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Zur Beerdigung eines Priesters und eines Freundes
(Eine Predigt)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Predigt bei der Beerdigung von Pfarrer Erwin Corazza in der Kirche von Thurnfeld am 29.Juni 2002
Datum:2002-07-18

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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"Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser. Aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche." (Aus der Präfation zum Herz-Jesu-Fest).

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Was dem nüchternen Mediziner ein vielleicht - doch noch - schockierendes Bild qualvollen Endes einer Kreatur bleibt, das wird dem Gläubigen zum Hinweis auf das tiefste Geheimnis göttlicher Liebe. Einer Liebe, die sich öffnet und in dieser Öffnung auch keine Grenze zu kennen schient. Für die Christen stellt ja das Bild des Herzens Jesu den Ort dar, der von Gott selbst auserwählt wurde um in menschlicher Form bei den Menschen gegenwärtig zu sein...

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Das Sterbebildchen von Pfarrer Corazza - es ist das Bild, das sein Bruder gemalt hat - zeichnet nun ein eigenartiges Bild des Herzen Jesu. Der tote Sohn liegt auf dem Schoß seiner Mutter, seine Brust verletzt und offen. Stumm schreit die Mutter zu all den Betrachtern: "Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut her , ob ein Schmerz ist, wie mein Schmerz" (Klg 1,12). In der Gestalt der Pieta, in diesem Vesperbild verdichten sich ja seit Jahrhunderten Milliarden von Geschichten, in denen Menschen Menschen verlieren, in denen die Kehle zugeschnürt bleibt und die Augen allzu oft trocken..., weil es ja für die Tränen kaum mehr Kraft gibt. Der Inbegriff des Schmerzes und der Hoffnungslosigkeit, der aber gerader deswegen vielen Menschen zum Trost werden kann!

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Weil sie sich entweder in der Rollte der leidenden Mutter, oder aber auch des toten Sohnes sehen blicken Menschen dieses traurige Paar an, das da von Scheitern, vom Untergang kündet... und von dem Ende! Es kündet auch von dem Unwillen des Menschen sich aus der schmerzhaften Umarmung zu lösen. Wer von uns kennt das nicht?

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Am Tiefpunkt der Trauer und Depression angelangt, in einen anderen - wenn auch schon toten - Menschen vergraben, möchte der Mensch seine Umarmung nicht lösen. "Lass mich doch mit Dir sterben..., auf dass wir in alle Ewigkeit so vereint bleiben..." Menschlich..., ja urmenschlich ist diese Reaktion und diese Beziehung, denn kein Tier ist zu dieser Art von Trauer und Treue fähig. Kein Tier erschrickt auf so berührende Art und Weise über das Ende der Geschichte: das Ende der Geschichte von Mutter und Sohn, das Ende der Geschichte von Mensch und Mensch. Und warum?

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So paradox es klingen mag, gerade an diesem Willen, die Umarmung eine Ewigkeit dauern zu lassen, entdeckt der Gläubige die vielleicht am meisten verschütteten und verblassten Spuren des göttlichen Geheimnisses, welches wohl ein Geheimnis des Lebens ist. Gott ist ja das Leben, der Liebhaber des Lebens, ja die Liebe selbst! Eine Liebe, die stärker ist als alle Tod.

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Denn: in alle Ewigkeit öffnen sich schon die göttlichen Personen aufeinander...: der liebende Vater auf den geliebten Sohn und die beiden auf den mitgeliebten Geist. Umarmung ist gerade deswegen eine zutiefst menschliche Geste, weil sie die Geste Gottes ist. Beziehung ist deswegen eine menschliche Angelegenheit, weil sie zuerst eine Angelegenheit Gottes ist. Weil Gott in seiner ewigen Umarmung der Inbegriff einer bergenden Heimat ist, öffnet er sich auf uns...: die Individuen, aus Fleisch und Blut, die wir so vieles mit Tieren gemeinsam haben... Er öffnet sich und nimmt den Menschen: jeden Menschen in die bergende Gegenwart seines göttlichen Herzens auf. Angesteckt durch diese göttliche Umarmungslust nehmen die Menschen einander an, geben einander Geborgenheit und Liebe und trauen, wenn es gilt die oft lebenslangen Beziehungen und Umarmungen zu lösen. Doch die göttliche Liebe ist stärker als aller Tod.

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Deswegen stieg ja Einer von den göttlichen Liebenden herab..., wurde "bodenständig". Einer von uns. Geboren aus einer Mutter, wie die Deine und auch die Meine..., ging mit uns durch dick und dünn und endete in der schrecklichsten Sackgassen... Mit dem offenen Schrei nach Gott! So starb er; und seine Brust wurde aufgeschlitzt. Auf dass das letzte Geheimnis offengelegt wird: An diesem Einen Menschen hat es nichts, aber gar nichts gegeben, was nicht auf Beziehung ausgerichtet war und ist! Gerade deswegen ist nun das Bild dieser ohnmächtigen Beziehung des toten Sohnes zu seiner trauenden Mutter, die ihn auf ihrem Schoß trägt so berührend und auch so inspirierend.

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Die offene Wunde weist auf das offene Geheimnis Christi hin: Auf dass alle, die dieses Herz gläubig anschauen, wissen: dieses Herz hat alle geliebt, ja es liebt alle, selbst diejenigen, die es ablehnen sich lieben zu lassen.

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Liebe Schwestern und Brüder! Nicht nur der postmoderne Mensch tut sich damit schwer! Nicht nur der postmoderne Mensch kann es schwer zulassen, dass er zuerst geliebt wird ... und getragen. Dass er erst Mensch wird, ...und diese nicht deswegen, weil er so tüchtig ist und immer gut drauf bleibt... Nein. Er wird erst dann Mensch, wenn das unbändige Instinkt nach Selbsterhaltung und Selbstdurchsetzung in ihm stirbt und auch alle Egoismen verwandelt werden. Auf dass ein Anderer in ihm leben und lieben kann: Der göttlich geliebte Liebhaber des Lebens.

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Weil Du, lieber Erwin, von dieser Logik angesteckt wurdest, weil Du dich selber im göttlichen Herzen geborgen wusstest, bist Du Priester geworden - wolltest Priester sein nach dem Bild des Herzens Jesu. Dein Leben lang wolltest Du zu Menschen Beziehungen stiften, weil Du sie zu Glauben und Vertrauen dem lebendigen Gott gegenüber führtest. Du wolltest trösten und ermahnen, wolltest sich immer wieder in die menschlichen Geschichten einmischen - eben: Beziehungen stiften, ein Stück des Weges mit anderen gehen, und sich rechtzeitig zurückziehen! Sich zurückziehen, weil im Leben oft Fronten verhärtet sind und eine Beziehung, oder aber eine Umarmung nicht immer möglich ist. Sich zurückziehen, weil auch Du nicht nur Priester, sondern auch ein Sünder warst. Ein Sünder, der oft selber eine Beziehung und eine Umarmung verweigerte und selber Fronten verhärtete. Über Dein Sündersein - gerade in Deinem Amt - hast Du Dir keine Illusionen gemacht. Du wusstest um Deine Grenzen! Du wusstest, dass Du kein zweiter Jesus bist, dass Du nur aus der bergenden Gegenwart dieses göttlichen Herzens lebst. Vielleicht deswegen zeigtest Du immer wieder diese Dir eigenen Härte sich selber gegenüber die dich oft als schwer versöhnlich erscheinen ließ. Du hast mit Menschen gerungen und sie haben mit Dir gerungen..., bist deswegen den meisten als Priester in Erinnerung geblieben, der ständig auf Trab bleibt..., neue Ideen und Initiativen in die Welt setzt. Als Priester, den die Gleichgültigkeit geradezu in Rage versetzen konnte. Dass Du auch still sein konntest, geradezu schüchtern und verletzlich..., das trauten Dir die wenigsten zu. Erst die Erfahrung des "Absterbens Deines Luftraumes", die Erfahrung der steigenden Ohnmacht rückte diese Züge Deiner Person in den Vordergrund. Mit einer Hoffnung sondergleichen hast Du Dich den Armen anderer ausgeliefert...: den menschlichen Armen, die für Dich doch Zeichen der offenen Arme des Erlösers waren.

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Und weil er..., der lebendige Gott, der Liebhaber des Lebens, Dich in Seinen Armen hielt und hält..., können wir bekennen: Das Bild der Pieta, die stumme Mutter und ihr toter Sohn schreien nicht nur: "Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut her, ob ein Schmerz ist, wie unser". Sie flüstern direkt in die Tiefe unseres Herzens hinein. "Das was ihr da seht..., das ist nicht das Ende der Geschichte: weder von Mutter und Sohn, noch von der Kirche und Katholiken und schon gar nicht von Gott und Mensch!" Denn: die Geschichte geht ja weiter..., als Geschichte von Ostern. Als Geschichte der Getauften und Geweihten. Sie geht ja weiter als Geschichte der ewigen göttlichen Liebe, deren Teil Du - lieber Erwin - nun geworden bist. Einer Liebe, die uns alle aber in ihrer Klarheit noch erwartet. Diese Hoffnung willen wir nun mutig besingen indem wir bekennen, dass wir an den Dreieinen Gott glauben, an Gott der Beziehungen und an Gott der Umarmungen. An die göttliche Liebe!

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