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Transzendentale Metaphysik
(Ein Überblick zur ersten Orientierung)

Autor:Kanzian Christian
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2005-07-05

Inhalt

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1. Einführung - Historischer Hintergrund

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Mitunter findet man für die Philosophie der Transzendentalen Metaphysik auch die Bezeichnung „Innsbrucker Schule“. Dies ist vor allem dadurch motiviert, dass tatsächlich eine Gruppe der bedeutendsten Vertreter dieser Richtung, etwa Karl Rahner SJ (1904-1984), Emerich Coreth SJ (*1919) und Otto Muck SJ (*1928) zumindest teilweise an der Theologischen Fakultät in Innsbruck gewirkt haben und immer noch wirken. Dennoch ist das Etikett „Innsbrucker Schule“ problematisch, ja irreführend. Das zeigt sich bereits daran, dass es in Innsbruck auch philosophische Schulen gibt, die sich unabhängig von Transzendentaler Metaphysik entwickelt haben. Vor allem aber ist zu beachten, dass es auch außerhalb Innsbrucks bedeutende Vertreter der Transzendentalen Metaphysik gibt, zum Beispiel, um hier nur einen zu nennen, Johannes B. Lotz SJ (1903-1992) (1) . Außerdem sind die vielfältigen historischen Wurzeln der Transzendentalen Metaphysik überwiegend außerhalb Österreichs zu finden. Sie liegen in jener richtungweisenden Verbindung zwischen scholastischer Metaphysik und Transzendentalphilosophie in der Tradition Kants, wie sie durch den belgischen Jesuiten Joseph Maréchal (1878-1944) in seinem fünfbändigen Werk Le point de départ de la métaphysique (Paris und Brüssel 1922ff) systematisch dargelegt worden ist. Bevor hier auf Maréchal selbst eingegangen wird, sollen der weitere historische Hintergrund und somit auch die Motivation des Entstehens Transzendentaler Metaphysik skizziert werden.

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Die Scholastik, verstanden als philosophisch-theologische Schulwissenschaft in der aristotelisch-thomasischen Tradition, hat nicht nur die Geistigkeit des Mittelalters, sondern auch die Geschichte neuzeitlichen Denkens entscheidend geprägt. Als einer der bedeutendsten Autoren ist hier Francisco Suarez SJ (1548-1617) zu nennen, dessen Epigonen die sogenannte Neu-Scholastik bis hinein ins 18. Jahrhundert nachhaltig bestimmten. Im Deutschen Sprachraum jedenfalls solange, bis sie durch die Schulphilosophie Leibniz-Wolffscher Prägung, wenn schon nicht überwunden, so doch im Sinne rationalistischer Vorgaben umgeformt wurde. Insgesamt kann man allerdings feststellen, dass scholastisches Denken über die Jahrhunderte hinweg, vor allem in seine rationalistische Neugestaltung hinein, einiges an Kraft verloren hatte. Namhafte Philosophiehistoriker unterschiedlicher Provenienz sprechen davon, dass die Scholastik keine originellen Weiterentwicklungen gefunden hat, und somit nicht mehr in der Lage war, die neuen Herausforderungen des Geisteslebens des 18. bzw. 19. Jahrhunderts kreativ zu bewältigen (2) . Da die Metaphysik als philosophischer Disziplin eng mit dem Fortgang scholastischen Denkens verknüpft war, kann man sich vorstellen, dass es um sie nicht gut bestellt war. Dies sollte umso dramatischere Folgen haben, als ihr durch Kant, zumindest aus dem Blickwinkel der damaligen scholastischen Philosophie, ein schwerwiegender Gegner erwuchs. Transzendentalphilosophie, wie Kant sie entwarf, und metaphysisches Denken, wurde zunächst als unversöhnliches Gegensatzpaar verstanden. Das ging soweit, dass Kant bald auf den „index prohibitorum librorum“ erschien und es zum Standardrepertoire eines katholischen Gelehrten gehörte, eine Entgegnung auf Kant zu verfassen. Dadurch aber geriet das katholische Denken im 18., v.a. aber auch im 19. Jahrhundert in eine prekäre Situation. Der Gegnerschaft Kants war sie nicht gewachsen und ihre eigenen Möglichkeiten waren beschränkt. Besonders verheerend für die katholische Philosophie war es, dass sie durch die Abschottung von der Kantischen Transzendentalphilosophie und der Stagnation der Entwicklung eigenen, sprich metaphysischen Denkens, in immer stärkere Isolation geriet, deren Auswirkungen ich hier nicht weiter verfolgen muss.

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Worum es mir hier geht ist es anzudeuten, wie wichtig es war, aus dieser Isolation auszubrechen. Doch wie konnte das geschehen? Der einzige Weg, und das wurde einigen Vertretern der scholastischen Philosophie bald klar, ist der Versuch eines Brückenschlages, und zwar zwischen der traditionellen Metaphysik scholastischer Prägung und der neuen, damals so einflussreichen und kraftvollen Philosophie, nämlich der Transzendentalphilosophie. Vorarbeiten gab es viele (3) . Gelungen ist dieser Brückenschlag zuerst aber dem bereits erwähnten Joseph Maréchal SJ.

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Und so soll im Folgenden dargestellt werden, wie diese, für damalige Zeit durchaus revolutionäre Verbindung von Metaphysik und Transzendentalphilosophie bei Maréchal durchgeführt ist.

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2. Joseph Maréchal SJ (1870 - 1944)

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Um Maréchals Synthese verstehen zu können, müssen wir uns in den Grundzügen die Relata der von ihm angestrebten Verbindung vor Augen führen, das sind eben Transzendentalphilosophie und Metaphysik.

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Transzendentalphilosophisches Vorgehen kann man unter Rückgriff auf Kant bestimmen. In der Einleitung zu seiner Kritik der reinen Vernunft schreibt er: „… Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.“ (4) In der Transzendentalphilosophie geht es um den Aufweis der Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnissen a priori. Für Kant besagt Erkenntnis ausschließlich empirische Erkenntnis, Apriorität aber, dass die Gründe der erfragten Erkenntnis vorab oder unabhängig von der Empirie liegen. Ersteres bedingt den synthetischen, d.h. informativen Gehalt, letzteres die allgemeine oder notwendige Gültigkeit von in Urteilen gefassten Erkenntnissen. So kann man die Kantische Grundfrage auch verstehen als die nach der Bedingung der Möglichkeit von allgemein oder notwendig gültigen Erfahrungsurteilen, eben von synthetischen Urteilen a priori. Dass es Kant dabei in erster Linie um eine erkenntnistheoretische Grundlegung der Newtonschen Physik geht, muss hier nicht weiter entfaltet werden. Es mag der Hinweis genügen, dass Kants Lösung darin besteht, die formalen Grundlagen von Erfahrungsurteilen auf reine, d.h. apriorische Begriffe im Verstand („Kategorien“) zurückzuführen. Den Inhalt erhalten sie aus der Empirie. Die Notwendigkeit von Erfahrungsurteilen beruht allein auf ihrer (im Verstand grundgelegten) Form, der synthetische Charakter aber auf ihrem empirischen Inhalt.

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Metaphysik, um nun auch das zweite Relatum der Maréchaĺschen Synthese anzusprechen, ist seit Aristoteles jene Grundlagendisziplin der Philosophie, der es um das Seiende nicht unter Berücksichtigung von einzelwissenschaftlichen Detailaspekten geht, sondern insofern es schlicht und einfach ist. Metaphysisches Denken hat sich jedoch nie damit begnügt, im Bereich des Seienden kategoriale Analysen und Einteilungen vorzunehmen. Die Frage nach dem Seienden als solchem hat vielmehr gemündet in die Frage nach den ersten Prinzipien des Seienden, letztlich dem Sein des Seienden, und schließlich nach dem Sein selbst, dem „ipsum esse“. (5)

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Wenn man die Seinsfrage als Ziel- und Angelpunkt metaphysischen Denkens auffasst, können wir uns nun wieder nach Maréchals Synthese fragen: Wie kann man sich die Seinsfrage stellen nach transzendentalphilosophischen Vorgaben? Oder: Welchen Nutzen kann die Suche nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis bei der Seinsfrage haben? Maréchal schließt bei seinem Unterfangen direkt bei Kant an, in dem auch er nach den Bedingungen der Möglichkeit von Urteilen fragt. Doch bleibt Maréchal, und dabei geht er wesentlich über Kant hinaus, nicht bei einer Untersuchung der formalen Struktur von Urteilen stehen. Maréchal setzt vielmehr an bei einer Untersuchung des Vollzugs von Urteilen. Was tun wir wenn wir urteilen? Was vollziehen wir, wenn wir sagen, um ein Beispiel aus dem Alltag heranzuziehen „Die Tafel ist grün“. – Die Antwort ist zunächst, dass wir etwas, nämlich das Vorliegen einer Tatsache, behaupten. Wie, so können wir uns weiterfragen, behaupten wir das Vorliegen der Tatsache, dass die Tafel grün ist? Wir behaupten es mit einem Anspruch auf Geltung, der, und darauf kommt es an, nicht relativiert werden kann. Wir behaupten, wenn wir etwas behaupten, mit absolutem Geltungsanspruch. Wir können gar nicht anders behaupten, als eben mit absolutem Geltungsanspruch. Wenn wir uns so verhielten, dass wir mit jeder Behauptung auch gleich ihre Relativierung mitbehaupteten, wären wir keine erstzunehmenden Gesprächspartner. Andere müssten sich, frei nach Aristoteles gesprochen, so zu uns verhalten wie „zum lieben Vieh“. (Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht zugestehen können, dass die Wahrheit dessen, was wir behaupten, mitunter, wie im vorliegenden Fall, ein durchaus kontingentes Faktum sein mag.) Was aber behaupten wir? Unabhängig vom kontingenten Faktum des Vorliegens eines bestimmten Zustands, behaupten wir letztlich, dass hier etwas ist, bzw. dass hier etwas so-und-so ist. Wir setzen im Urteil etwas als seiend bzw. als so-und-so seiend.

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Was aber, und jetzt kommt die transzendentale Fragestellung zum Tragen, ist die Bedingung der Möglichkeit, dass wir mit absolutem Geltungsanspruch behaupten können, dass etwas ist, bzw. so-und-so ist? Warum sind wir in der Lage, etwas als Seiendes zu setzen? Wir können das letztlich nur, weil wir um Sein wissen; freilich nicht so, wie wir um konkrete Gegenstände in unserer Welt wissen, sondern im Sinne eines Wissens, das implizit mit jedem Urteilsakt mitgegeben ist. Es ist ein Wissen, das wir explizieren können, ohne es je in einem Vollsinn begreifen zu können. Wissen um einen Seinshorizont ist vorausgesetzt, wenn wir etwas als Seiend bzw. so-und-so-Seiend setzen. Dieser Seinshorizont, in dem wir in unserem konkreten Vollzug von Urteilen notwendigerweise stehen, kann allerdings nicht relativ sein. Behauptungen mit absolutem Anspruch auf Geltung können als Bedingung der Möglichkeit ihres Vollzugs nur einen absoluten Horizont haben. Und so können wir durch transzendentale Reflexion auf den Vollzug von Urteilen auf einen nicht wieder relativen, sondern absoluten Bereich oder Horizont kommen, der notwendigerweise ein Seins-Horizont sein muss. Die Frage nach dem Ziel- und Angelpunkt metaphysischen Denkens lässt sich anhand einer als transzendentalphilosophisch zu kennzeichnenden Methodik stellen und wohl auch beantworten (6) . – Und dies in einem systematischen Entwurf aufgezeigt zu haben, ist die Leistung von Joseph Maréchal, dem es gelungen ist, die beiden großen historischen Stränge, nämlich (scholastische) Metaphysik und Transzendentalphilosophie zu einer Einheit zu führen.

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3. Johann Baptist Lotz SJ (1903 –1992)

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Maréchals Philosophie hat im katholisch-christlichen Bereich sehr bald große Wirkung gezeigt. So wurde Le point de départ de la métaphysique bereits in den 20-er und 30-er Jahre v.a. in jesuitischen Hochschulen wie in Valkenburg (NL) oder in Pullach bei München (D) mit großem Eifer studiert. Man erkannte, dass sich hier ein Ausweg zeigt aus jener Isolation Christlicher Philosophie, die bereits anfangs geschildert wurde. Es gab die Chance, die scholastische Tradition mit modernen philosophischen Methoden zu verbinden. Schon von Anfang seiner Rezeption an war der Ansatz der Transzendentalen Metaphysik allerdings nie in Gefahr, zu einem weiteren starren Schulsystem zu verkommen. Seine Hauptvertreter suchten immer schon den lebendigen Kontakt mit anderen aktuellen philosophischen Strömungen. Pionierarbeit auf dem Gebiet des Dialogs zwischen Transzendentaler Metaphysik und der Existenzphilosophie, vor allem jener Martin Heideggers, hat J. B. Lotz SJ geleistet.

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Heideggers Denken hat, besonders seit dem Vorliegen von Sein und Zeit (1927), große Faszination auf christliche Philosophen ausgeübt. Heideggers Grundanliegen, die Metaphysik auf kraftvolle Weise neu zu errichten, und zwar als Analyse des Seins selbst und als Suche nach dem Sinn von Sein, wurde aufgegriffen. Nach Heideggers Selbstverständnis war es seine Bestimmung, die Metaphysik aus einer Seins-vergessenen Tradition zu befreien (7) . Ebenso anziehend war Heideggers Ansatz zu philosophieren, nämlich bei der Analyse menschlicher Existenz zu beginnen, dem Dasein als dem einzigen „Ort“, an dem sich das Sein als solches offenbart und sich sein Sinn eröffnet. Desgleichen findet auch die phänomenologische Methode Heideggers Anerkennung bei christlichen Denkern. „Zu den Dingen selbst gehen“ ist eine Maxime, die christlichem Denken (insofern es traditionell realistisch ist) nahe steht, gerade im Sinne der Lebenswelt-Konzeption des späteren Husserl, dem Heidegger bekanntlich nahesteht. Schließlich ist es auch Heideggers Denken von Geschichte als einem „Existenzial“ des Menschen, das manche christliche Autoren zu faszinieren vermag: Lässt sich daraus doch ein ganz neuartiges anthropologisches Verständnis von christlich verstandener Heils-Geschichte gewinnen.

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Heideggers Denken bleibt aber im Letzten, wenn man so will, „diesseitig“. Heidegger bleibt bei einem Begriff des Seins, das trotz seines Charakters als absoluter Horizont seinen Sinn in Zeit findet. Sein ist Zeit, wie Heidegger in Sein und Zeit unmissverständlich darlegt (8) . Zeit aber ist ein ganz und gar immanentes Prinzip. Also liegt der Sinn von Sein ganz und gar im Immanenten oder Innerweltlichen. Heidegger erreicht somit keinen Begriff der Transzendenz. Seine Lehre von der ontologischen Differenz zwischen dem konkret Seienden und dem Sein selbst muss für christliche Denker unbefriedigend bleiben. Dem entspricht durchaus Heideggers konsequenter philosophischer Agnostizismus, der, wie manche Interpreten meinen, in seinem Spätwerk in eine nihilistisch irrationalistische Auflösung seines Systems mündet. (9)

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Wie kann man aber die Anliegen und die methodischen Vorgaben von Heideggers Existenzphilosophie für christliches Denken nutzbar machen? J.B. Lotź Lebenswerk kann darin gesehen werden, sich dieser Frage zu widmen. Seine Lösung ist es, den durch Transzendentale Metaphysik gewonnenen Seinsbegriff mit jenem Heideggers in Verbindung zu bringen. Das kann nur geschehen, wenn man den durch Daseins-Analyse im Sinne Heideggers aufgewiesenen Seinshorizonts so denkt, wie es der Tradition christlicher Transzendentaler Metaphysik entspricht (10) . Für J.B. Lotz spielt hier zunächst der Aufweis der Subsistenz des Seins eine bedeutende Rolle. Subsistieren bedeutet, von selbst und in-sich-selbst zu bestehen. Auf den umfassenden Seinshorizont angewandt, bedeutet dies, dass derselbe eben in-sich-selbst existiert, unabhängig von konkretem innerweltlichem Seienden. (11) Existiert aber der umfassende Seinshorizont unabhängig von konkretem innerweltlichem Seienden, kann sein Sinn nicht Zeit sein. Zeitliche Abläufe sind nämlich notwendig mit dem Ablauf konkreter innerweltlicher Ereignisse verbunden. Das Unabhängig-sein von innerweltlichen Zusammenhängen lässt nun auch den Charakter des Seinshorizonts als einem absoluten Horizont besser verstehen. „Absolut“ in einem ursprünglichen Sinne meint ja nichts anderes als „unbezogen“ oder eben losgelöst von allem konkreten Seienden. Das meint keine schlechthinnige Unvermittelbarkeit zum Seienden. Das heißt lediglich, dass, obwohl das Sein der letzte ontologische Grund von allem ist, es selbst nicht in den Beziehungen zum Seienden aufgeht. Es ist als Grund in der Welt, aber gleichzeitig auch über die Welt hinaus. Es ist, um nun auch ein weiteres wichtiges Attribut anzuführen, transzendent. (12)

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Der von Heideggers Existenzanalyse aufgewiesene Seinshorizont wird bei J.B. Lotz also als subsistenter, absoluter und transzendenter Bereich gedacht. Daraus ergibt sich auch die Betonung echter ontologischer Differenz zwischen dem so verstandenen Seinshorizont und dem konkret Seienden, selbst wenn dieses in seiner Gesamtheit gefasst wird. Seiendes ist in seiner Existenz nicht schlechthin unbezogen. Es ist keinesfalls absolut und nicht transzendent. Allein die menschliche Geistigkeit hat die Fähigkeit, über den Bereich des konkret Seienden hinaus zu denken. In diesem Sinne kann man vom Menschen sagen, dass er als innerweltliches Wesen auf Transzendenz hin ausgerichtet ist.

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Und dieser Gedanke sollte von anderen Denkern aufgenommen und auf vielfältige Weise fruchtbar gemacht werden. In erster Linie kann hier Karl Rahner angesprochen werden.

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4. Karl Rahner SJ (1904-1984)

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Ebenso wie J.B. Lotz hat Karl Rahner in Freiburg im Breisgau studiert und an Seminaren bei Martin Heidegger teilgenommen. Rahners Dissertation Geist in Welt (13) wurde aber von Martin Honecker nicht mehr akzeptiert, wohl wegen zu starker Deutung von Kant unter Einfluss des Denkens von Heidegger (14) .

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Rahner erarbeitet in Geist in Welt die Grundlagen einer Erkenntnismetaphysik nach den Vorgaben Transzendentaler Metaphysik. Der Ausgriff auf das Sein selbst muss mitgedacht werden, um konkrete Erkenntnisvollzüge verstehen zu können, Erkenntnisvollzüge die als solche durch Bezug auf die Sinnlichkeit bestimmt sind. So ist menschliche Erkenntnis wesentlich eine „in Welt“, das heißt auf Erfahrungszusammenhänge bezogen; allerdings eine durch „Geist“, das bedeutet durch Ausgriff auf eben einen absoluten und transzendenten Seinshorizont grundgelegt.

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Als Rahners philosophisches Hauptwerk wird aber für gewöhnlich nicht Geist in Welt, sondern Hörer des Wortes angesehen, eine systematische Religionsphilosophie nach der Methodik Transzendentaler Metaphysik (15) . Die Ausgangsfrage von Hörer des Wortes ist die nach dem Verhältnis von Religionsphilosophie und Theologie. Was hat die Gottes-Rede, wie Rahner Theo-Logie ursprünglich versteht, mit dem natürlichen Nachdenken nach autonomen philosophischen Methoden zu tun? (16) Den Schlüssel zu einer Antwort sieht Rahner in einer metaphysischen Anthropologie. Ohne die Frage nach dem Menschen und seinem Wesen (und nichts anderes ist metaphysische Anthropologie) zu bedenken, kann es keine vollständige Religionsphilosophie geben, ebenso wenig letztlich eine Theologie, eine Gottesrede, die - will sie als solche verstanden werden – eine sein muss, die gehört wird. Was aber ist das Wesen des Menschen und wie kann ein Aufweis desselben das Hören der Gottesrede besser verständlich machen? - Das Wesen des Menschen ist nach Rahner Geist, d.h. nichts anderes, als dass er durch den Ausgriff auf einen absoluten und transzendenten Seinshorizont bestimmt ist. Und dieser Seinshorizont ist bei Rahner stets auch theologisch zu interpretieren, sodass man sagen kann, dass der Mensch in seinem Wesen auf Gott ausgerichtet ist (17) . Aufgewiesen aber wird diese Ausrichtung, und dadurch kommt die Methodik Transzendentaler Metaphysik zum Tragen, durch transzendentale Reflexion auf konkrete Vollzüge, allen voran des Urteilens. Um überhaupt mit absolutem Geltungsanspruch urteilen zu können, muss unser Urteilsvermögen in einem absoluten Horizont grundgelegt sein. Der muss ein Seinshorizont sein, denn Urteilen ist ein Behaupten und Setzen von Sein bzw. so-und-so-Sein.

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Wie verhalten wir Menschen uns zu diesem absoluten Seinshorizont? Das ermessen wir am besten, wenn wir berücksichtigen, dass wir uns auf das Sein fragend beziehen können, ja müssen. Wir müssen stets nach dem Sein fragen, weil wir diesen unendlichen und uns im Grunde transzendenten Horizont nie in einem Vollsinn begreifen werden, er uns somit immer fraglich bleiben wird. Es bleibt uns letztlich unbegreifbar, theologisch gesprochen: ein Geheimnis (18) . Wir können aber nach dem Sein fragen. Und das setzt voraus, dass wir bei aller Unbegreiflichkeit immer auch schon um das Sein wissen, freilich im Sinne eines Vorgriffs oder eines Vorwissens, um dessen Explizierung wir uns stets neu bemühen müssen. Das Sein aber ist nicht schlechthin unbekannt. Wäre es das, könnte es nicht erfragt werden. Unter Berücksichtigung beider Aspekte ergibt sich, dass wir uns zum absoluten Seinshorizont so verhalten, dass wir um ihn in einer Weise wissen, die allerdings immer auch von einer unüberbrückbaren Differenz geprägt ist.

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Ein kritischer Hinweis könnte sich aus der Frage ergeben, ob Rahner mit dem Aufweis eines uns zugänglichen absoluten Seinshorizonts und seiner Festlegung auf die Möglichkeit einer theologischen Deutung desselben einen doch sehr unvermittelten „Gottesbeweis“ vornimmt oder zumindest voraussetzt. Bzw. vom Menschen her gesehen: Ist der Mensch mit seiner Ausrichtung auf diesen transzendenten Horizont bereits auf Gott hin unfrei vorherbestimmt oder determiniert? – Rahner versucht diesen Einwänden schon im Ansatz zu begegnen. Und zwar durch den bereits erwähnten Hinweis auf den Geheimnis-Charakter des absoluten Seinshorizonts. Sein ist Rahner stets verborgenes Sein. Gott steht „in seiner Freiheit gerade als das Verborgenste dem Menschen gegenüber, das sich nur dann und insoweit dem Menschen in die Offenheit seiner absoluten Transzendenz hinein enthüllt, als es dies frei will.“ (19) Der Freiheits-Gedanke steht auch im Mittelpunkt der Bestimmung des Menschen im Hinblick auf das Geheimnis Gottes. Trotz bzw. in seiner wesensmäßigen Ausrichtung auf den absoluten Seinshorizont bzw. auf Gott hat sich der Mensch – frei – zu dieser seiner Ausrichtung, wenn man so will zu seinem Wesen, zu verhalten. Er ist nicht auf Gott hin determiniert, wie etwa ein Tier auf seine Umgebung und seine Bestimmung hin instinktiv festgelegt ist. Gefordert ist „religio“, freie Hingabe auf Gott hin. In dieser Wahl zeigt sich auch der Wertcharakter des absoluten Horizonts, in dem der Mensch steht. Werte sind als Handlungsziele zu erfassen und eben frei anzustreben. Worum es Rahner also geht, ist nicht die Einholung des Gottesgeheimnisses in einem Beweisverfahren. Es geht ihm darum, das Wesen des Menschen so zu bestimmen, dass es die Fähigkeit oder die Möglichkeit zum Hören der Gottesrede mit einschließt. Der Mensch ist, um es kurz zu sagen, durch die potentia oboedientialis auf das Wort Gottes bestimmt.

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Ein weiterer zentraler Gedanke von Hörer des Wortes muss noch angefügt werden. Und zwar bezüglich des Wo sich das Hören des Wortes ereignet, bzw., von Gott her gesehen, Wohin Gott sich, wenn er sich frei entscheidet zu sprechen, offenbart. Rahners Antwort heißt: in der Geschichte. Der Mensch erfährt Gott nicht irgendwo, etwa erst nach seiner irdischen Existenz. Das Hören findet hier, in dieser konkreten Welt, in dieser konkreten Geschichte statt. Mit diesem Gedanken schließt Rahner an seine allgemeine Erkenntnismetaphysik an, der zufolge jeder Aufweis des Bezugs des Menschen auf Transzendenz bei konkreten sinnlichen, eben innerweltlichen Vollzügen ansetzt (20) . Von Gott her gesehen ist zu sagen, dass er sich nicht unabhängig oder jenseits menschlicher Geschichte offenbart. Er nimmt den Menschen als geschichtliches Wesen ernst und offenbart sich, so er sich offenbart (und diese Frage muss der Religionsphilosoph als solcher offen lassen), in der menschlichen Geschichte. Und dann wird diese Geschichte letztlich Heilsgeschichte. Der Mensch aber, durch Gott selbst in Jesus Christus, ist Empfänger göttlichen Heils. Dies aber führt uns direkt in Gedanken, die philosophische Reflexion übersteigen und wir somit getrost dem Theologen überlassen können. Der Philosoph Rahner fasst seine Gedanken in Hörer des Wortes aber wie folgt zusammen, und dem ist nichts hinzuzufügen: „Der Mensch ist das Seiende von hinnehmender Geistigkeit, das in Freiheit vor dem freien Gott einer möglichen Offenbarung steht, die, wenn sie kommt, in seiner Geschichte im Wort sich ereignet. Der Mensch ist der in seiner Geschichte auf das Wort des freien Gottes Hineinhorchende.“ (21)

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5. Emerich Coreth SJ (1919*)

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Obwohl Emerich Coreth niemals bei Karl Rahner studiert hat, kann man ihn zur ersten Schülergeneration innerhalb der jesuitischen Maréchalschule zählen. War er doch zu Beginn seiner Ordensausbildung Student bei J.B. Lotz, und hat er stets in philosophisch-theologischem Austausch mit Karl Rahner gestanden. Dennoch ist gleich von Beginn an zu sagen, dass sich Coreth in seinem Philosophieren nie darauf beschränkt hat, die konkreten Inhalte von Lehrern unkritisch zu übernehmen. Sowohl J.B. Lotz als auch Karl Rahner steht er, trotz grundsätzlicher Übereinstimmung bezüglich der Ausrichtung der Philosophie, in freundschaftlicher Distanz gegenüber und entwickelt die Transzendentale Metaphysik unabhängig und originell weiter. Vielleicht lässt sich der Unterschied zwischen Coreth und Lotz bzw. Rahner anhand seines Verhältnisses zu Heideggers Existenzphilosophie aufzeigen. Coreth erkennt das Heideggersche Anliegen einer Fundamentalontologie an, die in der Frage nach dem Sein selbst und seinem Sinn mündet, und würdigt seinen Ansatz der Existenzanalyse, also das Postulat, philosophische Reflexion bei der Analyse des menschlichen Daseins beginnen zu lassen. (22) Dennoch ist Coreth weit davon entfernt, Heidegger in Methode, Inhalt und Ausrichtung zu folgen. Ganz im Gegenteil: in zahlreichen Beiträgen betont Coreth immer wieder seine große Distanz zu Heidegger. Für Coreth ist vielmehr entscheidend die Philosophie des Deutschen Idealismus, v.a. Hegel und der späte Schelling. So sollte Hegels Einsicht einer Identität von Identität und Differenz für Coreth zentral sein, v.a. wie wir noch sehen werden, bei seiner Bestimmung des Verhältnisses von Sein und Wissen, aber auch in anderen Lehrstücken.

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Um die Originalität des Denkens Coreths innerhalb der Philosophie der Transzendentalen Metaphysik begreifen zu können, muss man sehen, dass er einen neuen Ansatz für seine transzendentale Analyse gefunden und systematisch fortentwickelt hat: Es ist die Frage nach der Frage, genauer nach den Bedingungen der Möglichkeit des Vollzugs der Frage als solcher. (23) (Wir haben gesehen, dass auch Rahner auf den Vollzug der Frage Bezug nimmt. Dennoch kann man sagen, dass es Coreth war, der diesen Ansatz zu einer umfassenden Methodik in der Metaphysik ausgearbeitet hat.) Was ist der große Vorteil, bei der transzendentalen Reflexion beim Vollzug der Frage, und nicht etwa wie Maréchal und andere beim Urteil zu beginnen? Es ist so, dass die Frage jedem anderen Ansatz vorausliegt, weil sie jedem anderen möglichen Anfang vorausliegt, und so als Anfang aufhebt. Nach jedem Anfang kann man eben fragen. Und ist der Anfang nicht selbst die Frage, so hört er somit auf, ein Anfang zu sein. Natürlich kann man auch nach der Frage fragen, aber eine solche Frage nach einer Frage kann selbst nur wieder eine Frage sein. So gesehen wendet sich die Frage auf sich selbst zurück und vermittelt so „die Methodik des Fortgangs aus dem Ansatz selbst“. (24)

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Was aber, so können wir einen Schritt weitergehen, sind nun die Bedingungen der Möglichkeit des Vollzug der Frage? Fragen setzt, erstens, auf gewisse Weise Wissen voraus, ist so gesehen, wie Coreth sagt, selbst „ein Modus des Wissens“. Dieses Wissen ist jedoch nicht im Sinne eines vollständigen Begreifens einer Sache zu verstehen. Um eine Sache erfragen zu können, muss ich um sie vor-wissen, in einem anfänglichen, vielleicht wenig bestimmten Sinne. Das zeigt sich bereits bei konkreten Fragevollzügen in unserem Alltag. Um danach fragen zu können, wie man ein Auto startet, muss ich grundsätzlich wissen, dass ein Auto eine Maschine ist, die sich durch bestimmte Funktionen selbsttätig von einem Ort zum anderen bewegen kann. Wenn ich danach fragen kann, wie man eine Datei auf einem Computer speichert, muss ich bereits wissen, dass ein Computer Texte auf einem eigens dafür vorgesehenen Datenträger ablegen kann, etc. Fragen setzt Vorwissen um das Gefragte voraus, ohne dass dieses Vorwissen ein vollständiges Erfassen des jeweils Erfragten impliziert.

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Coreth bleibt jedoch nicht bei der Frage nach empirischem Vorwissen stehen. Es geht ihm vielmehr um die Möglichkeit des Fragens überhaupt. Jede Frage ist ein Vorgriff des Wissens über das Gewusste hinaus. Wohin aber greifen wir aus, wenn wir fragend über unser je konkretes Wissen hinausgehen? Was ist der Horizont, der letztlich unser Fragen, unser Hinausgehen über unser Wissen, trägt; auf den wir ausgerichtet sind im Vollzug unseres Fragens? Was ist der Horizont des Fragbaren überhaupt? – Ein erstes Merkmal des Horizonts unseres Fragens überhaupt ist, dass er grundsätzlich unbegrenzt ist. Hätte er nämlich eine Grenze, so könnten wir nach dieser Grenze fragen. Dass wir nach der Grenze fragen, setzt aber voraus, dass wir bereits über die Grenze hinausgreifen können. Somit zeigt sich, dass es unmöglich ist, den Horizont unseres Fragens als begrenzten aufzufassen. Mit der Bestimmung des Horizonts unseres Fragens als unbegrenzten, ist jedoch noch keine inhaltliche Festlegung, worin er besteht, geschehen. Was ist das Fragbare als solches? Was auch immer es sei, so steht jedenfalls fest, dass es insofern es fragbar ist, so doch ist. Fragbar sein bedeutet Seiend-sein. Ein Seiendes sein, bedeutet als Gegenstand einer Frage stehen zu können. Jede Fragebewegung geht also auf Seiendes überhaupt oder als Seiendes insofern es ist, wie Coreth auch sagt „auf den Horizont des Seienden im ganzen“ (25) . Seiendes als Seiendes oder Seiendes insofern es ist, ist aber bestimmt durch das Sein selbst, somit geht der Horizont des Fragens auf das Sein überhaupt. Als Fragender stehen wir im unbegrenzten Horizont des Seins selbst. Können wir, wenn wir dies einsehen, über den Horizont des Seins selbst noch einmal hinausgehen? Ist dieser Horizont somit relativierbar? Das Sein selbst ist nicht weiter überhol- oder gar aufhebbar. Wohin auch sollte man jenseits des Seins gehen? Das bedeutet nichts anderes, als dass wir das Sein als einen Horizont mit unbedingter Geltung aufzufassen haben.

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Daraus ergibt sich, dass wir durch transzendentale Analyse des Vollzugs des Fragens, also durch die Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit des Fragens überhaupt, aufweisen können, dass wir in unserem Denken und fortschreitendem Wissen in einem unbegrenzten und unbedingten Seinshorizont stehen. Unsere Geistigkeit ist m.a.W. so beschaffen, dass sie nicht anders verstanden werden kann als in diesem Horizont stehend.

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Durch transzendentale Analyse des Vollzugs des Fragens erreichen wir jenen Horizont, um den es jeder Metaphysik letztlich zu gehen hat, den des Seins. Metaphysik erschöpft sich jedoch nicht im Aufweis des unbegrenzten und unbedingten Seinshorizonts. Metaphysik geht es auch um das Verhältnis des Seienden, allen voran des menschlichen Seienden, zum Sein selbst. Und auch hier kann uns die Reflexion auf den Vollzug des Fragens als Leitfaden dienen. Vollziehe ich den Akt des Fragens, so tue ich etwas; etwas das, was immer es konkret sei, so doch ist. Ich setze ein Seiendes, und zwar, in Anwendung des oben Gesagten, im Horizont des Seins selbst. Und ich weiß darum. Ich weiß, dass ich etwas als seiend im Horizont des Seins setze, wenn ich eine Frage vollziehe. Als seiend im Horizont des Seins setzen und darum wissen, ist im Vollzug des Fragens untrennbar verbunden. Wie sollte ich eine Frage vollziehen, und nicht darum wissen, dass ich eine Frage vollziehe? Im Vollzug des Fragens besteht somit, wie Coreth sagt, „Identität von Sein und Wissen“ (26) . Fragen besagt aber immer auch Nicht-Wissen, sonst könnte ich den Vollzug der Frage gar nicht setzen. Also setzt der Vollzug einer Frage auch stets Differenz zwischen dem Gewussten und dem Erfragten voraus. Letztlich zeigt sich darin eine irreduzible Differenz zwischen dem Wissen und dem Sein selbst, ist doch Erfragtes stets Seiendes und als solches im Horizont des Seins stehend. Das Sein selbst bleibt als solches Transzendenz. In der Differenz zwischen Wissen und Sein zeigt sich auch die Differenz zwischen dem Wissenden und dem Sein, allgemein gesagt, zwischen Seiendem und dem Sein. Ich selbst bin nicht das Sein selbst, ebenso wenig wie irgendein anderes Seiendes. Jedes Seiende ist begrenzt oder endlich und im Sein bedingt. Es ergibt sich somit im Vollzug des Fragens bzw. in transzendentaler Reflexion darauf sowohl Identität als auch Differenz von Wissen bzw. wissendem Seienden und dem Sein selbst. Da es sich bei jedem Vollzug um ein und denselben, einen wenn man so will, identischen handelt, zeigt sich im Vollzug nichts anderes als die Identität von Identität und Differenz von Wissen und Sein, von Seienden und dem Sein selbst.

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Von hier aus kann man, und das ist das Anliegen der Metaphysik Coreths, die Inhalte der traditionellen Metaphysik, etwa Wesen und Wirken des Seienden, systematisch entfalten, was nachzuzeichnen wir uns hier aber versagen müssen. Ebenso wie Coreths Transzendentalienlehre („Das Sein als Einheit, Wahrheit, Gutheit“), seine Analyse der materiellen im Verhältnis zur personalen Welt, sowie sein Ausblick auf eine philosophische Gotteslehre auf der Grundlage seiner Seins-Metaphysik. (27)

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Wenn hier versucht wurde, Grundzüge zur Metaphysik Coreths zu umreißen, darf man weiters nicht unerwähnt lassen, dass wir damit nur einen Teilbereich seines philosophischen Wirkens ins Auge bekommen können. Die Metaphysik ist Ausgangs- und gleichzeitig Zielpunkt des Denkens Coreths. Doch finden seine Einsichten auch in anderen philosophischen Bereichen fruchtbare Anwendung. So hat Coreth eine höchst einflussreiche Philosophische Anthropologie verfasst (28) , deren Ziel es ist, den Menschen als weltliches und geschichtliches Wesen doch im Grunde als frei und in seiner letzten Ausrichtung auf Transzendenz hin zu bestimmen. Insofern mündet bei Coreth die philosophische Anthropologie in Metaphysik, weil es ja letzterer vorbehalten ist, diese Ausrichtung auf einen unbegrenzten, unbedingten Seinshorziont aufzuweisen und den Menschen als auf diesen Seinshorizont bezogen zu deuten. Die Formel von „Identität von Identität und Differenz“ wiederum wird im Gedanken einer „vermittelten Unmittelbarkeit“ zu einem Leitmotiv einer Theorie des Verstehens, sprich einer philosophischen Hermeneutik (29) . Auch diese bleibt rückgebunden an eine Metaphysik, die das Verhältnis von Sein und Seiendem als einen ständigen Vermittlungsprozess versteht. Sein ist stets unmittelbar gegeben, aber in einer Weise, die stets neu durch Reflexion eingeholt werden muss.

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Nicht einmal im Ansatz angesprochen werden kann Coreths sonstiges philosophisches Werk, etwa seine philosophiehistorischen Untersuchungen; allen voran seine große, dreibändige Dokumentation über Christliche Philosophie (30) , sowie sein Spätwerk über die philosophische Gotteslehre im historischen Überblick „Gott im philosophischen Denken“. (31) Emerich Coreths Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, nicht nur ins Italienische, Englische und Spanische, sondern auch in slawische Sprachen, aber auch ins Koreanische. Seine Schüler sind mittlerweile über die ganze Welt verstreut auf philosophischen Lehrkanzeln tätig.

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6. Otto Muck SJ (*1928)

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Anhand des Werkes von Otto Muck lässt sich zeigen, wie vielfältig die Kompatibilität der Transzendentalen Metaphysik zu Kernbereichen der aktuellen analytischen Philosophie ist. Hat doch Otto Muck stets auch den Brückenschlag zwischen Grundanliegen der Metaphysik und Fragen von Logik, Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie im Auge. Das Anliegen eines solchen Brückenschlages legt sich bereits aus der wissenschaftlichen Biographie Otto Mucks nahe. Am Beginn seiner Laufbahn stehen nämlich zunächst naturwissenschaftliche Studien, namentlich von Mathematik und Physik. Erst später widmet sich Muck Philosophie und Theologie. Und hier sind es vor allem die Texte der klassischen Metaphysik, die zu verstehen und vor dem Hintergrund seiner Vorbildung zu rekonstruieren Otto Muck unternimmt. Und diese Rekonstruktion ist stets geprägt von der Anwendung transzendentalphilosophischer Methoden, die Muck eigenständig aufarbeitet und weiterentwickelt. So trägt seine Habilitationsschrift auch den Titel Die Transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart (32) . Es folgen zahlreiche Publikation im Problemkreis von Methode – Metaphysik – Transzendentalphilosophie. In diesen wird zum einen Mucks Orientierung an Logik und Sprachphilosophie deutlich. Zum anderen zeigt sich die Zielrichtung seines Philosophierens, und die ist Philosophische Gotteslehre bzw. die Analyse von Weltanschauung. Mucks Gotteslehre liegt als Monographie vor (33) , eine repräsentative Sammlung seiner Artikel findet sich in der Edition Rationalität und Weltanschauung. (34)

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Wenn man versucht, Otto Mucks Philosophie, zunächst unter methodischer Rücksicht, näher zu charakterisieren, lassen sich drei Gesichtspunkte anführen. Da ist zunächst sein Bestreben nach Grundlagenforschung. Für Otto Muck ist jedes Betreiben von Wissenschaft rückzubinden an die Klärung der Grundlagen der jeweiligen Theorienbildung. Und hier kommt der Logik, dank ihrer speziellen Möglichkeiten der Klärung theoretischer Grundlagen, ein hoher Stellenwert zu. Ein zweiter Aspekt betrifft das Philosophieren selbst, insbesondere die Arbeit mit philosophischen Quellen. In einer wissenschaftlichen Autobiographie schreibt Muck: „Ich ergänzte mein Studium durch die Lektüre (neu-) scholastischer Texte. Manche Argumentationen und Begriffsbildungen leuchteten mir ein. Umso befremdeter war ich, wenn ich von manchen Studenten … ein meiner Einschätzung nach oberflächliches Verständnis derartiger Positionen vorgefunden habe. Das hat dazu beigetragen, später als ein wichtiges minimales Bildungsziel die Fertigkeit anzusehen, dass jemand beim Lesen eines philosophischen Terminus nicht meint, dass seine erste Assoziation, die der damit verbindet, die Meinung des Verfassers ist!“ (35) Will man einen Text verstehen und mit ihm verantwortungsvoll umgehen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Terminologie des jeweiligen Autors zu rekonstruieren, und dann klar und nachvollziehbar für weiterführende Argumentationen zu entfalten. Damit kann unkontrollierter Gebrauch von Fachtermini, oft Anlass zu groben Missverständnissen, verhindert werden. Ein drittes methodisches Grundanliegen ergibt sich aus Mucks großem Überblick, nicht nur über Geistes-, sondern auch über Naturwissenschaften. Es ist das Postulat, die Unterschiedlichkeit der einzelnen Wissenschaften zu begreifen, d.h. die Eigenart ihrer Rationalität, ihrer methodischen Entfaltung und auch ihrer inhaltlichen Zielsetzung. Mucks Anliegen ist es dabei zu zeigen, dass man Rationalität nicht für einen Bereich wissenschaftlicher Arbeit ausschließlich reservieren, bzw. die Methodik der einen Wissenschaft nicht auf jene einer anderen übertragen kann. Insbesondere verteidigt Muck den methodischen Eigenstand der Metaphysik gegenüber den Einzelwissenschaften.

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Inhaltlich lässt sich Otto Mucks Philosophie anhand eines Vierecks charakterisieren, dessen Eckpunkte wechselseitig aufeinander bezogen sind. Und diese Punkte sind die Grundanliegen der traditionellen Metaphysik, die Vorgangsweise der Transzendentalphilosophie, das Anliegen des Verstehens von Weltanschauung, und schließlich Religion bzw. die Eigenart religiöser Erfahrung.

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1) Der erste Punkt ist wie gesagt Metaphysik. Ist im Kontext von Otto Mucks Philosophie von Metaphysik die Rede, so ist jene klassische Disziplin gemeint, die von Aristoteles her Seiendes als Seiendes untersucht. Dass es um Seiendes „als Seiendes“ geht, heißt, dass die Metaphysik ihren Gegenstand als solchen, das heißt ohne Einschränkung durch bestimmte wissenschaftliche oder außerwissenschaftliche Einzelinteressen untersucht. Die Metaphysik ist somit auch nicht von jenen methodologischen Einschränkungen betroffen, welche die Einzelwissenschaften kennzeichnet und in ihrer jeweiligen Eigenart charakterisiert. Die Metaphysik fragt vielmehr nach den ersten Prinzipien der Wirklichkeit bzw. nach den letzten Grundlagen des Wissens. Seiendes als Seiendes ist nicht zu verstehen ohne die Voraussetzung eines umfassenden, alles Seiende umgreifenden Horizonts, der notwendig ein Seinshorizont zu sein hat. Die Metaphysik fragt letztlich nach diesem Seinshorizont und wie unterschiedliche Bereiche von Seienden als in demselben integriert zu denken sind.

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Nach Otto Muck ist die Metaphysik nicht einfach Fortsetzung der Einzelwissenschaften mit etwas allgemeinerer Begrifflichkeit. Die Erkenntnisweise der Einzelwissenschaften und die der Metaphysik gehören, wie Otto Muck sagt, einer grundlegend anderen Ordnung an. (36) Die Metaphysik als Wissenschaft von Seiendem als Seiendem ist Prinzipienwissenschaft und in diesem Sinne grundlegend für die Einzelwissenschaften. Sie ist die „gemeinsame Wurzel“ (37) , aus der man die verschiedenen Erkenntnisweisen der Einzelwissenschaften differenzieren und auch aufeinander beziehen kann. Die Metaphysik betrachtet alles, was in irgendeiner Weise Gegenstand menschlichen Verhaltens sein kann. Sie setzt jedes Einzelne in Beziehung zum Ganzen. Sie interpretiert das Einzelne im Ganzen (38) . Dieses ganzheitliche Ziel ist aber, wie bereits angedeutet, nicht durch Methoden der Einzelwissenschaften zu erreichen. Diesen geht es um das berechtigte Anliegen, das Einzelne unter einer besonderen, eingeschränkten Rücksicht zu betrachten. Dem entspricht auch Otto Mucks Bemühen, die Eigenart metaphysischer Erklärung gegenüber einzelwissenschaftlicher Erklärung herauszustreichen. Erklärungen der Einzelwissenschaften haben eine wichtige prognostische Funktion. Die Metaphysik hingegen erklärt integrativ. Sie erklärt das Einzelne unter Rücksicht und im Kontext des Ganzen. Die Metaphysik kann unkritische Vermengungen verschiedener Erklärungsweisen aufzeigen, auflösen, und die Erklärungen neu aufeinander beziehen.

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2) Die traditionellen Grundfragen der Metaphysik sind für Otto Muck nicht in einem naiven oder (um mit Kant zu sprechen) „dogmatischen“ Sinne anzugehen. Geht man hinter das Kantische Reflexionsniveau zurück, läuft man gerade in der Metaphysik Gefahr, Voraussetzungen ungeprüft zu übernehmen und Modelle, etwa vom Sein, vorschnell für „bare Münze“, sprich für adäquate Abbildungen, zu nehmen. Otto Muck hingegen rekonstruiert die Einsichten und Distinktionen der klassischen Metaphysik methodisch. Und hier ist auch der Ort des zweiten Eckpunkts im oben erwähnten Viereck, der transzendentalen Methode. Um Sein als solches bzw. den Sinn von Sein zu verstehen, muss man zunächst auf konkrete menschliche Tätigkeiten reflektieren, allen voran des Erkennens. Dabei zeigt sich, dass die Ausrichtung auf Sein, verstanden als unhintergehbarer und absoluter Horizont konstitutiv ist für diese Tätigkeiten. „Deshalb kann gegenüber irreführenden Modellen von Sein durch Rückgang auf die Beziehung zum Sein, die sich im menschlichen Vollzug auswirkt, das Sein als umfassend und absolut herausgearbeitet werden. So kommt es zu einer operativen Klärung des Sinns von Sein.“ (39)

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3) Die operative Klärung metaphysischer Grundbegriffe hat bei Otto Muck niemals rein theoretische Bedeutung, sondern ist stets eingebunden in sein Bemühen, Weltanschauung bzw. unser Reden darüber zu klären. Unter Weltanschauung aber können wir mit Muck jenen Komplex von grundlegenden theoretischen und praktischen Überzeugungen verstehen, die unseren Umgang mit der Umwelt, aber auch mit anderen Menschen prägen. Und damit ist der dritte Eckpunkt des „Muckschen Vierecks“ angesprochen. Zu beachten ist hier, dass für Muck der Zusammenhang zwischen der Reflexion auf Weltanschauung und jener über den umfassenden Seinshorizont, dem es der Metaphysik geht, kein äußerer oder zufälliger ist. Die Rede über Weltanschauung macht vielmehr den eigentlichen Sinn des Redens über Sein aus. Es ist ja schließlich unsere Weltanschauung, die den letzten und nicht weiter hintergehbaren theoretischen und praktischen Deutungs- und Sinnhorizont unseres Handelns ausmacht. Somit ist es als zentrale Aufgabe von Metaphysik zu erachten, die Eigenart unseres Redens über Weltanschauung zu klären, etwa gegenüber einzelwissenschaftlichem Theoretisieren. So bekommt man auch die besondere Rationalität von Weltanschauung in den Blick, die nicht zu verwechseln ist mit der Rationalität z.B. (Natur-) wissenschaftlichen Vorgehens.

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Weltanschauung ist keine rein subjektive Sache, ihre Objektivität ist aber eine andere als die der (Natur-) Wissenschaften. An verschiedenen Stellen reflektiert Muck über Kriterien, die es gestatten, die Rationalität von Weltanschauung zu beurteilen. Das ist zunächst Widerspruchsfreiheit. Eine Weltanschauung muss in sich konsistent sein. Eine Weltanschauung aber hat auch einheitlich zu sein, in dem Sinne, dass ihre Prinzipien nicht zusammenhangslos nebeneinander stehen sollen. Als drittes ist das Postulat zu nennen, dass eine Weltanschauung grundsätzlich auf Erfahrung bezogen sein soll. Was nützt eine Weltanschauung, die nicht anwendbar ist auf konkrete alltägliche Lebenssituationen? Und schließlich, viertens, spricht Muck davon, dass jener Weltanschauung der Vorzug zu geben ist, die unsere Erfahrung möglichst umfassend erklärt. Es ist nicht rational, eine Weltanschauung anzunehmen, die gerade mit den entscheidenden Phänomenen des menschlichen Lebens nicht zurande kommt. (40)

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4) Otto Mucks Interesse gilt nicht nur Weltanschauung im Allgemeinen. Seine Bemühungen, die Eigenart der Rationalität von Weltanschauung zu klären, münden in sein vielfältiges Bestreben, unser Reden über Religion zu beschreiben, zu deuten und gegenüber anderen Redeweisen abzugrenzen. Hier sind wir beim vierten Punkt des „Muckschen Vierecks“ angelangt. Zu erwähnen ist, dass Muck die religiöse Rede nicht nur hinsichtlich ihrer besonderen logischen und sprachphilosophischen Struktur hin untersucht. Es geht ihm auch um das Verstehen religiöser Erfahrung, und somit darum, den Erfahrungsbegriff aus empiristisch sensualistischer Verengung herauszuführen. Und es geht ihm um die Eigenart religiöser Erklärungen, die wie metaphysische Erklärungen im Allgemeinen, nicht im Gegensatz zu anderen, etwa einzelwissenschaftlichen Erklärungen stehen, sondern diese ergänzen. Gerade in seiner Religionsphilosophie integriert Muck neuere Ansätze der analytischen Religionsphilosophie aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und bringt so, wie erwähnt, die Philosophie der Transzendentalen Metaphysik in Begegnung mit aktuellen philosophischen Methoden.

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Last not least sei erwähnt, dass Otto Mucks Untersuchungen der Rede über Weltanschauung bzw. über Religion stets vom Anliegen des weltanschaulichen bzw. religiösen Dialogs geprägt sind. Was müssen wir beachten, wenn wir mit anderen, gerade mit Vertretern anderer weltanschaulicher Ausrichtungen reden wollen? Können wir glaubhaft sein, ohne den anderen „bekehren“ zu müssen? Wie können wir Missverständnisse vermeiden, die gemeinsame Basis anstatt des Trennenden in den Mittelpunkt rücken?

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Otto Muck ist ein Philosoph des Dialogs und des Bestrebens, den anderen zu verstehen und ihn anzuerkennen. Diese praktische Ausrichtung seines Denkens vollzieht er auf höchstem reflexivem Niveau und mit umfassender Kenntnis nicht nur der Gegenwartsphilosophie, sondern auch der Tradition.

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6. Abschluss – Die Zukunft der Transzendentalen Metaphysik

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Haben wir zu Beginn versucht, die Geschichte der Transzendentalen Metaphysik zu schildern, um dann ihre bedeutendsten Vertreter kurz vorzustellen, so wollen wir uns abschließend noch nach den Zukunftsperspektiven Transzendentaler Metaphysik fragen.

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Vorab muss allerdings zugestanden werden, dass wir hier bei der Behandlung von Positionen eine sehr selektive Auswahl treffen müssen. So haben wir uns auf den Deutschen Sprachraum konzentriert. Deshalb kommt der amerikanische bzw. kanadische Zweig der Transzendentalen Metaphysik, v.a. propagiert von Bernard J. F. Lonergan SJ (1904-1984), nicht zur Sprache. Aber auch eine vollständige Darstellung der Transzendentalen Metaphysik im Deutschen Sprachraum kann hier nicht unternommen werden. Dazu müsste man auf weitere Vertreter der Münchner Philosophie zu sprechen kommen, um nur Walter Brugger SJ (1904-1990), Bela Weissmahr SJ (*1929) und Karl-Heinz Weger SJ (1932-1998) namentlich zu erwähnen. Eine weitere Einschränkung ist, dass auch die mittlerweile beachtliche Reihe von Philosophen aus der Schülergeneration der Erwähnten nicht einmal aufgelistet werden kann.

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Wie steht es nun aber mit der Zukunft der Transzendentalen Metaphysik? – Transzendentale Metaphysik ist, wie komplex, zum Teil auch uneinheitlich die konkrete Durchführung bei ihren verschiedenen Vertretern ist, im Kern eine Christliche Philosophie. Sie ist Philosophie im besten Sinne des Wortes, in dem sie auf hohem methodischem Niveau die Grundfragen der klassischen Philosophie aufarbeitet, und zwar in engem Kontakt mit aktuellen Strömungen. Und sie ist im Kern christlich, das heißt sie ist sowohl thematisch als auch inhaltlich ausgerichtet auf eine theologische Deutung der Wirklichkeit im allgemeinen, und des Menschen im besonderen. Und ich denke, dass Transzendentale Metaphysik einen umso gedeihlicheren Verlauf nehmen kann, je stärker sie beide Aspekte im Auge behält. Sie hat Philosophie zu sein, d.h. sie hat sich den aktuellen Herausforderungen der fachphilosophischen Diskussion zu stellen. Alle vier geschilderten Exponenten haben das in hervorragender Weise getan und tun es auch heute noch. Für die Zukunft wird zu beachten sein, dass sich die fachphilosophische Diskussion weiterentwickelt. So wird für den christlichen Denker heute und in naher Zukunft nicht nur die Auseinandersetzung etwa mit Heideggers Existenzphilosophie maßgeblich sein, sondern wohl auch mit jenen Strömungen, die methodisch und thematisch den aktuellen Diskurs bestimmen.

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Transzendentale Metaphysik ist aber auch, wie gesagt, im Kern christlich. Sie lebt vom engen Kontakt mit christlicher Theologie. Und hier ist eine wichtige Zukunftsperspektive, aber auch ein kritisches Moment zu sehen. Zum einen ist zu fragen: Wie weit kann die Transzendentale Metaphysik auch für den modernen Theologen methodisches Rüstzeug bieten, zur Klärung seiner Theorien behilflich sein, und auch dazu, theologische Inhalte besser zu verstehen? Zum anderen aber: Gibt es noch Theologen, die sich die Mühe machen, Transzendentale Metaphysik zu verstehen? Wer wagt es, einen Rahner-Text systematisch zu rekonstruieren, Coreths Metaphysik zu studieren, Otto Mucks diffizilen Werke im Hinblick auf seine eigene Theorienbildung heranzuziehen? - Das sind sicherlich Zukunftsfragen, die nicht nur die Philosophie im christlichen Bereich betrifft, insbesondere das Schicksal der Transzendentalen Metaphysik, sondern auch ein gutes Stück die Theologie selber. Das aber zu ergründen überschreitet die Kompetenz des Verfassers bei weitem.

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Anmerkungen:

54
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1.

55
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 Weitere Vertreter der deutschsprachigen Transzendentalen Metaphysik führt Otto Muck in seinem Aufsatz an „Die deutschsprachige Maréchal-Schule – Transzendentalphilosophie als Metaphysik“, in: O. Muck, Rationalität und Weltanschauung (RW). Hrsg. v. W. Löffler. Tyrolia, Innsbruck-Wien 1999, 414-453. Hier finden sich auch ausführliche Verweise auf Quellen, Sekundärliteratur u.ä.

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2.

57
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 Siehe die kritische Analyse der Entwicklung neu-scholastischen Denkens bei Coreth in seinem Artikel „Kant – nach 150 Jahren, in: E. Coreth, Beiträge zur Christlichen Philosophie (BCP). Hrsg. v. C. Kanzian. Tyrolia, Innsbruck-Wien 1999, 13-22, hier v.a. 14f. Aber auch: W. Röd, Der Weg der Philosophie. Bd. 1. Beck, München 1994, hier u.a. 403.

58
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3.

59
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 Im deutschen Sprachraum besonders einflussreich waren die Arbeiten Max Wundts, die in seinem Hauptwerk mit dem damals äußerst provokanten Titel Kant als Metaphysiker, Stuttgart 1924, gipfelten.

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4.

61
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  I. Kant, Kritik der reinen Vernunft. (KrV) B 25.

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5.

63
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 Maréchal sagt, dass die Metaphysik in ihrem Bestreben vom „ipsum esse“ sprechen, als „die menschliche Wissenschaft vom Absoluten“ zu verstehen ist. Siehe O. Muck, Die Transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart. Rauch, Innsbruck 1964, 1.

64
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6.

65
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 Vgl. dazu u.a. O. Muck, a.a.O. 9f, wo davon die Rede ist, dass man nach Maréchal durch eine Analyse unserer Erkenntnis die „dynamische Ausrichtung“ auf einen absoluten (Seins-) Horizont aufweisen kann. A.a.O., Kapitel „Aufnahme der Transzendentalen Methode durch J. Maréchal“, findet man eine ausführliche systematische und kritische Darlegung der Maréschaĺschen Erkenntnismetaphysik.

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7.

67
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 Siehe auch: M. Heidegger, Was ist Metaphysik? Vittorio Klostermann GmbH, 13. Auflage, Frankfurt am Main 1986, Einleitung.

68
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8.

69
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 Siehe auch Was ist Metaphysik? , 17: „’Sein’ ist in ‚Sein und Zeit’ nicht etwas anderes als ‚Zeit’, insofern die ‚Zeit’ als der Vorname für die Wahrheit des Seins genannt wird, welche Wahrheit das Wesende des Seins und so das Sein selbst ist.“ [Herv. Verf.]

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9.

71
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 U.a. E. Coreth BCP, Artikel: Auf der Spur der entflohenen Götter 182-193; Flucht oder Ankunft der Götter 194-204; aber auch E. Coreth, Gott im philosophischen Denken. Kohlhammer, Stuttgart u.a. 2001, 239-243.

72
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10.

73
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 Seinen Ansatz dargelegt hat Lotz u.a. in Das Urteil und das Sein. Eine Grundlegung der Metaphysik. Pullach bei München 1957. Eine repräsentative Auflistung seiner Werke findet sich in RW 450f.

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11.

75
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  Vgl. u.a. Das Urteil und das Sein, 98.

76
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12.

77
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  Zur „Transzendenz des Seins“ siehe u.a. Das Urteil und das Sein, 72-77.

78
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13.

79
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 K. Rahner, Geist in Welt. Zur Metaphysik der endlichen Erkenntnis bei Thomas von Aquin. Innsbruck 1939.

80
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14.

81
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 Vgl. dazu: Michael Schultz, Karl Rahner begegnen. Augsburg 1999, 22-25: Philosophiestudium bei Martin Heidegger.

82
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15.

83
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 K. Rahner, Hörer des Wortes. Zur Grundlegung einer Religionsphilosophie. München 1941. Neu bearbeitet und wurde Hörer des Wortes von J.B. Metz 1963 im Kösel-Verlag, München, ediert. Einen Überblick über Rahners Religionsphilosophie kann man auch in Grundkurs des Glaubens, Herder, Freiburg u.a. 1984, hier v.a. in den ersten beiden Gängen, gewinnen.

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16.

85
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  Hörer des Wortes, 1. Kapitel, v.a. 21.

86
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17.

87
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  Ebd., 71-88.

88
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18.

89
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 Der gesamte dritte Abschnitt von Hörer des Wortes „Die Verborgenheit von Sein“ ist diesem Gedanken gewidmet.

90
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19.

91
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 K. Rahner, Sämtliche Werke, Band 4 (SW 4). Hg. v. A. Raffelt. Düsseldorf 1997, 250.

92
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20.

93
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 Vgl. dazu: Hörer des Wortes, 11. Kapitel „Der Mensch als geschichtlicher Geist“.

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21.

95
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  SW 4, 251.

96
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22.

97
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  Vgl. u.a. BCP, 158f.

98
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23.

99
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 Vgl. dazu E. Coreth, Metaphysik. Tyrolia, Innsbruck u.a. 3. Auflage 1980: „Das Methodenproblem der Metaphysik“, 47-79. Seinen Ansatz, von einer transzendentalen Analyse des Vollzugs der Frage zum Seinshorizont zu kommen, entfaltet Coreth ebd. umfassend in den ersten beiden Hauptteilen. Einen kurzen Überblick zur Begründung seines Ansatzes gibt Coreth auch im Artikel „Ansatz und Vermittlung der Metaphysik“ in BCP, 207-221, hier v.a. 210-213.

100
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24.

101
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  BCP, 210.

102
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25.

103
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  BCP, 212.

104
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26.

105
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  Ebd.

106
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27.

107
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  Dazu sei die Lektüre von Coreths Metaphysik, Kapitel V., VI und VII empfohlen.

108
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28.

109
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  E. Coreth, Was ist der Mensch? Tyrolia, Innsbruck 1973.

110
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29.

111
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  E. Coreth, Grundfragen der Hermeneutik. Herder, Freiburg 1969.

112
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30.

113
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 E. Coreth u.a. (Hrsg.) Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. 3 Bände. Styria, Graz, Wien 1987, 1988, 1990.

114
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31.

115
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 E. Coreth, Gott im philosophischen Denken. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 2001.

116
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32.

117
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  Verlag Rauch, Innsbruck 1964.

118
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33.

119
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  O. Muck, Philosophische Gotteslehre. 1. Auflage, Patmos-Verlag, Düsseldorf 1983.

120
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34.

121
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  Siehe RW, Fußnote 1.

122
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35.

123
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  RW 471.

124
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36.

125
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  U.a. RW 159.

126
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37.

127
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  RW 194.

128
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38.

129
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  U.a. RW 225.

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39.

131
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  RW 252, Herv. Muck.

132
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40.

133
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  U.a. RW 41.

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