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Aufgefahren in den Himmel – wie betrifft es uns?

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2008-04-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 1,1-11;) Eph 1,17-23; Lk 24,46-53

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Was macht man, wenn man einem großen Idol gefolgt ist, große Hoffnungen in es gesetzt hat, und dann geht alles kaputt, weil man vom vermeintlichen Heilbringer nur noch sagen kann: „gekreuzigt, gestorben und begraben"? – Man könnte was dazu erfinden: auferstanden von den Toten (ein paar interessante Begegnungen), aufgefahren in den Himmel (ein packendes Szenario: jemand wird auf einer Wolke zum Himmel emporgehoben, überwindet die Gesetze der Schwerkraft und der Astronomie und bekommt auf einmal einen ganz neuen Status:) Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten. Und im Nu ist aus dem selber gerade noch Toten, dem von Richtern zur Kreuzigung Verurteilten, ein Richter über Leben und Tod geworden. Wenn man das heute bewerkstelligen wollte, dann müsste man etwas andere Bilder benützen: keine Wolke, sondern vielleicht ein Raumschiff oder man könnte den Himmelfahrer hinauf „beamen". Es gibt immer Menschen, die auf so was hereinfallen.

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Liebe Gläubige, können wir also heute hier ruhig sitzen, Christi Himmelfahrt feiern, und so tun als wäre bei uns alles in Ordnung? Könnte es nicht bei uns auch so gewesen sein: eine Verzweiflungstat, eine Geschichte, gut erfunden, weil man sonst alles, wofür man bisher gelebt hat, wegwerfen müsste? Aber, wie können wir das heute für uns entscheiden?

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Ich vermute eine Entscheidungshilfe ist, wenn wir die Bilder nicht zu sehr pressen, sondern uns fragen, was ist das eigentlich, das sie aussagen wollen? Worum geht es bei „Christi Himmelfahrt"? Und dann dürfte auch besser zu sehen sein, ob es sich da um eine Vertuschungsmär handelt oder ob hier etwas Wichtiges gesagt werden soll.
Was ändert sich durch Christi Himmelfahrt? Was ist anders vor und nach diesem Ereignis?

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Zunächst ist richtig: Nach Christi Himmelfahrt ist Jesus wieder weg, wie nach dem Karfreitag. Er ist nicht so da wie vorher, dass man ihn anfassen kann, von ihm auf eine Frage eine direkte Antwort bekommt, oder er uns oder den Jüngern leibhaftig gegenüber sitzt und ihnen das Brot bricht. Doch schauen wir diese Jünger einmal an nach dem Karfreitag und nach Christi Himmelfahrt: Nach dem Karfreitag wirklich die Enttäuschten, die Verzweifelten, die Angstvollen, die Verständnislosen, die Schuldbewussten. Nach Christi Himmelfahrt: die Gesegneten, die sich nicht allein fühlen, obwohl Jesus nicht mehr so da ist wie vorher; die voller Freude sind, obwohl Jesus noch immer der Gekreuzigte ist; die im Tempel ständig Gott preisen – nicht ihm vorjammern, ihn angstvoll anflehen, sondern ihn preisen, seiner Güte und seiner Zuwendung gewiss. Nach dem Karfreitag die bange Erwartung: was wird jetzt noch auf uns zukommen; werden sie uns auch holen? Nach Christi Himmelfahrt: Er wird kommen, der versprochene Heilige Geist, mit dem wir die Menschen nicht mehr fürchten müssen. Diese Jünger sind wie ausgewechselt.

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Nun gut, aber – so stellt sich die Frage – das kann ja eben deshalb sein, weil sie ihre eigene Verzweiflungsmär geglaubt haben. Das allein beweist doch noch nichts. Warum soll sich denn jetzt auf einmal alles geändert haben? Ja, warum.

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„Aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten." Ist das ein Grund zur Freude – oder nicht doch zum Angsthaben? Was soll es denn heißen, zur Rechten Gottes zu sitzen? In einigen Schriften des AT gibt es die Vorstellung, dass bei Gott im Himmel eine Gestalt ist, die die Menschen anklagt, die Gott auf ihre Verfehlungen aufmerksam macht, die Gott förmlich gegen die Menschen aufhetzt – diese Gestalt heißt Satan (vgl. Hiob 1,6-2,10; Sach 3,1f.; auch im NT: Offb 12,10). Während Jesus auf Erden predigte, sagte er einmal: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen" (Lk 10,18). Auch das, so eine seltsame bildhafte, mythologie-ver­däch­ti­ge Sprache. Aber könnte damit nicht gemeint sein, dass es bei Gott keine Anklage mehr gibt gegen die Menschen, dass der Vater, von dem Jesus sprach, der barmherzige Vater, der jedem verlorenen Schaf nachgeht, sich keine Anschuldigungen ins Ohr flüstern lässt, weil seine Gerechtigkeit anders funktioniert (vgl. JHD1 48)? Und jetzt: Er, Christus, sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Was könnte er denn Gott ins Ohr flüstern? Da sitzt einer, der „mitfühlen" kann „mit unserer Schwäche", einer, „der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (Hebr 4,15). Da sitzt einer, den man umgebracht hat, und der für seine Henker selber um Vergebung und nicht um Bestrafung bat; einer, den ein Freund und Mitarbeiter verleugnete und viele andere verließen, und der zu ihnen zurück kam ohne Vorwürfe, mit dem Satz „Der Friede sei mit euch"; einer, der alles andere eher tat als verurteilen und bestrafen – unter Einsatz des eigenen Lebens. Der ist es, der jetzt „hoch über allen Fürsten und Gewalten, Mächten und Herrschaften und über jedem Namen" sitzt, dem „alles zu Füßen gelegt" ist und „der als Haupt alles überragt" (vgl. Eph 1,21f.).

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Er ist es, der zur Rechten Gottes des Vaters sitzt und sein Ohr hat; er ist es, den Gott seinen geliebten Sohn nennt, auf den man hören soll; wie könnte der Vater selber nicht auf ihn hören? Und er ist es, der wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Wie dürfte wohl sein Gericht aussehen? Wird er plötzlich andere Maßstäbe anwenden als die, für die er gelebt hat und gestorben ist, gekreuzigt und begraben wurde?

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Nein. Ich denke, die Frohbotschaft des heutigen Tages ist genau dies: Das Reden von einem, der im Himmel bei Gott sitzt und als Richter auftreten wird, müssen wir nach Christi Himmelfahrt grundsätzlich ganz anderes verstehen als vielleicht vorher. Deshalb geht es dabei auch nicht um eine Mär, die dazu dient, dass man sein Weltbild nicht ändern müsste; es geht genau um das Gegenteil: um ein Bild, das uns dazu auffordert, unsere Vorstellung vom Richten Gottes total umzukrempeln und deshalb auch unseren Umgang miteinander. Mit welchen Bildern wir dies aussagen, das ist zweitrangig. Wichtig ist, dass wir durch seinen Geist erleuchtet werden und verstehen, zu welcher Hoffnung wir und alle Menschen durch ihn berufen sind, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes uns schenkt.

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Sein Geist erleuchte auch die Augen unseres Herzens, dass wir glauben können, nicht mit der Kraft der Verzweiflung, sondern aus der Kraft der Hoffnung, und dass wir weniger Anklagen im Mund führen gegen unsere Mitmenschen, sondern mehr aus der Vergebung leben, die uns selber auch zugesagt ist.

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1 Schwager, Raymund: Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (ITS 29). Innsbruck 1990.

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