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Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
(Predigt in der Jesuitenkirche, 15.8.2008)

Autor:Siebenrock Roman
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2008-08-21

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Am 1. November des Jahres 1950 verkündete Papst Pius XII. in feierlicher Form, was seit vielen Jahrhunderten im christlichen Glaubensbewusstsein gereift, in der bildnerischen Kunst der Ost- und Westkirche vielfach dargestellt und in der Musik hymnisch gefeiert worden ist: Die Aufnahme der Mutter Gottes, der Mutter Jesu Christi, unseres Bruders und Erlösers, in den Himmel; - und zwar mit Leib und Seele. Was die Kirche in enthusiastischer Form formell verkündet, drückt immer unsere christliche Hoffnung für alle aus. Weil sich die christliche Hoffnung prinzipielle auf alle bezieht, kann sie nie ihren letzten Grund in uns selbst, sondern allein in Gott finden. Dieses Dogma ist daher wie ein Kompass auf unserem Pilgerweg durch die Zeit, als einzelne und als Gemeinschaft aller Glaubenden, ja auch der ganzen Menschheit. Die Glaubensaussage von der Aufnahme Mariens in den Himmel bringt in menschlicher, endlicher und schuldbedrohter Sprache zum Ausdruck, was Gottes Heilswille für alle eröffnet und bereits verwirklicht hat. Deshalb kann sie uns auch eine Antwort auf die Urfrage unserer menschlichen Existenz geben: Woher komme ich, wohin gehe ich, wer bin ich?

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Das Zweite Vatikanische Konzil hat Maria als die eschatologische, endzeitliche Gestalt der Hoffnung uns vor Augen gestellt. An ihr wird erkennbar, wohin die Reise unseres Lebens geht. Wenn immer die Kirche daher im Dogma Gott preist und bekennt, sagt sie mehr als sie aktuell wissen und in der Sprache von uns Sündern ausdrücken kann. So werden auch wir heute in dieser festlichen Stunde eingeladen, das eine Geheimnis der Gnade Gottes, seiner Gegenwart in Jesus Christus, so in uns Wirklichkeit werden zu lassen, dass es uns erhebt, verändert und neu auf das Ziel unseres Lebens und allen Fleisches ausrichtet. Denn in einem Fest geschieht stets eine Unterbrechung des Alltags, kann sich eine Aufhebung der Zeit ereignen; und vielleicht erfahren sogar wir in diesen festlichen Stunden den Einbruch der Ewigkeit, sehen wir einen Strahl des Himmels. Der Barock wollte mit seiner ganzen Emphase und Theatralik den Himmel eröffnen.

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Vier Zugänge eröffnet uns dieses Fest zu seiner Mitte.

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  • Die Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele ist das Fest vom ewigen Wert und der bleibenden Würde des ganzen Menschen, aus Fleisch und Blut.
  • Die Erinnerung an die Entschlafung Mariens ist das gefährliche Fest der Alternative Gottes zu unseren Wertvorstellungen.
  • Der hohe Frauentag ist das Fest von der besonderen Würde der Frau.
  • Mariä Himmelfahrt ist schließlich das das Fest einer universalen Hoffnung.
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Die Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele ist das Fest vom ewigen Wert und der bleibenden Würde des ganzen Menschen, aus Fleisch und Blut. Es ist der Lobpreis der Endlichkeit, Gottes Freude über die Schöpfung. Sie kennen das beliebte Fragespiel: Wie viel kostet denn ein Mensch? Ein paar Euro, denn wir bestehen ja vorrangig aus Wasser. Staub sind wir. Nichts angesichts der Unendlichkeiten des Universums. Ein paar hundert bis ein paar Tausend Euros werden ja auf dem Markt für bestimmte Organe bezahlt. Und manche Substanzen in unserem Körper können noch viel höhere Preise erzielen. Weil wir es für so selbstverständlich halten, alles in Geld umzurechnen (und das Geld spielt ja auch in diesen Festwochen seine nicht unbedeutende Rolle), ermahnt uns dieses Fest, dass wir dieses nützliche Tauschmittel nicht zum Maßstab für alles machen dürfen. Denn damit wäre es zu Ende mit der Rede von der Würde des Menschen.

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Inmitten eines Jahrhunderts, das wie kein anderes der Weltgeschichte, ein Jahrhundert des Todes, der Vernichtung von Menschen und der Zerstörung ihrer Würde war, wurde dieses Fest von Papst Pius XII. in das Gedächtnis der Kirche und damit der Menschheit eingemerkt. Denn was kosteten die Millionen Toten der beiden Weltkriege, was die Millionen, die verbrannt, verscharrt, noch vor der Geburt vernichtet oder durch die Ungerechtigkeiten unserer Strukturen getötet wurden und werden? Das heutige Fest erinnert uns daran, dass die Würde des Menschen nicht in einem Geldwert errechnet werden kann; sondern allein in der Frage aufgeht: Für wen bin ich wertvoll, wer ist mir wertvoll? Wer sagt JA zu mir, zu uns? An diesem Festtag danken wir Gott und loben ihn, weil er treu zu seiner Schöpfung steht, weil er alle Geschöpfe in seiner Liebe bewahrt und sie in ihr Herz geschrieben hat. Das Urwort des christlichen Glaubens lautet: JA! Die Marienfrömmigkeit war immer kosmisch, immer unbändig in ihrer Bejahung der Welt. Gott hat diese Frau erwählt als Mutter seines Sohnes. So sind auch wir erwählt durch unsere bloße Existenz und durch unsere Taufe. Und jede Person, die Gott durch seine Erwählung ins Herz geschrieben hat, bewahrt er in alle Ewigkeit. Die unbedingte Würde des Menschen hängt daher nicht an unseren Leistungen, sondern daran, dass Gott selbst uns unbedingt bejaht. Gott hat uns zuerst geliebt.

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Daher ist die heutige Erinnerung an die Entschlafung Mariens das gefährliche Fest der Alternative Gottes zu unseren Wertvorstellungen. Wir können dieses Fest nicht feiern ohne von uns und allen unseren Mitmenschen und Mitgeschöpfen hoch zu denken und sie in unseren Begegnungen anzuerkennen. Wir können dieses Fest aber auch nur feiern mit offenen Augen zur Leidensgeschichte der Menschheit und der Schöpfung. Zwar sind wir Existenzen, die über das Nichts gehalten sind - gefährdet und gefährlich -; und wir wissen, welche grausigen Experimente der europäische Nihilismus bis heute anzettelt. Aus diesem Todesbewusstsein, aus dieser Nichtigkeitserfahrung erwächst aber auch die große Kunst, in der sich die Humanität gegen die Bestie und die Verzweiflung in uns kehrt. Jeder Ton dieser schönen Musik, die wir in dieser Stunde und in diesen Tagen hören, sehnt sich nach Ewigkeit; - aber nicht nur der Ton, auch alle Geschöpfe, alle Mitmenschen. Daher ruft uns dieses Fest in die große Verwandlung. Es will uns dazu bekehren, alle unsere Mitmenschen, die Nachbarin neben mir, den Bettler am Wegesrand, die Alten, Kranken, vor allem jene, die wir innerlich bereits abgeschrieben haben, in jener Würde zu begegnen, die das heutige Fest gerade ihnen zuschreibt: Er erhöht die Niedrigen und stürzt die Mächtigen vom Thron, er lässt die Stolzen leer ausgehen: so sang das Mädchen aus Nazareth. Und bedenken wir: von diesem Mädchen (wie von unzähligen anderen) hat die sogenannte Weltgeschichte damals keine Notiz genommen. Gott aber vergißt niemanden.

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Der heutige hohe Frauentag ist das Fest von der besonderen Würde der Frau. Gott hat sich in seinem Wort dieser Frau anvertraut, dem Ja eines einfachen Mädchens, dem schwächsten und kleinsten aller möglichen menschlichen Worte. Er hat sich uns Menschen ausgesetzt. Und gerade in diesem scheinbar so schwachen Ja der begnadeten Freiheit dieser jungen Frau aus Galiläa feiern wir die geschichtliche Konkretheit der absoluten Nähe Gottes zu uns in Jesus Christus. In diesem Fest erkennen wir aber auch die besondere Nähe dieser Frau zu Gott. Gott hat keine Berührungsängste. Er fürchtet nicht um seine Souveränität und Einzigartigkeit durch die Nähe zu uns; und die Nähe Mariens und aller Heiligen zu ihm. Gottes Wesen der Liebe ist eine Identität wechselseitiger Hingabe: und in diesen göttlichen Dynamismus hinein hat er, so der Lobpreis dieses Festes, diesen Menschen - und damit uns alle - hineingenommen. Gottes Größe lebt nicht vom Ausschluss, sondern in einer alles umfassenden Beziehung der Liebe. Wir müssen nicht klein werden, um Gott groß sein zu lassen. Heute feiern wir das Fest der Erhebung dieser Frau. Daher ist es für unsere Kirche immer auch ein gefährliches Fest. Jedes Fest zeigt uns, dass wir in zeitlicher Gestalt und Stunde nicht jener Hoffnung entsprechen, die uns der Glaube eröffnet. Der wahren Kirche Jesu Christi ist immer Wandlung zugemutet. Im Horizont dieses Festes bin ich der festen Überzeugung, dass die angemessene Stellung der Frau in unserer Kirche noch nicht verwirklicht ist.

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Mariä Himmelfahrt ist schließlich das das Fest einer universalen Hoffnung. Gottes geschichtliche Erwählung ist immer konkret. Daher trifft sein Wort immer einzelne Menschen, in all ihren Ambivalenzen und Abgründen: Abraham, Ignatius - Maria, - aber auch mich und Sie hier und heute. Gottes besondere Erwählung schließt aber immer eine Sendung für alle ein. Schon im ersten Erwählungswort der Heiligen Schrift ruft der Herr Abraham (und darin uns heute) zu: Ein Segen sollst Du sein - für alle Geschlechter der Erde (Gen 12, 2.3.). Das Evangelium nach Lukas, das ja immer das marianische genannt worden ist, spricht von der Menschenfreundlichkeit Gottes. Das heutige Fest eröffnet uns eine Ahnung von der Passion Gottes, von der Leidenschaft seiner Menschenfreundlichkeit, die dem verlorenen Schaf nachgeht, auf den Sohn wartet und den Mördern noch am Kreuz vergibt. Gerade die Marienfrömmigkeit hat im Bild vom Schutzmantel in jenen Zeiten, in denen diese Liebe Gottes durch unsere Ängste und Gottesverzerrungen bis zur Unkenntlichkeit verstellt worden ist, die Erinnerung an die Barmherzigkeit Gottes bewahrt. Wenn wir am Ende dieser Eucharistiefeier das Alte Innsbrucker Marienlíed anstimmen, das wohl in der Begegnung mit der Bildnis „Unserer lieben Frau von Foja", das dort in der Seitenkapelle steht, dann mögen wir ganz bewusst die Strophen hören und singen. Der Mantel Mariens, das Ursymbol der Barmherzigkeit Gottes, deckt nicht nur die Katholiken, nicht nur die Christen, er deckt die weite Welt; - und weil das zu wenig ist, hat der Dichter es verdoppelt: die weite, weite Welt. Inmitten der Katastrophe des 30-jährigen Krieges ein solches Lied! Das Lob dieser Hoffnung entspringt daher offenen Augen zur Leidensgeschichte der Menschheit, die Maria in ihrem eigenen Leben erfahren hat. Sie ist nicht nur himmlische Königin und die Mutter der Barmherzigkeit, sondern jene Frau, durch deren Herz ein Schwert gedrungen ist. Doch in allen Darstellungen Mariens, in allen Wallfahrtsorten sehen wir nicht ein Bild der Rache und der Vergeltung, sondern ein Bild der Hoffnung und der Seligkeit, das uns mitteilt, dass Christus die Gewaltlogik dieser Welt überwunden hat. Wir feiern heute daher das Fest der Hoffnung auf die Vollendung und Erlösung der ganzen Schöpfung, das Fest der Überwindung der Rache, ein Fest der Freude der Niedrigen, Trauernden, Demütigen.

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Ich möchte Sie einladen, sich einmal die Zeit zu nehmen vor dem Bild der Mutter der Barmherzigkeit hier in unserer Seitenkapelle zu verweilen. Ich empfinde vor diesem Bild eine tiefe Bewegung und Beunruhigung: „Lass Dich verwandeln, blick über Dich hinaus, glaube, hoffe und liebe. Schließe niemanden aus. Der Weg des Glaubens trägt. Auch Du wirst ankommen."

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Ja, so hoffe ich, Amen

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