Kapitel 11 | |
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C. Auslegung von
Gesetzen und Rechtsgeschäften |
E. Gesetz-
und Sittenwidrigkeit |
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D. Rechtsquellen
des Privatrechts |
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Wir haben
uns mit der Rechtsanwendung und Rechtsfindung, dem Subsumtionsvorgang
und der Lehre vom Rechtssatz sowie der Auslegung von Gesetzen, Rechtsgeschäften
und inbesondere Verträgen befasst und haben nun noch ein weiteres
Kapitel nachzutragen: Die Frage der Rechtsquellen. – Rechtsanwendung
setzt nämlich, wie der Begriff sagt, die Anwendung von „Recht” voraus.
Aber was alles ist nun Recht? Die Antwort ist schwieriger, als die
Frage vermuten lässt. Und die Antwort war im Laufe der Zeiten nicht
immer dieselbe. Die Rechtsquellenlehre will also klären, „was” heute als
Recht anzusehen ist – zB Gesetzesrecht, Gewohnheitsrecht, Richterrecht
– und „wie” geltendes Recht entsteht; sei es im nationalen, supranationalen
oder internationalen Bereich. | |
Der Fragenbereich der Rechtsquellen war
immer – und ist es bis heute – umstritten. – So lässt sich etwa
fragen, ob das Naturrecht auch heute noch eine Rechtsquelle in Österreich
ist? Die §§ 7 und 16 ABGB legen das nahe, was die weitere Frage
erheben lässt, was wir heute unter Naturrecht verstehen. Auch die
Entscheidungen der Höchstgerichte werfen immer wieder einschlägige
Fragen auf. Und der rechtsquellentheoretische Stellenwert juristischer
Lehrmeinungen wechselte in der Rechtsgeschichte. In der Kodifikationsgeschichte
des österreichischen Privatrechts war bspw die Stellung der Partikularrechte,
also territorialer Sonderrechte umkämpft, sollte doch einheitliches
Recht für alle geschaffen werden → §
10 ABGB: Gewohnheiten
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| Abbildung 11.16: Bundesgesetzblatt |
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I. Einteilung der
Rechtsquellen | |
1. Rechtsentstehungs-
und Rechtserkenntnisquellen | |
Traditionellerweise
wird unterschieden zwischen: | |
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Rechts-Entstehungs-Quellen
(fontes iuris essendi oder materielle Quellen) und | |
•
Rechts- Erkenntnis-Quellen
(fontes iuris cognoscendi, formelle Quellen). | |
Erstere
sind jene, aus denen das Recht „fließt” (zB Gesetzesrecht = gesatztes
Recht oder Gewohnheitsrecht), also Recht in seiner Entstehungsform.
– Letztere vermitteln uns die Kenntnisbereits entstandenen
Rechts; Recht in seiner Erscheinungsform: zB Gesetzbücher, Bundes-
und Landesgesetzblätter, Entscheidungssammlungen, Rechtsdatenbanken,
Urkunden, Urteile, Bescheide, Verträge etc. | |
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2. Generelle
und individuelle Rechtsquellen | |
Neben Rechtsentstehungs- und Rechtserkenntnisquellen wird
auch zwischen: | |
•
generellen (zB
Gesetze, Staatsverträge, Gewohnheitsrecht, sog Rechtsverordnungen,
Kollektivverträge) und | |
•
individuellen (Urteile, Bescheide,
Vertrag, Testament etc) Rechtsquellen unterschieden → KAPITEL 1: Stufenbau
der Rechtsordnung:
Stufenbau der Rechtsordnung. | |
Generelle Rechtsquellen richten sich an alle Rechtsadressaten,
mag das auch nur eine größere Gruppe (wie die Kaufleute: HGB) sein
oder wie bei Kollektivverträgen Angehörige bestimmter Berufe. Individuelle
Rechtsquellen dagegen richten sich bloß an Einzelne, etwa an die
Parteien eines Vertrags oder eines Rechtsstreits oder Verwaltungsverfahrens. | |
Das Gesetz als generelle Norm verbietet
schon begrifflich Sondergesetze für oder gegen bestimmte Personen.
Das wurde schon vom XII-Tafelgesetz untersagt, kam aber dennoch
schon in Rom vor; zB lex Clodia. Wie schwer aber auch solch’ wichtige
Prinzipien einzumahnen sind, lehrt uns die von der ÖVP-FPÖ-Regierung
durchgeboxte lex Salmutter. | |
BGBl-G,
BGBl 660/1996 | |
Das BGBl erscheint nunmehr in 3 Teilen und verlautbart: | |
In Teil I: Gesetzesbeschlüsse des NR, Kundmachungen
(Kdm) über Wiederverlautbarungen, Kdm der Bundesregierung, Kdm des
Bundeskanzlers über die Aufhebung verfassungswidriger Gesetze, Art
15a Abs 1 B-VG Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. | |
In Teil II: Entschließungen des Bundespräsidenten,
Verordnungen der Bundesregierung und der Bundesminister, Kdm über
das Außerkrafttreten von Verordnungen, Kdm des Bundeskanzlers oder
eines BM über die Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen, nicht unter
Art 15a Abs 1 B-VG fallende Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. | |
In Teil III: Staatsverträge, Rechtsvorschriften
internationaler Organe mit unmittelbarer Wirkung für Österreich, Kdm
über die Feststellung der Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit eines
Staatsvertrags. | |
Nach § 5 Abs 3 BGBl-G können Bundesgesetzblätter auch auf
andere technische Weise zur Verfügung gestellt werden; zB elektronische
Medien wie Internet, Rechtsdatenbanken etc. Das Rechtsinformationssystem
des Bundes – das sog RIS – ( http://www.ris.bka.gv.at/) enthält
das gesamte Bundes- und Landesrecht sowie oberstgerichtliche Judikatur
und Behörden-Links. | |
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Das Gesetzesrecht ist
heute die klar dominierende Rechtsquelle. Früher war das anders;
vgl daher die dem § 10 ABGB entnehmbare Ablehnung des Gewohnheitsrechts.
Der ABGB-Gesetzgeber wollte die neue Kodifikation nicht durch das
Entstehen von (neuem) Gewohnheitsrecht entwertet wissen. | |
Das Gesetz als Instrument
der Rechtssetzung und Gesellschaftssteuerung stammt, wie vieles
andere rechtliche, aus dem alten Griechenland; vgl Barta,
„Graeca non leguntur”? – Zum Ursprung des europäischen Rechtsdenkens
im antiken Griechenland (in Vorbereitung: 2005) | |
Die §§ 1-9 ABGB, auf die in der Folge kurz eingegangen wird,
stammen aus Martinis „Einleitung” seines Entwurfs für ein österreichisches
bürgerliches Gesetzbuch (1796), die zunächst ins WGGB (1797) und
dann ins ABGB (1811) einflossen. – Wie ernsthaft über das Verfassen
von Gesetzen nachgedacht werden kann, lehrt uns Platons Dialog „Nómoi”
(= Die Gesetze). | |
| Abbildung 11.17: Gesetz: Mittel der Gesellschaftssteuerung |
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1. § 1 ABGB: Was
regelt das bürgerliche Recht? | |
Das bürgerliche
Recht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen den einzelnen
Bürgern / Individuen „ unter sich”, also als gleichberechtigte
Privatleute. Die Formulierung des § 1 ABGB stammt aus Martinis Entwurf.
– Die Diktion des Gesetzes: „Unter sich” betont die Gleichstellung der
Parteien des Privatrechts (im Gegensatz zum öffentlichen Recht,
das grundsätzlich von einer Über- und Unterordnung ausgeht) → KAPITEL 1: Zur
Abgrenzung: Privatrecht ¿ öffentliches Recht. | |
2. §
2 ABGB: Gesetzeskenntnis | |
Rechtskenntnis
war früher (inbesondere vor den Kodifikationen) ein großes Problem
und wird heute wieder zunehmend zu einem solchen. – Rechtskenntnis
darf aber nicht wieder zu einem Glücksspiel werden! Es ist zu wenig,
wenn sich nur Angehörige des sog Rechtsstabs „auskennen“. | Wer ist
Normadressat? – Bürger oder Rechtsstab? |
Vgl Bertold Brecht, Der kaukasische Kreidekreis:
„Und das Recht ist eine Katze im Sack.” | |
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Vgl nur den Sachverhalt von EvBl 2002/145 ( Eisenbahnoberleitung über
Kleingarten) → KAPITEL 10: Entscheidungsbeispiele
zu den Kapiteln 9 und 10. | |
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3. § 3 ABGB: Inkrafttreten
von Gesetzen | |
§
3 ABGB wird modifiziert durch § 4 BGBl-G. – Bundesgesetze treten
demnach grundsätzlich mit Ablauf des Kundmachungstages in Kraft.
Der Gesetzgeber kann aber ein späteres Inkrafttreten festsetzen;
sog Legisvakanz / vacatio legis. | Legisvakanz |
Die
Kundmachung von Rechtsquellen wird als Publikation oder Promulgation bezeichnet. Gehörige
Kundmachung setzt sowohl die formelle, wie eine wirkungsvolle /
effektive Kundmachung (= materielle Publikation) voraus. | Publikation |
Das erweist sich immer wieder als Problem.
Viele Menschen kennen auch „ihre” Rechte, also auch das für sie günstige
Recht, nicht. | |
4. § 5 ABGB: „Gesetze
wirken nicht zurück” | |
Gemeint ist
damit ein (nachträglich festgesetzter) Geltungsbeginn von Gesetzen
vor ihrer Kundmachung. – Es handelt sich dabei um einen wichtigen legistischen
Programmsatz, der aber immer wieder durchbrochen wird,
weil es sich um eine einfachgesetzliche Bestimmung und nicht um
Verfassungsrecht handelt. Rechtsstaatlich sind derartige Maßnahmen
problematisch, was seit der Antike so gesehen wird. | |
Verhindert werden soll damit idR eine sonst
mögliche Spekulation Betroffener mit den neuen Regelungen. | |
5. § 9 ABGB: Zur
Geltungsdauer von Gesetzen | |
„Gesetze behalten so lange ihre Kraft, bis sie
von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden.” | |
Es gibt allerdings
immer wieder Gesetze auf Zeit; zB auf 5 Jahre.
Das kann sinnvoll sein, um beobachten zu können, ob sich eine Regelung
bewährt. – Bejaht man das Gewohnheitsrecht als
Rechtsquelle, muss man auch die Derogation von Gewohnheitsrecht
für möglich halten, was die Lehre des öffentlichen Rechts bestreitet. | |
6. Formelle
und materielle Derogation | |
Im
Zusammenhang mit der Frage der Geltung von Gesetzen steht die ihrer
Derogation. Unterschieden werden muss zwischen materieller (= bloß
„inhaltlich und nicht ausdrücklich abgeändert”) und formeller (=
„ausdrücklich aufgehoben”) Derogation. – Derogation meint demnach Aufhebung
eines Rechtssatzes durch einen anderen, späteren uzw im
Stufenbau der Rechtsordnung mindestens ranggleichen (oder ranghöheren). | |
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•
lex
postérior dérogat legi prióri = das spätere Gesetz,
hebt das frühere auf | |
•
lex
spécialis derogat legi generali = das speziellere
Gesetz, hebt das allgemeinere auf | |
•
lex
superior derogat legi ínferiori = das höherrangige
Gesetz, hebt das niederrangigere Gesetz auf. | |
Beispiel für ein eigenes DerogationsG ist das Erste
BundesrechtsbereinigungsG (1. BRBG) 1999, BGBl I Nr 191.
Es geht dabei um die Bereinigung der vor 1946 kundgemachten einfachen Bundesgesetze
und Verordnungen, die, ausgenommen jene, die im Anhang des Gesetzes
in eine Liste aufgenommen wurden, nicht weitergelten, sondern ab
1.1.2000 aufgehoben wurden. | BundesrechtsbereinigungsG |
In die Liste aufgenommen wurde bspw das ABGB
von 1811. Beim Erstellen dieser Liste sind aber Fehler unterlaufen;
vgl etwa die wohl ungewollte Aufhebung des HfKD 1846, JGS 970 betreffend
§ 399 ABGB: Schatzfund → KAPITEL 2: Arten
des originären Eigentumserwerbs. | |
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„§ 1 (1. BRBG) 1999, BGBl I Nr 191 | |
Alle auf der Stufe von einfachen Gesetzen oder
Verordnungen stehenden Rechtsvorschriften des Bundes, die vor dem
1. Jänner 1946 kundgemacht wurden und noch als Bundesrecht in Geltung
stehen, treten, sofern sie nicht im Anhang zu diesem Bundesgesetz
angeführt sind, mit Ablauf des 31. Dezember 1999 außer Kraft. | |
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§ 3 | |
(1) Eine Rechtsvorschrift im Sinne dieses Bundesgesetzes
umfasst die Erstfassung einer Norm samt allen zugehörigen Novellen.
Tritt eine Rechtsvorschrift auf Grund des § 1 außer Kraft, so bewirkt
dies daher auch das Außerkrafttreten aller Novellen, einschließlich
solcher, die nach dem 31. Dezember 1945 kundgemacht wurden. | |
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§ 4 | |
(1) Die im Anhang angeführten Rechtsvorschriften
bleiben in ihrer am 31. Dezember 1999 geltenden Fassung weiter aufrecht. | |
(3) Unter § 1 fallende Rechtsvorschriften, die
in der Folge wiederverlautbart wurden, gelten ab dem Tag der Kundmachung
ihrer Wiederverlautbarung als Bundesgesetz in der durch die Wiederverlautbarung bewirkten
Fassung. Bei mehrfach wiederverlautbarten Rechtsvorschriften ist
die zeitlich letzte Wiederverlautbarung maßgebend.” | |
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§ 5 | |
(1) Die Aufhebung von Rechtsvorschriften durch
§ 1 bewirkt, dass diese Vorschriften nur mehr auf Sachverhalte anzuwenden
sind, die sich vor dem 1. Jänner 2000 ereignet haben. | |
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§ 6 | |
Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2000
in Kraft.” | |
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7. Der
Kollektivvertrag als Rechtsquelle | |
Der
Kollektivvertrag dient rechtlich als Ausgleich für das Versagen
der Vertragsfreiheit des bürgerlichen Rechts im Bereich
des Einzelarbeitsvertrags. Kollektivverträge sind bestrebt, aus
der bloß formalen Gleichbehandlung der Arbeitsvertragspartner (also
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) eine echte Gleichstellung zu
machen. Dadurch wird eine inhaltliche Typisierung der vom jeweiligen
Kollektivvertrag umfassten Arbeitsverträge erreicht. | |
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Obwohl es Kollektivverträge in nahezu allen entwickelten
Ländern der Erde gibt, ist die Terminologie unterschiedlich:
Deutschland spricht vom Tarifvertrag, Italien vom contratto colletivo,
Frankreich von Convention Collective de travail, die Schweiz vom
Gesamtarbeitsvertrag, die USA von collectiv agreement und Großbritannien von
collectiv bargain oder joint agreement. | |
Der Kollektivvertrag wird zwar vom B-VG (noch) nicht als
eigene Rechtsquelle genannt, wird aber mittlerweile als Rechtsquelle
sui generis anerkannt. Seine Besonderheit liegt darin,
dass er eine Kombination von schuldrechtlichem Vertrag, geschlossen
zwischen den Kollektivvertragsparteien, und eigener – vom ArbVG
1974 verliehener – normativ rechtlicher (Gesetzes)Kraft darstellt. Dieser normative
Teil des Kollektivvertrags besitzt Gesetzesrang, ist also
Gesetz im materiellen Sinn und daher Rechtsquelle. Der normative
Teil des Kollektivvertrags wirkt wie ein Gesetz auf die umfassten
Einzelarbeitsverhältnisse ein; aber auch auf die Beziehung zwischen
Betriebsinhaber und Belegschaft und die Beziehung zwischen einzelnem
Arbeitnehmer und seinem Arbeitnehmerverband. Als Rechtsquelle steht
der normative Teil von Kollektivverträgen über dem einfachen dispositiven
Gesetzesrecht. | |
In manchem Gesetz findet sich daher die
ausdrückliche Anordnung, dass ein Abgehen von der getroffenen Regelung durch
Kollektivvertrag möglich ist. | |
Für die Auslegung von Kollektivverträgen ist
zu berücksichtigen: Obwohl der Kollektivvertrag wie ein Vertrag
zustande kommt, wirkt er in seinem normativen Teil wie ein Gesetz
im materiellen Sinn und wird daher nach hA auch wie ein Gesetz ausgelegt;
dh Anwendung der §§ 6, 7 ABGB – vgl etwa E des OGH 1976, ZAS 1978,
105 – und nicht der §§ 914, 915 ABGB. | Auslegung
von
Kollektivverträgen |
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Unterschiedliche
Meinungen existieren über die Frage, ob der Kollektivvertrag (als
Gesetz im materiellen Sinn) bloß einer mittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt
(so zB Strasser, Arbeitsrecht II 141 f und der OGH in: DRdA 1999,
32: Anm Runggaldier) oder eine unmittelbare Grundrechtsbindung anzunehmen
ist; so Runggaldier und Marhold. | Grundrechtsbindung |
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III. Das
Gewohnheitsrecht | |
1. §
10 ABGB: Gewohnheiten | |
„Auf
Gewohnheiten [gemeint ist das Gewohnheitsrecht] kann nur in den
Fällen, in welchen sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen
werden.” | |
Das ABGB steht dem Gewohnheitsrecht (consuetudo)
ablehnend gegenüber; vgl schon → Das
Gesetzesrecht (am
Beginn). In der Kodifikationsgeschichte des ABGB war diese Frage
heftig umstritten. Das Gesetz als neue und dem Kodifikationsgedanken
entsprechende Rechtsquelle, wird über das alte Gewohnheitsrecht
gestellt. Im Gesetz findet nunmehr der Wille des absoluten Monarchen
als Gesetzgebers seinen normativen Ausdruck. Gewachsene Rechtsvorstellungen
des Volkes werden unter die Oberherrschaft des Gesetzes und damit
des Monarchen gestellt und bedeuten dadurch keine normative Konkurrenz
mehr. – Während es in der griechischen Frühzeit des 7. Jhd v. C. „modern”
war, die alte Rechtsquelle des normativen Wissens (~ Gewohnheitsrecht,
Sitte, Moral, Religion etc) durch die neue des gesatzten Rechts
zu ersetzen (den Thesmos, später Nomos), galt dies politisch für
die Zeit um 1800 nicht mehr. Dafür sprachen aber politische und
ökonomische Gründe. | Ablehnende Haftung
des ABGB |
Das
(Privat)Recht in den österreichischen Ländern vor der Kodifikation
war in verschiedene Landes- und Partikularrechte zersplittert,
wozu ein bedeutender Anteil von (ungeschriebenem) Gewohnheitsrecht
kam. Erst das ABGB beendet diese Rechtszersplitterung.
Von der Kodifikationsidee her ist es also verständlich, dass der
Gesetzgeber des ABGB bestrebt war, die Kraft des Gewohnheitsrechts
zu brechen. – Das ist ihm aber ebenso wenig (vollständig) gelungen
ist, wie später dem öffentlichen Recht. | Rechtszersplitterung |
Ein
Beispiel für die Lebenskraft des Gewohnheitsrechts lieferte schon
das römische Recht, das bis zum „Zwölf-Tafelgesetz” (451/450 v.
C.) auf mündlich tradiertem Gewohnheitsrecht beruhte. Erst die –
freilich gar nicht vollständige – Kodifikation beendete vorerst
die mit dem Gewohnheitsrecht und dessen Auslegung verbundene Rechtsunsicherheit;
vgl P.G. Stein, Römisches Recht und Europa 14 (1996). Allein sehr
bald entstand das Problem von neuem; vgl F. Pringsheim, Ausbreitung
und Einfluss des griechischen Rechts (1952): | Beispiel römisches Recht |
„Das wirkliche Rom war einer umfassenden Kodifizierung so
abgeneigt, wie es heute England ist. Die tausendjährige Geschichte
von den XII Tafeln bis Justinian kennt keine vollständige Rechtssammlung.
Griechenland aber legte sein Recht immer gern in die Hand eines
persönlichen Gesetzgebers. Von der archaischen Zeit an ist hier
das Gesetz die eigentliche Rechtsquelle.” | |
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Beachten will das ABGB Gewohnheiten/consuetudo
nur dann, wenn ein Gesetz sich auf Gewohnheitsrecht beruft. Das
geschieht in der Tat da und dort im ABGB selbst
(zB §§ 389, 501, 549 ABGB) und in anderen Gesetzen. Vgl insbesondere
Art 4 EVHGB: | Skeptisches
ABGB |
„In Handelssachen sind die Vorschriften
des allgemeinen bürgerlichen Rechts nur insoweit anzuwenden, als
nicht die besonders für Handelssachen geltenden Gesetze etwas anderes
bestimmen. Unter diesen Gesetzen ist auch das Gewohnheitsrecht zu
verstehen.” | |
Von der hA wird diese enge Fassung des § 10 ABGB aber extensiv
oder vielleicht sogar berichtigend interpretiert. | |
| Rückgriff auf Generalklauseln etc |
2. Praktische Bedeutung
des Gewohnheitsrechts | |
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Eine
Reihe neuer, im Gesetz nicht oder anders geregelter Rechtsinstitute,
beruht heute auf Richterrecht. Sie sind bereits
gewohnheitsrechtlich verfestigt. Eigenartigerweise werden die damit
verbundenen Fragen nicht mit letzter Konsequenz reflektiert. Es
hat den Anschein, als wollten Rspr und Schrifttum den eigenen Bewegungsspielraum
nicht einschränken. Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit
spielen dabei offenbar nur eine untergeordnete Rolle. – Vgl jedoch die
beiden Publikationen F. Gschnitzers. | |
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3. Zum Streit über
das Gewohnheitsrecht | |
Das österreichische Verfassungsrecht kennt keinen abgeschlossenen
Rechtsquellenkatalog; vgl Art 1 B-VG. Auch der des ABGB ist unvollständig.
– Bedeutung als (materielle) Rechtsquellen des Privatrechts besitzen
heute aber – hier wie dort – vornehmlich: | |
• das Gesetz(esrecht)
und | |
• das Gewohnheitsrecht. | |
Vertreter
der „Reinen Rechtslehre” (etwa R. Walter, ÖJZ 1963, 225) leugnen
die Existenz(berechtigung) des Gewohnheitsrechts und behaupten,
das B-VG 1920 habe die Rechtserzeugung abschließend geregelt und
dadurch dem § 10 ABGB (soweit er Gewonheitsrecht zulässt) derogiert. –
Dem ist nicht beizupflichten und das Rechtsleben spricht eine deutlich
andere Sprache. Vielmehr sind Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht
als getrennte und (partiell) miteinander konkurrierende Rechtsquellen
weiterhin anzuerkennen. Mehr bei Gschnitzer, FGL 657 ff. | |
Manch künftige Frage, die sich daraus für
das Gewohnheitsrecht ergibt, harrt aber noch auf ihre Lösung! | |
IV. Zum
Rechtsquellencharakter von Urteilen – Richterrecht? | |
„Die in einzelnen Fällen ergangenen Verfügungen
und die von Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten
Urteile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere
Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnt werden”; § 12 ABGB. | |
1. Gewohnheitsrecht
heute | |
Um aus höchstrichterlichen Entscheidungen
Gewohnheitsrecht entstehen zu lassen, bedarf es gar nicht der Annahme
einer Derogation des § 12 ABGB. Es bleibt vielmehr dabei, dass der
einzelnen gerichtlichen Entscheidung keine Gesetzeskraft zukommt.
Die einzelne Entscheidung ist aber Beginn und Voraussetzung des
idF entstehenden Gewohnheitsrechts. Es ist dabei durchaus sinnvoll für
das Entstehen von Gewohnheitsrecht auch weiterhin: | Kriterien
des
Gewohnheitsrechts |
•
Langdauernde
Übung (longa consuetudo) und | |
•
Rechtsüberzeugung / communis
opinio necessitatis zu fordern. | |
Verschoben hat sich bei der Bildung von Gewohnheitsrecht
seit geraumer Zeit nur der Kreis der Akteure, der die in Entstehung
begriffene Norm mit Rechtsüberzeugung anwendet. Es ist heute idR nicht
mehr das Volk, das diese Übung ausführt, sondern stellvertretend
für das Volk der Rechtsstab in einem weiten Sinn. Es handelt sich
um eine andere Art demokratischer Repräsentation, die hier stattfindet.
Der Rechtsstab umfasst – bspw im Privatrecht – nicht nur die ordentliche
Gerichtsbarkeit, sondern auch die Praxis (Richter, Rechtsanwälte,
Notare etc) und das Schrifttum. Entstandenes Gewohnheitsrecht unterliegt
daher ebenso dem Einfluss des Verfassungsrechts wie gesatztes Recht
und ihm kann ebenso durch gesatztes wie späteres Gewohnheitsrecht
derogiert werden. Der Gerichtsbarkeit käme nicht nur bei der Anwendung,
sondern auch bei der inhaltlichen Gestaltung – dem sprachlichen
Ausdruck – von Gewohnheitsrecht besondere Bedeutung zu. Sie hätte
auch über dessen Einhaltung zu wachen! | |
2. Die Meinung
Armin Ehrenzweigs | |
Armin Ehrenzweig vertritt in seinem System des
österreichischen allgemeinen Privatrechts I/1 Allgemeiner Teil (19512)
eine andere Meinung: | |
„Präjudizien haben
nicht die Kraft des Gesetzes. Das würde niemand bezweifeln, auch
wenn es nicht im [A]BGB stünde. Die Kraft des Gerichtsgebrauches ist
eine andere als die des Gesetzes; sie ist geringer und sie ist größer. Geringer,
weil der Gerichtsgebrauch den Richter nicht bindet, und größer,
weil die Kraft des Gesetzes selbst, seine Wirksamkeit und seine
Bedeutung davon abhängt, ob und wie es angewendet wird: denn nach
der behördlichen Praxis, nicht unmittelbar nach dem Gesetze und
nicht nach den Meinungen der Schriftsteller richtet die Bevölkerung ihr
Verhalten ein. | |
Dem angehenden Richter ist es vielleicht eine freundliche
Vorstellung, dass er an den Gerichtsgebrauch nicht gebunden ist
und sich darum die Mühe ersparen kann, frühere Entscheidungen zu
studieren. Diese Vorstellung ist irrig. Wenn der einzelne Richter
von der bisherigen Übung abgeht, so ist dies ein Unternehmen, das
besonderer Rechtfertigung bedarf. Nicht die Unkenntnis der Übung,
sondern nur die nach reiflicher Prüfung gewonnene Überzeugung von
ihrer Unhaltbarkeit ist eine solche Rechtfertigung. Vergessen wir
nie, dass die Änderung der Rechtsprechung (anders als die des Gesetzes)
zurückwirkt auf Geschäfte, die im Vertrauen auf die bisherige Übung abgeschlossen
worden sind. Vergessen wir aber auch nie, dass der Gerichtsgebrauch
nicht erstarren darf, dass er der allmählichen Fortbildung bedarf.
Tiefgreifende Änderungen gleichsam mit einem Schlage zu vollziehen,
ist die Aufgabe der Gesetzgebung. Die Rechtsprechung verändert das
Recht allmählich, in unermüdlicher Kleinarbeit. Sie vermeidet Überraschungen.
Was stürzen soll, wird zuerst als zweifelhaft hingestellt. An die
Stelle gleichförmiger Entscheidungen treten unsicher schwankende,
ausweichende, widersprechende, die den Rechtsverkehr warnen und vorbereiten,
bis schließlich nach einer unerfreulichen und doch wohltätigen Übergangsperiode
des Tastens und Prüfens immer entschiedener die neue Praxis sich
durchringt. | |
... Diese Aufgabe der Befestigung und der Fortbildung der
Praxis ist in erster Linie dem obersten Gerichtshof zugewiesen.
Zwar sind die unteren Gerichte an die von ihm angenommenen Rechtssätze
nicht gebunden, aber sie können sich, dank dem Rechtsmittelzuge,
ihrer Anwendung auf die Dauer nicht entziehen.” | |
| Abbildung 11.18: Rechtsquellen des Privatrechts |
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3. Das Gewohnheitsrecht
in der Rechtsgeschichte | |
F. Gschnitzer hat in einer Juristentagsrede (ÖJT 1967, II
6. Teil, 24 ff) darauf hingewiesen, dass dem Gewohnheitsrecht in
der Rechtsgeschichte gegenüber dem gesatzten Recht der „Vorrang” gebührt. | |
•
Mag auch gerade in Europa durch
das frühe und hochentwickelte Rechtsdenken der alten Griechen das
Gesetzesrecht (zunächst ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v. C. der
Thesmos, dann ab dem Ende des 6. Jahrhunderts v. C., der neue Nomos)
bereits im 7. Jhd v. C. eine Rolle gespielt haben; das Gewohnheitsrecht
wurde dadurch – entgegen anderen Meinungen (insbesondere H. J. Wolff)
– keineswegs vollständig verdrängt und spielte in Griechenland bis zuletzt
eine nicht unwichtige Rolle. – Bei den Römern war
dies noch ausgeprägter, da diese mit der griechischen Idee des Gesetzes
nie allzu viel anzufangen vermochten. Sowohl ihre erste und eigentlich
ihre einzige Kodifikation – das Zwölf-Tafelgesetz – war griechisch
inspiriert, und erst recht das Gesetzgebungswerk Justinians. Das Gewohnheitsrecht
dominierte jedenfalls in Rom klar. | Gewohnheitsrecht
in der Rechtsgeschichte |
• „Daß im deutschen Recht das
Gewohnheitsrecht in allen in allen Zeitsbschnitten und Rechtsbereichen
praeter wie contra legem eine massgebliche Rolle spielt, muß kaum
betont werden. Auch die Rezeption vollzog sich so und er von der
Wissenschaft stark beeinflusste usus modernus Pandectarum passte
das übernommene Recht den Bedürfnissen an.” | |
• „Dasselbe gilt für die kirchliche Rechtsgeschichte.
So schon Puchta, der Vater des Gewohnheitsrechtes (2. Teil, 1837,
S. 264 ff). Nach Scherer (…) kann die Existenz kirchlichen Gewohnheitsrechtes
nicht geleugnet werden und gibt es auch eine consuetudo contra legem
zwar nicht gegen das göttliche, wohl aber gegen das positive menschliche
Recht. Nach Jacobsen (…) hat das Gewohnheitsrecht nach der Lehre
der Reformatoren große Bedeutung und geht auch vor Gesetzesrecht.” | |
• „Ein sehr erheblicher Teil des Völkerrechts besteht
aus Gewohnheitsrecht. Längere Zeit dauernde Übung mit Rechtsüberzeugung
wird als Voraussetzung anerkannt und ihm auch derogatorische Kraft
zugesprochen.” (Verdross …) | |
• „Das Verfassungsrecht beruht
in Ländern, die wie England keine geschriebene Verfassung besitzen,
auf Gewohnheitsrecht. Dass auch kodifizierte Verfassungen Platz
für Gewohnheitsrecht lassen, beweisen Dänemark und Norwegen. … Im
schweizerischen Recht besteht nach Lehre und Rechtsprechung ‚die
Eigentumsgewährleistung (als die Garantie eines Grundrechtes!) nicht
nur dort wo sie verfassungsrechtlich ausdrücklich anerkannt ist,
sondern auch kraft ungeschriebenen Rechtes.’ (Meier-Hayoz …) Für
die Lehre vom österr. Verfassungsrecht ist kennzeichnend, dass im
HB von Adamovich-Spanner … Ausführungen über das Gewohnheitsrecht
fehlen. …”. | |
• „Das Verwaltungsrecht spiegelt
die verschiedenen Anschauungen in ganzer Breite wider. Die ältere
österr. Lehre (Herrnritt, …) – in Übereinstimmung mit der älteren
deutschen Lehre – zweifelte nicht am Bestand des Gewohnheitsrechts
neben dem gesatzten Recht. …Die neue österr. Lehre lehnt dagegen
im Hinblick auf Art. 18/I B-VG. Gewohnheitsrecht als ursprüngliche
Rechtsquelle ab (Merkel,…; Antoniolli, …; Adamovich, …). Dagegen
vertritt die deutsche Verwaltungsrechtslehre überwiegend die gleiche
Kraft des Gewohnheitsrechts mit dem gesetzten Recht. Besonders eindrücklich
Forsthoff (…) …” | |
• „Für das Strafrecht spricht
eine Minderheit dem Gewohnheitsrecht jede Bedeutung ab; die konträre
Ansicht gibt ihm gleichen Rang mit dem Gesetz. So auch Rittler (…).
Nach der herrschenden Mittelmeinung kann es zwar strafgesetzliche
Tatbestände aufheben, nicht aber angesichts des Satzes nullum crimen
sine lege neue strafbare Tatbestände begründen …” | |
• „Für das österreichische Zivilprozessrecht vertreten
sowohl Pollak (…) wie Menger (…) – freilich mit abweichenden Begründungen
– ddie Ansicht, dass Gewohnheitsrecht als ebenbürtige Rechtsquelle
bestehe.” Sperl und Petschek-Stagel lehnen dies dagegen ab. (alle
Fundstellen: Gschnitzer, FGL 650 ff) | |
• Schließlich bringt Gschnitzer (FGL 660 ff)
Nachweise von Gewohnheitsrecht im österreichischen Privatrecht.
Er führt an: die Wald- und Wegefreiheit (inclusive Schwämmesuchen
und Beerensammeln); das Anerbenrecht sowie neue Rechtsbildungen;
vgl dazu aber insbesondere schon seine Ausführungen in FGL 465 ff:
„Schafft Gerichtsgebrauch Recht?” | |
Das oftmals totgesagte Gewohnheitsrecht beweist, wenngleich
in sich wandelnder Art und in unterschiedlichen Gebieten der Rechtsordnung,
seine Lebenskraft. Es steht zudem mit dem Gesetzesrecht in einem
funktionalen Wechselspiel; es bereitet Regeln vor, die von der Rechtsüberzeugung der
das Recht handhabenden Kreise geschaffen werden und es mindert seine
Bedeutung nicht, dass der Gesetzgeber dieses gewohnheitsrechtlich
vorgeformte Richter(gewohnheits)recht idF
immer wieder in das gesetzliche Recht aufnimmt. Das Gesetzesrecht
kann sich dann bereits auf eine anerkannte Praxis oder ein funktionierendes
Rechtsinstitut stützen, dessen legistische Inkorporation kein Risiko
mehr darstellt. So unlängst geschehen im Rahmen der deutschen Schuldrechtsreform 2002,
die bspw – die gewohnheitsrechtlich aufbereiteten und seit mehr
als 100 Jahren angewandten Rechtsinstitute – der Störung / des Wegfalls
der Geschäftsgrundlage und der cic ins dtBGB aufgenommen hat. –
Dieses Wechselspiel zwischen dem nicht hoch genug einzuschätzenden
Gesetzesrecht und dem nahe an den Erfordernissen und Entwicklungen
einer sich stets wandelnden Rechtspraxis angesiedelten Richter(gewohnheits)rechts,
sollte gefördert und keinesfalls zerstört werden. Auch für die am
Entstehen von Gewohnheitsrecht beteiligten Personenkreise macht
eine solche Aufgabenteilung die Arbeit interessanter, was ebenfalls
Bedeutung besitzt. – Mit Gschnitzers Schlusssatz in
seiner Juristentagsrede 1967 (FGL 669) will auch ich schließen,
zumal diese Aussage wohl auch noch für unsere Zukunft wichtig ist: | Was können wir
daraus lernen? |
„Es gibt noch Gewohnheitsrecht auf allen
Rechtsgebieten und es wird, ja es muß [wohl], immer Gewohnheitsrecht geben.” | |
Das Leugnen der Existenz von Gewohnheitsrecht ist – neben
der Auseinandersetzung um das Naturrecht – nach wie vor eine der
theoretischen Kampflinien des Rechtspositivismus. | |
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C. Auslegung von
Gesetzen und Rechtsgeschäften |
E. Gesetz-
und Sittenwidrigkeit |
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