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Fast-Food-Fasten
(Tiroler Tageszeitung und die Diözese Innsbruck begleiten durch die Fastenzeit.)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Tiroler Tageszeitung 62 vom 15./16. März 2003, 16
Datum:2003-04-15

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Mein Mund blieb förmlich offen. Ein Freund verblüffte mich mit dem Bekenntnis, in der Fastenzeit gehe er nur an den Sonntagen zu McDonald's. Während des Jahres ist er dort vier bis fünf Mal die Woche zu treffen. Jean-Claude ist katholischer Priester. Ein typischer Zeitgenosse. Single, fast nur Fast-Food, kaum ein Unterschied zwischen Arbeitsstreß und Freizeitsspaß. Einsatz beim Rotkreuz ist sein Hobby, Klinikseelsorge seine Arbeit. Die kirchliche Fastenordnung zählt die Sonntage nicht zur Fastenzeit. So begleite ich ihn am ersten Fastensonntag zu McDonald's. Dabei habe ich mir vor 25 Jahren geschworen, niemals in einen McDonald's hineinzugehen. Als Student in London aß ich damals einen ganzen Monat lang nur Hamburger. Wegen der kalkulierbaren Ausgaben!

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Als Kind war auch er vor 25 Jahren zum ersten Mal im Fast-Food-Tempel. Anlässlich eines Zahnarztbesuchs in der Stadt. Es war schön; das Erlebnis hinterließ Spuren. Das Essen schmeckt weiterhin, die Atmosphäre ist ungezwungen und toll, außerdem tut die Firma auch etliches, was in unserer Welt nicht selbstverständlich ist. So bekommen die Rotkreuzler ein "Rettungsgetränk" gratis, wenn sie in Uniform auf einen "Mc" vorbeischauen. Als moderner Mensch führt er eigentlich keinen Haushalt. So hat er schon den Ostersonntag mit einem anderen Priester in einem Fast-Food-Restaurant gefeiert. Je länger er redet, umso mehr wird mir klar: "Du bist doch auch ein Fast-Food-Mensch!" Von wegen Mittagspause auf der Uni. Schnell einen Fleischkässemmel holen! Oder einen belegten Fladen. Oder gar etwas von Billa - dem nächsten Supermarkt. Am Schreibtisch über der Tageszeitung gebeugt, fast im Vorübergehen, sättige ich mich. Schnell essen, damit man wieder schnell bei der Arbeit ist. Der Zeitgewinn ist ja enorm. Doch dann: wenn ich Zeit habe und richtig genießen will, mache ich im Grunde dasselbe. Da sage ich zum Wolfgang - meinem Metzger im M-Preis - meistens: auf jeden Fall möchte ich etwas "Schnelles"! Nur schnell gekocht?

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Fast-Food hat unser aller Leben erleichtert und radikal verändert. Anstatt stundenlang beim Herd zu stehen, bereitet der moderne Mensch seine Mahlzeiten im Nu. Noch schneller verzehrt er aber diese. Die Fast-Food-Ketten-Restaurants haben nur den Nerv des modernen Leben bestens im Griff. Kein Wunder, dass sie bei den Jugendlichen so beliebt sind. Freunde treffen, kein Warten, im Gehen essen können, nicht reden müssen, nicht angeredet werden, keine Zwänge. Vor allem aber Zeit gewinnen. Wofür eigentlich? Anstatt über die Frage nachzudenken, laufen wir schneller. Wie dies schon Qualtinger auf den Begriff brachte: Wir wissen zwar nicht wohin, dafür sind wir aber umso schneller dort.

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Fasten könnte auch hier weiterhelfen. In einer Gesellschaft, die immer schneller läuft, könnte ein Fast-Food-Fasten ein Zeichen von Mündigkeit und Selbstbestimmung werden. Es würde zu der uns so fehlenden, aber auch notwendigen Nachhaltigkeit beitragen. Jean-Claude macht sein Fast-Food-Fasten, damit die festgefahrenen Horizonte aufgebrochen werden. Diese funktionieren ja bestens. Sind preisgünstig und bequem. Eben normal! Deswegen müssen sie hin und wieder gesprengt werden. Die Horizonte erweitert. Nicht jeden Tag! Nein! In der Fastenzeit. Da werden andere Lokale aufgesucht. Auch wenn sie teurer sind. Da wird die Esskultur auch zu Hause zelebriert und die Kommunikation nicht nur im Vorübergehen praktiziert. Bewusst wird die Zeit investiert. Selbst dann, wenn dies von einer Bußübung hin und wieder nicht zu unterscheiden ist.

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