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Zu den Aufgaben eines Apostolischen Nuntius

Autor:Breitsching Konrad
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2002-12-16

Inhalt

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Am 12. Dezember überreichte der neue Apostolische Nuntius, Erzbischof Georg Zur, Bundespräsident Dr. Thomas Klestil sein Beglaubigungsschreiben. Er ist der 84. Nuntius in Österreich. Dieser Akt vor dem Bundespräsidenten verweist auf die diplomatische Dimension der Aufgaben eines Nuntius, nämlich die Repräsentation des Apostolischen Stuhls bei der politischen Führung eines Landes. Nach vorherrschender Auffassung in der Völkerrechtslehre, aber auch -praxis, hat der Apostolische Stuhl in gleicher Weise wie die souveränen Staaten das Recht, sich bei den Regierungen durch eigene Gesandte vertreten zu lassen (aktives Gesandtschaftsrecht) sowie Gesandte der Staaten bei sich zu akkreditieren (passives Gesandtschaftsrecht). (1) Dies liegt darin begründet, dass der katholischen Kirche als einziger Religionsgemeinschaft Völkerrechtssubjektivität zugesprochen wird. Diese Völkerrechtssubjektivität verkörpert die katholische Kirche, und die damit verbundenen Rechte und Pflichten sind Recht und Pflichten der katholischen Kirche selbst, d. h. die Völkerrechtssubjektivität beruhte weder in der Vergangenheit auf der Existenz des Kirchenstaates noch beruht sie in der Gegenwart auf der Existenz des heutigen souveränen Vatikanstaates.(2) Doch nicht in allen Staaten hat der päpstliche Gesandte/Legat auch den Status eines akkreditierten Diplomaten inne. Wo er ihn inne hat, trägt er den Titel eines Nuntius, Pro-Nuntius oder Internuntius; ist dies nicht der Fall, so trägt er den Titel eines Apostolischen Delegaten. Als (Apostolischer) Nuntius wird der päpstliche Gesandte dann bezeichnet, wenn ihm in einem Staat der Ehrenvorrang zuerkannt wird, d. h. ihm wird die Funktion des Doyens (des Sprechers) des diplomatischen Korps im Empfangsstaat zugesprochen.(3) Als akkreditierte Diplomaten übernehmen die päpstlichen Gesandten neben der Vertretung des Apostolischen Stuhls auch die Vertretung des Vatikanstaates (Vatikanisches Staatsgrundgesetz Art. 3).

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Am bekanntesten unter den Aufgaben des Apostolischen Nuntius dürfte wohl die Funktion bei der Kandidatenfindung im Rahmen der Bestellung eines Diözesanbischofs sein. Hier kommt es dem päpstlichen Gesandten zu, durch geheime Einzelbefragungen (Mitglieder des betroffenen Domkapitels und des Konsultorenkollegiums sowie nach eigenem Ermessen auch andere Gläubige) einen Dreiervorschlag für einen konkret zu besetzenden Bischofsstuhl zu erstellen und nach Rom zu übermitteln. Ebenso hat er in dieser Angelegenheit die Vorschläge der Diözesanbischöfe der betroffenen Kirchenprovinz und des Vorsitzenden der Bischofskonferenz einzuholen und sie nach Rom weiterzuleiten. Seiner Stellungnahme kommt im Bestellungsverfahren ein besonderes Gewicht zu. Ähnlich hat er auch bei der Bestellung eines Bischofskoadjutors (4) vorzugehen.

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Damit lassen sich also zwei große Aufgabenbereiche eines Apostolischen Nuntius erkennen: zum einen die Pflege der diplomatischen Beziehungen des Apostolischen Stuhls zu den Staaten, zum anderen die Beziehung zwischen der Kirche eines Landes und der Gesamtkirche. Zählte der erstgenannte Bereich in der Vergangenheit zu den Hauptaufgaben eines Nuntius, so lassen die geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen (5) eine deutliche Schwerpunktverlagerung zu Gunsten der innerkirchlichen Beziehungen erkennen.

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Der Apostolische Nuntius als Förderer der Einheit zwischen Gesamtkirche und Teilkirche

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Das päpstliche Gesandtschaftswesen wird kirchlich im Jurisdiktionsprimat des Papstes begründet. So ist es auch verständlich, dass die vorzügliche Aufgabe eines päpstlichen Gesandten die Förderung der Verbindung der Teilkirche mit dem Papst ist. (6) Can. 362 CIC 1983 hält fest, dass es das angeborene und von jeder anderen politischen Macht unabhängige Recht des Papstes ist, seine Gesandten zu ernennen und sie zu den Teilkirchen in den verschiedenen Nationen oder Regionen wie auch zugleich zu den Staaten und öffentlichen Autoritäten zu entsenden, zu versetzen oder abzuberufen. Als unmittelbar vorgesetzten Behörde sind die päpstlichen Gesandten dem Staatsekretariat (7) unterstellt, konkret der 1. Sektion des Staatssekretariats für die allgemeinen Angelegenheiten (Pastor bonus, Art. 31 § 1). In Sachfragen arbeiten sie jedoch auch mit der 2. Sektion für die Beziehungen mit den Staaten zusammen. (8)

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Can. 364 nennt als Hauptaufgabe eines päpstlichen Gesandten, die Einheit zwischen dem Apostolischen Stuhl und den Teilkirchen ständig zu stärken und wirksamer zu gestalten. So hat er den Apostolischen Stuhl über die Lage der Teilkirchen und über alles, was das Leben der Kirche und das Heil der Gläubigen betrifft, zu informieren, aber auch Akte und Verordnungen der römischen Kurialbehörden (9) an die Ortskirche zu übermitteln. Den Bischöfen hat er bei der Ausübung ihres Amtes mit Rat und Tat beizustehen, jedoch ohne sich in deren legitime Rechte und Vollmachten einzumischen. (10) Zur Bischofskonferenz soll er durch Gewährung jeglicher Unterstützung enge Beziehungen pflegen. Er hat das Recht und die Pflicht, an der Eröffnungssitzung der Vollversammlungen der Bischofskonferenz teilzunehmen. Von der Bischofskonferenz sind ihm rechtzeitig die zu behandelnden Punkte der Vollversammlungen mit den entsprechenden Akten bekannt zu geben, damit er davon Kenntnis nehmen und sie dem Apostolischen Stuhl übermitteln kann. Ähnliche Aufgaben hat er auch gegenüber den Ordensgemeinschaften und Säkularinstituten in seinem Wirkungsbereich zu erfüllen. Gemeinsam mit den Bischöfen wird ihm die Förderung der ökumenischen Beziehungen sowie der Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen anvertraut. Zum kirchlichen Auftrag des Nuntius gehört auch der Einsatz für Frieden, Entwicklung und Zusammenarbeit der Völker. Seine Rolle bei den Bischofsbestellungen wurde bereits angesprochen.

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Neben den in regelmäßigen Zeitabständen erfolgenden Ad-limina-Besuchen (11) der Bischöfe sowie der Einbindung von Diözesanbischöfen in die verschiedenen Dikasterien (12) der römischen Kurie dient also das päpstliche Gesandtschaftswesen in besonderer Weise dem Informationsaustausch und der Förderung der Einheit zwischen Gesamtkirche und Teilkirche. (13) So sind die Dikasterien der römischen Kurie auch verpflichtet, die päpstlichen Gesandten in Angelegenheiten, die die Diözesen ihres Wirkungsbereiches betreffen, zu Rate zu ziehen und sie über in diesen Angelegenheiten getroffene Entscheidungen zu informieren (Pastor bonus, Art. 27).

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Der Apostolische Nuntius als Förderer der Beziehungen zwischen Kirche und Staat

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Für das Wirken der Kirche sind gute Beziehungen zu den Regierungen der Staaten von großer Wichtigkeit. Darum hat der päpstliche Gesandte gemeinsam mit den Bischöfen bei den Staatsregierungen die legitimen Interessen der Kirche zur Sicherung ihrer Sendung zu vertreten. Wird ein päpstlicher Gesandter bei einem Staat als Vertreter des Apostolischen Stuhls akkreditiert, so hat er darüber hinaus die Aufgabe, das Verhältnis zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem jeweiligen Staat zu fördern. Ihm obliegt es, Fragen zu behandeln, die das Verhältnis zwischen Kirche und Staat betreffen, und sich in diesem Zusammenhang vor allem mit anstehenden Konkordatsabschlüssen und anderen vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kirche und Staat zu befassen. Je nach Bedeutung der zu verhandelnden Angelegenheiten hat er die Bischöfe seines Wirkungsbereiches in die Beurteilung der Sachlage einzubeziehen sowie sie über den Fortgang der Dinge zu informieren.

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Der Aufgabenbereich eines Nuntius ist also sehr umfangreich und im Gesamt der kirchlichen Sendung von großer Bedeutung. Die Wahrung der Einheit von Gesamtkirche und Teilkirchen, die für die Verwirklichung der kirchlichen Sendung unverzichtbar ist, setzt wirkungsvolle Kommunikationseinrichtungen zwischen beiden Größen voraus. Eine dieser Einrichtungen stellt das Amt des Apostolischen Nuntius dar. Von den rechtlichen Bestimmungen her ist das Amt des Nuntius in erster Linie nicht als Kontrollorgan im Auftrag der römischen Kurie zu sehen. Kontrollaufgaben gehören zweifellos auch zu seinen Obliegenheiten, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Förderung des kirchlichen Lebens der Teilkirche seines Wirkungsbereiches. (14) Dies zeigt sich auch in seien diplomatischen Aufgaben, wo ihm in der Regelung der Kirche und Staat gemeinsam betreffenden Angelegenheiten der Ortskirche eine wichtige Mittlerrolle zukommt.

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Anmerkungen:  

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 1. Vgl. Paul Mikat, Die päpstlichen Gesandten, in: J. Listl / H. Schmitz (Hg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts. Regensburg 1999, 386-393, 388. Derzeit unterhält der Apostolische Stuhl zu 172 Staaten diplomatische Beziehungen. http://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/index_ge.htm.

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2. Vgl. Mikat, Die päpstlichen Gesandten (Anm. 1), 388. Zur Völkerrechtssubjektivität des Apostolischen Stuhls siehe auch Wilhelm Rees, Päpstliche Legaten. Berater und Diplomaten, in: Ilona Riedel-Spangenberger (Hg.), Leitungsstrukturen der katholischen Kirche. Kirchenrechtliche Grundlagen und Reformbedarf (QD 198), Freiburg i. Br. u.a. 2002, 145-178, 146.

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3. Zur Bezeichnung der päpstlichen Gesandten siehe im einzelnen Paul VI., MP „Sollicitudo omnium ecclesiarum" über die Aufgaben der Legaten des römischen Papstes vom 24. Juni 1969 (NKD 21), Art. I. Nuntien und Pro-Nuntien sind päpstliche Gesandte im Range eines Botschafters, Internuntien hingegen nehmen den Rang eines außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers ein. Siehe dazu die Wiener Übereinkunft über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, Art. 14 Abs. 1 u. Art. 16 Abs. 3. Vgl. auch Rees, Päpstliche Legaten (Anm. 2), 157; Klaus Ganzer, Das päpstliche Gesandtschaftswesen. Historischer Rückblick, in: NKD 21, 9-16, 15; Heribert Schmitz, Kommentar zu dem Motuproprio über die Päpstlichen Gesandten, in: NKD 21, 17-38, 24 f.; Willibald Plöchl, Das neue päpstliche Gesandtschaftsrecht, in: ÖAKR 12 (1970) 115-129, 122.

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4. Ein Bischofskoadjutor ist ein Weihbischof, der einem Diözesanbischof beigestellt wird und ein Nachfolgerecht auf den Bischofsstuhl hat.

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5. Das päpstliche Gesandtschaftswesen ist im wesentlichen in den Kanones 362 - 367 CIC 1983 und im MP Pauls VI. „Sollicitudo omnium ecclesiarum" über die Aufgaben der Legaten des römischen Papstes vom 24. Juni 1969 (NKD 21) geregelt.

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6. Vgl. Paul Mikat, Die päpstlichen Gesandten (Anm. 1), 387 f.

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7. Das Staatssekretariat ist jene Einrichtung der römischen Kurie, die dem Papst unmittelbar bei der Ausübung seines Amtes hilft.

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8. Siehe dazu Rees, Päpstliche Legaten (Anm. 2), 169.

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9. Zur Gliederung und Aufteilung der Aufgaben der römischen Kurialbehörden siehe Johannes Paul II., Apost. Konst. „Pastor bonus" vom 28. Juni 1988, in: Codex des Kanonischen Rechts, lateinisch-deutsche Ausgabe, Kevelaer 52001, 771-833.

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10. „Das Amt des Legaten steht nicht über der Vollmacht des Bischofs noch ersetzt oder beeinträchtigt er diese, im Gegenteil, er stützt und stärkt sie durch brüderlich-klugen Rat." PaulVI., MP Sollicitudo omnium ecclesiarum (Anm. 5), 47.

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11. Die Ad-limina-Besuche erfüllen einen dreifachen Zweck: den Besuch der Apostelgräber (limina apostolorum), der Begegnung mit dem Papst und den Gesprächen mit den Dikasterien (Pastor bonus, Art. 31).

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12. Dikasterien ist die Sammelbezeichnung für Behörden der römischen Kurie: Staatssekretariat, Kongregationen, Räte usw.

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13. Vgl. Pastor bonus, Abs. 10.

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14. Vgl. Christoph Stoffel, c. 364, Rdnr. 2, in: MK CIC (Stand: April 1992).

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