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Botschaft und Geschick
(Predigt vom 25. Juni 2023 zum 12. Sonntag im Jahreskreis)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2023-06-28

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Ein regelrechtes Triptychon, ein Flügelalter mit drei Bildern, taucht an diesem Wochenende vor meinen Augen auf. Das Bild des linken Flügels zeigt den Propheten Jeremia, heute würden wir sagen: den Aktivisten par excellence. Die Erfahrung Gottes hat ihn in seiner Jugend regelrecht betört und überwältigt. „Du hast mich betört, verführt und ich ließ mich betören“ (Jer 20,7), bekennt er freimütig. Diese Erfahrung hat ihn die Augen geöffnet für all das, was falsch in seiner Umgebung läuft. Deswegen öffnet er seinen Mund und redet, achtet weder auf die political correctness, noch auf die Verleumdungen, auf das Zischen hinter seinen Rücken. Von Gott betört, verstört er seine Umgebung. Kein Wunder, dass die Zeitgenossen ihn nicht lieben. Gäbe es damals die Umfragen, so wäre er bei den Minuszahlen am Ende der Beliebtheitsskala angelangt. Die Zeitgenossen achten ihn nicht, sondern setzen alles dran, ihn zu Fall zu bringen. Sie zeigen ihn an, schmieden Mordpläne gegen ihn, werfen ihn schließlich in eine Zisterne. Was gibt ihm da die Kraft? Angesichts der mächtigen Allianz der Gegner gegen ihn? „Der Herr steht mir bei, wie ein gewaltiger Held“ (Jer 20,11) – lautet seine Durchhalteparole. Ein Mantra sozusagen, ein Mantra, das seinen Glauben nährt, seine Verfolger werden irgendwann straucheln und schmählich zuschanden werden. Er wünscht sie halt alle in die Hölle. Das linke Bild des Triptychons stellt einen Aktivisten dar, in dem sich viele von uns wiederfinden können – zumindest stückweise.

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Der Mann auf dem Bild des rechten Flügels trat in die Fußstapfen Jeremias. Auch er ein Prophet, ein Aktivist also. Johannes der Täufer, dessen Geburtstag die Kirche gestern feierte. Johannes wurde genauso wie Jeremia von Gott betört, konnte deswegen genauso zur augenscheinlich sichtbaren Verworfenheit der Mächtigen nicht schweigen, ging deswegen in die Wüste, suchte nach einem radikalen Neubeginn, nach Gleichgesinnten, zeigte deswegen auf jenen Mann, der nun am zentralen Bild unseres Triptychons erscheint und den beiden Aktivisten (zur Linken und zur Rechten), aber auch uns allen heute zuruft: „Fürchtet euch nicht vor den Menschen. Redet freimütig, gebt klares Zeugnis für Recht und Wahrheit, schließt keine faulen Kompromisse. Und vor allem: Habt keine Angst! Habt Vertrauen. Denn: Gott, dem sogar all die Haare auf eurem Kopf vertraut sind, dieser Gott steht euch bei. Deswegen könnt ihr nicht tiefer fallen als in seine Hand.“

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Liebe Schwestern und Brüder, die Botschaft des Triptychons ist eindeutig und klar: sie ermutigt zum konsequenten Leben aus dem Glauben. Sie ermutigt auch zu Freimut in Sachen Gott und Religion: gerade in der Öffentlichkeit. Doch steht diese Botschaft nicht isoliert da – gerade im Kontext der Eucharistiefeier! Da geht sie Hand in Hand mit der Vergegenwärtigung des Geschicks der drei Gestalten; deren Lebensgeschichte muss deswegen auch in Erinnerung gerufen werden. Denn: was Jeremia tagtäglich spürte, war der fehlende Schutz Gottes. Da war zuerst nichts von Gelassenheit und Heiterkeit. Eher das Gegenteil. „Verflucht der Tag an dem ich geboren wurde“ (Jer 20,14), klagt er gleich im Anschluss an den Text der heutigen Lesung. Weil er keine Chance mehr sieht, kein Licht am Ende des Tunnels. Er flucht und klagt, so wie die meisten von uns, wenn wir am Rande der Verzweiflung stehen, wenn es uns dreckig geht und es einfach nur finster in uns selber und um uns herum wird. Jeremia klagte und fluchte, aber diesem Gott den Rücken zu kehren: das wollte und konnte er nicht. Sein Bekenntnis: „Sagte ich aber: ich will nicht mehr an ihm denken …, so war es mir als brenne in meinem Herzen ein Feuer“ (Jer 20,9).

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Jeremia wird zwar nicht hingerichtet wie Johannes der Täufer, doch verliert sich sein Leben in radikaler Einsamkeit, in der Fremde. Und man kann die Frage nicht verdrängen: Hat Gott, von dem er nicht lassen wollte, ihm dort als „gewaltiger Held“ geholfen? Oder wurden sie beide, Jeremia und Johannes, im Tod von Gott verlassen? Trat da vor ihre Augen die bittere Erkenntnis, sie haben im Leben aufs falsche Pferd gesetzt?

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Liebe Schwestern und Brüder, auf meinem Triptychon schauen beide Aktivisten zu der zentralen Gestalt in der Mitte des Bildes und erhoffen sich von ihr die Antwort auf die Frage, ob sie mit ihrem Freimut auf das falsche Pferd gesetzt haben. Diese Gestalt ruft ihnen nicht nur die Worte des heutigen Evangeliums zu: „Fürchtet euch nicht. Ihr seid mehr Wert als viele Spatzen, von denen doch keiner zu Erde fällt ohne den Willen des Vaters.“ Im Kontext der Eucharistiefeier offenbart sich diese Gestalt auch oder gerade durch ihr Geschick. Was soll das heißen? Wie kein anderer Mensch auf dieser Welt hat sich Jesus an seinen Gott gebunden, hat seinem Gott vertraut, hat sich von seinem Vater geführt gewusst. Deswegen konnte er vollmundig sagen: Fürchtet euch nicht. Und doch: gerade dann, als er das Gefühl dieser tragenden Gemeinschaft am nötigsten hatte, da verließ ihn die Erfahrung der Gegenwart dieses Vaters. Da konnte er nur stammeln: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Gott ließ ihn sterben, sterben in der denkbar größten Brutalität des menschlichen Todes. Jesus starb wie all die Millionen von Menschen sterben: in der vollkommenen Verzweiflung. Weil niemand da ist, weil alle Bindungen zerstört, über Bord geworfen, von der Widerfahrnis des Todes vernichtet werden. Und nun fragen wir alle dich, Jesus: Warum diese Radikalität deines Geschicks und deines Todes?

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Die Antwort kommt aus dem Ritus der Eucharistiefeier. Die Feier deines Todes und deiner Auferstehung schenkt uns die gläubige Antwort auf diese Frage. Sie beantwortet auch die Fragen beider Aktivisten: Jeremia und Johannes, ob sie aufs falsche Pferd gesetzt haben. Die Feier ermöglicht uns nämlich, in dir nicht nur den Prediger, nicht nur den in seinem Sterben nach Gott schreienden Menschen Jesus zu sehen, nicht nur einen der vielen Religionsstifter, sondern den Sohn Gottes selber. Jenen Sohn, der zum Weggenossen von uns Menschen wurde. Jenen Sohn Gottes, der durch den Kreuzestod in den allerletzten Abgrund stürzt, gar in den Abgrund der gottverlassenen Hölle, in die ja die beiden Aktivisten Johannes und Jeremia ihre Gegner schickten. Den Sohn, der am dritten Tag auferweckt wurde. Und weil der Sohn Gottes die Gottverlassenheit selber erfährt, können wir getrost vertrauen: dass auch wir in unseren Abstürzen, im Gefühl der Gottverlassenheit niemals alleine sind. Denn: Er, der Sohn des liebenden Vaters, ist mit uns. Deswegen verkünden wir seinen Tod und preisen seine Auferstehung, damit wir selber durch diese zum Leben gelangen: durch den Tod hindurch.

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