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Der gläubige Thomas
(Predigt zum 2. Ostersonntag)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Entgegen dem allgemeinen, von Caravaggio unübertroffen dargestellten, Bild vom un-gläubigen Thomas, kann man die Glaubenserfahrung dieses Apostels als vorbildlich gerade für heutige Menschen sehen.
Publiziert in:# Predigt zum 2. Ostersonntag: (1. Lesung Apg 2,42-47), 2. Lesung 1 Petr 1,3-9; Evangelium: Joh 20,19-31.
Datum:2001-10-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Das heutige Evangelium ist sehr anregend gewesen für Volksfrömmigkeit und Kunst: man spricht vom "ungläubigen Thomas" und in der Malerei wurde gerne dargestellt, wie Thomas die Wunden Jesu untersucht. In einem sehr realistischen Bild des Malers Caravaggio sieht man, wie Thomas buchstäblich mit seinem Zeigefinger in der Seitenwunde Jesu herumbohrt, so dass man fast meinen möchte, das hätte noch einmal weh tun müssen:

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Das Seltsame dabei ist, dass das Evangelium nichts davon schreibt, dass Thomas seine Ankündigung wahr gemacht hat, und die Wunden Jesu handgreiflich untersucht hätte. Die Bibel scheut sich sonst nicht, bestimmte Formulierungen bis zum Überdruss zu wiederholen, wenn sie betonen will, dass etwas genau so geschah, wie es vorher erwartet wurde. Hier aber beschreibt sie zwar, wie Thomas seine Forderung aufstellte, auch wie Jesus ihm anbietet, er solle es doch so machen. Doch dann folgt nicht die Beschreibung, wie Thomas akribisch die Wunden des Auferstandenen untersucht, sondern es folgt das Bekenntnis: "Mein Herr und mein Gott" - das einzige Mal in allen vier Evangelien, dass Jesus direkt als Gott angeredet wird. Und das ausgerechnet von dem sogenannten "ungläubigen Thomas"! Was aber könnte das Johannesevangelium mit dieser Geschichte sagen wollen, wenn wir einmal zur Abwechslung annehmen, es gehe ihm nicht darum, zu betonen, dass Thomas die Wunden Jesu untersucht hat?

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Sicher geht es darum, auf welche Weise Menschen zum Glauben kommen. "Der Glaube kommt vom Hören", so sagt man oft und so scheint es auch die Geschichte mit Thomas nahezulegen. Gerade uns heute, die wir Jesus nicht auf Erden direkt begegnen können, uns müsse das genügen. Dieser Weg zum Glauben fällt uns jedoch oft recht schwer. Wir fragen dann nach einer Bestätigung, nach Indizien, die unseren Glauben plausibler machen und die uns gegen unsere Zweifel helfen. Wenn ich Zweifel sage, denke ich an die Art von Zweifel, die sich insgeheim und von uns selber unbemerkt in unser Herz schleicht und uns etwa so fragen lässt: "Ist Gott wirklich gut? Liebt er mich wirklich? Wie kann es sein, dass er mich führt und beschützt, wenn es doch in meinem Leben so drunter und drüber geht, wenn es immer wieder Situationen gibt, wo ich am Ende bin?" Gerade, wenn wir zweifeln an der Güte Gottes, an seiner Barmherzigkeit, daran, dass er jeden und jede von uns in ihrer Eigenart liebt und schätzt, dann genügen uns Worte, dass es doch so ist, genügen uns die weisen Lehren anderer überhaupt nicht.

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Dann möchten wir selber die Bedingungen festsetzen, unter denen wir wieder glauben können. Wir wollen es erfahren, dass Gott für uns ist. Wir wollen es nicht nur hören, wir wollen es spüren. Und wir stellen Bedingungen auf, was wir als eine solche Erfahrung gelten lassen: "wenn mir dies gelingt, dann glaube ich wieder; wenn ich diese Aufgabe meistere oder jenen Menschen für mich gewinne, wenn ich aus diesem Schlamassel wieder herauskomme, dann spüre ich, dass Gott für mich ist" - so stellen wir die Bedingungen dafür auf, was wir als Gotteserfahrung anerkennen.

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Auch dem Thomas hat es nicht genügt, dass ihm die anderen nur erzählt haben vom Auferstanden; auch er wollte die Erfahrung, die sie gemacht hatten selber machen; und, er wollte selber die Bedingungen für die Erfahrung aufstellen: "wenn ich nicht ..., dann glaube ich nicht."

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Wie hat Jesus darauf reagiert? Wir haben es gerade gehört, dass Thomas sehr wohl die selbe Erfahrung machen durfte wie vorher die anderen Jünger: er hat Jesus gesehen. Jesus ist ihm genauso erschienen wie den anderen. Mehr noch: er forderte ihn sogar dazu auf, jetzt seine Kriterien, die er vorher aufgestellt hatte, auch einzufordern, den Test zu machen.

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Da aber geschieht das Seltsame: Thomas ist allein von der Erfahrung Jesu schon so überwältigt, dass es nun unsinnig wäre, den Test zu machen. Er macht die Erfahrung des Auferstandenen auch ohne Test so intensiv, dass er das höchste Bekenntnis zu Jesus ablegt.

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Sein Wunsch, nicht nur aufgrund des Wortes, sondern auch aufgrund einer Erfahrung zu glauben, wurde erfüllt. Sein Programm, selber die Bedingungen für diese Erfahrung aufzustellen, wurde für nichtig erklärt - nicht durch ein Machtwort, sondern einfach dadurch, dass es aufgrund der Erfahrung selber überflüssig, überholt und nutzlos wurde.

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Und ich denke, das darf auch für uns gelten. Der Glaube kommt nicht nur vom Hören. Worte, die von keiner Erfahrung bestätigt und gedeutet werden, sind viel zu wenig. Gott weiß das, und ich denke, er erkennt das auch an. Aber: Wie diese Erfahrung ausschauen soll, das müssen wir ihm überlassen, da können nicht wir die Regeln aufstellen.

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Der wesentliche Unterschied zwischen Thomas und uns ist wohl nicht der, dass er seinen Test machte und wir das nicht können. Der wesentliche Unterschied ist der, dass er, obwohl Jesus ihm anbot, den Test zu machen, einsah, wie überflüssig so ein Test ist; dass er klar erkannte, wie die Erfahrung, die er vom Auferstandenen machte, völlig ausreichte.

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Ich denke, das fehlt uns oft: Vor lauter Fixierung auf die Bedingungen, die wir aufgestellt haben, merken wir nicht, wo Jesus schon lange da ist in unserem Leben. Es wäre schön, wenn wir da so gläubig werden könnten, wie der "ungläubige Thomas".

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Ich möchte uns also heute dazu einladen, dass wir uns ein Beispiel an Thomas nehmen: Geben wir nicht auf, auf eine Erfahrung der Güte und Liebe Gottes zu hoffen. Sie wird nicht so sein wie die des Thomas oder die der Jünger, aber sie wird mehr sein als die bloße Erzählung, wie es anderen früher einmal ergangen ist. Sie wird in der Gegenwart sein und uns persönlich betreffen. Und: Sie wird nicht so sein, wie wir uns das gedacht haben. Lernen wir von Thomas, Distanz zu gewinnen zu den Bedingungen, die wir dafür nur zu gern aufstellen. Seien wir offen dafür, dass Gott uns diese Erfahrung schenkt, wann und wie er es will. Sie wird so ausreichen und Tests überflüssig machen.

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