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Ein Damaskuserlebnis für alle?

Autor:Repschinski Boris
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:Jesuiten - Mitteilungen der österreichischen Jesuiten 2012/1, S. 14-15.
Datum:2012-09-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Donner und Blitz, die Erscheinung des Auferstandenen, und schließlich ein Paulus, der vom Christenverfolger zum größten Apostel und Missionar der Geschichte des Christentums wird: Dies ist das Bild, das wir von der Gotteserfahrung des Paulus haben, das Erlebnis auf der Straße nach Damaskus. Auch Paulus selbst kommt immer wieder auf dieses Ereignis zu sprechen. Als die korinthische Gemeinde seine apostolische Berufung anzweifelt, ruft er ihnen zu: „Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?” (1 Kor 9,1). Und den Galatern schreibt er: „Ich habe das Evangelium nämlich weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi” (Gal 1,12). Seinen geliebten Philippern berichtet er, wie diese Bekehrung vor Damaskus sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat: „Ja wirklich, ich halte alles für Unrat um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe” (Phil 3,8).

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Doch das Bild des erfolgreichen Missionars in Asien und Griechenland trügt. Paulus musste zu seinen Lebzeiten erleben, wie sich einige der von ihm gegründeten Gemeinden von ihm abwandten. Die Galater trauten seiner Predigt vom Christus, „der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20), nicht mehr und wandten sich von ihm ab. Die Beziehung zu den Korinthern war besonders schmerzhaft, und selbst bei den von Paulus so geschätzten Philippern gibt es wohl einige, die daran zweifeln, dass die Predigt des Paulus wirklich göttlichen Ursprungs ist.

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Paulus muss sich mit diesen Konflikten auseinandersetzen, und er tut dies auf eine sehr persönliche Weise. Als die „unvernünftigen Galater“ (Gal 3,1.3) sich von der ursprünglichen Verkündigung abwenden, will Paulus sie mit vielen Gründen überzeugen. Dabei fällt auf, dass er zunächst viel von sich selbst und seiner Lebenserfahrung erzählt. Paulus blickt auf das eigene Leben, auf seine Karriere als treuer Jude und Christenverfolger, auf das Damaskuserlebnis, aber auch auf seine Erfahrungen als christlicher Prediger, manchmal auch in Auseinandersetzung mit anderen Missionaren. In diesen Passagen (Gal 1,10–2,16) durchlebt er noch einmal alle Höhen und Tiefen seines missionarischen Wirkens. Und immer wieder entdeckt Paulus, dass sein Leben eigentlich nur dann verständlich ist, wenn er es aus der Gnade eines liebenden und sich selbst aufopfernden Gottes verstanden wird.

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Letztlich ist dies der Kern paulinischer Spiritualität: Gott liebt uns, und er gibt sich selbst für uns hin. In immer neuen Variationen taucht dieses Thema auf, sei es im berühmten Philipperhymnus, der von der Entäußerung Gottes in Jesus spricht Phil 2,6–11), oder in der Meditation über die Liebe (1Kor 13), oder auch in der Einsicht, dass Gottes Geist unserer Schwachheit immer wieder aufhilft und für uns eintritt (Röm 8,26). Am schönsten formuliert es Paulus vielleicht, wenn er schreibt: „Denn der Gott, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll Licht aufstrahlen, er ist es, der es hat aufstrahlen lassen in unseren Herzen, so dass die Erkenntnis aufleuchtet, die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben diesen Schatz aber in irdenen Gefässen, damit die Überfülle der Kraft Gott gehört und nicht von uns stammt“ (2Kor 4,6–7). Gott erhellt die Finsternis unserer Herzen mit seiner Gegenwart, er scheut sich nicht, bei uns Wohnung zu nehmen.

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Paulus weiß, dass sein Damaskuserlebnis etwas Besonderes ist. Doch die Spiritualität, die daraus erwächst, hält er auch für tragfähig, in Gemeinschaft gelebt zu werden. Eine Gemeinde muss so leben, dass sichtbar wird, wie stark sie von der Gegenwart Gottes beseelt ist. So bemüht Paulus gelegentlich das Bild des Leibes, dessen Glieder verschiedene Aufgaben wahrnehmen. Aber es geht nicht um irgendeinen Leib: Die Gemeinde ist der Leib Christi, den sie in der Eucharistie feiert (1Kor 12,27). In ihr wird sichtbar, wie sehr Gott uns liebt und sich für uns hingibt.

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