikat (durch gerichtliche Feilbietung).
OGH 11. 7. 2001, 3 Ob 284/99g, JBl 2002, 311: Liegenschaftseigentümer räumt vier Personen Baurecht ein, von dem aber kein Gebrauch gemacht wird. Eine der vier Personen erhält auf Grund einer Sondervereinbarung vom Eigentümer auch das Recht, ein Superädifikat auf der Liegenschaft zu errichten. Das Baurecht wird idF in Exekution gezogen und der betreibende Gläubiger versucht, auch das Superädifikat exekutiv zu verwerten, was der OGH ablehnt.
Zum Baurecht → KAPITEL 8: Das Baurecht: Dort findet sich auch eine Gegenüberstellung der Begriffe Superficies, Superädifikat und Baurecht.
Literaturquelle
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2. Das Grundbuch als öffentliches Register
Das Grundbuch ist ein öffentliches, dh jedermann zugängliches, Register. Die Grundbücher werden von den Bezirksgerichten geführt. Im Grundbuch sind grundsätzlich alle Liegenschaften verzeichnet; Ausnahme: zB öffentliches Gut. Vgl auch → KAPITEL 8: Freistehende Sachen, öffentliches Gut und Staatsvermögen. Man kann sich auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs verlassen. Es wird seit 1980 elektronisch geführt; GUG 1980. Auch für das auf EDV umgestellte Grundbuch gilt aber weiterhin der Grundsatz des § 1 GBG, dass das Grundbuch aus dem Hauptbuch und der unverändert gebliebenen Urkundensammlung besteht. Das im Rahmen der Grundbuchumstellung neu geschaffene Verzeichnis der gelöschten Eintragungen steht dem Hauptbuch rechtlich gleich; JBl 1991, 584.
Grundbuchsauszüge erhält man bei jedem Bezirksgericht und mittlerweile auch bei Notaren und Rechtsanwälten. Der elektronische Zugang zum Grundbuch wurde ständig erweitert.
Grundbuchsauszüge
Das Grundbuch als öffentliches Buch verwirklicht das sachenrechtliche Publizitätsprinzip auf vorbildliche Weise. Aber auch dem Spezialitäts- und Prioritätsprinzip des Sachrechts dient das Grundbuch → KAPITEL 8: Priorität .


Aufbau des Grundbuchs
Abbildung 2.27:
Aufbau des Grundbuchs
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3. Aufbau des Grundbuchs
Für jede Katastralgemeinde (KG; sie ist nicht unbedingt deckungsgleich mit der politischen Gemeinde) wird vom zuständigen Bezirksgericht ein eigenes Grundbuch geführt.
Beispiel


Das Grundbuch des Bezirksgerichts
Abbildung 2.28:
Das Grundbuch des Bezirksgerichts
Nach § 1 GBG besteht „das” Grundbuch aus:
Aufbau
• einem Hauptbuch und einer
Urkundensammlung.
Im Hauptbuch wird für jeden Grundbuchskörper eine eigene Grundbuchseinlage mit eigener Einlagezahl / EZ angelegt; zB KG Hötting EZ 3570.
Er ist die rechtliche Grundeinheit des Grundbuchs. Der Grundbuchskörper bildet ein rechtliches Ganzes; § 31 GBG. Ein Grundbuchskörper kann aus mehreren Liegenschaften / Grundstücken bestehen; wobei die einzelnen Liegenschaften / Grundstücke wiederum in (rechtlich nicht selbständige) Parzellen unterteilt sein können. – Liegenschaften / Grundstücke stellen danach nicht immer eine selbständige Grundbuchseinheit dar; auf Parzellen trifft das nie zu.
Grundbuchskörper
Die Parzellierung einer Liegenschaft dient deren leichterem Abverkauf. So, wenn ein 10.000 m2 großes Grundstück in fünf gleich große Parzellen untergegliedert wird. Häufig kann dadurch eine Wertsteigerung der Liegenschaft erreicht werden; besserer m2-Preis. Zu beachten ist, dass die Parzellierung nichts an der Einheit des Grundbuchkörpers ändert → Aufbau des Grundbuchs: Ab- und Zuschreibung.
Parzellierung


Grundbuchskörper/Liegenschaft/Parzelle
Abbildung 2.29:
Grundbuchskörper/Liegenschaft/Parzelle


Legende: GB-Körper/Liegenschaft/Parzelle
Abbildung 2.30:
Legende: GB-Körper/Liegenschaft/Parzelle
Sie ist die Sammlung der Originale und beglaubigten Abschriften von Urkunden, auf Grund derer bücherliche Eintragungen erfolgen. – Vom Hauptbuch wird auf die Urkundensammlung verwiesen, da im Hauptbuch nur Kurzeintragungen erfolgen. – Vom Hauptbuch aus ist also der Weg zurück zur Urkunde, die das Titelgeschäft dokumentiert, verfolgbar.
Urkundensammlung
Besteht ein Grundbuchskörper aus mehreren Liegenschaften oder ist das einzige Grundstück eines Grundbuchskörpers parzelliert, müssen diese unselbständigen Teile – bspw im Falle des Verkaufs nur einer Liegenschaft oder von nur einer oder mehreren Parzellen – ab- oder zugeschrieben werden; § 3 Abs 2 GBG.
Ab- und Zuschreibung
Durch Ab- oder Zuschreibung ändert sich demnach der Umfang eines Grundbuchskörpers. – Im Falle der Abschreibung wird für den abgeschriebenen Teil ein neuer Grundbuchskörper mit neuer Einlagezahl (EZ) geschaffen.
Dasselbe gilt für Teilungen von Grundbuchskörpern; zB im Rahmen einer Erbfolge. Zu beachten sind in diesen Fällen die Vorschriften des LiegenschaftsteilungsG 1930 und der jeweiligen Landes-Bauordnung.
Teilung von GB-Körpern


Aufbau des Hauptbuchs – Realfoliensystem
Abbildung 2.31:
Aufbau des Hauptbuchs – Realfoliensystem
Nach § 4 GBG wird die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung bücherlicher Rechte (→ Bücherliche Rechte) an einem Grundbuchskörper nur durch Eintragung ins Hauptbuch bewirkt.
Aufbau der einzelnen GB-Einlage
Das Hauptbuch, das in Tirol in zwei Abteilungen geführt wird (I: geschlossene Höfe; II: sog walzende Güter), ist nach dem Realfoliensystem geordnet; dh, jeder Grundbuchskörper erhält eine selbständige Grundbuchseinlage: vgl §§ 2, 3 GBG.
Geschlossene Höfe iSd TirHöfeG 1900 müssen eine mindestens fünfköpfige Familie angemessen ernähren können, ohne das Vierfache zu überschreiten. – Zum bäuerlichen Erbrecht, dem sog Anerbenrecht → KAPITEL 17: Das bäuerliche Erbrecht als Anerbenrecht.
Jede Grundbucheinlage ist folgendermaßen aufgebaut: Sie besteht aus der „Aufschrift” sowie nach § 61 AGAG aus 3 „Blättern”: dem Gutsbestands- oder A-Blatt, dem Eigentums- oder B-Blatt und dem Lasten- oder C-Blatt.


Aufbau der einzelnen GB-Einlage
Abbildung 2.32:
Aufbau der einzelnen GB-Einlage
Die sog Aufschrift führt die Katastralgemeinde (KG), die Einlagezahl (EZ) sowie den Gerichtsbezirk und die Bezeichnung des jeweiligen Grundbuchskörpers an. – Die Aufschrift bildet den „Kopf” jeder Grundbuchseinlage.
Aufschrift
Das A-Blatt ist wiederum in ein A1- und A2-Blatt unterteilt. Das Gutsbestandsblatt „charakterisiert” den jeweiligen Grundbuchskörper.
A-Blatt
Das A1-Blatt zählt allfällige Parzellen auf, und benennt deren „Kulturart”.
Beispiel
Beispiel
Beispiel
Die Kultur- oder Benützungsarten von Liegenschaften werden nach § 10 Abs 1 VermG (samt Anhang) festgelegt: zB Baufläche, landwirtschaftlich genutzte Grundfläche, Garten, Wald, Gewässer, Alpe etc.
Das A2-Blatt gibt Auskunft über Veränderungen am Gutsbestand des jeweiligen Grundbuchskörpers, insbesondere durch Zu- und Abschreibung und – praktisch bedeutsam – über die mit dem Liegenschafteigentum verbundenen Rechte; zB Servituten oder Reallasten, wenn die Liegenschaft herrschendes Grundstück ist.
Zu Servituten und Reallasten → KAPITEL 8: Reallasten.
Auch eine Eintragung nach § 297a ABGB (Maschine → KAPITEL 8: § 297a ABGB ¿ Der ¿Maschinenparagraph¿) erfolgt hier. Das A2-Blatt weist zudem (nach § 7 Abs 2 AGAG) Beschränkungen aus, die auf öffentlichrechtlichen Vorschriften beruhen; etwa die Zugehörigkeit eines Grundbuchskörpers zur Sicherheitszone eines Flughafens oder zu einem Wasserschutzgebiet.


Original-GB: Gutsbestands- oder A-Blatt
Abbildung 2.33:
Original-GB: Gutsbestands- oder A-Blatt
Das Eigentums- oder B-Blatt gibt die Eigentumsverhältnisse wieder. „Öffentliches Gut” wird als solches gekennzeichnet.
B-Blatt
Im B-Blatt werden auch die persönlichen Beschränkungen angeführt, „denen der [jeweilige] Eigentümer [einer Liegenschaft] für seine Person in der freien Vermögensverwaltung” unterworfen ist; § 10 Abs 1 AGAG.
Solche Beschränkungen betreffen bspw die Bestellung eines Sachwalters, die Konkurseröffnung, die Minderjährigkeit oder ein Substitutionsband → KAPITEL 17: Substitution: Ersatz- und Nacherbschaft: JB 214.
Das Ersichtlichmachen persönlicher Beschränkungen im Grundbuch „zerstört” den guten Glauben eines Erwerbers, der sich dann nicht mehr darauf berufen kann, er habe von nichts gewusst.


Original-GB: Eigentums- oder B-Blatt
Abbildung 2.34:
Original-GB: Eigentums- oder B-Blatt
Das Lasten- oder C-Blatt zählt alle Lasten und objektiven Verfügungsbeschränkungen einer Liegenschaft auf.
C-Blatt
Beispiel


Original-GB: Lasten- oder C-Blatt
Abbildung 2.35:
Original-GB: Lasten- oder C-Blatt
Der leichteren Benutzbarkeit des Grundbuchs dienen Hilfsverzeichnisse und -einrichtungen. Seit 1999 können Grundbuch und Firmenbuch über das Internet abgefragt werden.


Hilfsverzeichnisse und -einrichtungen
Abbildung 2.36:
Hilfsverzeichnisse und -einrichtungen


EDV-Grundbuchsauszug
Abbildung 2.37:
EDV-Grundbuchsauszug


Die GB-Mappe
Abbildung 2.38:
Die GB-Mappe
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4. Bücherliche Rechte
Was kann ins Grundbuch eingetragen werden? – Gegenstand der Einverleibung oder Vormerkung sind nach § 9 GBG „nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht (§§ 1070 und 1073 ABGB) sowie das Bestandrecht (§ 1095 ABGB) ...”
Als dingliche Rechte werden heute neben dem Eigentum, das Pfandrecht, die Dienstbarkeiten und Reallasten (→ KAPITEL 8: Reallasten) sowie Baurecht (→ KAPITEL 8: Das Baurecht) und Wohnungseigentum (→ KAPITEL 8: Wohnungseigentum: WEG 2002) angesehen. Verbücherbar ist nach § 364c ABGB auch das Belastungs- und Veräußerungsverbot → KAPITEL 8: Veräußerungs- und Bealstungsverbot [FOLIE].
Die Aufzählung bücherlicher Rechte in § 9 GBG wird als taxativ angesehen.
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5. Arten bücherlicher Eintragungen


Arten bücherlicher Eintragungen – § 8 GBG
Abbildung 2.39:
Arten bücherlicher Eintragungen – § 8 GBG


Bücherliche (= verbücherbare) Rechte
Abbildung 2.40:
Bücherliche (= verbücherbare) Rechte
§ 8 GBG nennt:
Bei der Einverleibung oder Intabulation (§§ 31 ff GBG) handelt es sich um unbedingte Eintragungen; es geht dabei um die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung oder Löschung bücherlicher Rechte.
Einverleibung
Vormerkungen sind bloss bedingte Einverleibungen; §§ 35 ff GBG. Sie bedürfen der nachträglichen Rechtfertigung, also eines weiteren Nachweises für den endgültigen dinglichen Rechtserwerb.
Vormerkungen
Die Vormerkung sollte künftig im EDV-Grundbuch erleichtert und überhaupt effizienter gestaltet werden.
Anmerkungen dienen der Begründung bestimmter Rechtswirkungen; §§ 52 ff GBG.
Anmerkungen
Anmerkung der Streitanhängigkeit/Streitanmerkung (§ 61 GBG), Anmerkung der Rangordnung (→ Anmerkung der Rangordnung und Rangordnungs­bescheid: §§ 53-57 GBG), Anmerkung nach § 24a Abs 2 WEG: Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 11. 12. 2002, 7 Ob 253/02k, OGH 12. 2. 2003, 7 Ob 253/02k (mit Berichtigung), JBl 2003, 307: Vater schenkt seinem Sohn ein Grundstück und widerruft die Schenkung noch vor Intabulation nach § 948 ABGB. Vater klagt idF den Sohn, in seine erneute „Eigentumseinverleibung einzuwilligen” und beantragt parallel dazu eine Streitanmerkung nach § 61 GBG. – OGH lehnt dies ab, weil es wesentliche Voraussetzung einer grundbücherlichen Streitanmerkung sei, dass die Gültigkeit einer bücherlichen Eintragung bestritten und die Wiederherstellung des früheren Buchstandes verlangt wird. Eine Streitanmerkung sei hingegen bei einem bloß obligatorischen Begehren nicht zulässig (hier: Schenkungswiderruf), selbst wenn dieses auf den Erwerb eines bücherlichen Rechts gerichtet sei. – Kritik von Pfersmann und Rummel.
ZB von öffentlichrechlichen (etwa Naturschutzgebiet oder Flugsicherheitszone) oder persönlichen Beschränkungen des Eigentums (zB Minderjährigkeit oder Konkurs) durch mit der Liegenschaft verbundene Rechte; zB wird eine Servitutsberechtigung im A2-Blatt des herrschenden Grundstücks ersichtlich gemacht.
Ersichtlichmachungen
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6. Die Grundbuchsprinzipien
Die in der Folge behandelten Grundsätze/Prinzipien wurden vom Schrifttum anhand der Normen des Grundbuchsrechts entwickelt. Sie finden sich in der hier dargebotenen Form nicht im GBG. – Sie dienen der Funktionalität des Grundbuchs und damit des Sachenrechts. Sie setzen für das Grundbuchsrecht die Sachenrechtsprinzipien um.


Die Grundbuchsprinzipien – Überblick
Abbildung 2.41:
Die Grundbuchsprinzipien – Überblick
Nach den §§ 76 ff GBG erfolgen Eintragungen ins Grundbuch grundsätzlich „nur auf Ansuchen von Parteien oder Behörden”, nicht von Amts wegen. Dafür gilt die in § 96 GAG festgelegte Maxime, dass das Grundbuchsgericht nicht „mehr oder etwas anderes, als die Partei angesucht hat” bewilligen darf, selbst wenn dies möglich wäre.
Das Antragsprinzip
Wurde bloß um Vormerkung angesucht, darf keine Einverleibung angeordnet werden, selbst wenn sie zulässig wäre; vgl § 96 Abs 2 GBG. – Eine Ausnahme gilt für gegenstandslose und unzulässige Eintragungen, die von Amts wegen zu löschen sind; §§ 110 ff GBG.


Antragsprinzip – Legalitätsprinzip
Abbildung 2.42:
Antragsprinzip – Legalitätsprinzip
§ 94 GBG
(1) Das Grundbuchsgericht hat das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn
1. aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechtes kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung vorgeht;
2. kein gegründetes Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist;
3. das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und
4. die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist.
(2) Bei grundbücherlichen Eintragungen, die nicht von dem Grundbuchsgericht, sondern von einem anderen Gericht bewilligt werden, hat sich das Grundbuchsgericht darauf zu beschränken, über die Zulässigkeit der Eintragung mit Rücksicht auf den Grundbuchsstand zu entscheiden; hinsichtlich der übrigen Erfordernisse steht die Entscheidung dem bewilligenden Gericht zu.
Der Richter hat demnach beschränkt die Aktenlage und damit die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Eintragung zu prüfen.
Das Legalitätsprinzip
Beispiel
§ 4 GBG
Die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung der bücherlichen (§ 9) Rechte wird nur durch ihre Eintragung in das Hauptbuch erwirkt.
Damit ist der Eintragungsgrundsatz formuliert. Zu erinnern ist daran, dass die Grundbuchseintragung Erwerbsart / Modus für den Eigentumserwerb oder den Erwerb anderer dinglicher Rechte an Liegenschaften ist. – Der jeweilige bücherliche Rechtserwerb setzt einen gültigen Titel voraus; vgl § 26 Abs 2 GBG iVm § 431 ABGB.
Der Eintragungsgrundsatz
Nach § 21 GBG sind „Eintragungen ... nur wider den zulässig, der ... als Eigentümer der Liegenschaft oder des Rechtes, in Ansehung deren die Eintragung erfolgen soll, im Grundbuch erscheint oder doch gleichzeitig als solcher einverleibt oder vorgemerkt wird.” – § 22 GBG statuiert eine Ausnahme: Bei mehrfacher außerbücherlicher Übertragung von Liegenschaften oder bücherlichen Rechten gilt, dass der letzte Übernehmer unter Nachweis seiner Vorberechtigten (Titelkette) die Eintragung verlangen kann. – Und § 23 GBG trifft Vorsorge für den häufigen Fall der erbrechtlichen Übertragung von Liegenschaften und anderen damit verbundenen dinglichen Rechten. Wird eine zur Verlassenschaft gehörige Liegenschaft veräußert, kann der Erwerber unter Überspringen allfälliger Zwischenberechtigter die bücherliche Eintragung unmittelbar nach dem Erblasser begehren. Das soll vereinfachen und überflüssige Kosten sparen helfen.
Bücherlicher Vorman


Der Eintragungsgrundsatz des GB
Abbildung 2.43:
Der Eintragungsgrundsatz des GB


Durchbrechungen des Eintragungsgrundsatzes
Abbildung 2.44:
Durchbrechungen des Eintragungsgrundsatzes
Rechtssprechungsbeispiel
Vgl den Sachverhalt von EvBl 2002/149 (→ Kaufpreis) Kaufpreis: Mangelnde Bestimmtheit.
OGH 21. 6. 2000, 1 Ob 344/99s, SZ 73/102(Ablehnung von SZ 10/311) = JBl 2000, 793 = EvBl 2001/2: Ausnahme vom Verbücherungsgrundsatz: Vermietete Liegenschaft (keine Eintragung des Bestandverhältnisses ins Grundbuch) wird versteigert. Nach Zuschlag, aber vor Intabulation, kündigt der Erwerber den Mietvertrag. – OGH erklärt bereits den Zuschlag und nicht erst den Erlag des Kaufpreises oder die Einverleibung im Grundbuch zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Übernahme eines nicht verbücherten Bestandvertrags im Falle des § 1121 ABGB und damit die Aktivlegitimation für die Kündigung. (Eine Bindung des Erstehers des Bestandgegenstandes an die vertragliche Bestandszeit besteht neben der Verbücherung auch noch in zwei anderen Fällen, nämlich bei einer Dreiparteienübereinkunft und im Fall der Überbürdung des Bestandvertrags an den Liegenschaftserwerber durch Vertrag zu Gunsten Dritter.)


Sog „bücherlicher Vormann”
Abbildung 2.45:
Sog „bücherlicher Vormann”
Durchbrechungen des Eintragungsgrundsatzes
Enteignung: Eigentumserwerb mit Erlag der Entschädigungssumme; vgl § 35 EisbEG → KAPITEL 8: Enteignung: § 365 ABGB.
Zwangsversteigerung: Eigentumserwerb mit Zuschlag (nach § 237 Abs 1 EO).
Erbgang (sog Universalsukzession): Eigentumserwerb mit Einantwortungsbeschluss (§§ 797, 799 ABGB), nicht aber durch Verbücherung; den Titel bildet der erbrechtliche Berufungsgrund.
Ersitzung: Auch sie ist eine originäre Eigentumserwerbsart → KAPITEL 13: Originär.
Fusion /Verschmelzung juristischer Personen → KAPITEL 4: Fusion / Verschmelzung und Spaltung.


Publizitäts- und Vertrauensgrundsatz
Abbildung 2.46:
Publizitäts- und Vertrauensgrundsatz
Der Grundsatz der Öffentlichkeit des Grundbuchs meint formelle Publizität iSd § 7 GBG: „Das Grundbuch ist öffentlich.” Damit im unmittelbaren Zusammenhang formuliert § 7 Abs 2 GBG: „Jedermann kann das Grundbuch ... einsehen und Abschriften oder Auszüge daraus erheben ...”
Der Publizitäts- und Vertrauensgrundsatz
Jährlich werden um die 3,5 Millionen Grundbuchsauszüge erstellt. Ein Grundbuchsauszug kostet derzeit 8 ı.
Der Publizitäts- und Vertrauensgrundsatz umfasst auch den öffentlichen Glauben in das Grundbuch; sog Vertrauensgrundsatz (= materielle Publizität). Das Grundbuch genießt danach öffentlich Glauben und schützt Erwerber im Hinblick darauf! Geschützt wird, wer im Vertrauen auf das Buch erwirbt, und zwar:
• im Vertrauen auf seine Richtigkeit und
• im Vertrauen auf die Vollständigkeit des Grundbuchs.
Voraussetzung dafür ist es jedoch, dass der Erwerber:
• in das Grundbuch Einsicht genommen hat und
• auch sonst die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit nicht kennt.
Bücherliche Eintragungen orientieren sich am Besitzrecht, zumal die Verbücherung für unbewegliche Sachen das bewirkt, was die Besitzübertragung für bewegliche Sachen bedeutet; §§ 426 ff ABGB. Nach diesem Grundsatz gelten unrichtige oder unvollständige Eintragungen solange als richtig, als sie nicht berichtigt wurden. Gutgläubige Dritte werden in ihrem Vertrauen auf den Grundbuchsstand geschützt. Darin liegt öffentlicher Glaube / Vertrauensgrundsatz. Erworben werden kann aber grundsätzlich nur vom bücherlichen Vormann; §§ 21 ff GBG. Nur bücherlich berechtigte Personen sind verfügungsberechtigt.
Legitimations- oder Rechtsscheinwirkung


Legitimations- oder Rechtsscheinwirkung
Abbildung 2.47:
Legitimations- oder Rechtsscheinwirkung
Das Sachenrecht und insbesondere das Grundbuchrecht folgt dem Prioritätsgrundsatz (§§ 29, 30, 93 GBG), den schon ein altes deutsches Rechtssprichwort umschreibt: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.” – Und das römische Recht formulierte: „Prior tempore, potior iure” (= Das zeitlich ältere, ist das stärkere Recht). – Das bedeutet den Vorrang des älteren, hier des früher eingetragenen Rechts. Die erwähnten §§ 29 und 93 GBG regeln, dass sich der Rang, dh die Stärke einer Eintragung durch den Zeitpunkt des Einlangens eines Grundbuchgesuchs beim Grundbuchsgericht bestimmt wird. Das ist vor allem – aber nicht nur – für Hypotheken wichtig, zumal deren Befriedigung rangmäßig erfolgt.
Prioritätsgrundsatz und Rangprinzip
§ 30 GBG kennt die Möglichkeit der Vorrangseinräumung: Dadurch kann die Rangordnung der auf einer Liegenschaft verbücherten Rechte geändert werden. Dazu bedarf es jedoch der Einwilligung des „zurücktretenden und des vortretenden Berechtigten” und – wenn das zurücktretende Recht eine Hypothek ist – auch noch des Eigentümers und allenfalls anderer dinglich Berechtigter. Nötig ist uU auch die Zustimmung der Zwischenberechtigten. Näheres im Gesetz.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 24. 10. 2000, 5 Ob 252/00w, SZ 73/165: Liegenschaft ist mit einer Hypothek im ersten Rang in Höhe von 1,7 Mio S belastet. Land Salzburg begehrt auf Grund einer (Satzungs)Vorrangseinräumungserklärung für seine Forderung von über 600.000 S, für die eine Hypothek im 2. Rang einverleibt ist, den Vorrang seines Pfandrechts für einen Teilbetrag von 200.000 S. Dies lehnte das Gericht mit dem Hinweis ab, dass § 30 GBG dies nicht zulasse. – OGH gestattet dies mit dem Argument, dass eine Vorrangseinräumung auch in der Weise möglich sei, dass der bessere Pfandrang auch nur einem Teil der nachrangigen Hypothekarforderung zukommt.
Zum Verfügungsrecht des Liegenschaftgseigentümers iSd § 469 ABGB und zum Rangvorbehalt (§ 58 GBG) sowie zur bedingten Pfandrechtseintragung (§ 59 GBG) → KAPITEL 15: Das Pfandrecht als Recht an fremder Sache.


Rangmäßige Befriedigung – Beispiel
Abbildung 2.48:
Rangmäßige Befriedigung – Beispiel


Priorität-Spezialität
Abbildung 2.49:
Priorität-Spezialität
Der grundbuchsrechtliche Spezialitätsgrundsatz (§§ 10 ff GBG) verfolgt zwei Ziele:
Spezialitätsgrundsatz
• Einerseits besagt er, dass dingliche / bücherliche Rechte nur an bestimmten Einzelsachen (insbesondere Liegenschaften) oder „Sachteilen” wie einem Miteigentumsanteil möglich sind; vgl dazu § 13 Abs 1 GBG:
„Das Pfandrecht kann entweder auf einem ganzen Grundbuchskörper oder bei Miteigentum auf den Anteil eines jeden Miteigentümers ... eingetragen werden.”
Damit werden die nach römischem Recht möglichen Generalhypotheken am gesamten Vermögen einer Person ausgeschlossen, da sie sich nicht bewährt haben. – Eine gewisse Ausnahme in dieser Hinsicht stellt jedoch die Simultanhypothek dar; vgl §§ 105 ff GBG.
• Andrerseits verlangt der Spezialitätsgrundsatz für die Begründung bücherlicher Rechte deren klare inhaltliche Präzisierung: Vgl § 10 GBG (Begründung von schlichtem Miteigentum) oder § 12 GBG: Bei Dienstbarkeiten und Reallasten muss Inhalt und Umfang des eingetragenen Rechtes „möglichst bestimmt angegeben werden”. Sollen aber Dienstbarkeiten auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sein, „so müssen diese genau bezeichnet werden”.
Die §§ 13 ff GBG behandeln die Bedeutung unseres Grundsatzes für das Pfandrecht: Auch beim Pfandrecht werden die beiden Zielsetzungen des Spezialitätsgrundsatzes deutlich; § 13 GBG regelt, „woran” gültiges Pfandrecht begründet werden kann (zB „ganzer Grundbuchskörper” oder an Miteigentumsanteilen) und § 14 GBG formuliert die „zweite Zielsetzung”:
„Das Pfandrecht kann nur für eine ziffernmäßig bestimmte Geldsumme eingetragen werden. Bei einer verzinslichen Forderung muss auch die Höhe der Zinsen eingetragen werden.”
Nach § 16 GBG deckt das erworbene Pfandrecht auch die Prozess- und Exekutionskosten; also die Kosten der Realisierung des Pfandrechts. Dazu kommen nach § 17 GBG die „dreijährigen Rückstände von [vertraglichen oder gesetzlichen] Zinsen”, die den „gleichen Rang mit dem Kapital” genießen. – Vgl auch § 18 GBG.
Seit 1999 können ins Grundbuch auch Hypotheken in ausländischen Währungen eingetragen werden. Hypotheken in fremder Währung waren bisher ausgeschlossen.
§ 15 Abs 1 GBG: „Das Pfandrecht kann für die selbe Forderung ungeteilt auf zwei oder mehrere Grundbuchskörper oder Hypothekarforderungen eingetragen werden ( Simultanhypothek)”; vgl dazu die §§ 105 ff GBG. – Und Abs 2 leg cit bestimmt: „Der Gläubiger ist in solchen Fällen berechtigt, die Bezahlung der ganzen Forderung aus jeder einzelnen Pfandsache zu verlangen.”
Ausnahmen vom Spezialitätsgrundsatz
Die Simultanhypothek ist nichts anderes, als der auf Liegenschaften übertragene Gedanke der Solidarhaftung.
Simultanhypothek
§ 14 Abs 2-4 GBG regeln die Höchstbetragshypothek (HBH):
Höchstbetragshypothek
Bei der HBH wird – wie der Name sagt – nur ein Höchstbetrag, dh ein Kreditrahmen (im GB), angegeben, „bis zu dem der Kredit oder die Haftung reichen soll [kann]”. Das Gesetz verlangt in § 14 Abs 2 und 3 GBG, dass entweder „in der Urkunde, auf Grund derer die Eintragung vorgenommen werden soll” oder im Grundbuchsgesuch, „ein Höchstbetrag anzugeben [ist], bis zu dem der Kredit oder die Haftung reichen soll”. Die tatsächliche Belastung kann aber davon abweichen; dh: der Kreditrahmen muss nicht (voll) ausgenützt werden. So wenn vom gewährten Kreditrahmen in der Höhe von 500.000 ı nur 250.000 ı in Anspruch genommen werden. Nur mit diesem Betrag ist die Liegenschaft dann auch tatsächlich belastet. Auch Zinsen sind nur vom tatsächlich in Anspruch genommenen Betrag zu entrichten. – Wirtschaftlich kann die Gewissheit, über einen bestimmten Kreditrahmen disponieren zu können, wichtig sein; zB bei Unternehmenskäufen.
Die dingliche Sicherung von Kontokorrentkrediten erfolgt häufig durch eine HBH.
Nach § 14 Abs 2 GBG ist nur in folgenden Fällen eine HBH möglich:
• pfandrechtliche Sicherstellung einer Kreditforderung;
• pfandrechtliche Sicherstellung einer Forderung aus einer übernommenen Geschäftsführung;
• pfandrechtliche Sicherstellung aus dem Titel der Gewährleistung;
• pfandrechtliche Sicherstellung einer Schadenersatzforderung.
Die Rspr lässt aber nunmehr die Begründung von HBH über die in § 14 Abs 2 GBG genannten Fälle hinaus für alle künftigen Forderungen zu, wenn außer der Person des Berechtigten und des Schuldners auch der genau umrissene Rechtsgrund, aus dem die Forderung entstehen könnte, feststeht. Es wird daher zB für zulässig gehalten, die Sicherung von Pachtzinsforderungen durch eine HBH vorzunehmen; SZ 69/159 (1996: verstSenat) mwH.
Die HBH wird immer wieder mit der Anordnung in § 1374 ABGB verwechselt, wonach niemand, der eine Sache zur Sicherstellung annehmen soll, schuldig ist, bestimmte Wertansätze zu überschreiten: sie betragen bei Häusern – die Hälfte, bei Grundstücken und beweglichen Gütern – 2/3 der Schätzung.


Höchstbetragshypothek (1)
Abbildung 2.50:
Höchstbetragshypothek (1)


Höchstbetragshypothek (2)
Abbildung 2.51:
Höchstbetragshypothek (2)
Literaturquelle
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7. Anmerkung der Rangordnung und Rangordnungs­bescheid: §§ 53-57 GBG
Typische Situation: Ein Eigentümer will seine Liegenschaft verkaufen und dabei sichergehen, dass er auch sein Geld bekommt; ein Käufer will zahlen, aber nur gegen Aushändigung jener Urkunden, die seine Verbücherung ermöglichen. Zu zahlen ohne entsprechende Sicherheit zu erhalten, wäre – gerade beim Liegenschaftskauf – purer Leichtsinn. Hier hilft das Rechtsinstitut der Ranganmerkung iVm der Ausstellung eines Rangordnungsbescheids, wodurch das Zug-um-Zug-Prinzip beim Liegenschaftskauf verwirklicht und die angedeutete Pattstellung beseitigt wird.
Beispiel
Der veräußerungswillige Eigentümer beantragt (zur Erwirkung einer Rangordnungsanmerkung) beim Grundbuchsgericht entweder die bücherliche:
Vorgangsweise
Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung – oder ebenso möglich, der
Verpfändung seiner Liegenschaft, womit die bücherliche Rangordnung vom Zeitpunkt des Einlangens dieses Ansuchens (beim GB-Gericht) für die infolge dieser Veräußerung (oder Verpfändung) einzutragenden Rechte begründet werden soll. – Nach § 54 GBG darf von dem Beschluss des Grundbuchsgerichts, mit dem das Gesuch bewilligt wird, nur eine Ausfertigung erteilt werden. Diese „einzige” Ausfertigung kann nun bspw der Verkäufer dem Käufer übergeben und der Käufer kann – gegen Aushändigung dieses Rangordnungsbescheids – ruhigen Gewissens zahlen, weil diese Urkunde Gewähr dafür bietet, dass er seine grundbücherlichen Rechte erlangen kann. Gegen Vorlage des Rangordnungsbescheids wird der Käufer ins Grundbuch eingetragen und zwar selbst dann, wenn der Verkäufer vor Stellung des Verbücherungsansuchens des Käufers noch anderweitig über die Liegenschaft verfügt haben sollte; zB Doppelverkauf oder Belastung der Liegenschaft mit einer Hypothek oder Servitut; § 56 Abs 2 GBG. – Alle bücherlichen Eintragungen, die seit Ausstellung des Rangordnungsbescheids (allenfalls) erfolgt sind, werden bei Vorlage des Rangordnungsbescheids gelöscht, soweit sie dem einzutragenden Recht entgegenstehen; § 57 GBG.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 23. 8. 2001, 6 Ob 294/00d, JBl 2002/247: Ein Kreditnehmer erwirkt für seinen ersten Kreditgeber auf seiner Liegenschaft die Rangordnung für die beabsichtigte Verpfändung im ersten Rang. Vom Bescheid wird nicht Gebrauch gemacht. Im nachfolgenden Rang wird idF für einen zweiten Kreditgeber eine Hypothek in Höhe von 20 Mio S einverleibt. Der erste Kreditgeber versucht nach Ablauf der Gültigkeit des Rangordnungsbescheids die versäumte Sicherheit „nachzuholen”, was der OGH als unzulässig ansieht.
Nach § 56 Abs 3 GBG sichert eine Anmerkung der Rangordnung auch gegen das Risiko des Konkurses:
Schutz gegen Konkurs
„Verfällt der Eigentümer der Liegenschaft [oder der Hypothekargläubiger] vor Überreichung des Eintragungsgesuchs [durch den Käufer] in Konkurs, so kann die Eintragung ... bewilligt werden, wenn die Urkunde über das Geschäft schon vor dem Tage der Konkurseröffnung ausgefertigt war [und dies gerichtlich oder notariell beglaubigt wurde].”
Zu beachten ist, dass eine Rangordnung „mit Ablauf eines Jahres nach ihrer Bewilligung” ihre Wirksamkeit verliert. Ein Rangordnungsbescheid muss also innerhalb dieser Frist konsumiert werden; § 57 Abs 2 GBG. Aber 1 Jahr räumt dem Käufer genug Zeit ein, um bspw seine Verbücherung in Ruhe vorzubereiten. Wird über dieses Gesuch die Einverleibung oder Vormerkung des Käufers bewilligt, kommt der (endgültigen) Eintragung die angemerkte Rangordnung zu und nicht etwa der (spätere) Rang des Eintragungsgesuchs.
Wirksamkeitsdauer der bewilligten Rangordnung
Das Rechtsinstitut der Anmerkung der Rangordnung schafft hohe Sicherheit beim Liegenschaftskauf (Rechtssicherheit) und beseitigt allfälliges gegenseitiges Misstrauen und eine daraus resultierende Pattstellung. – Die Anmerkung der Rangordnung samt Rangordnungsbescheid schafft überdies Sicherheit für beide Seiten eines Liegenschaftskauf(vertrag)s.


Anmerkung der Rangordnung
(1) + (2) + (3) + (4)
Abbildung .52:
Anmerkung der Rangordnung (1) + (2) + (3) + (4)
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III. Originärer Eigentumserwerb
1. Zur Wiederholung
Erinnern wir uns (→ Originärer und derivativer Erwerb) an die zwei Arten des Eigentumserwerbs:
• den originären / unmittelbaren oder ursprünglichen, dh den nicht von einem Vormann abgeleiteten; und
• den derivativen / mittelbaren, von einem Vormann stammenden / abgeleiteten; vgl § 423 ABGB.
Das ABGB selbst spricht nicht von originärem und derivativem Erwerb, sondern von unmittelbarer und mittelbarer Erwerbsart; § 423 ABGB:
§ 423 ABGB
„Sachen, die schon einen Eigentümer haben, werden mittelbar erworben, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigentümer auf einen anderen übergehen.”
Das ABGB wendet auf den originären Eigentumserwerb ebenfalls die Lehre von Titel und Modus an; → Die Lehre von Titel und Modus; §§ 381 ff ABGB:
Titel und Modus braucht auch der originäre Erwerb
§ 424 ABGB: „Der Titel der mittelbaren Erwerbung liegt in einem Vertrag; in einer Verfügung auf den Todesfall [zB Testament]; in einem richterlichen Ausspruche [zB Urteil]; oder, in der Anordnung des Gesetzes [vgl dazu die Beispiele unter → Originärer und derivativer Erwerb].”
Titel der mittelbaren Erwerbung
Zu Titel und Modus beim originären Eigentumserwerb vgl etwa § 381 ABGB: „angeborne Freiheit, sie in Besitz zu nehmen” und die „Zueignung” iSv Besitzerwerb oder § 386 ABGB: Dereliktion.
§§ 381, 386 ABGB
Beispiel
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2. Arten des originären Eigentumserwerbs
Ein praktisch wichtiges Beispiel eines originären Eigentumserwerbs enthält das Bergrecht, das nunmehr im MineralrohstoffG, BGBl I 1999/38 (MinroG) geregelt ist.
Literaturquelle
Das dritte Hauptstück des zweiten Teils des ABGB (§§ 380–403) handelt „Von der Erwerbung des Eigentums durch Zueignung” und den rechtlichen Erfordernissen der Erwerbung. Das Vierte Hauptstück behandelt den Eigentumserwerb durch Zuwachs; §§ 404–422 ABGB. – Beide Hauptstücke regeln Fälle des originären / unmittelbaren Eigentumserwerbs:
Zueignung und Zuwachs
• § 381 ABGB: „… Bei freistehenden Sachen besteht der Titel in der angebornen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen. Die Erwerbungsart ist die Zueignung, wodurch man sich einer freistehenden Sache bemächtigt, in der Absicht, sie als die seinige zu behandeln.” – Beispiele dafür sind kleine Tiere, die weder den Landes-Naturschutz- noch den LandesjagdG unterliegen; also zB Schmetterlinge oder Insekten, nicht aber Vögel. § 382 ABGB: „… Freistehende Sachen können von allen Mitgliedern des Staates durch die Zueignung erworben werden, insofern diese Befugnis nicht durch politische Gesetze eingeschränkt ist, oder einigen Mitglieder das Vorrecht der Zueignung zusteht.”
Freistehende Sachen
• §§ 383, 384 ABGB: zB Bienenschwärme
• Geregelt in den §§ 385-387 ABGB: § 386 ABGB umschreibt sie. – Dereliktion bedeutet: Aufgabe des Eigentumsrechts, ohne es (derivativ) auf jemand anderen zu übertragen. Ein neu eingefügter Satz 2 des § 386 ABGB (früher zutreffender § 388 Satz 1 ABGB) enthält die Rechtsvermutung: „Im Zweifel ist nicht zu vermuten, dass jemand sein Eigentum aufgeben wolle; daher darf kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich diese zueignen.” – Derelinquiert wird alles mögliche: alte Bücher und Möbel, Autos, Elektrogeräte etc. Diese Sachen werden dann herrenlos und stehen allgemeiner Aneignung offen. – Sog Herrenlosigkeit kann auch bei Liegenschaften eintreten; vgl § 387 ABGB. Der OGH hat entschieden, dass die eingetretene „Herrenlosigkeit” einer Liegenschaft ins Grundbuch eingetragen werden kann. Der Grundbuchskörper bleibt bestehen; siehe OGH 25.2.1997, 4 Ob 37/97p.
Dereliktion
• Neu geregelt in den §§ 388-394 ABGB (BGBl I 2002/104, in Geltung seit 1. 2. 2003).
Fund
§ 388 Abs 1 ABGB umschreibt nunmehr „verlorene Sachen” als „bewegliche, in niemandes Gewahrsam stehende Sachen, die ohne den Willen des Inhabers aus seiner Gewalt gekommen sind”. – Abs 2 grenzt davon „vergessene Sachen” ab, die als „bewegliche Sachen, die ohne den Willen des Inhabers [?] an einem fremden [?], unter der Aufsicht eines anderen stehenden Ort [?] zurückgelassen worden und dadurch in fremde Gewahrsame gekommen sind” umschrieben werden.
Nach § 389 Abs 1 ABGB ist Finder, „wer eine verlorene oder vergessene Sache entdeckt und an sich bringt”. – § 390 ABGB verpflichtet den Finder, den Fund „unverzüglich der zuständigen Fundbehörde (§ 14 Abs 5 SPG) unter Abgabe der gefundenen Sache anzuzeigen und über alle für die Ausforschung eines Verlustträgers [§ 389 Abs 2 ABGB] maßgeblichen Umstände Auskunft zu geben”. Keine Finderpflichten entstehen nach § 391 ABGB, wenn der Finder den Fund ohne Anzeigeerstattung dem Verlustträger ausfolgt oder der gemeine Wert des Fundgegenstandes 10 ? nicht übersteigt, „es sei denn erkennbar, dass die Wiedererlangung der Sache für einen Verlustträger von erheblicher Bedeutung ist”.
§ 392 ABGB regelt den Anspruch des Finders auf Finderlohn und „auf Ersatz des notwendig und zweckmäßig gemachten Aufwandes”. § 393 ABGB bestimmt die Höhe des Finderlohns: 10 vH, bei verlorenen, 5 vH des gemeinen Werts bei vergessenen Sachen. „Übersteigt der gemeine Wert 2000 ı, beträgt der Finderlohn in Rücksicht des Übermaßes die Hälfte dieser Hundertsätze.” Bei „unschätzbaren” und wichtigen Sachen ist der Finderlohn nach billigem Ermessen festzusetzen; § 393 ABGB. § 394 ABGB nennt die Fälle, für die kein Finderlohn besteht. Nach § 395 ABGB erlangt der Finder nach Ablauf eines Jahres Eigentum an der in seiner Gewahrsame befindlichen Sache, wenn diese vom Verlierer nicht angesprochen wurde; sonst mit Ausfolgung der Sache an ihn. § 396 ABGB regelt den Sonderfall, dass ein Entdecker verlorene oder vergessene Sachen „nicht an sich nehmen kann”; zB verlorene Tiere.
Kein Finderlohn gebührt nach § 397 Abs 2 ABGB, „wenn die Sache auch sonst ohne deren Gefährdung wiedererlangt worden wäre“.
• Im Zusammenhang mit dem Schatzfund ist über eine interessante Kontroverse zu berichten: Das ABGB in seiner Fassung von 1811 drittelte den Schatzfund in § 399 zwischen Staat, Finder und Grundeigentümer. Das HfKD, JGS 1846/970 änderte die Aufteilung beim Schatzfund dahingehend, dass der Schatzfund nunmehr zwischen Finder und Grundeigentümer geteilt wurde, was zur Folge hatte, dass mehr Schatzfunde gemeldet wurden. Das Erste BundesrechtsbereinigungsG / 1. BRBG 1999 (→ KAPITEL 11: BundesrechtsbereinigungsG) führte – wohl unbeabsichtigt (!) – das genannte Hofdekret nicht mehr an, was formal bedeutet, dass es mit 31.12.1999 als aufgehoben gilt. Das hätte zur Folge, dass wiederum die alte Aufteilungsregel des ABGB von 1811 in Kraft tritt, was auch von Koziol (in: Koziol / Welser 11 I 276) und Dittrich / Tades (positivistisch) vertreten wurde. Richtiger dürfte es jedoch sein, mit Mayer-Maly (JBl 2000, 535 mwH) anzunehmen, dass mittlerweile eine gewohnheitsrechtliche Verankerung der durch das Hofdekret von 1846 angeführten Hälfteregel anzunehmen ist, zumal bekannt ist, dass dem 1. BRBG auch andere (schwere) Fehler unterlaufen sind. – Mit BGBl I 2002/104 (in Geltung ab 1.2.2003) ist der Gesetzgeber, der auch hier vertretenen Meinung gefolgt und § 399 ABGB bestimmt nunmehr:
Schatzfund
„Von einem Schatz erhalten der Finder und der Eigentümer des Grundes je die Hälfte.”
§ 401 ABGB modifiziert den Anteil – durchaus sinnvoll – auf einen „Drittteil”, wenn „Arbeitsleute zufälliger Weise einen Schatz” finden.
• § 397 ABGB: Finden verborgener Gegenstände; beachte auch Abs 2.
• §§ 398-401 ABGB: Schatzfund.
Literaturquelle
• § 402 ABGB verweist hinsichtlich des Beuterechts auf das Kriegsrecht.
Beuterecht
• § 403 ABGB regelt den Aufwandersatz und die verhältnismäßige Belohnung (von höchstens 10 vH) bei Rettung einer „fremden beweglichen Sache vor dem unvermeidlichen Verluste oder Untergange”.
Rettung
• § 404 ABGB: „Zuwachs heißt alles, was aus einer Sache entsteht, oder neu zu derselben kommt, ohne dass es dem Eigentümer von jemand andern übergeben worden ist. Der Zuwachs wird durch Natur, durch Kunst, oder durch beide zugleich bewirkt.”
Zuwachs
§ 405 ABGB: Natürliche Früchte eines Grundes sowie „Nutzungen, welche aus einem Tiere entstehen”, wachsen dem Eigentümer des Grundes / Tieres zu.
• §§ 407, 408 ABGB: Entstehung von Inseln etc (römisches Recht: insula in flumine nata, alluvio und avulsio). Vgl § 4 Abs 5 WRG: Jede Insel in einem öffentlichen, wenn auch nicht schiffbaren Gewässer ist dem Bunde vorbehalten.
insula in flumine nata
§ 409 ABGB: „Vom verlassenen Wasserbette” (römisches Recht: alveus derelictus).
alveus derelictus
§§ 411-413 ABGB: Anspülung (alluvio) und Abreißung (avulsio) von Grundstücksteilen (römisches Recht).
alluvio + avulsio
Die Bedeutung dieser Bestimmungen liegt auch darin, dass sie als vorsichtige Analogiebasis für andere Naturereignisse wie Lawinenabgänge, die Sachen mitreißen, aber auch Muren oder Hangrutschungen, die mitunter ganze Bauwerke auf fremden Grund gelangen lassen, dienen können. – Zur rechtlichen Behandlung größerer Bodenverschiebungen: Ganner, Eigentumsverhältnisse bei großflächigen Bodenverschiebungen, ÖJZ 2001, 781.
§§ 414-422 ABGB: Künstlicher Zuwachs durch Verarbeitung oder Vereinigung.
Rechtssprechungsbeispiel
Einen umstrittenen originären Erwerbsfall behandelt EvBl 1989/100: § 386 ABGB – Gewerbsmäßige Aneignung von Altpapier aus fremden Sammelbehältern: Wer sein Altpapier in einen dafür vorgesehenen Sammelbehälter legt, gibt damit nicht seinen Besitz in der Absicht auf, das Papier zum Gegenstand der Aneignung durch jedermann (§ 382 ABGB) zu machen; er übergibt es vielmehr in den Besitz dessen, der den Behälter aufgestellt hat und über ihn verfügungsberechtigt ist. Wer in solchen Behältern gelagertes Altpapier unbefugterweise mit dem Vorsatz wegnimmt, sich damit unrechtmäßig zu bereichern, begeht einen Diebstahl iSd § 127 StGB. (?) – In der Wegnahme liegt angeblich auch eine Besitzstörung.
OGH 27.11. 2002, 1 Ob 265/01d, EvBl 2002/72: Grundstückseigentümer lässt an der Grundstücksgrenze mit Zustimmung des Nachbarn eine Garage bauen. Diese ragt 9 cm über die Grenze, was der betroffene Nachbar weiß. Erst nach Fertigstellung klagt er auf Beseitigung. Der Bauführer wendet idF den Erwerb von Eigentum an dem (Überbau)Teil des Nachbargrundstücks ein; § 418 letzter Satz ABGB. – OGH verneint Eigentumserwerb wegen Unredlichkeit und nimmt im Übrigen Rechtsmissbrauch nach § 1295 Abs 2 ABGB an.
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C. Verbraucherrecht – Konsumentenschutz
Von Astrid Tangl
Literaturquelle
I. Anliegen
Neben dem Handelsrecht als Sonderprivatrecht für Kaufleute und dem Arbeitsrecht als Sonderprivatrecht der Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit schuf der österreichische Gesetzgeber im Jahre 1979 das Konsumentenschutzgesetz als Sonderprivatrecht für Verbraucher. Das vom Verbraucherschutz gekennzeichnete KSchG ist ein Art-Verwandter des vom Arbeitnehmerschutz gekennzeichneten Arbeitsrechts und spielt eine praktisch wichtige Rolle: Es trägt der Einsicht Rechnung, dass der Verbraucher im rechtsgeschäftlichen Verkehr seine Interessen oft nicht mehr hinreichend wahrnehmen kann.
Sonderprivatrecht
Der Grund dafür liegt in der typischen Unterlegenheit des Verbrauchers im Verhältnis zum Unternehmer, die sich insbesondere aus seiner rechtlichen Unerfahrenheit und seiner wirtschaftlich schwächeren Position ergibt. Da es dem Gesetzgeber nicht möglich ist, jede einzelne Unterlegenheitssituation zu erfassen und zu sanktionieren, kommt es beim Verbraucherrecht (wie im übrigen auch beim Arbeitsrecht) nicht darauf ein, dass im Einzelfall tatsächlich eine übermächtige Vertragspartei am Rechtsgeschäft beteiligt ist. Vielmehr wird auf die typischerweise vorliegende Schlechterstellung des Verbrauchers abgestellt. Diese bloß schematische Verwirklichung des Verbraucherschutzes lässt die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten unberührt und hat zur Folge, dass das KSchG nicht immer zur Anwendung kommt, wenn ungleich starke Vertragspartner einander gegenüberstehen, sondern eben nur dann, wenn das Rechtsgeschäft die Anwendungsvoraussetzungen des § 1 KSchG erfüllt → Geltungsbereich (§ 1): Geltungsbereich.
Typische Unterlegenheit
Dieser Schutzgedanke wird im KSchG auf vielfältige Weise und über das allgemeine Zivilrecht hinaus verwirklicht: So werden dem Verbraucher beispielsweise durch besondere Rücktritts- und Kündigungsrechte zusätzliche Möglichkeiten der Lösung seines Vertragsverhältnisses eingeräumt (§§ 3, 3a, 15, 30a KSchG) nachteilige und/oder intransparente Vertragsbestimmungen für unwirksam erklärt (§ 6 KSchG), Rechte des Unternehmers beschränkt (§ 13 KSchG) und verbraucherfreundliche Vorschriften in anderen Gesetzen als zwingend normiert (§§ 9, 14).
Einzelne Verbraucherschutznormen
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II. Abgrenzung zum ABGB und HGB
Das KSchG gelangt häufig neben dem ABGB und dem HGB, das auch für einseitige Handelsgeschäfte gilt, zur Anwendung.
Zur Unterscheidung von einseitigen und zweiseitigen Handelsgeschäften → Spielarten des Kaufvertrags
Ob bloß das ABGB oder HGB, KSchG und ABGB zusammengenommen oder nur HGB und ABGB (gleichzeitig) anzuwenden sind, hängt davon ab, welche Personen am Rechtsgeschäft beteiligt sind: Das können zwei Nichtkaufleute, ein Verbraucher und ein Unternehmer/Kaufmann oder zwei Kaufleute sein. Im ersten Fall gelangt nur das ABGB zur Anwendung, im zweiten ABGB, KSchG und vielleicht HGB und im dritten Fall primär HGB und daneben allenfalls subsidiär ABGB. – Die Kaufmannsstellung wird vom HGB (§§ 1 ff), die des Verbrauchers und Unternehmers vom KSchG (§ 1) und die Voraussetzungen der Anwendung des ABGB von diesem in § 1 („… unter sich …”) festgelegt. Es ist demnach stets zu prüfen, wer am Geschäft beteiligt ist.
• Das ABGB gilt subsidiär auch für HGB und KSchG.
Merksätze
• Als speziellere Regelungen gehen jedoch die Regeln von HGB und KSchG dem ABGB vor.
• Den Kaufmannsbegriff legt das HGB (§§ 1 ff) fest, den des Unternehmers, das KSchG (§ 1). – Die beiden Begriffe sind nicht deckungsgleich; dies idS dass nicht jeder Unternehmer iSd KSchG auch Kaufmann iSd HGB ist, wenngleich umgekehrt jeder Kaufmann Unternehmer ist.
• Nicht jedes Geschäft, das ein Unternehmer oder Kaufmann tätigt, ist unternehmens- oder betriebszugehörig iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG oder von § 343 iVm § 344 Abs 1 HGB. Unternehmer und Kaufleute schließen nämlich auch Privatgeschäfte (dh ohne Betriebs- oder Unternehmenszusammenhang); etwa: Kaufmann / Unternehmer erwirbt privat ein Fernsehgerät. – Im Zweifel ist jedoch nach § 344 Abs 1 HGB Betriebszugehörigkeit anzunehmen. Eine entsprechende Vorschrift des KSchG fehlt.


Zusammenspiel von ABGB
und Sonderprivatrecht
Abbildung .53:
Zusammenspiel von ABGB und Sonderprivatrecht
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III. Rechtsquellen
Um dem Verbraucherschutzgedanken gerecht zu werden rückt der Gesetzgeber mit Hilfe von privatrechtlichen Sonder- und Nebengesetzen (wie dem KSchG, dem TeilzeitnutzungsG (TNG), oder dem BauträgervertragsG (BTVG) vom bürgerlich-rechtlichen Konzept der Vertragsfreiheit zunehmend ab. Eine ganze Reihe von Spezialgesetzen (wie etwa das VersVG, das UWG, das PHG, das KMG oder das BWG) enthalten überdies einzelne privatrechtliche Verbraucherschutzbestimmungen. (Zu § 33 BWG → KAPITEL 5: Beispiel: Bankgeschäfte). Vorzeitige Rückzahlung von Verbraucherkrediten.) All diese Normen leisten zwar einen wertvollen Beitrag zum österreichischen Konsumentenschutz; gleichzeitig führen sie aber zu einer Rechtszersplitterung.
Rechtszersplitterung
Seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1979 hat sich das KSchG vielfach geändert und hat es insbesondere nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft zahlreiche Anpassungen an einschlägige Verbraucherschutzrichtlinien gegeben: Durch die Novelle BGBl 1999/185 wurde die Fernabsatz-RL 97/13/EWG im KSchG umgesetzt. Mit der Novelle BGBl I 2001/48 (GewRÄG) erfolgte die notwendige Anpassung an die Vorgaben der Verbrauchsgüterkauf-RL 99/44/EG. Zuletzt wurde das KSchG durch das BGBl 2002/111 durch Hinzufügen des § 3 Abs 5 KSchG an die ebenfalls reformierte Gewerbeordnung angepasst → Rücktritt und Rückabwicklung (§§ 3, 3a, 4).
Novellen
In unmittelbarer Zukunft steht auch ein solider Ausbau des Verbraucherschutzes im Bankvertragsrecht bevor: So sind eine verschärfte Verbraucherkredit-RL (Kommissionsvorschlag KOM (2002) 443 endg. vom 11.9.2002) und eine ebenso verschärfte Wertpapierdienstleistungs-RL (Kommissionsvorschlag KOM 625 endg. vom 19.11.2002) geplant. Damit soll die österreichische Verbraucherschutzrechtslage an die modernen Formen des Verbraucherkredits angepasst und Wertpapieranleger umfassender geschützt werden.
1. Geltungsbereich (§ 1)
Zunächst ist hervorzuheben, dass lediglich das erste Hauptstück des KSchG (§§ 1 bis 27a) fürVerbrauchergeschäfte iSd§ 1 KSchG gilt. Die Bestimmungen der §§ 28ff KSchG kommen indessen – mit Ausnahme der §§ 30b (besondere Aufklärungspflichten des Immobilienmaklers) und 30c (Höchstdauer von Alleinvermittlungsaufträgen) – auch bei Nicht-Verbauchergeschäften zur Anwendung. Einen Sonderfall stellt §§ 30a KSchG dar: Auf das Rücktrittsrecht von Immobiliengeschäften kann sich zwar nur ein Verbraucher berufen, aber unabhängig davon, ob er das Geschäft mit einem Unternehmer oder einem Verbraucher abgeschlossen hat.
Verbrauchergeschäfte
Das KSchG enthält keine positive Definition des Verbraucherbegriffs, sondern umschreibt ihn bloß negativ als „Nichtunternehmer“. Gemäß § 1 Abs 2 KSchG ist ein Unternehmer „jemand für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört” und ein Unternehmen, „jede auf Dauer angelegte, organisierte, selbständige wirtschaftliche Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein”. Diese weite Begriffsvorstellung unterscheidet sich von jener des ABGB und geht über den Kaufmannsbegriff des Handelsrechts hinaus. Es kommt weder auf die Dauer der angelegten Betriebsorganisation noch auf die bisherige Dauer der unternehmerischen Tätigkeit an. Der Unternehmerbegriff kann neben Kaufleuten und Gewerbetreibenden auch Angehörige der freien Berufe (Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Finanzberater, Ärzte, etc.) erfassen. Da die Beurteilung als Verbrauchergeschäft nur vom funktionellen Verhältnis der beiden Streitteile abhängt muss beim jeweiligen Rechtsgeschäft geprüft werden, ob eine unternehmerische Tätigkeit im obigen Sinn vorliegt.
Verbraucher als Nichtunternehmer
Rechtssprechungsbeispiel
Diesen formalen Ansatzpunkt hat der OGH in 7 Ob 315/01a (11.2.2002) in Zusammenhang mit einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH zu Gunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgegeben: Bis zu dieser E wurden Geschäftsführer einer GmbH vom OGH als Verbraucher angesehen, weil bei einem von einer GmbH betriebenen Unternehmen nur die GmbH (und nicht der Geschäftsführer oder der Gesellschafter der GmbH) das Unternehmen betreibt, also formal „Unternehmensträger” ist. Nunmehr hat der OGH den Unternehmensbegriff auf den Gesellschafter-Geschäftsführer (als wirtschaftlichen Unternehmer”) – ausgedehnt und damit den formalen Unternehmensbegriff erstmals zu Gunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgeweicht.
Sie gelten gemäß ausdrücklicher Anordnung (§ 1 Abs 2 letzter Satz) immer als Unternehmer. – Juristische Personen des privaten Rechts können hingegen sehr wohl als Verbraucher in Erscheinung treten.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts
Gemäß § 1 Abs 3 KSchG gehören Gründungsgeschäfte werdender Unternehmer, das sind Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebes ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, noch nicht zum Betrieb ihres Unternehmens iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG.
Gründungsgeschäfte
Das KSchG gilt nach § 1 Abs 4 KSchG nicht für Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der Gesetzgeber begründet diese Ausnahmeregelung damit, dass für Arbeitsverträge spezielle, viel eingehendere Schutzbestimmungen bestehen.
Verträge: AG - AN
§ 1 Abs 5 KSchG erstreckt die Bestimmungen des I. und II. Hauptstücks des KSchG auch auf den Beitritt zu und die Mitgliedschaft bei Vereinen.
Mitgliedschaft bei Vereinen
Rechtssprechungsbeispiel
Laut 4 Ob 312/99g (21. 12. 1999) wird ein wirtschaftlich tätiger Verein bei der Mitgliedsaufnahme von Verbrauchern nur dann nicht als Unternehmer iSd KSchG tätig, wenn die Mitgliedschaft vorrangig zur Förderung der ideellen Vereinszwecke ieS und nicht wesentlich auch zur Erzielung wirtschaftlicher Vorteile eingegangen wird.
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2. Zwingendes Recht (§ 2)
§ 2 Abs 2 KSchG stellt klar, dass vereinbarte Abweichungen vom KSchG zum Nachteil des Verbrauchers unwirksam sind; dh das KSchG statuiert – wie bei Schutzgesetzen üblich – zwingendes Recht (ius cogens).
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3. Rücktritt und Rückabwicklung (§§ 3, 3a, 4)
§ 3 KSchG bewahrt den Verbraucher vor unüberlegten Vertragsabschlüssen in psychologischen Ausnahmesituationen. Eine solche Ausnahmesituation liegt vor, wenn ein Vertreter den Konsumenten unangemeldet und unaufgefordert außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmens (zB an seiner Wohnadresse) aufsucht (klassisches Haustürgeschäft). Gleichsam „überrumpelt” wird ein Verbraucher bei Werbefahrten und Verkaufsshows, die zumeist mit Verkaufsfahrten verbunden werden, bzw. wenn er auf der Straße persönlich angesprochen und in die Geschäftsräume des Unternehmers gebracht wird. Denn beim Betreten eines Geschäftes kann der Konsument Preisvergleiche anstellen und abwägen, was in derartigen, ungewöhnlichen Situationen nicht der Fall ist.
Werbefahrten und Verkaufsshows: Haustürgeschäfte
§ 3 KSchG ermöglicht es ihm daher, eine in einer solchen Zwangssituation abgegebene Vertragserklärung wieder rückgängig zu machen bzw. rechtswirksam abgeschlossene Haustürgeschäfte nachträglich für unwirksam zu erklären. Das Gesetz nimmt dabei nicht Rücksicht darauf, ob der Konsument im jeweiligen Einzelfall tatsächlich überrumpelt wurde oder nicht, sondern knüpft die Rücktrittsmöglichkeit wiederum an objektive Kriterien, nämlich wo der Vertrag zustande gekommen ist und von welchem Vertragspartner dabei die Initiative ausging: Der Verbraucher kann vom Vertrag zurücktreten, wenn die Vertragserklärung nicht nicht in den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers bzw. auf dessen Messe- oder Marktstand abgegeben wurde und die Initiative zu den Vertragsverhandlungen vom Unternehmer ausging.
Objektive Rücktrittskriterien
Keine Rücktrittsmöglichkeit hat er hingegen, wenn er die geschäftliche Verbindung selbst angebahnt hat, wenn dem Zustandekommen des Vertrages keine Besprechungen vorangingen sowie bei Verträgen, die üblicherweise außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen, sofort erfüllt werden und das vereinbarte Entgelt 15 (bzw. 45) Euro nicht übersteigt (§ 3 Abs 3 KSchG).
Keine Rücktrittsmöglichkeit
Rechtssprechungsbeispiel
In 3 Ob 94/00w (29. 11. 2000) hat der OGH klargestellt, dass das bloße Inserieren des Verkaufs einer Liegenschaft noch kein „Anbahnen” eines Maklervertrages iSd § 3 Abs 3 Z 1 KSchG darstellt.
Der Rücktritt kann binnen einer Woche nach Zustandekommen des Vertrags erklärt werden. Diese Rücktrittsfrist beginnt erst mit der Übergabe einer schriftlichen Urkunde, die den Namen und die Anschrift des Unternehmers, zur Identifizierung des Vertrages notwendige Angaben sowie eine Belehrung über das Rücktrittsrecht enthält, frühestens jedoch mit dem Zustandekommen des Vertrages. Es erlischt spätestens einen Monat nach der vollständigen Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragspartner, bei Versicherungsverträgen spätestens einen Monat nach dem Zustandekommen des Vertrags.
Rücktrittsfrist beginnt
Nach dem mit BGBl I 2002/111 eingefügten § 3 Abs 5 KSchG sind die Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 4 KSchG auch dann anzuwenden, wenn der Unternehmer gegen die gewerberechtlichen Regelungen über das Sammeln und die Entgegennahme von Dienstleistungen über das Aufsuchen von Privatpersonen oder über die Entgegennahme von Bestellungen auf Waren (§§ 54, 57 und 59 GewO 1994) verstoßen hat.
§ 3 Abs 5 KSchG
§ 3a KSchG gewährt dem Verbraucher darüber hinaus ein Rücktrittsrecht, wenn für seine Einwilligung maßgebliche und vom Unternehmer als wahrscheinlich dargestellte Umstände (taxative Aufzählung in § 3a Abs 2 Z 1-4 KSchG) ohne Veranlassung durch den Konsumenten nicht oder nur in erheblich geringerem Ausmaß eintreten. Dieses Rücktrittsrecht besteht unabhängig davon, ob ein Haustürgeschäft iSd § 3 KSchG vorliegt. Das Rücktrittsrecht § 3a KSchG basiert somit weniger auf dem Aspekt der Überrumpelung als auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (Erweckung von falschen Vorstellungen beim Verbraucher, welche als Motivirrtum grundsätzlich unbeachtlich wären). Der Unternehmer kann den Rücktritt nach § 3a KSchG abwenden, indem er entweder das Rücktrittsrecht des Verbrauchers ausdrücklich ausschließt (und dies mit dem Verbraucher im einzelnen aushandelt) oder sich zu einer angemessenen Anpassung des Vertrages bereit erklärt. Vgl. die Rechtsfolgen des § 872 ABGB → KAPITEL 5: Unwesentlicher Irrtum; § 872 ABGB.
Rücktrittsrecht nach § 3a KSchG
Rechtssprechungsbeispiel
Das BGHS (7 C 1517/99k, 26.4.2000) hat das Rücktrittsrecht eines Verbrauchers von einem Gebrauchtwagenkaufvertrag nach § 3a KSchG mit der Begründung, bejaht, dass der der Konsument den Kaufantrag nur aufgrund des Umstandes, dass ihm die Kreditzusage als problemlos dargestellt wurde, unterfertigt habe und es für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei, dass er die Kreditzusage nicht erhalten würde. Der Händler hatte den Konsumenten mit einer Kreditzusage gelockt, obwohl er über die bescheidenen Vermögensverhältnisse des Konsumenten informiert war. Nachdem die Bank einer Kreditfinanzierung nicht zustimmte, forderte der Konsument so erfolgreich seine geleistete Anzahlung vom Händler zurück.
Vgl dazu die Problematik des Motivirrtums und den Wegfall der Geschäftsgrundlage → KAPITEL 5: Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Sie erfolgt nach § 4 KSchG durch Rückstellung der erhaltenen Leistungen samt Wertminderungsersatz. Zudem können vom Verbraucher – bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen – auch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden → Abschluss des Kaufvertrags
Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
Rücktritt beim Verzug → KAPITEL 7: Zum gesetzlichen Rücktrittsrecht des § 918 ABGB. – Zum Rücktritt bei Fernabsatzgeschäften.
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4. Kostenvoranschläge (§ 5)
§ 5 KSchG trifft eine Sonderregelung für Kostenvoranschläge, wonach der Verbraucher nur dann ein Entgelt dafür zahlen muss, wenn er vorher auf diese Zahlungspflicht hingewiesen wurde. Außerdem ist der Kostenvoranschlag im Zweifel unverbindlich (§ 5 Abs 2 KSchG).
Mehr zum Kostenvoranschlag beim Werkvertrag (§ 1170a ABGB) → KAPITEL 12: Der Kostenvoranschlag.
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5. Vertragsabschlüsse im Fernabsatz (§§ 5a bis 5j)
Literaturquelle
Die §§ 5a bis 5j enthalten die mit dem BGBl. I Nr. 185/1999 einführten Bestimmungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz → E-Commerce und Fernabsatzgesetz
Neu ist auch die Anordnung des § 5j: „Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.
Rechtssprechungsbeispiel
In der Grundsatzentscheidung Rs. C-96/00 („Gabriel” v. 11.7.2002) hat der EuGH für Klagen aus derartigen Gewinnmitteilungen nunmehr auch die Internationale Zuständigkeit nach Art. 13 EuGVÜ (Verbrauchergerichtsstand) bestätigt.
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6. Unzulässige Vertragsbestandteile (§ 6)
§ 6 KSchG enthält eine demonstrative Aufzählung von Vertragsbestimmungen, die in Verbraucherverträgen im Sinne der Sittenwidrigkeitsbestimmung des § 879 ABGB „nicht verbindlich” sind (sog. Klauselkatalog). Jene Klauseln, die in Absatz 1 aufgezählt werden (zuletzt mit BGBl I 1997/6 auf 15 erweitert) sind als Bestandteil von Rechtsgeschäften mit Verbrauchern jedenfalls ungültig.
Klauselkatalog
„Die in Absatz 2 angeführten Tatbestände (mit BGBl I 1997/6 auf 6 erweitert) sind hingegen nur dann unwirksam, wenn sie zwischen den Vertragspartnern nicht „im einzelnen ausgehandelt” – also individuell angesprochen und bewusst in den Vertrag aufgenommen – wurden. In anderen Worten: werden solche Klauseln (wie sie § 6 Abs 2 KSchG vorsieht) vom Unternehmer einseitig vorformuliert (wie das beispielsweise bei AGB und Vertragsformblättern der Fall ist) so sind sie für den Verbraucher jedenfalls nicht verbindlich. Die Beweislast der erfolgten „Aushandelns” trägt der Unternehmer. Zu den einzelnen Klauseln siehe Gesetz.
Nicht „im einzelnen ausgehandelt”
Verstößt eine Klausel gegen § 6 KSchG so ist grundsätzlich nur die Klausel selbst, nicht jedoch der ganze Vertrag nichtig. Bisweilen hängt es auch vom Schutzzweck der verletzten Norm ab, ob der restliche Vertrag gültig bleibt.
Grundsatz der Teilnichtigkeit
Er besagt, dass eine wegen Verstoßes gegen § 6 KSchG nichtige Klausel nur im Umfang ihrer Rechtswidrigkeit unwirksam ist, dass also der gesetzeskonforme Teil der Klausel weiterhin gilt. Dieser Grundsatz ist umstritten und hat im Verbandprozess nach den §§ 28 ff KSchG (dazu gleich unten) jedenfalls keine Geltung.
Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion
§ 6 Abs 3 KSchG adressiert – ebenso wie § 6 Abs 2 KSchG – vorformulierte Vertragsklauseln (meist in AGB) und sieht vor, dass solche Vertragsbestimmungen unwirksam sind, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst wurden. Das Verhältnis von § 6 Abs 3 KSchG zu § 869 ABGB und § 915 ABGB ist umstritten.
Transparenzgebot
Ein effektives Mittel, um gegen Verwender rechtswidriger AGB vorzugehen, ist die Verbandsklage nach den §§ 28 ff KSchG; vgl auch → Verbandsklage (§§ 28, 28a, 29) . – Im Auftrag des BMfJ werden vom VKI (Verein für Konsumenteninformation) laufend Abmahnverfahren und Musterprozesse (insbesondere gegen Banken sowie Alten- und Pflegeheime) geführt. Mit Urteil vom 19.12.02 (4 Ob 197/02f) erklärte der OGH 12 Bestimmungen der AGB Banken 2000 als gesetzwidrig.
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7. Angeld und Reugeld (§ 7)
§ 7 KSchG modifiziert die ABGB-Regeln von Angeld und Reugeld und räumt dem Richter in sinngemäßer Anwendung des § 1336 Abs 2 ABGB ein Mäßigungsrecht ein.
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8. Gewährleistung (§§ 8, 9, 9a, 9b, 23)
Eine einschneidende Reform des Gewährleistungsrechts brachte das Gewährleistungsrechts-ÄnderungsG, welches im BGBl. I Nr. 48/2001 verlautbart wurde und sowohl die §§ 922ff ABGB als auch die Sonderregeln zur Gewährleistung im KSchG novellierte. § 23 KSchG blieb durch die Reform unberührt.
Der Unternehmer hat seine Pflicht zur Verbesserung oder zum Austausch der mangelhaften Sache am Vertragserfüllungsort (Übergabsort) oder an jenem Ort vorzunehmen, wohin die Sache aufgrund des Vertrages geliefert oder versendet wurde (Bestimmungsort). Auf Verlangen des Kunden ist eine Sache, die durch Einbau unbeweglich geworden ist bzw. deren Beförderung zum Unternehmer nach ihrer Beschaffenheit (Gewicht, Sperrigkeit) untunlich ist, auch dort zu verbessern, wo sie sich gewöhnlich befindet, sofern dieser Ort für den Unternehmer nicht überraschend sein musste. Der Unternehmer kann auch verlangen, dass ihm der Verbraucher die Sache auf seine Gefahr zusendet, wenn dies für den Verbraucher tunlich ist.
Ort der Gewährleistung: § 8
Für die Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen darf der Unternehmer kein Entgelt verlangen. Vielmehr hat der Kunde Anspruch auf die notwendigen Kosten der Verbesserung oder des Austausches (Versand-, Arbeits- und Materialkosten). Notwendig sind insbes. mit der Mängelbehebung zusammenhängende Kosten (wie zB die Abschleppkosten eines Fahrzeuges) bzw diejenigen Kosten, die einem Verbraucher erwachsen, wenn er das mangelhafte Stück selbst – wenn auch von sich aus – zum Unternehmer bringt.
Kosten
Während Gewährsleistungsansprüche zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern als dispositives Recht (bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit) vertraglich beliebig eingeschränkt oder erweitert werden können, dürfen sie in Verbraucherverträgen iSd § 1 KSchG vor Kenntnis des Mangels überhaupt nicht beschränkt werden. Eine ausdrückliche Ausnahme macht der Gesetzgeber beim Verkauf von Gebrauchtwaren: Hier kann durch individuelle Vereinbarung (nicht jedoch in AGB!) die Gewährleistungsfrist auf ein Jahr verkürzt werden. Diese Verkürzungsmöglichkeit bei gebrauchten Kfz gilt jedoch nur dann, wenn seit dem Tag der ersten Zulassung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
Zwingendes Gewährleistungsrecht: § 9
§ 9 Abs 2 KSchG schließt die Anwendung der ABGB-Vorschriften über Tiermängel (§§ 925 bis 927 ABGB sowie 933 Abs 2 ABGB) aus, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer ein Tier kauft.
Viehmängel bei Verbrauchergeschäften
Der Unternehmer haftet dem Verbraucher, wenn er selbst zur Montage der Waren verpflichtet war und durch sein unsachgemäßes Verhalten einen Mangel verursacht. Die Beweislast für das „unsachgemäße Verhalten“ des Unternehmers trifft jedoch den Verbraucher. Der Unternehmer haftet darüber hinaus, wenn die Sache zur Montage durch den Verbraucher bestimmt war und die unsachgemäße Montage auf einem Fehler der Montageanleitung beruht. Auf derartige Montagefehler kann sich der Verbraucher jedoch nicht berufen, wenn es Sachen betrifft, die nicht zur Montage durch den Verbraucher bestimmt, sondern zur Installation durch einen Fachmann vorgesehen sind.
Haftung bei Montagemängeln: § 9a
Der Unternehmer ist an Garantiezusagen in der Werbung gebunden und hat den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Gewährleistung durch die Garantie nicht eingeschränkt wird. Auf Verlangen des Verbrauchers muss ihm die Garantieerklärung, welche den Namen und die Anschrift des Garanten sowie in einfacher und verständlicher Form den Inhalt der Garantie (Dauer, räumliche Geltung und sonstige für die Inanspruchnahme der Garantie notwendigen Angaben) enthalten muss, schriftlich oder auf dauerhaftem Datenträger gegeben werden.
Garantie: § 9b
Die Gewährleistungsbestimmung des § 23 KSchG bezieht sich auf Abzahlungsgeschäfte (dazu → Gewährleistung (§§ 8, 9, 9a, 9b, 23)) und sieht eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist bis zur Fälligkeit der letzten Teilzahlung vor. Da das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt der Warenübergabe umso schwieriger wird, je mehr Zeit zwischenzeitlich verstrichen ist, hat die Bestimmung wenig praktische Bedeutung.
Abzahlungsgeschäfte
§ 10 KSchG normiert wichtige Grundsatzregeln bezüglich einer vom Unternehmer an seine Vertreter erteilten Vollmacht. Nach § 10 Abs 1 KSchG umfasst eine derartige Vollmacht im Verkehr mit Verbrauchern „alle Rechtshandlungen, die derartige Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen”. Somit hat grundsätzlich der Unternehmer die Last von Vollmachtsüberschreitungen seines Vertreters zu tragen.
Umfang der Vertretungsmacht: § 10
Ausdrücklich hinzuweisen ist auf den Gesetzesvorbehalt im zweiten Halbsatz des § 10 Abs 1 Satz 1, wonach „besondere gesetzliche Regeln über den Umfang der Vollmacht” unberührt bleiben. Davon betroffen sind insbes. die Prokura und die Handlungsvollmacht nach §§ 48ff HGB (→ KAPITEL 13: Prokura).
Der Unternehmer darf sich für seine Forderungen an den Verbraucher nur dann eine Wechselverbindlichkeit des Verbrauchers einräumen lassen, wenn er selbst Wechselnehmer ist und der Wechsel die Worte „nicht an Order” oder einen gleichbedeutenden Vermerk („nicht indossierbar” etc.) enthält, sodass dem Verbraucher die Möglichkeit von Einwendungen aus dem Grundgeschäft gewahrt bleibt: sog Rektawechsel; zum Wechselrecht → KAPITEL 15: Der Wechsel.
Verbot des Orderwechsels: § 11
Eine Verletzung des § 11 KSchG lässt die Gültigkeit des ausgestellten Wechsels jedoch unberührt und hat lediglich zivilrechtliche (Regressansprüche gem. § 11 Abs 2 KSchG) bzw verwaltungsstrafrechtliche (§ 32 Abs 1 Z 3 KSchG) Folgen.
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9. Verbot der Gehaltsabtretung (§ 12)
Dem Unternehmer darf eine Lohn- oder Gehaltsforderung des Verbrauchers nicht zur Sicherung oder Befriedigung seiner Forderung abgetreten werden, wenn diese Forderung noch nicht fällig ist. Dieses Verbot beschränkt sich nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich auf Sicherungszessionen; die sicherungsweise Verpfändung von noch nicht fälligen Lohn- und Gehaltsforderungen soll nach den Gesetzesmaterialien hingegen zulässig sein.
Zu beachten ist wiederum, dass eine gegen § 12 KSchG verstoßende Vereinbarung nicht nichtig ist, sondern den Unternehmer lediglich schadenersatzpflichtig macht und die verwaltungsstrafrechtlichen Folgen des § 32 Abs 1 Z 4 KSchG auslöst.
Rechtssprechungsbeispiel
In 9 Ob A 361/93 (26.1.1994) erklärte der OGH die Verpfändung einer Lohn- und Gehaltsforderung zur Sicherung einer noch nicht fälligen Forderung des Unternehmers unter der Voraussetzung für zulässig, dass die Zustimmung des Verbrauchers zur Verwertung erst zu einem Zeitpunkt gegeben wird, zu dem die Forderung bereits fällig ist. Soll die verpfändete Forderung hereingebracht werden, muss der Unternehmer diesen klagen und Exekutionen führen, um das Pfandrecht verwerten zu können.
In 4 Ob 215/97 (9.9.1997) sprach sich der OGH für eine analoge Anwendung des § 12 KSchG auf jene Formen der Gehaltsverpfändung aus, bei denen mit dem Schuldner unwiderruflich eine außergerichtliche Verwertung des Pfandrechtes vereinbart wird. Diese Formen der Gehaltsverpfändung seien einer Sicherungszession soweit angenähert, dass der Verbraucher ebenso wie bei der Gehaltszession geschützt werden solle. Damit erteilte der OGH der Einräumung eines direkten Zugriffes auf Gehaltsansprüche (ohne Einschaltung des Gerichtes) für nicht fällige Forderungen durch Klauseln wie „Ich verpfände hiermit nach den Bestimmungen der §§ 1368 ff ABGB unwiderruflich meine Arbeitseinkünfte/sonstige Einkünfte zum Zweck der anerkannten Forderung samt Zinsen und Kosten gegenüber ... und erteile die unwiderrufliche Zustimmung zur Überweisung der fälligen Einkünfte an das Inkassobüro XY” eine klare Absage.
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10. Vorzeitige Rückzahlung von Verbraucherkrediten (§ 12a)
In Umsetzung der EG-Verbraucherkreditrichtlinie 90/88/EWG berechtigt § 12a KSchG (ebenso wie der weitgehend deckungsgleiche § 33 Abs 8 BWG) den Verbraucher, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vorzeitig zu erfüllen. In diesem Fall hat er Anspruch auf Ermäßigung der Kreditkosten um jenen Betrag an Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten, der bei kontokorrentmäßiger Abrechnung des vorzeitig zurückgezahlten Betrags nicht anfällt. Die Verrechnung darüber hinausgehender Entgelte darf nicht vereinbart werden.
Ausführliche Regeln für Verbraucherkredit- und Verbrauchergirokontoverträge trifft das mit 1.1.1994 in Kraft getretene Bankwesengesetz (BWG). Nach § 33 Abs 2 BWG bedürfen Verbraucherkreditverträge „unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes” der Schriftform und hat das Kreditinstitut bei Abschluss eines Verbraucherkreditvertrages dem Verbraucher eine in deutscher Sprache abgefasste Ausfertigung des Vertrages sowie auf Verlangen des Kreditwerbers einen Entwurf des in Aussicht genommenen Vertrages auszuhändigen. Der Vertrag hat überdies – ähnlich wie beim Haustür- und Fernabsatzgeschäft sowie beim Ratenbrief – einen bestimmten Inhalt aufzuweisen (§ 33 Abs 1 Z. 1 bis 6 BWG): Gesamtbelastung, Kostenelemente, effektiver Jahreszinssatz, eine allfällige Zinsgleitklausel, die an objektive Maßstäbe zu binden ist (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG bleibt unberührt) sowie Anzahl und Höhe der Fälligkeitszeitpunkte der rückzuzahlenden Teilbeträge.
Der Verbraucherkredit im BWG
Gemäß § 35 BWG haben Kreditinstitute im Kassensaal Angaben über die Verzinsung von Spareinlagen, über sämtliche im Privatkundenbereich anfallende Entgelte für Dienstleistungen, den effektiven und den fiktiven Jahreszinssatz von Verbraucherkrediten sowie die AGB und Angaben über die Sicherung der Einlagen gemäß § 93 Abs 8 und 8a BWG auszuhängen. § 35 Abs 2 normiert darüber hinaus eine verständliche Darstellung der effektiven Verzinsung in Reklame und Werbung.
Zu den Kreditgeschäften von Ehegatten, § 25a KSchG → Rechtsquellen
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11. Terminsverlust (§ 13)
Unter Terminsverlust wird das Fälligwerden der gesamten noch offenen Schuld mit (einer oder mehreren) Teilleistungen verstanden. Die Bestimmung des § 13 KSchG verhindert, dass der Verbraucher von einem mit einem Unternehmer vereinbarten Terminsverlust überrascht wird, indem der Eintritt des Terminsverlustes an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird: Der Unternehmer darf die sofortige Entrichtung der gesamten noch offenen Schuld nur fordern, wenn die Leistung des Verbrauchers zumindest seit sechs Wochen fällig ist und er selbst seine Leistung bereits vollständig erbracht hat. Darüber hinaus muss er den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlustes und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt haben.
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12. Anwendbares Recht (§ 13a) und internationaler Gerichtsstand (§ 14)
Zur Beschränkung der Rechtswahl bei Verbraucherverträgen mit Auslandsbezug und zur gerichtlichen Zuständigkeit → Anwendbares Recht und Gerichtsstand: IPR und IZGV und → Das auf Verträge anwendbare Recht
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13. Sonderregeln über besondere Verträge (§§ 15 ff)
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14. Verträge außerhalb ordentlicher Geschäftsräume (§ 3)
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15. Verträge im Fernabsatz (§§ 5a ff)
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16. Erweiterte Kündigungsmöglichkeit bei Verträgen über wiederkehrende Leistungen (§ 15)
Der Verbraucher kann Verträge, die für eine unbestimmte oder ein Jahr übersteigende Zeit geschlossen worden sind und durch er sich zu wiederholten Geldzahlungen für wiederholte Werkleistungen verpflichtet, unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, nachher zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen → KAPITEL 6: Sonderregelung des § 15 KSchG.
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17. Abzahlungsgeschäfte und ihnen gleichgestellte Geschäfte (§§ 16–25)
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18. Kreditgeschäfte von Ehegatten (§ 25)
Ehegatten, die als Verbraucher gemeinsam einen Kredit aufnehmen (egal ob einer die Haftung nur als Bürge eingeht) sind durch die Übergabe einer gesonderten Urkunde über die Folgen einer solchen Verpflichtung zu belehren. Dasselbe gilt für einen Ehegatten, der als Verbraucher die Haftung für eine bestehende Kreditverbindlichkeit des anderen übernimmt.
Der Verbraucher muss insbesondere darüber belehrt werden, dass, falls die Ehegatten solidarisch haften, von jedem der Schuldner in beliebiger Reihenfolge der volle Schuldbetrag verlangt werden kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, wem von ihnen die Kreditsumme zugekommen ist (Z 1), weiters darüber, dass die Haftung auch bei Auflösung der Ehe aufrecht bleibt (Z 2) sowie darüber, dass nur das Gericht im Fall der Scheidung die Haftung eines der Ehegatten gemäß § 98 Ehegesetz auf eine Ausfallsbürgschaft beschränken kann, was binnen eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung beantragt werden muss (Z 3).
Die Gültigkeit des Kreditvertrags wird durch eine unterbliebene Belehrung nach § 25a KSchG nicht berührt. Den Unternehmer trifft wiederum lediglich die Sanktion des § 32 Abs 1 Z 1c KSchG.
Rechtssprechungsbeispiel
Sittenwidrige Angehörigenbürgschaft: Nach der Rspr des OGH ist ein Bürgschaftsvertrag dann analog zu § 879 Abs 2 Z 4 sittenwidrig, wenn es sich beim Hauptschuldner und dem Bürgen um nahe Angehörige bzw Lebensgefährten handelt, ein krasses Missverhältnis zwischen Haftungsumfang einerseits und wirtschaftlicher und Leistungsfähigkeit des Bürgen andererseits besteht und folgende Kriterien kumulativ verwirklicht sind:
1) die inhaltliche Missbilligung des Bürgschaftsvertrags,
2) die Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Bürgen
3) die Kenntnis oder fährlässige Unkenntnis des Gläubigers von diesen Faktoren.
Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind:
Das faktische Übergewicht der Bank bei den Vertragsverhandlungen; ein Missverhältnis zwischen der Höhe der Verbindlichkeit und dem Einkommen; die Überschuldung des Hauptschuldners zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung; wenn Kredit bereits ausbezahlt wurde, sodass die Bürgschaft nur der nachträglichen Absicherung dient; das fehlende unmittelbare Eigeninteresse bzw. kein unmittelbarer Vorteil für den Bürgen; eine Überrumpelungssituation; die wirtschaftliche Abhängigkeit um Hauptschuldner bzw. das Vorliegen einer seelischen Zwangslage.
Kreditgewährende Unternehmen iSd § 25a KSchG haben einem Verbraucher, der Solidarschuldner eines von ihnen gewährten Kredites ist, jede Mahnung und sonstige Erklärung wegen einer Säumigkeit eines anderen Solidarschuldners zuzustellen. § 25b Abs 2 verpflichtet den Gläubigers darüber hinaus, den Verbraucher im Falle der Säumigkeit des Hauptschuldners binnen angemessener Frist von der nicht mehr vertragskonform erfolgten Tilgung zu verständigen, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, das Anwachsen den offenen Saldos durch Zinsen und Kosten zu vermeiden. Ein Verstoß des kreditgewährenden Unternehmers hat gravierende Folgen: Wird die Verständigung unterlassen, so haftet ihm der Verbraucher nicht für die Zinsen und Kosten, die ab der Kenntnis des Gläubigers von der Säumigkeit des Hauptschuldners bis zu einem Verzug es Verbrauchers selbst entstehen.
Kreditverbindlichkeiten von Verbrauchern: § 25b
Besonders dann, wenn die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners angespannt ist und nahe Angehörige und Freunde zu Bürgschaften oder Mithaftungen überredet werden, kommt die Aufklärung über die (schlechte) wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners zumeinst zu kurz. Um dieses Informationsdefizit zu beseitigen hat der Gesetzgeber mit § 25c KSchG eine ausdrückliche Hinweispflicht des Gläubigers im Falle einer gefährdeten Kreditrückzahlung normiert: Die Bestimmung verpflichtet den Gläubiger, einen Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant beitritt (sog „Interzession”) auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Die Rechtfolge eines Verstoßes gegen diese Warnpflicht trifft den Gläubiger ebenfalls empfindlich: Bei unterbliebener Aufklärung haftet der Verbraucher als Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte.
Warnpflicht des Gläubigers bei Interzession: § 25c
Die Beweislast dafür, dass dem Gläubiger die schlechte wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners bekannt war bzw. sein hätte müssen, trägt der Verbraucher.
Beweislast
Hat sich der Gläubiger aktiv um die Einbeziehung eines Interzedenten bemüht und bestehen bereits frühere Kreditverbindlichkeiten des Hauptschuldners so deutet dies laut OGH prima facie darauf hin, dass er bezüglich der Einbringlichkeit der Forderung Bedenken hegt. Aus der umfangreichen Judikatur zu § 25c KSchG, lassen sich einige Anhaltspunkte gewinnen, welche konkreten Umstände eine Hinweisobliegenheit des Gläubigers indizieren (sie zB die Einleitung exekutionsrechtlicher Maßnahmen bzw erfolglose Exekutionsschritte aus früheren Verbindlichkeiten sowie die Eintragung neuer Pfandrechte etc.) Die Gläubigerbank hat daher nach Art und Ausmaß der Verbindlichkeit eine sorgfältige Bonitätsprüfung vorzunehmen und sich in jedem Umfang Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zu verschaffen, wie dies ein sorgfältiger Kreditgeber üblicherweise tut.
Kenntnisverschaffungspflicht von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners
Als Zweck leuchtet ein: Die Auskunftspflicht soll dem Verbraucher die wirtschaftlichen Gründe des Gläubigers vor Augen führen, warum dieser neben dem Hauptschuldner auf der Haftung einer weiteren Person besteht. – Die Bestimmung ist nicht auf Kreditverträge oder auf Verpflichtungen nach § 25a KSchG beschränkt. Erfasst werden neben Bürgschaften und Garantien auch jene Fälle, in denen ein Verbraucher einer materiell fremden Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt.
Zweck des § 25c KSchG
Rechtssprechungsbeispiel
In 9 Ob 33/02x (20.2.2002) übernahm eine Tochter für den Kredit Ihrer Mutter über 6.336,42 Euro die Bürgschaft. Die Bank verschwieg der Tochter, dass ihre Mutter – als Einzelunternehmerin in der Wäscheerzeugung tätig – in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. So wurde zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme gegen die Mutter bereits eine Hypothekarklage wegen Schulden von über 72.672,83 Euro (1 Mio Schilling) betrieben. Das Grundstück der Mutter war mit mehreren Pfandrechten belegt, wovon die Bank Kenntnis hatte ohne die die Bürgin darüber aufzukären. Schließlich wurde der Kredit fällig gestellt und von der Bank gegen die Bürgin eingeklagt. Vom OGH wurde die Verletzung der Aufklärungspflich nach § 25c KSchG zu Recht bejaht.
OGH 25. 7. 2000, 1 Ob 107/00t, SZ 73/121 = EvBl 2001/10: Unternehmer steht vor Konkurs und es droht eine strafrechtliche Verurteilung wegen Krida. In dieser Situation vereinbart er mit einem Lieferanten eine Ratenzahlung von 10.000 S monatlich für eine aushaftende Schuld von 300.000 S. Frau des Unternehmers (Stubenmädchen, Verdienst von 12.000 S, keine Ersparnisse) übernimmt dafür die Haftung als Bürgin und Zahlerin, da Mann sagt, er komme sonst ins Gefängnis. Nach Konkurseröffnung klagt der Lieferant die Frau auf Zahlung; diese wendet einen Verstoß gegen die Informationspflicht des § 25 c KSchG ein. – OGH bejaht zwar eine Verletzung der Informationspflicht, verneint aber die Anwendbarkeit des § 25 c KSchG auf die gesamte Verpflichtung, da die verdünnte Meinungsfreiheit nicht dem Lieferanten anzulasten sei. (?) Darüber hinaus hält er eine geltungserhaltende Reduktion der Bürgschaftsverpflichtung der Ehefrau auf ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit für zulässig. (Richtig wäre die Unwirksamerklärung der Bürgschaftsverpflichtung gewesen, weil die KSchG-Bestimmung die vom OGH in den Vordergrund gestellten Kriterien gar nicht kennt. (Fragwürdiges Verständnis des § 25 c KSchG durch den OGH, der in diesen Tatbestand auch Sittenwidrigkeit und Wucher hereinnimmt.)
Das Gericht kann die Verbindlichkeit eines Interzedenten insoweit mäßigen oder auch ganz erlassen, als sie in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten steht. Voraussetzung für die Ausübung des Mäßigungsrechtes ist, dass die Umstände, die dieses Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben und die Tatsache, dass der Verbraucher bloß Interzedent ist, bei Begründung der Verbindlichkeit für den Gläubiger erkennbar waren. Die Entscheidung selbst ist vom Richter nach billigem Ermessen zu treffen. § 25d Abs 2 KSchG enthält als Orientierungshilfe einen Katalog demonstrativ aufgezählter Kriterien; vgl. dazu die oben angeführten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sittenwidrigen Angehörigenbürgschaft.
Richterliches Mäßigungsrecht: § 25d
§ 25d kann auch zur Anwendung kommen, wenn die Sittenwidrigkeit einer Angehörigenbürgschaft verneint wird.
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19. Lieferungen im Handel mit Druckwerken (§§ 26, 26a, 26b), Einwendungsdurchgriff (§ 26c)
Wohnungsverbesserung (§ 26d); Vorauszahlungskäufe (§ 27) → Vorauszahlungs- oder Pränumerandokauf.
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20. Werkvertrag (§ 27a KSchG)
Die Bestimmung normiert eine Informationspflicht des Unternehmers bei Unterbleiben der Werkausführung; diese Regelung ist Beispiel einer sog lex imperfecta, da eine Sanktion für das Nichtbefolgen fehlt.
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21. Das III. Hauptstück
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22. Verbandsklage (§§ 28, 28a, 29)
Das Recht der Verbandsklage wird den in § 29 KSchG genannten Interessenvertretungen in Anlehnung an § 14 UWG gewährt: Jeder, der gesetz- oder sittenwidrige Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet bzw deren Verwendung anderen empfiehlt, kann gemäß § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. – Mit BGBl I 1997/6 wurde die Möglichkeit der „Abmahnung” vor erhobener Verbandsklage nach § 28 Abs 2 KSchG eingefügt; sog „Abmahnverfahren”.
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23. Anwendung des UWG (§ 30)
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24. Rücktritt von Immobiliengeschäften (§ 30a)
§ 30a KSchG will die Überrumpelung von Verbrauchern bei Besichtigungsterminen verhindern.
Rechtssprechungsbeispiel
Laut OGH 3 Ob 22/02k (19. 9. 2002) kommt es beim Rücktrittsrecht nach § 30a KSchG nur auf die erstmalige Besichtigung des Objekts durch den präsumptiven Erwerber an. Dieser muss sich eine bereits früher vorgenommene Besichtigung durch einen Dritten (hier: Ehegattin) nicht zurechnen lassen.
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25. Besondere Aufklärungspflichten des Immobilienmaklers (§ 30b)
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26. Höchstdauer von sog Alleinvermittlungsaufträgen (§ 30c)
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27. Schriftlichkeit und zwingende Bestimmungen beim Maklervertrag (§ 31)
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28. Missbrauch von Zahlungskarten im Fernabsatz (§ 31a)
Reiseveranstaltungsvertrag (§§ 31b-31f) → KAPITEL 12: Der (Pauschal)Reiseveranstaltungsvertrag.
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29. Strafbestimmungen (§ 32)
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D. Internet und Recht
Von Helmut Ortner
Literaturquelle
Der folgende Abriss konzentriert sich auf die privatrechtlichen Fragen, welche das Internet vor allem im Geschäftsverkehr aufwirft. Die zahlreichen Problemfelder in anderen Bereichen, wie dem Strafrecht oder dem Verwaltungsrecht können hier nicht beleuchtet werden.
Internet und Zivilrecht
I. Das Phänomen Internet und E-Commerce
Literaturquelle
Das Internet, ein ursprünglich militärisches Projekt, welches später auch dem akademisch-wissenschaftlichen Bereich zugänglich gemacht wurde, hat mittlerweile einen bedeutenden Platz im Wirtschaftsleben erlangt. Spätestens seit Vollziehung dieses letzten Entwicklungsschrittes ist die verklärte Vorstellung vom Internet als „rechtsfreier Raum” nicht mehr zu halten. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des überkommenen Normensystems auch auf das „Netz der Netze” ist seit Langem gelebte Praxis. Jedoch wurde auf Grund der spezifischen Charakteristika des weltweiten Netzes (va Ubiquität, Dezentralisation, Informationsflut) wiederholt sondergesetzlichen Regelungen das Wort geredet, was sich bereits in mehreren leges speciales niedergeschlagen hat. – Grundsätzlich sollten aber trotz der rasenden Entwicklung der neuen Medien nicht die tragenden Grundorientierungen und –wertungen unserer Rechtsordnung, besonders des allgemeinen Zivilrechts,aus dem Blick verloren werden. Nicht eine weitere Zersplitterung der Rechtsordnung kann nämlich das Ziel sein; vielmehr ist danach zu streben, die Probleme des E-Commerce durch eine Fruchtbarmachung der Normen und Prinzipien des geltenden Rechts in den Griff zu bekommen. Nur dort, wo dies tatsächlich auf Grund einer signifikant unterschiedlichen Interessenkostellation unumgänglich ist, soll das Normensystem bedacht weiterentwickelt beziehungsweise ergänzt werden.
Reaktion der Rechtsordnung auf das Internet
1. Internet – Schnittmenge unterschiedlicher Rechtsgebiete
Diese Charakteristika stellen Rechtsanwender und Gesetzgeber vor schwierige Aufgabenua im IPR und IZGV (Ubiquität), im Haftungsrecht zB bei Providern (Dezentralisierung) oder auch im Konsumentenschutz im sog B2C-Bereich (Menge, Geschwindigkeit, Flüchtigkeit und „Unkörperlichkeit” der digitalen Information), deren gegenwärtige Lösungsansätze Gegenstand dieser Ausführungen sind. Das Internet stellt eine Schnittmenge unterschiedlichster Rechtsgebiete dar; einen zentralen Schwerpunkt bildet aber das Zivilrecht. Hierbei zeichnen sich wiederum zwei Teilbereiche ab:
• Zum einen die Bestimmungen des ABGB im Hinblick auf das Vertrags- und Schadenersatzrecht, die grundsätzlich auch dann gelten, wenn Geschäftsbeziehungen via das Internet oder über das Handy (M-Commerce) abgewickelt werden; Medienneutralität des Rechts.
• Zum andern die zahlreichen – oft auf EG-RL beruhenden – leges speciales im zivilrechtlichen Bereich, va das ECG (E-Commerce-Gesetz), das Fernabsatzgesetz, das Signaturgesetz.
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2. Einige zentrale Begriffsbestimmungen:
Ein häufiges Missverständnis ist die Gleichsetzung von Internet und WWW; darum eine Klarstellung. Internet (Kunstwort aus „Interconnected Network”, also „vernetztes Netzwerk” oder „Netz der Netze”) ist der Oberbegriff und bezeichnet alle die Computer und Netzwerke,, welche eben im „interconnected netword” miteinander zu einer Gesamtheit verbunden werden und so miteinander kommunizieren, also Daten austauschen können (dies erfolgt über ein einheitliches Protokoll, das sog TCP/IP). Die wichtigsten drei im Bereich des E-Commerce genützten Internet-Dienste sind (1.) das WWW (einfach zu bedienende graphisch gestaltete Benutzeroberfläche, die das Internet zum Massenphänomen machte), (2.) E-Mail (elektronische Post durch Austausch von Nachrichten zwischen Mailservern, auf welche die Nutzer via einen elektronischen Postkasten Zugriff haben) und (3.) FTP (File Transfer Protokoll; ein Netzdienst zur Datenübertragung, wie zB Software). Neben diesen zentralen Internetdiensten sind für den E-Commerce potentiell von Bedeutung Chat, Telefonkonferenzsysteme, Voice over IP (Internettelefonie), Newsdienste und der Mobilfunkbereich.
Internet
Die Terminologie ist nicht völlig einheitlich, doch beginnen sich allgemein akzeptierte Definitionen langsam durchzusetzen. E-Commerce im hier verwendeten engeren/herkömmlichen Sinn bezeichnet das Verkaufen von Waren und Dienstleistungen via Internet va im B2C-Bereich, inklusive Online-Transaktionen und –Zahlung. E-Business ist demgegenüber der weitere Begriff, der die gesamte onlinebasierte Wertschöpfungskette eines Unternehmens umfasst (inkl Produktion und Logistik, Werbung und Marketing, Vertragsabschluss und –abwicklung auch im B2B-Bereich, Sammeln von Benutzerdaten usw). Daneben etabliert sich zusehends das sog M-Business, dh geschäftliches Handeln auf Mobilfunk-Basis, welches durch den UMTS-Standard zusätzlichen Auftrieb erhalten wird.
Business to Business (B2B) bezeichnet die Geschäftsabwicklung zwischen Unternehmen; während Business to Consumer (B2C) den Handel zwischen Unternehmer und Endkunden meint.
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II. E-Commerce und ABGB
Literaturquelle
In der Folge sollen exemplarisch einige der wichtigsten allgemeinen Regelungen, welche auch auf Geschäftsabschlüsse im Internet Anwendung finden, dargelegt werden:
1. Willenserklärungen:
Die ganz grundsätzliche Frage, ob Willenserklärungen überhaupt elektronisch abgegeben werden können (sog „elektronische Willenserklärungen”), kann im Einklang mit dem Grundsatz der Formfreiheit (§ 883 ABGB; zu im Einzelfall gesetzlich vorgesehenen besonderen Formerfordernissen, wie zB Schriftlichkeit, → Signaturgesetz) ohne weiters bejaht werden. Vom Standpunkt des ABGB ist also gegen ei­nen Vertragsschluss via E-Mail prinzipiell nichts einzuwenden. Solche Willenserklärungen können aber nicht nur via E-Mail, sondern auch via WWW (durch Ausfüllen von Formularen oder Anklicken von But­tons), via Internettelefonie (Voice over IP), via Chat-Foren oder via Mobilfunk (WAP) abgegeben werden. (Als „abgegeben” gilt sie dann, wenn sie das Computersystem des Erklärenden tatsächlich verlassen hat und sich auf dem Weg zum Empfänger befindet.) Auch „automatisierte Willenserklärungen”, die nicht mehr nur unmittelbar von einem Menschen mit Hilfe eines Computers, sondern von einem entsprechend programmier­ten Computer selbst automatisch abgegeben werden, werden dem Betreiber der EDV-Anlage nach hA als Willenserklärung zugerechnet. Beispiele: Eine Software bestellt bei Erreichen eines Mindestlagerbe­standes automatisch neue Ware bei einem bestimmten Lieferanten nach; das Programm eines Versandhauses schickt nach Prüfung der eingegangen Bestellungen und des Lagerbestandes automatisch eine Auftragsbestätigung an den Besteller.
„elektronische” und „automatisierte” Willenserklärungen
Der Zugang von Willenserklärungen richtet sich auch im elektronischen Geschäftsverkehr grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln; § 12 ECG enthält eine entsprechende Regelung: → Das Phänomen Internet und E-Commerce Was den Zugangszeitpunkt betrifft, entsprechen Willenserklärungen über Chat-Foren, Kommunikation mittels Talk-Programmen, Voice over IP oder Online-Konferenzsysteme den Erklärungen unter Anwesenden; solche via E-Mail, Voice Mailing oder WWW-Erklärungen als Erklärungen unter Anwesenden. Es wird jedoch von der hA vertreten, dass ein völliges und undifferenziertes Einbeziehen des elektronischen Briefkastens in den Machtbereich einer Person noch nicht anzunehmen sei, sodass rechtserhebliche Erklärungen nur dann elektronisch übermittelt werden können, wenn der Empfänger mit der elektronischen Kommunikation einverstanden ist oder einen entsprechenden Vertrauenstatbestand (Kontaktaufnahme über E-Mail, Bekanntgabe der E-Mail-Adresse auf der Visitenkarte oder dem Briefpapier etc) gesetzt hat
Zugang von Willenserklärungen
Auch bei der Auslegung elektronischer Willenserklärungen gelten die allgemeinen Vertragsauslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB.
Auslegung
Dasselbe gilt auch grundsätzlich für die Widerrufsmöglichkeit (bis zum Zugang der Willenserklärung), was jedoch auf Grund der rasenden Geschwindigkeit der Datenübermittlung bei elektronischer Kommunikation faktisch aufgehoben ist.
Widerrufsmöglichkeit
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2. Vertragsrechtliche Bestimmungen des ECG
ECG kennt einige vertragsrechtliche Bestimmungen, aber es regelt nicht die Modalitäten des Vertragsschlusses; sie richten sich nach allgemeinem Zivilrecht:
Die Präsentation von Waren und Dienstleistungen auf einer Webpage stellt idR noch kein/en Anbot/Auftrag dar, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum, ähnlich der Darbietung in einem Schaufenster. Das Anbot ist im Normalfall erst die Bestellung des Nutzers zu erblicken.
Invitatio ad offerendum
Etwas anderes gilt in folgenden zwei Fällen, in denen ausnahmsweise doch schon der Inhaber der Webpage das Anbot stellt: (1.) Bei einer Gestaltung des Internetauftritts in einer Weise, dass der Kunde von einer sofortigen Lieferbereitschaft ausgehen kann (es kommt auf den objektiven Erklärungswert an), etwa wenn der Diensteanbieter zweifelsfrei klarstellt, dass er seine Leistungen an jede Person erbringen will, die auf seine Präsentation antwortet. (2.) Außerdem wird ein Anbot bei kostenpflichtigen Online-Informationdiensten oder dem Verkauf von Downloadable Goods angenommen.
Anbot
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3. AGB und ECG
Auch im Bereich der AGB muss unterschieden werden: Zwar beinhaltet das ECG einschlägige Regelungen, diese betreffen jedoch nicht die Geltung von AGB; diese Frage muss nach den Bestimmungen des ABGB gelöst beurteilt. Was die Möglichkeit der Kenntnisnahme betrifft, haben sich in der Praxis des E-Commerce mehrere Vorgehensweisen etabliert, die der Akzeptabilität nach etwa wie folgt gegliedert werden können:
Bloßer Hinweis auf die AGB auf der Homepage (also der ersten Webpage der Site): nicht ausreichend.
Anbringen eines Links im Webbestellformular: genügt nur dann, wenn dieser leicht auffindbar ist; empfehlenswert ist eine Platzierung in der Nähe des Bestell-Buttons.
Empfehlenswerter wäre eine unmittelbare Integrierung der AGB in das Bestellformular selbst, sodass der User den Text zumindest „gesehen” haben muss, bevor er zum Bestell-Button gelangt.
Am sichersten ist jedoch eine Konzeption der Bestellseite in der Weise, dass der Bestell-Button erst dann betätigt werden kann, wenn er zuvor ein Kästchen angeklickt hat, um zu bestätigen, er habe ich die AGB durchgelesen.
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4. Verletzung von Informationspflichten
In einigen Spezialgesetzen (va dem ECG und den §§ 5a ff KSchG/FernabsatzG) sind zahlreiche Informationspflichten des Anbieters von Waren oder Dienstleistungen (auch) im E-Commerce festgeschrieben.
Spezialgesetze
Zwar sind für die Missachtung einiger dieser Informationspflichten spezielle Verwaltungsstrafen vorgesehen (etwa in § 26 ECG oder § 32 KSchG), jedoch richten sich die Sanktionen bei Verletzung der Informationspflichten grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln:
Sanktionen
• Aus der Sicht des Zivilrechts handelt es sich dabei vor allem bei Verschulden um Schadenersatzansprüche;
Schadenersatz
• Zur Ungültigkeit des Vertrages kommt es, wenn Informationen, welche essentialia negotii, wie Ware oder Preis selbst betreffen (vgl zB § 5a Abs 1 KSchG), nicht bereitgestellt werden (§ 869 ABGB);
Ungültigkeit des Vertrages
• Schliesslich kann es zur Irrtumsanfechtung kommen; beachte, dass gem § 871 Abs 2 ABGB ein Irrtum über Umstände, über die nach „geltenden Rechtsvorschriften” (also auch nach den Informationspflichten des ECG, FernabsatzG etc) aufzuklären ist, einen Geschäfts- und nicht bloß einen Motivirrtum darstellt.
Irrtumsanfechtung
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5. Lex generalis-lex specialis-Regel
Was soeben im Hinblick auf die Verletzung von Informationspflichten gezeigt wurde, gilt natürlich nach der lex generalis-lex specialis-Regel ganz generell: Die einschlägigen leges speciales bauen ja auf dem Sockel der allgemeinen Bestimmungen des ABGB auf, sodass dessen Regelungen sozusagen immer im Hintergrund darauf „lauern”, lückenfüllend zur Anwendung zu gelangen. Ein instruktives Beispiel dafür bildet die Verletzung von des Informationspflicht des § 5i Fall 2 KSchG: Für den Fall, dass der Unternehmer seiner Informationspflicht nachkommt (ein angenommenes Angebot nicht erfüllen zu können, weil die Ware nicht verfügbar ist), treffen ihn zwar nicht die Rechtsfolgen der Verletzung seiner Informationspflichten, dies kann aber nichts an der Anwendbarkeit der allgemeinen Leistungsstörungsregeln über die Nichterfüllung oder Unmöglichkeit der Erfüllung (§§ 918 ff ABGB) ändern. In der folgenden Darstellung der Spezialgesetzlichen Normen wird noch an einigen anderen Beispielen deutlich werden.
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III. E-Commerce und ECG
Neben den allgemeinen Regelungen des ABGB finden eine Reihe von spezialgesetzlichen Normen Anwendung (va ECG, FernabsatzG und SigG), die idF unter III. bis V dargestellt werden:
Literaturquelle
1. Allgemeines
Das ECG (BGBl I 152/2001, in Kraft getreten am 1. 1. 2002) stellt die Umsetzung der RL2000/31/EG vom 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt dar.
EC-Richtlinie
Das ECG regelt den „rechtlichen Rahmen für bestimmte Aspekte des elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehrs (§ 1) und zählt die Ausnahmen vom Anwendungsbereich auf; insbes Abgabenwesen, Datenschutz, Kartellrecht, Recht der Domains, Telefon-, Telefax- und Telexdienste sowie die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Anwendungsbereich und Inhalt
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2. Zulassungsfreiheit
§ 4 ECG verbietet das Einführen spezieller Berechtigungen für Anbieter elektronischer Dienste; wer die Erlaubnis besitzt, eine bestimmte Tätigkeit im traditionellen Geschäftsverkehr auszuüben, darf dies auch online tun.
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3. Informationspflichten
Ein immer wiederkehrender Regelungsinhalt von leges speciales im E-Commerce-Bereich liegt im Festschreiben von Informationspflichten. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die oben erwähnten Charakteristika der Informationsflut und –dynamik, welche das Internet auszeichnen und für Konsumenten ein Gefahrenpotential beinhalten.
Ratio
Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft müssen va folgende Angaben auf ihrer Website leicht und unmittelbar zugänglich zur Verfügung stellen: Name oder Firma, Geografische Anschrift, E-mail-Adresse, Firmenbuchnummer/-gericht, gegebenenfalls Umsatzsteueridentifikationsnummer, zuständige Aufsichtsbehörde, Kammer oder Berufsverband (samt Hinweis auf die anwendbaren gewerbe- oder berufsrechtlichen Vorschriften); sofern Preise angeführt werden, muss eindeutig erkennbar sein, ob es sich um Brutto- oder Nettopreise handelt und ob die Versandkosten inkludiert sind und Werbung muss ua klar und eindeutig als solche erkennbar sein.
Allgemeine Informationspflichten
Verhaltenskodizes, denen sich der Anbieter freiwillig unterwirft (Information vor Abgabe der Vertragserklärung des Nutzers); die einzelnen technische Schritte, die zum Vertragsabschluss führen; eine allfällige Speicherung des Vertragstextes; technische Mittel zur Erkennung und Berichtigung von Eingabefehlern; Sprachen in denen der Vertrag abgeschlossen werden kann (gegenüber Verbrauchern zwingend); Eingang einer elektronischen Vertragserklärung des Users ist unverzüglich elektronisch zu bestätigen (gilt nicht für rein individuelle elektronische Kommunikation zB via SMA oder E-mail-Korrespondenz; ist aber gegenüber Verbrauchern zwingend). Die Wirkungen einer solchen Bestätigung richten sich nach allgemeinem Zivilrecht: Sie kann also – je nach Inhalt – bereits Annahme einer Online-Bestellung bedeuten oder (idR) rein deklarativen Charakter über den Bearbeitungsvorgang haben. – Man beachte den Unterschied zum allgemeinen Zivilrecht, das keine Bestätigungspflicht (gegenüber Verbrauchern) kennt.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 29. 4. 2003, 4 Ob 80/03y(„sexhotphones.at”): Die Klägerin bietet Erotik-Telefondienstleistungen an; der Erstbeklagte betreibt im Internet eine Homepage (www.sexhotphones.at), auf der er Werbung für eigene Erotik-Mehrwerttelefonnummern betreibt, ohne die Preise für die Inanspruchnahme der Dienste oder seine AGB anzugeben; der Zweitbeklagte betreibt Webhosting. Die Klägerin befürchtet einen Wettbewerbsvorteil des Beklagten, weil potentiellen Kunden nicht klar sei, was die Dienstleistungen kosten und sie allenfalls annehmen könnten, diese seinen kostenlos. Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, gegen die Informationspflichten nach §§ 5 Abs 2 und 11 ECG zu verstoßen. – OGH: Adressat der Informationspflichten des ECG ist der Diensteanbieter, der auf elektronischem Wege Verträge abschließt. Dient – wie hier – eine Website ausschließlich der Werbung für Dienstleistungen, sind diese Bestimmungen nicht anwendbar. Damit ist auch dem behaupteten Verstoß gegen § 1 UWG als auch der Haftung der Zweitbeklagten als Hostprovider die Grundlage entzogen.
Bezüglich dieser Informationspflichten gilt aber grundsätzlich allgemeines Zivilrecht: Ihre Verletzung kann demnach zur Irrtumsanfechtung (§ 871 Abs 2 ABGB) und bei Verschulden zu Schadenersatzansprüchen des Nutzers führen. – Zusätzlich zu beachten ist die für manche Informationspflichten im § 26 ECG normierte Verwaltungsstrafe.
Sanktionen
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4. Vertragsrechtliche Bestimmungen
Wie dargestellt, werden die Modalitäten des Vertragsschlusses nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechts beurteilt; das ECG beansprucht keine eigene Regelungskompetenz. – Erinnert werden soll nochmals an die bereits dargestellten Informationspflichten, im Vorfeld des Vertragsabschlusses:
§ 11 ECG normiert, dass Vertragsbestimmungen und AGB speicher- und reproduzierbar sein müssen; diese Bestimmung ist sowohl für den B2C- als auch für den B2B-Bereich zwingend. Diese Regelung darf jedoch nicht mit der Frage der Geltung von AGB verwechselt werden, welche nach wie vor ausschließlich nach den Bestimmungen des ABGB beurteilt wird.
Speicher- und Reproduzierbarkeit von Vertragsbestimmungen und AGB
Auch der Zugang elektronischer Erklärungen ist im ECG geregelt. Diese Sondervorschrift deckt sich jedoch inhaltlich mit den allgemeinen Regelungen des ABGB und hat insofern nur klarstellenden Charakter: § 12 ECG bestimmt nämlich, dass die Wirksamkeit einer Erklärung erst dann eintritt, wenn die Erklärung vom Empfänger „unter gewöhnlichen Umständen” abgerufen werden kann; sodass eine um 23 Uhr zugesandte E-Mail erst am Morgen des nächsten (Werk)Tages zugegangen ist.
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5. Providerhaftung
Literaturquelle
Mit der rasenden Entwicklung des neuen Mediums Internet sind natürlich auch Risiken, zB durch die Verbreitung von strafbaren, sowie markenrechts-, urheberrechts- oder wettbewerbsrechtswidrigen Inhalten, verbunden. Das ECG versucht, dem Missbrauch des Internets durch rechtliche Rahmenbedingungen über die Verantwortlichkeit für solche Rechtsverletzungen entgegenzuwirken. Da es oft unmöglich ist, gegen die eigentlichen Schädiger vorzugehen, welche sich hinter der technischen Struktur bzw der globalen Architektur des Netzes verstecken, legen die §§ 12 bis 15 ECG die Bedingungen für die Verantwortlichkeit der Betreiber von elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten fest, ohne welche die kommerzielle Nutzung des Internets gar nicht möglich wäre.
Allgemeines und Definitionen
Internet Service Provider (IPS): Sammelbegriff für die unten angeführten Arten.
Access-Provider vermitteln nur den Zugang zu einem Informationsnetz oder übermitteln innerhalb eines solchen Netzes Informationen, zB E-Mails oder SMS.
Host-Provider speichern nur fremde Informationen auf ihrem Server (etwa durch Zurverfügungstellen von Speicherplatz für Websites, E-Mails, Chat-Rooms ect).
Content-Provider stellen eigene Inhalte bereit.
Vom Regelungsumfang des ECGerfasst sind nur sog Access- und Host-Provider, nicht jedoch Content-Provider. Der Grund liegt darin, dass das ECG va Haftungsbeschränkungen bzw –befreiungen normiert und diese nur den ersten beiden Arten von Providern zugute kommen sollen, da diese nur mittelbar (rein technisch) mit einer durch einen von ihnen vermittelten Inhalt verursachten Rechtsverletzung in Verbindung stehen. Da der Content-Provider aber per definitionem den verpönten Inhalt selbst bereitstellt hat er diesen auch zu verantworten – es ist selbstverständlich, dass für eigene Inhalte immer gehaftet wird.
Regelungsumfang des ECG
Merksatz: Es geht um die Verantwortlichkeit für rechtswidrige Informationen Dritter.
In Abweichung vom Geltungsbereich des Herkunftslandsprinzips (→ Herkunftslandprinzip), bei dem besondere Einschränkungen des Anwendungsbereiches vorgesehen sind (so sind zB nur kommerzielle Aktivitäten betroffen), gelten die Verantwortlichkeitsregelungen grundsätzlich für den gesamten Anwendungsbereich der EC-RL.
Geltungsbereich
Das ECG normiert keine Haftungsvoraussetzungen, sondern Haftungsbefreiungsvoraussetzungen. Sind sie erfüllt, tritt eine „horizontale” Haftungsbefreiung ein. Für die erfassten Tätigkeiten von Informationsmittlern wird die Verantwortung umfassend geregelt, unabhängig davon, aus welchem Rechtsgebiet diese abgeleitet wird; Strafrecht, allgemeines Zivilrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht. Umgekehrt folgt aus dieser Konstruktion des ECG, dass das Nichterfüllen der Haftungsbefreiungsvoraussetzungen nicht automatisch die Haftung des Providers bedeutet: Es ist nunmehr aber der Weg geebnet, diese nach den allgemeinen Vorschriften zu prüfen.
Haftungsbefreiungs-voraussetzungen
Zu beachten ist, dass dem ECG ein funktioneller Providerbegriff zugrunde liegt: Ob ein IPS also in einem bestimmten Fall als Access-, Host- oder Content-Provider qualifiziert wird und somit von den Haftungsprivilegien des ECG profitieren kann, fängt von davon ab, in welchem konkreten Zusammenhang/bei der Ausführung welcher Funktion im konkreten Fall die Rechtsverletzung eingetreten ist.
Funktioneller Providerbegriff
Den Access-Provider trifft nach § 13 ECG keine Haftung, wenn er eine reine Durchleitung von Daten vornimmt, dh keine Auswahl, Veränderung oder Speicherung vornimmt. Bezüglich des Speicherns erweitert § 15 ECG diesen Tatbestand noch weiter, indem er die Haftungsbefreiung grundsätzlich auch auf das sogenannte „Caching” ausdehnt; dh auf eine „zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die nur der effizienteren Gestaltung der auf Abruf anderer Nutzer erfolgenden Informationsübermittlung dient”. Diese kurzzeitige Zwischenspeicherung begründet somit noch kein Hosting, da sie nur eine Hilfsfunktion für die Übermittlungsleistung darstellt. Dies gilt sogar dann, wenn der Provider tatsächliche Kenntnis von der Rechtswidrigkeit von ihm übermittelten Information hat. Kurz gesagt: Der Provider haftet für eine unveränderte Weitergabe von Informationen nicht. § 14 ECG stellt Suchmaschinen den Access-Providern haftungsrechtlich gleich.
Access-ProviderDie Regelung im Detail
Host-Provider, trifft nach § 16 ECG für die von Ihnen zur Verfügung gestellten Inhalte nur dann keine Verantwortung, wenn sie keine Kenntnis vom Inhalt und dessen Rechtswidrigkeit haben. Zumindest aber müssen sie nach Kenntniserlangung die entsprechenden Daten im Falle der Kenntniserlangung unverzüglich sperren. Für den Teilbereich der schadenersatzrechtlichen (nicht also zB der strafrechtlichen) Verantwortung verliert der Host sein Haftungsprivileg bereits dann, wenn ihm Tatsachen oder Umstände bewusst sind, aus denen die Rechtswidrigkeit offensichtlich wird. § 17 ECG stellt Linksetzer den Host-Providern haftungsrechtlich gleich.
Host-Provider
Content-Providern kommt – wie oben beim Regelungsumfang erwähnt – kein Haftungsprivileg zugute.
Content-Provider
Sämtliche Anbieter jedoch sind gem § 18 ECG von allgemeinen Überwachungs- oder Nachforschungspflichten befreit, dh sie müssen nicht von sich aus nach Umständen forschen, die auf eine Rechtswidrigkeit hinweisen (Verbot der Normierung proaktiver Kontrollpflichten. § 19 weist noch darauf hin, dass Auskunfts- und Mitwirkungsrechte gegenüber Gerichten, Verwaltungsbehörden und (unter gewissen Voraussetzungen) Privatpersonen davon unberührt bleiben.
Sämtliche Anbieter
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6. Herkunftslandprinzip
Literaturquelle
Einer der bedeutendsten aber auch umstrittensten Inhalte des ECG ist im wesentlichen in den §§ 20 ff ECG geregelt (basierend auf Art 3 der E-Commerce-RL) – das Herkunftslandprinzip: Nach dem Herkunftslandprinziprichten sich Anforderungen an die „Dienste der Informationsgesellschaft” im „koordinierten Bereich” innerhalb des EWR nach dem Recht des Herkunftslandes des Anbieters.
Grundsätzliches und Definitionen
Nachder Legaldefinition des Art 2 lit a EC-RL (der auf Art 1 Nr 2 der Notifikationsrichtlinie, RL 98/34/EG idF RL 98/48/EG, verweist) handelt es sich dabei um alle (1.) Dienstleistungen, die (2.) in der Regel gegen Entgelt (3.) im Fernabsatz (4.) mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung und Speicherung von Daten (5.) auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Darunter fallen insbesondere der Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, Online-Informationsangebote, die Online-Werbung, elektronische Suchmaschinen und Datenabfragemöglichkeiten, wirtschaftliche Tätigkeiten über E-Mail und Dienste, welche Informationen über ein elektronisches Netz übermitteln, den Zugang zu einem solchen vermitteln oder Informationen eines Nutzers speichern.
Dienste der Informationsgesellschaft
Nach der Legaldefinition des § 3 Z 8 ECG handelt es sich beim koordinierten Bereich um die „allgemein oder besonders für Dienste der Informationsgesellschaft und für Diensteanbieter geltenden Rechtsvorschriften über die Aufnahme und die Ausübung einer solchen Tätigkeit”. Verkürzt ausgedrückt fallen darunter alle Regelungen, dh sowohl europäische als auch nationale, die für Online-Diensteanbieter zur Anwendung gelangen.
Koordinierter Bereich
Die Kriterien zur Bestimmung der Niederlassung eines Diensteanbieters richten sich nach der Rspr des EuGH. Es wird darauf abgestellt, dass der Diensteanbieter (1.) mittels einer festen Einrichtung (2.) auf unbestimmte (es wird jedoch auch die Gründung für einen festgelegten Zeitraum akzeptiert) Zeit (3.) eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.
Herkunftsland
Das Herkunftslandprinzip gelangt nur zur Anwendung, wenn sowohl der Niederlassungsstaat des Diensteanbieters als auch der Bestimmungsstaat EU- oder EWR-Mitgliedstaaten sind.
Die intensivste Debatte in der Literatur dreht sich um das Verhältnis des Herkunftslandprinzips zum IPR: Zum einen wird die Ansicht vertreten, das Prinzip sei wie eine internationalrechtliche Sachverweisungsnorm zu lesen, dh es sei immer das Sachrecht des Herkunftslandes anzuwenden. Zum andern wird dem Verständnis des Art 3 EC-RL als bloße Anwendbarerklärung des IPR des Herkunftslandes iVm einem Günstigkeitsvergleich zwischen der so gefundenen lex causae und dem Sachrecht des Herkunftslandes (welcher aber nur dann zur Anwendung des günstigeren Rechtes führt, wenn durch das höhere Schutzniveau nicht gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen wird) das Wort geredet.
Verhältnis des Herkunftslandprinzips zum IPR
Während gegen die erste Ansicht Art 1 Abs 4 und Erwägungsgrund 23 der EC-RL ins Treffen geführt werden, welche klarlegen, dass durch die umzusetzenden RL-Bestimmungen keine neuen IPR-Regeln geschaffen werden sollten und die unmittelbare Gefahr eines „race to the bottom” in Richtung der mildesten Rechtsordnung beschworen wird, wird gegen die zweite Ansicht vorgebracht, die Grundidee des Rechtsklarheit und –sicherheit werde verwässert und das ganze Prinzip somit ad absurdum geführt. Auch, wenn die zweite Verständnisvariante tatsächlich die Attraktivität und Einfachheit des Herkunftslandprinzips schmälert, so sind mE doch die eindeutigen Aussagen der RL über die Bedeutung des im Art 3 festgeschriebenen Prinzips zu respektieren.
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IV. E-Commerce und Fernabsatzgesetz
Literaturquelle
1. Allgemeines
Das ebenfalls auf einer EG-RL (RL 97/7/EG vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz) basierende FernabsatzG (BGBl I 185/1999, in Kraft seit 1. 6. 2000) hat unser KSchG um die §§ 5a – 5j und 31a bereichert. Der Anwendungsbereich dieser Normen ist aber nicht auf Geschäfte im E-Commerce beschränkt, sondern geht darüber hinaus. Sie gelten gem § 5a KSchG ganz allgemein für Verträge, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden (Abs 2), sofern sich der Unternehmer eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems bedient (Abs 1).
Anwendungsbereich
Unter Fernkommunikationsmitteln sind dabei ganz generell Kommunikationsmittel zu verstehen, die zum Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien verwendet werden können, was nicht nur den elektronischen Geschäftsverkehr einschließt, sondern auch Kataloge, Ferngespräche, Teleshopping etc.
Fernkommunikationsmittel
Ausgenommen vom Anwendungsbereich der RL sind ua Finanzdienstleistungen (Art 3 Abs 1); für diesen Bereich wurde inzwischen die RL 2002/65/EG vom 23. 9. 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher erlassen, welche somit eine weitere E-Commerce Lücke schließt und deren Ziel es ist, den Verbrauchern den EUweiten Zugang zu allen Finanzdienstleistern zu ermöglichen. Österreich hat zwar für die Umsetzung der RL noch bis Oktober 2004 Zeit, doch werden umfassende Anpassungen notwendig sein, um die Rücktritts- und Informationspflichten vollständig erfüllen zu können.
Ausnahme vom Anwendungsbereich
Ein zentrales Anliegen der RL, nämlich die Ermöglichung des Abschlusses elektronischer Verträge (Art 9 Abs 1), galt in Österreich auf Grund der Formfreiheit, wie unter II. dargestellt, bereits bisher. Ratio des Fernabsatzgesetzes ist es vor allem, den besonderen Gefahren von im Fernabsatz getätigten Geschäften für Konsumenten entgegenzuwirken: Diese können hierbei weder von einer persönlichen Beratung Gebrauch machen, noch sich über die Ware in natura ein Urteil bilden. Dies soll mit Hilfe der folgenden Normen erreicht werden:
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2. Informationspflichten
Wie das ECG, normiert auch § 5c, d und i KSchG zahlreiche Informationspflichten für Verbraucher: So muss dieser gem § 5 c KSchG– mit Ausnahme zB von Versteigerungen, Hauslieferungen, Freizeit- und Finanzdienstleistungen – vor Abgabe seiner Vertragserklärung klar und unmissverständlich in einer dem verwendeten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise mit folgenden Informationen vorsorgt werden:
Zahlreiche Informationspflichten
• Name des Unternehmers
• Ladungsfähige Anschrift des Unternehmers
• Wesentliche Eigenschaften und Preis der Ware
• Bei Ferngesprächen sind der Name oder die Firma des Unternehmers und der geschäftliche Zweck des Gesprächs gleich zu Beginn offenzulegen.
Bei Verletzung dieser Informationspflichten sind folgende Sanktionenvorgesehen: Bei Verletzung der Informationspflichten nach § 5 c Abs 3 KSchG sieht § 32 KSchG eine Verwaltungsstrafe vor. Dies gilt nicht für die Informationspflichten nach Abs 1, sodass hier die allgemeinen Regeln zur Anwendung kommen → Verletzung von Informationspflichten.
Sanktionen
Rechtssprechungsbeispiel
OLG Wien 5. 11. 2002, 1 R 168/02m, VRInfo 2002 H 11, 4:Der VKI klagte im Auftrag des BMfJ mehrere in Österreich tätige Telefonauskunftanbieter (hier: Telekom Austria AG). Diese bieten kostenpflichtige Telefonauskunftdienste über eine bestimmte Rufnummer an. Die Konsumenten werden am Beginn der Auskunft weder über die Kosten dieser Dienstleistung noch über Name und Adresse des Dienstleisters informiert. – Sowohl das HG Wien (10. 9. 2002, 34 Cg 119/02k) als auch das OLG Wien nahmen eine Verletzung der Informationspflichten nach § 5c KSchG an. Es genüge auch nicht, die Informationen über Preise im Internet, Presse oder Werbebroschüren zur Verfügung zu stellen; bei einem Telefonauskunftdienst, der nur über das Telefon abgewickelt wird, müsse die Information über das Telefon selbst erfolgen. (Inzwischen hat der VKI auch gegen einen weiteren Telefonauskunftanbieter – CLC AG – in erster Instanz gewonnen; die Telekom Austria informiert nun ihre Kunden mittels eines vorgeschalteten Ansagetextes über die Kosten des Gesprächs).
Die Bestätigungspflichtdes § 5d KSchGbestimmt Folgendes: Der Verbraucher muss rechtzeitig während der Vertragserfüllung – spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung – eine schriftliche oder auf einem dauerhaften Datenträger gespeicherte Bestätigung über die gerade besprochenen Informationen erhalten. Zusätzlich müssen in dieser Bestätigung gewisse in Abs 2 aufgezählte Angaben, wie etwa das Rücktrittsrecht betreffend, enthalten sein; auch hiervon sind in Abs 3 wieder Ausnahmen vorgesehen.
Bestätigungspflicht
§ 5i KSchGschließlich sieht zwei weitere Informationspflichten vor: Der Unternehmer muss den Konsumenten davon in Kenntnis setzen, falls er dessen Anbot nicht annimmt. Außerdem ist der Konsument darüber zu informieren, wenn sein Anbot zwar angenommen wurde, sich aber später herausstellt, dass die Ware nicht (mehr) verfügbar ist. Im Falle der schuldhaften Verletzung dieser Informationspflichten, treten die unter B aufgezeigten Rechtsfolgen ein; va Schadenersatzanspruch aus Verspätungsschaden. Auch die Erfüllung der letzteren Informationspflicht kann aber wohl nichts an der Verpflichtung ändern, die vertragliche Leistung erbringen zu müssen, sodass die allgemeinen Leistungsstörungsregeln zum Tragen kommen; vgl auch schon unter B.
Weitere Informationspflichten
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3. Rücktrittsrecht
Rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung genügt. Ist der Unternehmer seinen unter (2) erwähnten Bestätigungspflichten nicht nachgekommen, beträgt die Frist drei Monate, ansonsten 7 Werktage (bei Nachreichen der Information durch den Unternehmer innerhalb der 3-Monats-Frist, beginnt die 7-Tages-Frist zu laufen).
Rücktrittsfrist
enVergleich zwischen Rücktritt nach § 4 KSchG (Haustürgeschäfte) und § 5a ff KSchG (Fernabsatz): Im Fernabsatz muss der Rücktritt nicht schriftlich erfolgen.
Vergleich mit Haustürgeschäft
Das KSchG sieht im Fernabsatz keine Verzinsung des vom Verbraucher zurückerhaltenen Kaufpreises vor (auch hier greifen aber wieder die Regeln des allgemeinen Zivilrechts, in concreto des Bereicherungsrechts, ein).
Verzinsung des Kaufpreises
Für den Fall, dass der Konsument zur Finanzierung des im Fernabsatz geschlossenen Vertrages mit dem Unternehmer selber oder mit einem Dritten einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, der mit ersterem eine wirtschaftliche Einheit iSd § 18 KSchG bildet, gilt der Rücktritt auch für diesen. In der Literatur wurde eine teleologische Reduktion des § 5h Abs 2 KSchG vorgeschlagen, der dem Konsumenten für den Fall der Auflösung des Kreditvertrags im obigen Sinne auch die Zahlung von Zinsen erlässt: Diese Bestimmung solle nur die vereinbarten Kreditzinsen ausschließen, nicht jedoch ein über die allgemeinen Regeln des Bereicherungsrechts zu zahlendes Benützungsentgelt.
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4. Die Fälligkeitsregel des § 5i KSchG
Überraschend ist die Regel des § 5i KSchG, wonach der Unternehmer grundsätzlich 30 Tage Zeit hat, eine Bestellung des Verbrauchers, welche er angenommen hat, auszuführen, weil hier in einem Schutzgesetz zuungunsten des Konsumenten von der allgemeinen Bestimmung des § 904 ABGB abgewichen wird, die vorsieht, dass eine Leistung „sogleich” gefordert werden kann. Das Angebot des Verbrauchers nimmt der Unternehmer idR durch „tatsächliches Entsprechen” iSd § 864 Abs 1 an; vgl → KAPITEL 5: Die Sonderfälle des § 864 ABGB.
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5. Gewinnzusagen und andere vergleichbare Mitteilungen
Nach § 5j KSchG geben dem Konsumenten die Möglichkeit, den Inhalt solcher Mitteilungen, die beim Verbraucher den Eindruck erwecken, er hätte einen Preis gewonnen, auch tatsächlich gerichtlich einzuklagen.
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6. Kreditkartenmissbrauch
Einer der größten Stolpersteine für den endgültigen Durchbruch des E-Commerce zum absoluten Massenphänomen ist die Unsicherheit, die von Vielen iVm der Online-Zahlung der bestellten Waren oder konsumierten Dienstleistungen nach wie vor verspürt wird. Dass dies nicht ganz unbegründet ist, zeigt die relativ hohe Zahl von Delikten insbesondere im Hinblick auf die beliebteste Variante, in Internet zu bezahlen: die Kreditkarte.
(Un)Sicherheit bei Online-Zahlungen
Dieser Angst der Konsumenten entgegenzuwirken ist das Ziel des § 31 a KSchG: Falls es iZm einem Vertragsschluss zu einem Kreditkartenmissbrauch kommt, ist der Inhaber der Karte berechtigt, vom Aussteller die Erstattung des betreffenden Betrages zu verlangen. So lange der Karteninhaber also seine in den meisten AGB der Kreditkartenfirmen vorgesehenen Sorgfaltsverpflichtungen (wie sorgfältige Verwahrung der Karte, Verwendung nur auf „sicheren” Websites zB mit SSL-Verschlüsselung) nicht verletzt, schützt ihn diese Norm des KSchG. Andernfalls wird er selbst gegenüber dem Aussteller haftbar, was idF zu einer Kompensation mit seinem Erstattungsanspruch und somit zu dessen faktischen Entfall führt. Auf diese Weise wird also ein unachtsamer Benützer einer Kreditkarte trotz der einseitig zwingenden Natur des § 31a KSchG nicht geschützt.
§ 31 a KSchG
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V. Signaturgesetz
Literaturquelle
1. Allgemeines
Wie dargelegt, führt der Grundsatz der Formfreiheit im bürgerlichen Recht dazu, dass Willenserklärungen auch auf elektronischem Wege ohne weiteres abgegeben werden können. Zur Wirksamkeit einer elektronischen Willenserklärung ist eine Signatur also nicht vonnöten. Mit einer elektronischen Signatur soll jedoch ganz bestimmten Schwächen solcher Online-Erklärungen entgegengewirkt werden, die ernstzunehmende Hindernisse dafür sind, das ökonomische Potential des E-Commerce voll ausschöpfen zu können:
Schwächen von Online-Erklärungen
Zum einen kann die Herkunft also der Verfasser einer elektronischen Erklärung zweifelhaft sein; sog Authentizität/Echtheit (Ausschalten des „Handelns unter fremden Namen”);
Um solchen Problemen entgegenzuwirken, werden seit langem bekannte kryptographische Verschlüsselungstechniken auf den elektronischen Geschäftverkehr angewendet, um sowohl Absender als auch Inhalt einer elektronischen Nachricht zweifelsfrei feststellen zu können. (Das unten dargestellte 2-Schlüssel-Verfahren wird dabei als „asymmetrische Kryprographie bezeichnet.) – Das SigG selbst ist technologieneutral formuliert, sodass es für künftige Entwicklungen auf technischem Gebiet offen bleibt.
Lösungsansatz
Der sog „private Schlüssel”: Aus den zu signierenden Daten wird mit Hilfe eines mathematischen Verfahrens ein repräsentativer Wert errechnet (sog „Hashwert”), der auf dem privaten Schlüssel des Verfassers (kodiert durch ein Passwort oder eine Magnetstreifenkarte mit PIN-Code) basiert.
Der sog „öffentliche Schlüssel”: Diese Verschlüsselung kann nur mit einem komplementären Schlüssel, der öffentlich zugänglich ist, wieder aufgehoben werden.
Will man also wissen, ob jemand tatsächlich der Urheber einer (verschlüsselten) elektronischen Nachricht ist, braucht man nur zu prüfen, ob der öffentliche Schlüssel die Botschaft „entsperrt”: Wenn ja, dann muss der Inhaber des privaten Schlüssels tatsächlich die Verschlüsselung vorgenommen haben. Über den errechneten Hashwert, kann zudem überprüft werden, ob es irgendwelche inhaltlichen Veränderungen an der vom Inhaber des privaten Schlüssel stammenden Nachricht gab; jede noch so kleine inhaltliche Modifikation würde diesen Wert nämlich verändern. Auf diese Weise können Authentizität und Integrität einer Nachricht zweifelsfrei festgestellt werden.
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2. Das Signaturgesetz
Das SignaturG bildet die zweite Stufe einer dreiteiligen Kaskade von legislativen Maßnahmen: (1.) Richtlinie 99/93/EG vom 13. 12. 1999 über gemeinsame Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen. Deren Umsetzung erfolgte schon vor dem Inkrafttreten der RL durch (2.) das SigG (BGBl I 190/1999; in Kraft seit 1. 1. 2000); dazu kommt noch (3.) die SignaturVO (BGBl II 30/2000, in Kraft seit 3. 2. 2000), welche die erforderlichen Detailbestimmungen zur Durchführung des SigG enthält.
Drei Stufen
Das idF kurz skizzierte SigG enthält Regelungenüber Rechtswirkungen und die technischen Sicherheitserfordernis elektronischer Signaturen, über Zertifikate und Zertifizierungsdiensteanbieter, die Anerkennung ausländischer Zertifikate, die Einrichtung einer Aufsichtsstelle sowie Datenschutzbestimmungen.
Inhalt des SigG
Auf Grund der Technologieneutralitätdes SigGverwendet das Gesetz selbst die Terminologie „privater” und „öffentlicher Schlüssel” nicht, es spricht nur ganz allgemein von „Signaturerstellungsdaten” (= privater Schlüssel) und „Signaturprüfdaten” (= öffentlicher Schlüssel) und bleibt so für künftige und andere Methoden offen. Dasselbe gilt auch für den Begriff der Signatur: Die derzeit allgemein übliche Art der Signatur wird korrekterweise als „digitale” Signatur bezeichnet; das SigG selbst aber verwendet den weiteren Begriff der „elektronischen” Signatur, welcher wiederum technologieneutral und für künftige technische Weiterentwicklungen offen ist.
Technologieneutralität
Regelungsgegenstand des SigG ist, wie oben dargelegt, die Authentizität und Integrität elektronischer Daten – nicht jedoch deren Vertraulichkeit. Es wird nur der „Hashwert” verschlüsselt, nicht jedoch das Dokument selbst; es bleibt weiter lesbar. Der Schutz elektronischer Daten vor Kenntnisnahme Dritter ist also kein Regelungsthema des SigG.
Vertraulichkeit
§ 3 SigG: Zwar sind im SigG Signaturverfahren mit verschieden hoher Sicherheitsstufe und unterschiedlichen Zertifikatsklassen vorgesehen, an die auch verschiedene Rechtsfolgen geknüpft werden können. Doch ist die rechtliche Wirksamkeit einer elektronischen Signatur und deren Verwendung als Beweismittel jedenfalls gewährleistet.
„Allgemeine Rechtswirkungen”
„Besondere Rechtswirkungen” iSd § 4 SigG sind solche, die nur Signatur- und Zertifizierungsverfahren höherer Stufe auslösen können: Vor allem genügen sie grundsätzlich der Schriftform des § 886 ABGB, erfüllen also das Kriterium einer eigenhändigen Unterschrift; dazu müssen die qualifizierten Voraussetzungen des § 5 SigG erfüllt sein. Außerdem sind im SigG einige Bereiche generell ausgenommen, wie zB das Erb- und Familienrecht oder Privatbürgschaften.
„Besondere Rechtswirkungen”
§ 20 legt bestimmte Informationspflichten des Zertifizierungsdiensteanieters fest (Die Überprüfung der Authentizität und Integrität des Dokuments beweisen noch nicht die Identität des Signators; dies wird durch die Ausstellung eines Signaturschlüssel-Zertifikats durch einen Zertifizierungsdiensteanbieter erreicht).
Weitere Regelungen
§ 21 verpflichtet den Signator ua zur sorgfältigen Verwahrung des Signaturerstellungsdaten und zur Unterlassung der Weitergabe an Dritte.
§ 23 sieht eine weitreichende Verantwortlichkeit der Zertifizierungsdiensteanbieter für qualifizierte Zertifikate vor.
§ 26 normiert Verwaltungsstrafen bei Verstößen gegen das SigG vor, die – wie schon beim ECG und FernabsatzG gesehen –die zivilrechtlichen Folgen ergänzen.
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VI. Weitere einschlägige Normen
Nach Darstellung der zentralen Normen (lex generales ABGB und leges speciales ECG, FernabsatzG, SigG) folgen nun einige weitere einschlägige Bestimmungen und ihre europarechtlichen Grundlagen:
• Die RL 2001/29/EG vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, welche in Österreich durch die Urheberrechts-Nov 2002 umgesetzt wurde.
• Die RL 2000/46/EG vom 18. 9. 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, welche durch das E-Geldgesetz (BGBl I 45/2002) umgesetzt wurde. Geregelt wird die Berechtigung zur Ausgabe sog „elektronischen Geldes”, dh eines „gegen Eintausch von kleinen Geldbeträgen” (max 2.000 Euro) auf einem elektronischen Datenträger gespeicherten Geldwertes, der von anden Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert wird.
• Die RL 95/46/EG vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, die RL 97/66/EG vom 15. 12. 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation sowie die Richtlinie 2002/58/EG vom 12. 7. 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation. Während die ersten beiden Datenschutz-RL durch das DatenschutzG 2002 (BGBl I 165/1999) umgesetzt wurden, steht für die dritte eine Umsetzungsfrist bis 21. 10. 2003 zur Verfügung.
• Die RL 98/84/EG über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten, deren Umsetzung im Zugangskontrollgesetz (BGBl I 60/2000), regelt den rechtlichen Schutz von Diensteanbietern, die Fernsehsendungen, Radiosendungen oder Diensten der Informationsgesellschaft gegen Entgelt und unter einer Zugangskontrolle bereitstellen.
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VII. Elektronischer Zahlungsverkehr
Literaturquelle
Das für die Praxis zentrale Thema im elektronischen Zahlungsverkehr, nämlich die rechtliche Behandlung von Kreditkartenmissbrauch wurde dargestellt; auf das E-Geld-Gesetz wurde hingewiesen. IdF soll ein Überblick gegeben werden, welche Möglichkeiten in Österreich darüber hinaus existieren, Zahlungsvorgänge iVm Internetgeschäften handzuhaben:
1. Auch außerhalb des Internet gebräuchliche Zahlungsarten und paysafecard:
Natürlich können auch für Internetgeschäfte die klassischen Zahlungsmethoden Lieferung per Nachnahme, Lieferung per Rechnung, oder das Lastschritverfahren verwendet werden. – Bereits seit Ende 2000 in Österreich (seit Anfang 2001 auch in Deutschland) in Verwendung befindet sich die sog „paysafecard”, welche als Prepaid-Card ganz ähnlich wie eine Telefonwertkarte funktioniert; bezahlt wird durch die Eingabe des freigerubbelten Codes in die Online-Bestellmaske (w ww.paysafecard.com).
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2. Besondere Bankenlösungen im Online-Zahlungsverkehr:
Das Einzahlung von Erlagscheinen über das Internet für Kunden aller österreichischen Banken, die ein Girokonto besitzen, ermöglicht die Postsparkasse mit ihrem Dienst „bezahlen.at” (www.bezahlen.at).
Eine nahe liegende Lösung bietet auch das Einbeziehen bestehender Online Banking-Systeme in die Website des Anbieters.
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3. Mobilfunk-Zahlungssystheme:
Das Schlagwort „pay by phone” bezeichnet die Möglichkeit, via eines WAP-fähigen Handys, Waren oder Dienstleistungen über den Telefonanbieter abzurechnen (http://www.t-mobile.at/startpage/) oder via M-Commerce-PIN die Kreditkartenabrechnung dafür zu nutzen. Eine weitere Möglichkeit, das Handy zur Zahlung zu verwenden, bietet das System paybox (Informationen unter www.paybox.at).
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VIII. Rechtliche Probleme des Domain Namens
Literaturquelle
1. Der Domain Name
Jeder Computer, der einen Teil des Internet bildet ist eindeutig identifizierbar; ihm ist eine „Adresse” in Form eines Nummerncodes zugeordnet, die sog IP-Adresse (zB 150.448.01.76). Mit solchen Zahlenkolonnen operieren zu müssen, um im Netz den gewünschten Adressaten oder die gewünschten Informationen zu finden, ist jedoch unpraktisch. Daher wurde das Domain Name System (DNS) eingeführt, welches den numerischen IP-Adressen eine alphanumerische Entsprechung in Form von Wortadressen/Domain Names zuordnet (zB www.sony.com).
Dabei wird das Suffix am Ende als Top Level Domain (TLD) bezeichnet (sog country TLDs bezeichnen ein bestimmtes Land, etwa”.at”, „.de”, „uk”; sog generic TLDs hingegen einen bestimmten Sachbereich, zB „.com”, „.edu”, „.gov”), der Mittelteil als Second Level Domain (im Beispiel „sony”).
Jede Wortadresse ist weltweit einmalig, die über internationale (ICANN) und nationale (in Österreich va nic.at) Einrichtungen vergeben werden – für diese Vergabe gilt das Windhundprinzip nach dem Grundsatz „prior tempore potior jure”.
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2. Rechtsprobleme
Die Gerichte waren in den letzten Jahren bereits häufig mit Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Domain Namen befasst. Dabei kristallisierten sich folgende Typen von Domainstreitigkeiten heraus:
• Wohl am bekanntesten ist das sog Domaingrapping: Darunter versteht man das auf dem oben erwähnten Prinzip der Einmaligkeit jedes Domain Namens basierende „Wegschnappen” von Internetadressen vor anderen Interessenten. Dabei sind zwei Arten zu unterscheiden: Die sog Domain-Blockade will einfach nur verhindern, dass ein Mitkonkurrent von der für ihn günstigen Adresse gebrauch machen kann; die sog Domain-Vermarktung will den Interessenten dazu bewegen, die Domain vom Inhaber – oft zu Mondpreisen – abzukaufen. Ein solches Verhalten ist sittenwidrig iSd Generalklausel des § 1 UWG.
• Die bloße Domainverwendung selbst kann aus namens-, kennzeichen- und urheberrechtlichen Gründen rechtswidrig sein.
• Der Namens- (§ 43 ABGB), Firmen- (§ 37 HGB), Titel- (§ 80 UrhG) und Unternehmenskennzeichenschutz (§ 9 UWG) findet auch auf die Verwendung von Begriffen als Teil einer Domain Anwendung; was Unterlassungsansprüche zur Folge haben kann. Das UWG spielt außer im Falle des Domaingrappings auch im Falle einer wettbewerb swidrigen Ausbeutung fremden Rufs oder Irreführung iSd § 2 UWG eine Rolle. Auch der markenrecht liche Schutz findet auf Domain Namen Anwendung.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 27. 4. 1998, 4 Ob 105/99s („jusline.com”), EvBl 1999/178 = ecolex 1999/226 = RdW 1999, 657 = ÖBl 1999, 225 = wbl 1999/343 = MR 1999, 235: Hier hatte sich der OGH das erste Mal mit Domain-Grapping zu befassen. Die Klägerin bot in Internet einen juristischen Informationsdienst unter der 1995 für sie registrierten Marke „jusline” an, den sie intensiv bewarb und ausgebaute. 1996 registrierte die beklagte Partei die Domain www.jusline.com. Als die Klägerin die Beklagte die Übertragung der Domain forderte, verlangte diese dafür 300.000 S oder eine monatliche Nutzungsgebühr von 5.000 S bei mindestens zweijähriger Vertragsdauer. – OGH: Da die Beklagte einzig und allein zu dem Zweck, die Klägerin in ihren Bemühungen zu behin dern und um sich eine spätere Überschreibung der Internetadresse abgelten zu lassen, den Domain-Namen jusline.com registrieren hatte lassen, liege ein gegen § 1 UWG verstoßendes Domain-Grapping vor.
OGH 13. 9. 1999, 4 Ob 180/99w („format.at”), ecolex 2000/53 = wbl 2000/31 = ÖBl 2000, 72 = MR 1999, 351: Die Klägerin ist die Tochter der Verlagsgruppe News, Herausgeberin der Zeitschrift Format; die Beklagte ist die Medieninhaberin der Zeitschriften Trend und Profil. Die Beklagte ließ sich unmittelbar nach Präsentation der Null-Nummer des Wochenmagazins Format den Domain-Namen format.at registrieren. – OGH: Die Beklagte handelte bei Reservierung und Nutzung des Domain-Namens in Behinderungsabsicht. Sie hatte den Domain-Namen format.at – ohne sachlich gerechtfertigte Gründe – in der Absicht erworben, die Erstklägerin von der Benutzung dieses Kennzeichens im Internet auszuschließen, was sie auch gar nicht in Abrede stellte. Dementsprechend entschied der OGH, dass der Tatbestand des Doman-Grapping erfüllt sei und ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliege.
OGH 13. 7. 1999, 4 Ob 140/99p(„sattler.at”), ecolex 1999/281 = RdW 1999, 710 = ÖBl 2000, 39 = MR 1999, 237: Kläger ist der Rechtsanwalt Dr. Egon Sattler; Beklagte die Bundesinnung der Lederwarenerzeuger, Taschner, Sattler und Riemer, die unter der Domain sattler.at Internet-Inhalte anbot. Argumentation des Klägers: Der für die Beklagte registrierte Domain-Name sattler.at beeinträchtige seine schutzwürdigen Interessen als Träger dieses Familiennamens, weil es ihm nicht mehr möglich sei, seinen Namen im Internet unter der gewählten TLD.at registrieren zu lassen. – Der OGH schon diese Argumentation vollends beiseite: Stehen einander zwei zur Verwendung eines Zeichens berechtigte Rechtsträger gegenüber, so gilt der Grundsatz der Priorität („first come – first served”). In einem solchen Fall ist es dem mit der Registrierung einer Domain im Internet nachfolgenden Rechtsträger ohne weiteres zumutbar, ein der Unterscheidung dienendes Zeichen hinzuzufügen, um eine Eintragung in derselben TLD zu erreichen.
OGH 21. 12. 1999, 4 Ob 320/99h(„ortig.at”), SZ 72/207 = EvBl 2002/107 = ecolex 2000/98 = RdW 2000/296 = wbl 2000/87 = ÖBl 2000, 134 = MR 2000,8: Im Gründungsstadium befindlicher Dachverband für Internetanbieter will Akronym „ortig” als Domainnamen („ortig.at”) verwenden. Der Kläger, der diesen Familiennamen trägt und darunter Internetdienstleistungen anbietet, klagt aus § 43 ABGB auf Unterlassung. – OGH: Domain-Namen, die einen Namen enthalten oder namensmäßig anmuten, fallen unter den Schutz des § 43 ABGB. Das Prioritätsprinzip, welches beim Zusammentreffen mehrerer Schutzrechte ganz allgemein gilt, findet auch hier Anwendung. Durch die unbefugte Verwendung eines Namens in einer Domain werden schutzwürdige Interessen des Namensträgers, dem der Zugang ins Internet unter einer aus einem Nachnamen gebildeten Adresse verwehrt ist, beeinträchtigt.
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3. Haftung
Nach der Rspr des OGH haftet unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur der eigentliche Störer für Verletzungen des Namensrechts, sondern auch die Vergabestelle: Wenn sie trotz entsprechender Aufforderung des in seinen Rechten Verletzten eine Domain, die in grober und offensichtlich erkennbarer Weise kennzeichen- oder wettbewerbswidrig ist, nicht sperrt, kann sie auf Unterlassung und/oder Beseitigung in Anspruch genommen werden.
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IX. Inhalt von Websites
Literaturquelle
1. Hyperlinks
Dass die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts auch für den Bereich des Internets gelten, wurde erläutert. Dies führt ua zur Anwendbarkeit des § 1330 ABGB sowie der medien-, marken-, urheber- und wettbewerbsrechtlichen Regelungen. Die Normen des ECG, welche die Haftung von Providern beinhalten, wurden ebenfalls bereits dargestellt.
Allgemeine Regelungen
IdF werden die rechtlichen Rahmenbedingungen von Hyperlinks behandelt. Dabei handelt es sich um Querverbindungen aus einem Web-Dokument auf andere Texte, Dokumente oder sonstige Inhalte im Netz. Obwohl diese ein Wesensmerkmal des Internets darstellen (sog Hypertext-Prinzip, welches für die Charakterisierung des WWW als „Hypermediasystem” neben der Multimedia-Komponente begriffsbildend ist), und idR eine konkludente Zustimmung der Ersteller frei zugänglicher Websites angenommen wird, haben bestimmte Linktechniken doch rechtliche Probleme aufgeworfen:
Hyperlinks im Speziellen
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2. Framing
Webpages sind sehr oft in mehrere Teilbereiche untergliedert, die durch sog Rahmen oder Frames voneinander abgegrenzt sind. Zu rechtlichen Problemen kann diese Darstellungsmethode („Framing”) dann führen, wenn bei Klicken auf einen Link, der entsprechende Inhalt in einem dieser Frames dargestellt wird, ohne den User darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um einen fremden Inhalt handelt. Da dem Besucher der Internetsite vorgegaukelt wird, es handle sich dabei um einen Content des Inhabers der betreffenden Website selber, kann dies gegen urheber-, marken- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen.
Framing
Noch einen Schritt weiter geht der Inhaber einer Website beim sog Inline/Embedded Link: Hier muss nicht einmal mehr ein Link abgeklickt werden, um den Fremdinhalt auf einer betsimmten Webpage des Inhabers sichtbar zu machen, sondern der Link ist gewissermaßen subkutan fix installiert. Da hier bereits beim Aufrufen der Webpage der fremde Content automatisch in die Webpage integriert wird, ist er natürlich für den Besucher der Page auch nicht als solcher erkennbar und es finden die beim Framing erwähnten Normen Anwendung.
Inline/Embedded Link
Etwas weniger gefährlich als die beiden besprochenen Vorgehensweisen ist das sog Deep Linking, wobei der Surfer bei Anklicken eines Links auf der Webpage des Inhabers auf eine fremde Website geführt wird, jedoch nicht auf deren Startseite – sozusagen der „äußere” Umschlag des Buches, sondern bereits auf eine bestimmte Webpage – irgendein Kapitel „im Inneren” – der Website. Da auf diese Weise die Anfangsseite, auf der sich der Inhaber der jeweiligen Website vorstellt, umgangen wird, kann natürlich auch hier leicht der Eindruck entstehen, es handle sich um einen Inhalt des Link-Setzers. Auch hier sind die erwähnten Rechtsverletzungen möglich.
Deep Linking
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 17. 12. 2002, 4 Ob 248/02b („METEOdata.com”), ecolex 2003/112 (Anm Tonninger) = wbl 2003/120 = MR 2003, 35: Die Klägerin betreibt ein Dienstleistungsunternehmen zur Erstellung von Wetterkarten, -analysen, -prognosen und –gutachten und ist seit 1997 auch im Internet unter www.meteodata.com präsent. Diese Site umfasst auch einige aktuelle Wetterkarten; direkt unter diesen Karten ist ein Copyright-Vermerk angebracht, der als Link zur Homepage zurückführt. Der Beklagte (Bauunternehmer) ist seit 2000 unter der Domain „bernegger.at” im Internet präsent, die unter Verwendung der Framing-Technologie gestaltet ist. Klickt man in der Menüleiste seiner Homepage auf den Link „Bauwetter”, so werden die Wetterkarten der Klägerin in einen Frame seiner Homepage eingebaut; im Adressenfeld scheint weiter nur die Domain des Beklagten auf, der Copyright-Vermerk bleibt erhalten. – Der OGH verneint einen urheberrechtlichen Anspruch der Klägerin, weil es weder bei einem Hyperlink noch bei der Frametechnik zu einer Kopie des Werkes am Computer der linkenden und/oder framenden Website komme. Auch einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch verneint er, könne doch die Klägerin durch die Ausgestaltung des Copyright-Vermerks als Link auf ihre eigene Homepage Vorteile ziehen (?). Dass der Nutzer beim Aufsuchen der Website der Beklagten an der Homepage der Klägerin vorbeigeltiet wird und dieser dadurch Werbeeinnahmen entgehen, sei dabei nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt (?).
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3. Rechtswidriger Inhalt
Eine gänzlich andere Frage ist es, ob ein Inhaber einer Website, der einen Link auf eine andere setzt, dadurch für den eventuell rechtswidrigen Inhalt der Site auf die er verweist, verantwortlich ist. Diesen Fall regelt das ECG – ähnlich den oben dargestellten Haftungsbefreiungsregelungen für Provider – in § 17.
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 27. 11. 2001, 4 Ob 252/01i („Gelbe Seiten”), ecolex 2002/173 = RdW 2002/283 = ÖBl 2002/15 = MR 2002, 101: Die Klägerin ist Verlegerin, Medieninhaberin und Herausgeberin der „Gelben Seiten”, die Bestandteil der Regionalausgaben der Telefonbücher der Telekom Austria sind. Die Beklagte betreibt die Internetseite www.internetpartner.at, auf deren Homepage sich ein Link auf die Internetsite www.baukompass.at befindet; sie ist auch Inhaberin dieser Website. Die Beklagte kaufte 1999 die Marketing CD-Rom der Klägerin in der Absicht, die darauf enthaltenen Daten für die unter www.baukompass.at abrufbare Datenbank zu verwenden. Die Klägerin erhebt eine auf das UrhG gestützte Unterlassungsklage. – Der OGH bejaht den Eingriff in das Schutzrecht der Klägerin nach § 76 UrhG. Auch den Umfang des Unterlassungsbegehrens, dh der Ausdehnung auf die unter www.internetpartner.at, die ja lediglich einen Link zur fraglichen Website setzte, bejahte der OGH. Da die Beklagte sowohl Inhaberin der ersten als auch der zweiten Website sei, ist von der Kenntnis der Inhalte der fraglichen Website auszugehen.
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X. Anwendbares Recht und Gerichtsstand: IPR und IZGV
Literaturquelle
1. Das anwendbare Recht (internationales Privatrecht)
Das Internet hat zu einer erheblichen Zunahme an Rechtsgeschäften und sonstigen -verhältnissen mit einer relevanten Auslandsberührung iSd IPR geführt. Durch diese Entwicklung wurden zum einen neue Probleme geschaffen, zum anderen wurden bereits seit langem vorhandene Schwachpunkte in diesem Rechtsgebiet durch die schiere zahlenmäßige Vermehrung „pathologischer” Sachverhalte noch virulenter.
Auf die (subsidiäre) Ebene des IPR gelangt man nur in den Fällen, in denen Einheitsrecht – wie va das UN-Kaufrecht – nicht anwendbar oder abbedungen wurde.
Das auf Verträge anwendbare Recht
In diesen Fällen ist innerhalb der EU zuerst an das EVÜ zu denken; erst wenn auch dieses nicht zur Anwendung kommt, wird man auf das autonome österreichische IPRG zurückgeworfen.
Hierarchie von Rechtsnormen
Auf der zweiten Stufe findet demnach das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen Anwendung:
EVÜ
Nach Art 3 EVÜ ist primär Rechtswahlmaßgeblich. Mangels einer Rechtswahl unterliegt ein Vertrag nach Art 4 EVÜ dem Recht jenes Staates, zu dem die engste Verbindung besteht; nach der (widerlegbaren ) gesetzlichen Vermutung des Abs 2 ist diese am „Ort der charakteristischen Leistung” anzunehmen. Dieses Kriterium wirft keine internetspezifischen Probleme auf: Wie auch bei Offline-Verträgen führt diese praesumptio juris zum Recht jenes Staates, in dem der Erbringer der Sach- oder Dienstleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Niederlassung hat; der Serverstandort ist grundsätzlich nicht von Bedeutung.
Das EVÜ normiert in seinem Art 5 Verbraucherschutzbestimmungen: Während Abs 2 klarstellt, dass durch eine Rechtswahl iSd Art 3 dem Verbraucher grundsätzlich nicht der Schutz seines Aufenthaltsstaates entzogen werden darf, normiert Abs 3, falls keine Rechtswahl getroffen wurde, prinzipiell die Geltung des Rechts seines Aufenthaltsstaates. Dies jedoch nur, falls einer der in Abs 2 aufgezählten Fallkonstellationen vorliegt, wovon hier die folgenden relevant sind:
Dem Vertragsschluss ist ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers vorausgegangen und dieser hat die zum Vertragsschluss notwendigen Rechtshandlungen in seinem Staat vorgenommen; zB durch Absenden einer E-Mail von seinem PC aus. Die heftigen Diskussionen, ob bzw bei welcher Gestaltung eine Webpage eines Unternehmers, die im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers abgerufen werden kann, ein Angebot/eine Werbung iSd Bestimmung darstellt und auch die Kritik an der Differenzierung zwischen „aktiven” und „passiven” Konsumenten, die der Konzeption des Art 5 EVÜ zugrunde liegt, wird aller Voraussicht nach im Zuge der Novellierung des EVÜ durch die VO Rom I entschärft; es ist wahrscheinlich, dass die klarere Formulierung des Art 15 Brüssel-I-VO, welche das EuGVVO ersetzte, übernommen wird.
Der Unternehmer hat die Bestellung des Verbrauchers in dessen Aufenthaltsstaat entgegengenommen. Diese Voraussetzung ist bei bloßer elektronischer Übermittlung eines Online-Bestellformulars an den Rechner des Anbieters nicht erfüllt.
Ist das EVÜ nicht anwendbar – und somit erst auf der dritten Stufe –, besteht nach § 35 IPRG ebenfalls primär die Möglichkeit einer Rechtswahl; ansonsten gilt auch hier subsidiär der Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 IPRG).
IPRG
Rechtssprechungsbeispiel
OGH 15. 10. 2002, 4 Ob 174/02w („Boss-Zigaretten”), EvBl 2003/27 = ecolex 2003/27 = RdW 2003/66, ÖBl 2003/10 (Anm Fallenböck): Diese E ist die mittlerweile vierte im fast schon unendlichen Rechtsstreit um die Werbung für BOSS-Zigaretten im Internet. Die Klägerin ist ein deutsches Unternehmen, die Inhaberin der Wortmarke „BOSS” ist (in Österreich seit den 70er Jahren). Die Beklagte erzeugt und vertreibt Tabakwaren unter dieser Marke (und der gleichen Schriftart). In Österreich sind „BOSS”-Zigaretten nur in Dutyfreeshops erhältlich; die Klägerin betreibt jedoch eine – auch in Österreich abrufbare – Website auf der sie diese Zigaretten bewirbt; jedoch einerseits mit dem Hinweis „nicht alle Marken und Markenvarianten sind überall erhältlich” und zusätzlich mit einer Aufzählung der Vertriebsländer (Tschechien, Ungarn, Ukraine, Taiwan). Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu untersagen, Zigaretten unter der Marke „BOSS” im Internet zu bewerben und/oder anzubieten. – OGH: Es besteht angesichts der weltweiten Abrufbarkeit des Internets ein berechtigtes Bedürfnis nach Gestaltungsmöglichkeiten, Werbung und Angebote auf bestimmten Websites räumlich einzuschränken. Indizien hiefür sind die verwendete Sprache und sog Disclaimer, dh Hinweise auf der Website, dass das Angebot nur für bestimmte Märkte gelte. Solche Disclaimer dürfen aber nicht durch den sonstigen Inhalt oder das tatsächliche Verhalten des werbenden Unternehmens widerlegt sein, was der OGH aber auf Grund des Verkaufs in österreichischen Dutyfreeshops annimmt. Der Disclaimer konnte also die Ausrichtung der Werbung auch auf österreichische Internetnutzer nicht hindern.
In diesem Bereich ist die Situation für einen Internetanbieter aus zwei Gründen weitaus komplizierter: Zum einen ist das internationale Deliktsrecht weder auf völkerrechtlicher noch auf europäischer Ebene vereinheitlicht, zum anderen knüpft der (daher unmittelbar relevante) IPRG (vgl zB § 48) sowohl am Erfolgs- als auch am Handlungsort an. Nicht nur dass diese bei Internetrechtsverhältnissen schwer zu ermitteln sind, ein weites Verständnis des Erfolgsorts (Erfolgsort als jeder Ort, an dem die verletzenden Daten, zB die betreffende Webpage, abgerufen werden können) im Falle des Internet zu einer potentiell weltweiten Anknüpfung und damit zur Notwendigkeit für den im Internet tätigen Unternehmer, sich an den strengsten Haftungsbestimmungen orientieren zu müssen. Genau diesem Missstand sollte durch das Herkunftslandprinzip der EC-RL/des ECG begegnet werden → Geltungsbereich (§ 1)
Nichtvertragliche (insbesondere deliktsrechtliche) Ansprüche
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2. Gerichtsstand und internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit richtet sich im Verhältnis zu andern EU-Staaten (außer Dänemark) nach der EuGVVO /Brüssel-I-VO, welche das EuGVÜ /Brüsseler Übereinkommen ersetzt (nur noch zwischen Dänemark und den anderen EU-Staaten anwendbar). Im Verhältnis zu den EFTA-Staaten richtet sich die internationale Zuständigkeit nach dem (mit dem EuGVÜ im wesentlichen inhaltsgleichen) LGVÜ /Lugano Übereinkommen. Außerhalb des Anwendungsbereiches der obigen Rechtsquellen, etwa im für Internetgeschäfte wesentlichen Verhältnis zu den USA, gilt autonomes österreichisches Recht, dh die Regeln der JN über die örtliche Zuständigkeit, die auch für die internationale Zuständigkeit entsprechend anzuwenden sind.
Rechtsquellen
Primär gibt es auch hier die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, wenn zumindest eine Vertragspartei ihren Wohnsitz innerhalb der EU/EFTA hat, was zu einer ausschließlichen Zuständigkeit der gewählten Gerichte führt (Art 17 EuGVÜ, Art 23 EuGVVO). Eine solche Vereinbarung kann schon nach den Übereinkommen grundsätzlich auch auf elektronischem Wege zustande kommen, was in der EuGVVO nun auch ausdrücklich klargestellt wurde. Alle drei Rechtsquellen schränken die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung jedoch zugunsten des Verbrauchers ein (va Zulässigkeit erst nach Entstehen der Streitigkeit oder Vereinbarung bloß eines zusätzlichen Gerichtsstandes; Art 13 f EuGVÜ, Art 17 EuGVVO).
Europäisches Recht (EuGVVO, EuGVÜ, LGVÜ)
Subsidiär gilt als allgemeiner Gerichtsstand der Wohnsitzort oder Niederlassungsort des Beklagten, wenn dieser innerhalb eines Vertragsstaates liegt. Damit konkurrieren (was auch nach der Systematik der EuGVVO so beibehalten wurde) mehrere besondere Gerichtsstände, insbesondere:
Erfüllungsortsgerichtsstand bei vertraglichen Ansprüchen (Art 5 EuGVÜ, näher präzisiert in Art 5 EuGVVO): Der Erfüllungsort selbst ist nach der gem IPR anwendbaren Rechtsordnung zu bestimmen. Bei Internetverträgen führt diese Regelung oft zu einem Gerichtsstand im Staat des Diensteanbieters.
Verbrauchergerichtsstand bei vertraglichen Ansprüchen (Art 13 f EuGVÜ, Art 15 EuGVVO): Die Bestimmungen führen unter denselben Voraussetzungen wie im EVÜ idR zum Gerichtsstand des Verbraucherwohnsitzes. Wie bereits angesprochen, führte die damit verbundene Differenzierung in „aktive” und „passive” Verbraucher gerade im E-Commerce zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten, was ausschlaggebend für die Umformulierung in Art 15 EuGVVO war: Neben der uneingeschränkten Weitergeltung des Verbrauchergerichtsstandes für Teilzahlungskäufe beweglicher Sachen und deren Finanzierungsgeschäfte gilt dieser nunmehr immer dann, wenn der Vertragspartner des Verbrauchers in dessen Wohnsitzstaat eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet. Obwohl im Detail nach wie vor manches umstritten ist, wird diese Voraussetzung mit einem Internet-Angebot jedenfalls grundsätzlich erfüllt.
Gerichtsstand bei Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen: Zuständig sind hier sowohl die Gerichte des Schadensortes (Art 5 EuGVÜ/EuGVVO) als auch des Handlungsortes (Rspr des EuGH).
Sind die obigen Rechtsquellen auf einen bestimmten Sachverhalt nicht anwendbar – und kommt auch kein bilaterales Abkommen Österreichs mit einem anderen Staat zur Anwendung, so sind die Zuständigkeitsregeln der JN einschlägig. Zwar ist für Verbraucher ist daneben auch § 14 KSchG zu beachten, es gibt jedoch im österreichischen Recht keinen Verbraucherschutz iSe objektiven Anknüpfung an den Verbraucherwohnsitz. Dies führt bei Vertragsschlüssen zB mit US-amerikanischen Unternehmen im Internet zu einer wesentlich nachteiligeren Rechtslage für den Verbraucher, als dies nach den europäischen Rechtsnormen der Fall wäre.
Autonomes österreichisches Recht
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E. Zwei Kaufvertragsfälle zur Wiederholung
1. Das „zurückgelegte” Kleid. – Eine Frau entdeckte in einem Modegeschäft ein schönes Kleid, das ihr gefiel. Da sie nicht genug Geld bei sich hatte, ließ sie das Stück zurücklegen und erklärte der Verkäuferin, am nächsten Tag wieder zu kommen, das Kleid abzuholen und den Kaufpreis bezahlen zu wollen. – Der Zufall wollte es jedoch, dass sich die Kundin die Sache anders überlegte: Sie erblickte nämlich im Schaufenster eines anderen Geschäfts dasselbe Kleid, jedoch zu einem günstigeren Preis. Sie ging daher auf dieses zweite Angebot ein und ließ sich im ersten Geschäft nicht mehr blicken. Die Erstverkäuferin will ihr Kleid loswerden ...!
a) Muss die Frau bezahlen?
O Ja O Nein O Kommt darauf an
b) Ist ein Kaufvertrag zustande gekommen?
O Ja O Nein O Kommt darauf an
c) Kann die Frau der Erstverkäuferin gegenüber einwenden, sie habe mittlerweile anderswo günstiger gekauft?
O Ja O Nein O Kommt darauf an
d) Wie steht es um den zweiten KaufV? Ist er
O gültig O ungültig O teilweise gültig / ungültig
2. Der Sofakauf auf Kredit. – Ende 1989 entdeckte eine Kundin in einem Innsbrucker Möbelgeschäft ein Sofa, das genau ihren Ansprüchen gerecht wurde. Doch ihre finanzielle Situation war prekär. Dies teilte die Frau der Verkäuferin auch ganz ehrlich mit. Sie könne sich das Stück nur leisten, wenn der Kaufpreis über einen Kredit finanziert werde. Die Verkäuferin war einverstanden, ein Vertrag wurde unterzeichnet. Doch die Bank gewährte der mittellosen Kundin keinen Kredit. Das Sofa wurde ihr nicht ausgehändigt. Das Möbelhaus klagte aber dennoch den Kaufpreis des Möbelstücks beim Innsbrucker Bezirksgericht ein.
Lösung: Die von der Verkäuferin zur Kenntnis genommene und mit ihr ausdrücklich vereinbarte Bedingung [Zur Bedingung: § 897 iVm den §§ 696 und 699 ABGB] für diesen Kauf, dass nämlich dazu die entsprechende Kreditvergabe an die Kundin [§ 1063 ABGB: Kreditkauf] erfolgen müsse, wurde auf der Vertragsurkunde mit dem Vermerk „Kredit” deutlich gemacht. Die Frau konnte aus eigenen Mitteln nicht einmal eine Anzahlung für das Möbelstück leisten. [Zur Anzahlung beim Abzahlungsgeschäft vgl § 16 Abs 1 Z 2 iVm § 20 KSchG.] Zum Zwecke der Kreditvergabe übergab die Kundin der Verkäuferin die geforderten Lohnzettel und ihren Reisepass.
Besagtes Möbelhaus arbeitet in Fällen von Raten- oder Kreditkäufen mit einer bestimmten Bank zusammen. [§§ 16 ff KSchG regeln das Abzahlungsgeschäft. In unserem Fall war vermutlich ein Abzahlungsgeschäft gewollt. Aber wir wissen es nicht, daher kann diese Frage offen bleiben, zumal sie auch nicht entscheidungsrelevant ist.] Mit dem Datum der Auslieferung der Ware erhält das Möbelhaus von der Bank den gesamten Kaufpreis und übergibt im Gegenzug dazu der Bank den Warenübernahmeschein, womit auch der Eigentumsvorbehalt an der Ware samt der restlichen Kaufpreisforderung an die Bank weitergegeben wird. Die Rückzahlung des Kredites ist vom Kunden an die Bank zu leisten, diese Form des Abzahlungsgeschäftes heißt Absatzfinanzierung → Das Abzahlungsgeschäft
Doch als sich die Kundin das Sofa abholen wollte, erfuhr sie, dass der Kredit nicht bewilligt worden war. Sie sprach bei der Bank vor. Den geforderten Bürgen [Zur Bürgschaft: §§ 1346 ff ABGB] konnte sie nicht beibringen. Die Frau war zwar enttäuscht, doch war für sie die Sache erledigt. Nicht aber für das Möbelhaus, das den Kaufvertrag erfüllt haben wollte.
Das Gericht kam – zutreffender Weise – zu der Auffassung, dass die Kundin keinen Zustand vorgespiegelt habe, der die Verkäuferin in ihrer Entscheidung bezüglich der Chance zur Erlangung eines Kredites bekräftigt hätte. Die Kreditvergabe sei, so das Gericht, eine ausdrückliche Bedingung des Vertrags gewesen. Da diese Bedingung aber ohne Verschulden der Kundin nicht eintrat, sei der Vertrag für beide Parteien nicht bindend. Weder habe die Kundin Anspruch auf Herausgabe des Sofas, noch das Möbelgeschäft auf den Kaufpreis. Das Klagebegehren des Möbelhauses wurde daher abgewiesen. – Auch der Berufungssenat am Innsbrucker LG kam zu derselben Überzeugung. – Aus: TT 5.4.1991.
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