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Die Welt steht Kopf
(Gedanken zum 7. Sonntag im Jahreskreis (LJ C) am 22. 2. 2004 (Faschingssonntag))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Fasching stellt die Welt auf den Kopf, macht für ein paar Tage Revolution, um dann alles beim Alten zu lassen. Auch das heutige Evangelium stellt die Welt auf den Kopf, es fordert Unerhörtes. Ist es ein Aufruf zur Revolution und wenn ja, in welchem Sinn?
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2004-02-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23 (1 Kor 15,45-49); Lk 6,27-38

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 Liebe Gläubige,

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es ist wieder Fasching, die Narren haben das Sagen und sie stellen die Welt, wie wir sie normalerweise kennen, auf den Kopf. Könige werde zu Knechten und Untertanen zu Königen, Männer zu Frauen und Frauen zu Männern, kleine Kinder zu harten Cowboys, Indianern oder Piraten und Hexen. Das bunte Treiben und die Maskerade sind ein Ausbrechen aus unserer doch oh so geordneten und funktionierenden Welt. Endlich einmal nicht funktionieren, Unordnung schaffen statt Ordnung, einmal - wie man so schön sagt - richtig die Sau rauslassen. Das kann uns helfen, danach wieder um so besser zu funktionieren, die Sau wieder einzusperren und brave Bürger zu sein, wie vorher. In der Tat gibt es Philosophen, die den Fasching genau dafür halten, für einen Stabilisator der herrschenden Ordnung. So paradox es klingt, aber ein zeitweises Aushebeln der Ordnung, das innerhalb fester Grenzen geschieht, wie das ja im Fasching der Fall ist, ist keine Revolution, sondern es stabilisiert diese Ordnung, weil es Luft schafft und doch nicht wirklich etwas verändert. Es ist nur ein Spiel. Und wer im Spiel einmal König sein darf, kann nachher viel leichter wieder Knecht sein.

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Scheinbar haben wir auch das richtige Faschingsevangelium dazu bekommen. Auch darin steht die Welt Kopf: Man soll seine Feinde lieben und denen, die einen hassen, auch noch Gutes tun; man soll für die beten, die einen misshandeln, und die andere Wange hinhalten; man soll jedem geben und leihen ohne mit Rückgabe zu rechnen; und man soll nicht richten und verurteilen, sondern vergeben. Und wenn man das tut, so wird da in Aussicht gestellt, wird einem auch selber in Hülle und Fülle gegeben werden. Also, wenn das nicht eine Narretei ist, so ist man versucht zu sagen. In unserer Welt ist es jedenfalls anders: wir hassen unsere Feinde, sonst könnten wir sie ja nicht effektiv bekämpfen; wir versuchen denen, die uns hassen, eins auszuwischen; die, die uns misshandelt haben, verfluchen wir, weil wir noch immer unter den von ihnen verursachten Wunden leiden, und, wenn möglich, zerren wir sie vor Gerichte, damit sie bezahlen müssen für das, was sie uns angetan haben. Und wo kämen wir hin, wenn wir jedem geben und leihen würden? Heißt unser Motto nicht eher: Beim Geld hört die Freundschaft auf?

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Also, wir sehen, was Jesus da verkündet, ist eine Welt, die auf dem Kopf steht, ein Faschingsscherz. Die Frage ist nur, ob es als Scherz gemeint ist, als Spiel, das die Ordnung, die es aufhebt, letztlich stabilisiert?

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Ich habe, ehrlich gesagt, nicht den Eindruck. Es geht hier nicht um ein Spiel, und es geht auch nicht darum, die Ordnung nur zeitweise aufzuheben, um sie dadurch zu erhalten. Würden wir wirklich so leben, dann würde unsere Ordnung komplett zusammenbrechen. Verkündet Jesus also hier die Revolution?

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In einem gewissen Sinne schon. Aber um zu sehen, in welchem, müssen wir seine Worte noch genauer betrachten. Jesus stellt diese so weltfremden Forderungen ja nicht einfach so in den Raum. Er richtet sie an bestimmte Menschen und er begründet sie auch. Er richtet sie ausdrücklich an jene, die ihm zuhören, will sagen, an jene, die auf ihn hören, die sich einlassen wollen auf das Unerhörte, das er verkündet. Und er begründet dieses verquere Verhalten damit, dass Gott sich auch so verhält: wer so handelt, kann wirklich Sohn oder Tochter des Höchsten genannt werden, denn er, der Höchste, ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

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Das ist eigentlich die zentrale - und für uns so überraschende und immer noch fremde - Botschaft: Unsere Welt der Unbarmherzigkeit, des Richtens, des Hassens und Vergeltens, die steht auf dem Kopf. Denn Gott handelt nicht so und für die, die auf Christus hören, soll nicht, was alle tun, der Maßstab sein, sondern das, was Gott tut. Wenn wir unserem spontanen Antrieb des „Auge um Auge", „wie du mir, so ich dir" folgen, dann machen wir uns abhängig von den Übeltätern, wir lassen uns von ihnen steuern, ja wir nehmen sie eigentlich als unseren Maßstab, denn wir handeln so wie sie. Christus fordert uns aber auf, Gott als unseren Maßstab zu nehmen. Dann werden wir uns anders verhalten, dann werden wir Böses nicht mit Bösem vergelten, weil Gott das auch nicht tut.

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Wenn alle Menschen sich danach richten würden, dann, ja dann hätten wir tatsächlich das Paradies auf Erden. Das wäre eine Revolution ohne gleichen, die ganz ohne Verlierer wäre und nur Gewinner hätte. Doch nichts zeigt deutlicher als das Schicksal Jesu, dass wir das nicht können. Und so wird auch klar: Jesus fordert uns nicht dazu auf, naiv und unrealistisch zu sein. Das Christentum ist keine Schönwetterreligion: es wird immer Menschen geben, die uns hassen, die uns Böses tun, die uns verletzen. Ja, Jesus geht sogar davon aus, dass wir selbst Menschen sind, die hassen, Böses tun und andere verletzen - oft unabsichtlich, manchmal aber auch absichtlich - und die deshalb selber Vergebung brauchen.

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Und gerade deshalb, weil alle Sünder und Sünderinnen sind, fordert Jesus uns auf, nicht zu richten, weil der Maßstab, nach dem wir andere gerne messen - auf uns selber angewendet - uns selber ins Verderben stürzen würde. Und so bleibt die äußere Revolution aus: wir brauchen weiter Gerichte und Gefängnisse, Gesetze gegen Diebstahl und Sicherheiten, wenn wir Geld verleihen. Aber wenn wir all dies benützen könnten, ohne die, die daran scheitern, auf einer letzten Ebene zu verurteilen, ohne uns über sie zu erheben und uns als gerechter anzuschauen, wenn uns das gelänge, dann wäre das eine Revolution ganz anderer Art; eine, die nicht die äußere Ordnung auf den Kopf stellt, um sie letztlich zu erhalten, sondern eine, die die äußere Ordnung völlig unangetastet lässt, um sie innerlich zu unterwandern und zu verwandeln.

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Wir bleiben immer wieder dahinter zurück, wir verfallen immer wieder dem angeblich Normalen und nehmen uns die Gewalt zum Maßstab und Vorbild. Und doch hat Christus sie schon überwunden und seine überwindende Kraft in unsere Welt eingestiftet, weil er selbst bei größter Gewalt gegen sich selbst nicht mit Gewalt antwortete, sondern mit Vergebung. Er, der einzige, der streng hätte richten und verurteilen können, weil er selbst ohne Sünde war und den strengsten Maßstab nicht scheuen musste, er hat nicht verurteilt, sondern vergeben. Und ihn hat Gott beschenkt mit neuem Leben, in so reichem, vollem, gehäuften, überfließenden Maß, dass auch für uns noch genügend von diesem Leben da ist. Nehmen wir uns diesen Christus zum Maßstab und Vorbild und lassen wir uns innerlich von seiner sanften Revolution verwandeln.

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