University Logo

Diesem Anfang wohnt ein Zauber inne
(Predigt zum ersten Adventsonntag)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2012-12-14

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
Paragraph Icon

Predigt zum ersten Adventsonntag (1 Thess 3,12-4,2; Lk 21,25-28.34-38), gehalten am 2. Dezember 2012 in der Jesuitenkirche um 11 Uhr.
Nein! Vom Zauber keine Spur. Zumindest auf den ersten Blick nicht. Vielmehr scheint sich der Spuk in den Köpfen der Frommen durchgesetzt zu haben. Und dies nach der schlechtesten Hollywoodart: Horror im Großleinwandformat! Klingt doch das heutige Evangelium, die Frohbotschaft also, wie eine Drohbotschaft. Da ist von Angst die Rede und von Menschen, denen glatt die Spucke wegbleibt und auch die Luft ausgeht: weil sie mit den Nerven völlig am Ende sind, weil ihnen die Decke und nicht nur die Decke auf den Kopf fällt. Wird doch ihr ganzer Lebensraum zerstört. Soll das der Anfang sein, dem ein Zauber innewohnt? Soll das der Inbegriff des Advents sein, jenes Advents, mit dem alle Jahre wieder das neue Kirchenjahr eröffnet wird, mit dem also auch den Gläubigen mitten in der Routine des Alltags eine Zäsur gesetzt wird - liturgisch gesetzt - eine Zäsur und ein Neuanfang geschenkt?
„Jedem Anfang wohn ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben” - dichtete Hermann Hesse und brachte mit seinem Gedicht zuerst wohl weniger das Evangelium auf den Begriff, als vielmehr die Philosophie unserer Zeit. Einer Zeit, die vom Innovationsgeist geradezu besessen ist. Wir sind ja süchtig geworden nach dem was neu ist, können deswegen das Alte und das Vertraute nicht schnell genug wegwerfen. Auf der Jagd nach dem noch nie Dagewesenen, auf der Jagd nach dem neuen Anfang geht uns aber inzwischen die Puste aus. Der Ratschlag des Dichters in seinem Gedicht, man soll ständig neue Anfänge wagen, hört sich zwar nett an, ist aber alles andere als harmlos. „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten an keinem wie an einer Heimat hängen” das empfahl der Dichter in seinem Gedicht, verklärte damit eigentlich auch die Kultur der Unverbindlichkeit, die Kultur der Beschleunigung und der Inflation jener Anfänge, die halt immer mehr an Zauber einbüßen. Und eigentlich keine Neuanfänge sind. Nur noch Routine. Tausende und Abertausende von Werbemanagern zerbrechen sich tagtäglich die Köpfe auf der Suche nach neuen Bildern, neuen Slogans, neuen Strategien, die uns alen: den aufgeklärten und abgefuckten Zeitgenossen zumindest den Schein eines Neuanfangs versprechen, eines Anfangs allerdings, der kaum ergriffen schon wie eine Seifenblase zerplatzt. Eines Anfangs also, der uns weder beschützt, noch uns hilft zu leben. Weil die alten Schatten wieder da sind und wir vor Angst erstarren. Der Angst vor den alten Krankheiten, oder auch den neuen, der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, der Angst vor dem Zusammenbruch unseres Lebensraumes. „Mach dir keine Sorgen, Du kannst dir immerhin noch den Luxus leisten in neue Ländern aufzubrechen, oder neue Wellnessbäder zu besuchen, neue Weihnachtsmärkte, neue Shoppingszentren!” - unaufhörlich werden wir mit der aufgeilenden Frohbotschaft über die unzählige Neuanfänge, denen ein Zauber innewohnen soll berieselt, unaufhörlich stürzen wir uns in die Geschäftigkeit des Alltags, bedienen unsere Scht und suchen die Angst zu verdrängen, dass wir irgendwann kollabieren und resignieren.
Liebe Schwestern und Brüder! Was ist in dem uns heute treffenden Wort Gottes, was ist da die Beschreibung der Routine des Alltags und was die Botschaft des Advents? Was ist die Botschaft von jenem Anfang, dem wirklich ein Zauber innewohnt? Der Spuck von dem die Texte des Evangeliums sprechen, stellt nicht etwas dar, was man Offenbarung nennen möchte. Es ist die Beschreibung unseres Alltags, in dem wir - die Süchtigen - zunehmend blind werden für die Realität, blind für die wirklichen Notwendigkeiten, blind für Verhältnismäßigkeiten. Es ist die Beschreibung eines Alltags, in dem wir - gerade auf der Suche nach dem neuen Anfang - vom Morgen bis Abend auf Hochtouren laufen und ständig das Gefühl haben, dass uns die Luft ausgeht und wir deswegen immer und immer wieder von Angst gelähmt werden. Nein! Das sind nicht die Spuren des Advents, diese Worte von der Angst und vom Untergang. Die Spuren des Advents, von denen das Wort Gottes redet, die Spuren des Advents, denen auch ein Zauber innewohnt, diese Spuren finden wir eher dort, wo uns zugerufen wird: „Wenn all das geschieht”, wenn der Alltagsspuck euch einholt und euch zu übermannen droht, dann richtet euch auf!Faßt Mut! Geht nicht auf Tauchstation und steckt den Kopf nicht in den Sand, stürzt euch auch nicht in noch mehr Geschäftigkeit. Nein! Vielmehr werdet schwanger!
Ja, sie haben’s richtig gehört. Werden schwanger! Nur Schwangerschaft stellt einen echten Neubeginn dar. Werdet schwanger, empfängt also. Empfängt nicht ganz unähnlich wie Maria damals empfangen hat. Beda Venerabilis, einer der bedeutenden Gelehrten des lateinischen Mittelalters, sprach davon, dass Christus nicht nur damals in Nazareth empfangen wurde. Auch heute noch und bis ans Ende der Welt wird er empfangen und er wird auch geboren. In den Herzen jener, die diese Schwagerschaft zulassen. Advent wäre demnach so etwas wie die Zeit der Schwangerschaft. Advent und nur Advent stellt jenen Anfang dar, dem ein Zauber innewohnt, denn gerade in dieser Zeit wächst etwas Neues in uns. Das ist nicht der Bauchumfang, und auch nicht der Akoholspiegel und schon gar nicht der Bluthochdruck. Das Neue, dieser Anfang, dem ein Zauber innewohnt, ist von ganz anderer Qualität. Paulus spricht da vom „Wachstum der Liebe”, einem Wachstum, das nicht wir und schon gar nicht unsere Geschäftigkeit zu verantworten haben, sondern Gott selber. Gott selber, der ja die Liebe ist. Das ist auch der Grund, warum wir, warum die Gläubigen, die wir im Advent auch hier sitzen, anstatt uns nur zu glühweinen, warum wir als adventliche Menschen Mut fassen sollen und uns auch aufrichten sollen. Denn: wir alle - jeder einzelne von uns - werden im Advent zu einem Ort an dem die Menschwerdung Gottes beginnt.
Advent steht eben für jenen Anfang da, an dem die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen im mir selber Gestalt gewinnt und mich deswegen über meine engen Grenzen hinaus wachsen lässt, mir einen neuen Horizont schenkt, mich also verändert. Ähnlich verändert, wie das Verliebtsein eines Menschen den anderen Menschen, dem diese Liebe gilt, auch verändert. Advent steht für jenen Anfang, an dem die Sehnsucht Gottes nach dem Menschen bei mir selber auch ankommt, mir damit auch jenen Anfang schenkt, der mich beschützt und mir hilft zu leben, auch oder gerade dann, wenn ich mit den Nerven völlig am Ende bin und mir auch die Decke auf den Kopf fällt. Der in mir menschwerdende Gott beschützt mich und hilft mir zu leben. So wie das werdende Leben im Schoss der Mutter diese Mutter beschützt!
Ja, liebe Schwestern und Brüder, Advent ist so etwas wie die Zeit der Schwangerschaft, die Zeit, in der wir - ganz gleich wie armselig wir sind - mit Gott schwanger werden können, wenn wir diese Schwangerschaft nicht verhindert. Kalhil Gibran hat in seinem Buch: „Der Prophet” eine wunderschöne Metapher. Wie nimmt ein Mensch, der seinen Rücken der Sohne gekehrt hat, wie nimmt er diese Sonne noch wahr? Als Ursache des Schattens, als Quelle der Dunkelheit, die sich vor ihm ausbreitet. Wie nehmen jene Frauen das in ihnen werdende Leben, das sie ablehnen? Als Ursache ihrer Schwierigkeiten. Nur die Annahme dessen, was Wirklichkeit geworden ist, vermag den Horizont des Lebens zu sprengen und den Anfang, der gesetzt wurde als große Chance zu sehen. Advent ist so etwas, wie die Zeit der Schwangerschaft, die Zeit in der wir den Zauber, der diesem Anfang innewohnt auch auszukosten lernen dürfen.
Und ich finde es schön, dass Matthias, unser Musiker uns heute lehrt an der Dynamik der Sehnsucht Gottes, die heute bei uns ankommt und mich zum Ort der Menschwerdung Gottes werden lasst, dass er uns lehrt daran Freude zu haben. Weil er und wenn er samt seiner SängerInnen und MusikerInnen die Bachkantate zur Aufführung bringt. Eine Kantate, die von der Lust Christi an mir zu singen weiß: „Seine Lust an mir zu sehen, dass ich seine Wohnung werde. O wie selig werd ich sein. ... Singet, springet, jubilieret, triumphieret!” - werden wir heut von den MusikerInnen aufgefordert. Denn: diesem Anfang wohn ein Zauber inne. Weil die Kirche den Beginn der Menschwerdung Gottes im menschlichen Herzen feiert, kann sie, können wir, die wir ja Kirche sind, einander zurufen: Deine Erlösung ist nahe. Richte Dich auf! Fasst Mut! Schaut hie Welt mit veränderten Augen an! Lernt von schwangeren Frauen, die gerade, weil sie ein neues Leben in sich tragen, die ganze Welt mit veränderten Augen sehen und das Gefühl haben, dass sich die ganze Welt mit ihnen freut. Und sie tut es wirklich. Diese unsere kommerzialisiere Welt! Diesem Anfang, den wir heute feiern, wohnt ja ein Zauber inne, und dies nicht nur deswegen, weil der Handel und der Tourismus diese Tage fest im Griff haben. Nein. Die Welt freut sich weil sie einen Grund hat, weil etwas einmaliges, etwas unwiederholbares geschehen ist und immer wieder neu geschieht. Gottes Sehnsucht nach dem Menschen nahm konkrete Gestalt an in der Menschwerdung Gottes damals und sie nimmt konkrete Gestalt an in der Menschwerdung Gottes im Herzen eines jeden von uns. Die Liebe wächst ja in uns, sichter uns Paulus zu. Sie wächst, weil wir mit Liebe schwanger geworden sind. Die Adventszeit macht uns dieses Wunder nur bewusst. Der Advent kündet nur dieses Wunder der ganzen Welt an.
Das hat der Engel, der unterhalb der Orgel über unseren Kirchenraum schwebt, gut verstanden, ist deswegen hinunter geflogen, hat Platz genommen auf einem Blatt Papier. Dort breitet er seine Hände aus und kündet auch von einem kleinen Anfang, dem aber auch ein Zauber innewohnt. Liebe Schwestern und Brüder, wir alle sind auch Kinder dieser Welt, wir alle lernen auch von der Logik der modernen Werbung. Wir alle wissen, dass wir uns auch der Mechanismen dieser Welt bedienen müssen, wenn wir die Botschaft von der Menschwerdung Gottes in einem jeden Menschen in unserer Welt verkünden wollen und diese Botschaft auch in dieser Welt feiern wollen. Deswegen hat uns dieser Engel die Idee nahegelegt, wir könnten einen Verein gründen: „KlangRaum” soll sein Name sein. Ein Verein zur Förderung der Kunst an der Jesuitenkirche (siehe: http://www.jesuitenkirche-innsbruck.at/?klangraum). Damit - und das ist das erste Ziel - die gottesdienstliche Kultur in diesem Raum noch klangvoller wird (der Engel sprach da etwas von den himmlischen Chören, sind och in dieser Kirche so viele Engeln da: oben und auch unten in den Kirchenbänken). Der Verein soll das was an dieser Kirche schon ansatzweise geschieht, unterstützend entfalten, damit dieser Raum ein atemberaubender Raum werde. Ein gottesdienstlicher Raum von bester Qualität. Wenn Sie, liebe Schwerstern und Brüder an diesem Anfang Anteil haben wollen, dann laden wir sie ein, dem Verein beizutreten. Wie gesagt: am heutigen Sonntag startet der Verein seine Arbeit. Das ist aber nur der kleine Anfang. Der große Anfang, jener Anfang, dem der eigentliche Zauber innewohnt, das ist die Menschwerdung Gottes in einem jedem von uns. Deswegen: Fasst Mut und Richtet Euch auf! Vor allem habt keine Angst. Unsere Erlösung ist nahe. Denn niemand kann uns von der Liebe Christi trennen. Sie lebt ja in uns!

© Universität Innsbruck - Alle Rechte vorbehalten
Webredaktion | Impressum

Powered by XIMS