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Gottesdienste im Cyberspace?
(Eine Replik auf Walter Vogels Vorschlag und einige religionspädagogische Überlegungen zum Internet)

Autor:Drexler Christoph
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Der Artikel bezieht sich auf den von Walter Vogel im Österreichischen Religionspädagogischen Forum 7 (1997), S. 37-40 vorgetragenen Vorschlag, Gottesdienste im Cyberspace anzubieten. Demgegenüber wird vorgeschlagen, die Verwendung "neuer Medien" in relgionspädagogischen Feldern im Rahmen einer kommunikativen Didaktik des Religionsunterrichts nach den dadurch begünstigten oder erschwerten Kommunikationsformen zu befragen.
Publiziert in:Österreichisches Religionspädagogisches Forum 8 (1998)
Datum:2002-03-14

Inhalt

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In seinem Artikel im letzten Heft des Österreichischen Religionspädagogischen Forums hat mein Grazer Kollege Walter Vogel vorgeschlagen, Gottesdienste im Internet anzubieten (1) . Auch in der Publikation seiner (überarbeiteten) Dissertation tauchen diese Überlegungen im letzten Kapitel wieder auf(2) . Schließlich hat Walter Vogel dieses Projekt im Dezember 1997 auch selbst im Versuchsmodell "Netburger" (3) zu verwirklichen versucht, wie einer Ankündigung in seinem Buch(4) und einer kurzen Notiz im "Netburger" (5) zu entnehmen ist.

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In den vergangenen Monaten konnte ich bei diversen Gesprächen feststellen, daß ich nicht der einzige bin, bei dem diese Vorstellungen und Ideen ein gewisses Unbehagen auslösen, das jedoch - so schien es mir immer wieder - schwer ins Wort zu bringen ist. Daß meine Bedenken nicht aus der Befürchtung erwachsen, durch Gottesdienste im Cyberspace würde dem Sakrament der Eucharistie Konkurrenz gemacht - eine Vorstellung, die Walter Vogel vorsorglich entrüstet zurückweist (6) -, war mir schnell klar; aber was sonst macht mich (und andere) daran so mißtrauisch?

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Im vorliegenden Artikel möchte ich versuchen, dieses diffuse Unbehagen in Worte zu fassen, weil erst dadurch eine konstruktive Auseinandersetzung möglich wird. Außerdem möchte ich als Alternative andere Zugangsweisen zum Thema Internet anbieten, die nach meinem Dafürhalten dem Spezifikum des religionspädagogisch-katechetischen Diskurses angemessener wären.

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1. Gottesdienste im Cyberspace - ein Thema für die Katechetik / Religionspädagogik?

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Nach einem Problemaufriß und einer Klärung der Begriffe "Cyberspace" und "Internet" bemerkt Vogel: "Als Religionspädagoge [sic!] stellt sich mir nun die Frage, ob diese Cyberwelt auch ein Ort ist, an dem Glaubensweitergabe erfolgen kann." (7) Leider entschließt sich Vogel in der Folge, diese fundamentale Frage außer acht zu lassen und statt dessen "einige Gedanken zur Frage möglicher Gottesdienste im Internet" (8) anzustellen. Die Überlegungen, die daran anschließen, haben m. E. herzlich wenig mit Religionspädagogik und Katechetik zu tun: ob ein solcher Gottesdienst eine Konkurrenz zur Eucharistie darstellen würde, wäre eine sakramententheologische Frage; der konkrete Ablauf einer solchen "Feier" fiele in den Kompetenzbereich der Liturgiewissenschaft; die Frage nach der Sinnhaftigkeit kirchlicher Präsenz in der Öffentlichkeit ist dem theologischen Fächerkanon nicht eindeutig zuordenbar - trotzdem zweifle ich daran, daß es sich dabei um eine spezifisch religionspädagogisch-katechetische Fragestellung handelt (9) . Vor allem aber gilt: solange die grundlegende - unserem Fachbereich wirklich angemessene - Frage, "ob diese Cyberwelt auch ein Ort ist, an dem Glaubensweitergabe erfolgen kann", nicht beantwortet wird, bleiben alle weiterführenden Überlegungen hypothetisch und damit wenig bedeutsam.

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Wenn es stimmt, daß Glaube - wie in den letzten Jahren in der religionspädagogischen Diskussion immer wieder betont wird - nicht so sehr "weitergegeben", sondern vor allem in Begegnungen von Mensch zu Mensch "erschlossen" oder "gezeugt" wird, dann wird die von Vogel außer acht gelassene Frage erst wirklich brisant und spitzt sich auf die Frage zu: Inwieweit ermöglicht oder behindert das immer wieder als universales Kommunikationsmedium angepriesene Internet lebensbedeutsame Begegnungen zwischen Menschen?

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2. Das Internet hält Einzug in die Schulen

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Das Internet ist in den Diskussionen um neue Lernformen in der Schule in Mode gekommen. Stolz präsentierten Landeshauptmann Pühringer und Landesschulratspräsident Riedl am 23. 2. 1997 der Presse, daß in Oberösterreich bereits alle Bundesschulen Zugang zum "Education Highway" (10) und damit auch zum Internet haben, alle übrigen Schulen sollen bis zum Ende des Jahres 1998 folgen(11) . 19 Mio. Schilling ist diese Initiative dem Land Oberösterreich 1998 wert. Auch wenn seitens des Unterrichtsministeriums "bereits anerkennend festgestellt [wurde], daß dieser oberösterreichische Weg der elektronischen Vernetzung vorbildlich ist" (12) , so ist das Internet-Fieber doch bei weitem nicht nur in Oberösterreich ausgebrochen. Über das "Austrian School Network" sollen alle Schulen in ganz Österreich an das Internet angebunden werden (13) .

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Teils Euphorie, großteils Ablehnung bei den LehrerInnen

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Hört man sich bei LehrerInnen um, wie sie die Entwicklung in bezug auf das Internet beurteilen, so trifft man einerseits auf eine (eher kleine) Schar von Begeisterten, die eine neue Ära des Lehrens und Lernens anbrechen sehen. "Mutige" LehrerInnen, so suggeriert auch ein einschlägiger Buchtitel, nutzen die Segnungen des neuen Mediums (14) . Wer mit Begriffen wie "E-Mail", "Links", "Chatten", "URL" usw. nicht vertraut ist, wirkt schon etwas verstaubt und hinterwäldlerisch. Als einziges Hindernis stellen sich dieser Gruppe von LehrerInnen die trotz des enormen finanziellen Einsatzes immer noch eher bescheidenen technischen Zugangsmöglichkeiten zum Internet dar. Schließlich gilt eine Schule auch schon dann als "ans Internet angeschlossen", wenn es in der Schule vielleicht auch nur einen einzigen PC gibt, von dem aus man sich per Modem ins Netz einwählen kann. Die große Diskrepanz zwischen Versprechungen bzw. scheinbaren Erfolgsmeldungen, die laut hinausposaunt werden, und der oft ernüchternden Realität bremst nur zu oft den selbstlosen (?) Elan vorpreschender IdealistInnen(15) .

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Auf der anderen Seite begegnet man aber auch einer (wohl eher größeren) Gruppe von LehrerInnen, die dem neuen Medium mit großer Skepsis gegenüberstehen. Die Diskussion kreist um Fragen wie beispielsweise die Möglichkeit, Referate in Zukunft - anstatt sie selbst zu verfassen - vom Internet "herunterzuladen" (16) , oder die einfache Verfügbarkeit pornographischer und rechtsradikaler Inhalte.

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Beide Reaktionsweisen sind m. E. Symptome eines zugrunde liegendenden Problems: Den LehrerInnen wird derzeit mit hohem finanziellem Aufwand eine neue Technik bzw. ein neues Medium vor die Nase gesetzt, verbunden mit der (implizit mitgemeinten und explizit ausgesprochenen) Forderung, diese/s auch zu nutzen. Mit der Aufgabe, die neuen technischen Möglichkeiten auch sinnvoll in den Unterricht zu integrieren und diesen Einsatz dann auch noch kritisch zu reflektieren, werden sie jedoch weitgehend alleine gelassen.

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Tatsache ist jedenfalls, daß das Internet unaufhaltsam Einzug in die Schulen hält - Grund genug, meine ich, sich damit auch religionspädagogisch ernsthaft auseinanderzusetzen.

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3. Problemanzeige: fehlendes bzw. höchst diffuses Begriffsinstrumentarium

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Bei der Frage nach der religionspädagogischen Bedeutsamkeit des Internet und seiner Möglichkeiten stößt man allerdings schon bei der Analyse des Problemfeldes sehr schnell auf unangenehme Grenzen. Das Internet wird immer wieder als Kommunikationsmedium angepriesen. Wenn man den Terminus "Kommunikation" allerdings einmal genauer unter die Lupe nimmt, so können damit sehr verschiedene Sachverhalte gemeint sein: während die kommunikationstherapeutische Schule (P. Watzlawick u. a.) praktisch jedes soziale Verhalten als "Kommunikation" begreift (daher auch das Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren!), schränken andere (v. a. der Publizistik näherstehende KommunikationswissenschafterInnen) den Begriff auf gelungene sprachliche Verständigung ein (d. h. Kommunikation findet nur dann statt, wenn zwei oder mehrere Personen unter einer sprachlichen Äußerung dasselbe verstehen) (17) . Das weiteste Verständnis liegt aber dann vor, wenn (wie in bezug auf Computer oft üblich) der Begriff "Kommunikation" auch für die Interaktion zwischen Mensch und Maschine gebraucht wird.

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Daß die genaue Bedeutung des Begriffs Kommunikation keine nebensächliche Spitzfindigkeit darstellt, kommt in einer Karikatur (18) sehr gut zum Ausdruck: Auf die Frage der Frau: "Can we talk?" antwortet ihr gebannt auf den Computerbildschirm starrender Mann: "No, I'm busy communicating!"

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Bei genauerer Betrachtung macht die Karikatur aber auch darauf aufmerksam, daß die besonderen Eigenheiten des Internet der ohnehin schon problematischen Bedeutungsvielfalt des Begriffes "Kommunikation" eine weitere Schwierigkeiten hinzufügt, weil durch das neue Kommunikationsmedium auch neue Formen von Kommunikation entstehen: So ist es beim sog. "Chatten" in einem bisher nicht vorhandenen Umfang möglich, mit völlig unbekannten Personen Kontakt aufzunehmen und (schriftlich) zu "plaudern". Noch komplizierter wird die Angelegenheit bei den sog. MUDs (multi user dungeons): In künstlich erzeugten und ständig weiter entwickelten Spielwelten (die ProgrammiererInnen werden dabei meist als "Götter" bezeichnet) kann jede/r, der/die will, mit einer (oder auch mehreren) selbst erfundenen Spielfigur(en) einsteigen und in der Folge auch mit anderen Figuren Kontakt aufnehmen. Welche Form von Kommunikation entsteht dabei? Entspräche eine solche Form von Kommunikation auch noch unseren Vorstellungen von einer "kommunikativen Didaktik" bzw. von Lernen in Beziehungen? Wie fließend (und das ist für die "Virtuelle Realität" des Internet typisch) die Grenzen zwischen Spiel und Realität sein können, beweisen einige Fälle einer virtuellen Vergewaltigung (bei denen Spielfiguren durch Programmiertricks von anderen Spielfiguren dazu gezwungen worden sind, bestimmte sexuelle Handlungen zu "vollziehen"; die "BesitzerInnen" der Spielfiguren konnten nur tatenlos zuschauen, was "ihre" Figur da ohne ihr Zutun "tat")(19) . In daran anschließenden Diskussionen in einschlägigen Newsgroups (Diskussionsforen im Internet) wurde heftig debattiert, ob das nun - weil es sich ja ohnehin nur um ein Spiel handle - erlaubt wäre oder nicht. Die emotionale Verletztheit der Betroffenen erwies sich jedenfalls als durchaus sehr real (wenn sie auch vermutlich nicht ohne weiteres mit jenen Verletzungen zu vergleichen ist, die bei einer "echten" Vergewaltigung zurückbleiben).

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Für die Frage, welche Form von Kommunikation das Kommunikationsmedium Internet ermöglicht und ob in dieser Form von Kommunikation "Glaubensweitergabe erfolgen kann" - ich erinnere an Walter Vogels unbeantwortet gebliebene Frage -, heißt das erstens, daß religionspädagogisch die Frage zu klären ist, welche Formen von Kommunikation einer möglichen Glaubenserschließung förderlich oder hinderlich sind; zweitens ist, wenn es um das Internet geht, wohl auch zu klären, wie das Verhältnis von Virtualität und Realität näher zu bestimmen wäre - eine Aufgabe, bei der die Katechetik wohl auch auf andere humanwissenschaftliche Disziplinen angewiesen ist; drittens wäre schließlich neu zu überdenken, welche Bedeutung und Rolle den Medien im allgemeinen und dem Internet im besonderen im (Religions-) Unterrichtsgeschehen zukommt.

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4. Einige Überlegungen zu einer kommunikativen Didaktik des Religionsunterrichts

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Im Rahmen dieses Artikels ist es wohl unmöglich, die aufgeworfenen Problemkomplexe auch nur ungefähr einer Klärung zuzuführen. Ich möchte aber doch den Versuch wagen, wenigstens Richtungen vorzuschlagen, wohin sich eine Beantwortung der obigen Fragen orientieren könnte.

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1. Die Verwendung von Vokabeln wie "lebensbedeutsam", "lebenshermeneutisch", "dialogisch" u. ä. war m. E. in den religionspädagogischen Diskussionen der letzten Jahre schon ein deutlicher Versuch, näher zu bestimmen, welche Formen von Kommunikation einem zeitgemäßen Religonsunterricht im Interesse der LehrerInnen und SchülerInnen angemessen wären. Reinhold Boschki hat jüngst (u. a.) wegen der "Gefahr der Unverbindlichkeit und Mehrdeutigkeit" vorgeschlagen, statt einer "kommunikativen" überhaupt von einer "dialogischen Religionsdidaktik" zu sprechen (20) . Der geänderte Terminus hat zwar zweifellos den Vorteil, daß er klar darauf verweist, daß es um die Interaktion zwischen Menschen geht, gleichzeitig impliziert er andere Schwierigkeiten: So legt er v. a. eine Anknüpfung an Martin Bubers Dialog-Philosophie nahe, ohne daß die wichtige Weiterentwicklung dieser philosophischen Denkschule durch Emmanuel Levinas ausreichend Beachtung fände. Außerdem geht mit dem Adjektiv "kommunikativ" auch seine Konnotation zu Jürgen Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns verloren. Hinter der Frage nach dem richtigen Begriff verbirgt sich jedoch die (noch viel wichtigere!) Frage, ob über das Gemeinte überhaupt noch ein Konsens herrscht. Nach meinem Eindruck jagt in der deutschsprachigen religionspädagogischen Diskussion der letzten Jahre ein Schlagwort das andere, die Konturen (und das hieße auch: die unter den ReligionspädagogInnen strittigen Punkte) hinter den vielen Schlagworten werden aber noch selten deutlich. Vielleicht wäre es an der Zeit, in den einschlägigen Fachzeitschriften endlich die Kontroverse (wieder) zu entdecken, sodaß nicht immer nur Ansatz neben Ansatz neben Ansatz gestellt wird, sondern auch wieder ein sachliches und faires Streiten um Standpunkte möglich wird.

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Vielleicht könnte dann auch die Herausbildung eines neuen gemeinsamen Konsensbegriffes gelingen, der - ähnlich dem Begriff der Korrelation - diese Bemühungen unter einem gemeinsamen "Dach" vereinigen könnte. Der Terminus "diakonischer Religionsunterricht" sagt m. E. mehr über ein Verständnis des Religionsunterrichts "nach außen" (in bezug auf seine Bedeutung im Gesamt der Schule) aus als über die im Religionsunterricht nötigen Zielvorstellungen, die dazu beitragen könnten, dem diakonischen Anspruch gerecht zu werden.

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2. In bezug auf das Verhältnis von Virtualität und Realität (das - wie gesagt - nicht die Religionspädagogik/Katechetik alleine klären kann) stünde es uns m. E. gut an, der (nicht-virtuellen) Realität unsere besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zu dieser Realität gehört es nämlich u. a., daß der "Cyberspace" ein reichlich elitärer Club ist, zu dem vor allem männliche, akademisch gebildete, gut verdienende, 20-30jährige Europäer, Nordamerikaner und Asiaten mit hohem Einkommen Zutritt haben (21) . Zur Rede von der sog. "computer literacy" als einer vierten Kulturtechnik (neben Lesen, Schreiben und Rechnen) gehört auch die von der "computer illiteracy", einer neuen Form des AnalphabetInnentums, die vor allem jene betrifft, die ohnehin schon stark benachteiligt sind. Die allermeisten BewohnerInnen dieser Erde haben weder die finanziellen noch die technischen Möglichkeiten, um an den großartigen neuen Möglichkeiten teilzuhaben. Doch das scheint noch das geringere Problem zu sein. So warnt etwa die senegalesische Computerexpertin Edem Fianyo: "Die Anbindung an das Netz ist nicht so sehr ein technisches Problem. Eine der Gefahren im Internet ist, daß die Informationen aus dem Norden kommen. Wenn der Highway Wirklichkeit wird, ohne daß Afrika darauf vorbereitet ist, wird der Verkehr aus einer Einbahnstraße auf uns zukommen." (22) Der salvadorianische Ex-Guerillero und Radio-Pragrammdirektor Daniel Salinas meint, "daß sowieso nur die paar Leute aus ein und derselben 'Klasse' ans Internet kommen und alle anderen von vornherein ausgeschlossen sind. Insofern verstärkt es die gesellschaftlichen Gräben eher noch."(23)

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Ein Religionsunterricht, der sich dem Lernziel einer "Identität in universaler Solidarität" (24) verpflichtet weiß, wird sich solchen Anfragen nicht verschließen können. Eine einseitig von Skepsis getragene Haltung wird dem Problemstand allerdings nicht gerecht, will man nicht übersehen, daß auch viele Basisinitiativen in den sog. Entwicklungsländern längst die vielfältigen Möglichkeiten des Internet nützen (25) . Die Frage nach den "Ausgeschlossenen", nach den Opfern der rasenden technischen Entwicklung, muß dabei aber gerade im Fach Religion immer und immer wieder gestellt werden.

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Es wäre daher meiner Meinung nach sinnvoll, dem Internet im Rahmen des Religionsunterricht - nicht unbedingt fest im Lehrplan verankert, aber dort, wo es situationsbezogen angemessen erscheint - nicht nur einen Platz als Medium,sondern v. a. alsThema einzuräumen. Eine Thematisierung des Internet im Unterricht könnte auch dazu beitragen, einen (durchaus kontroversen) fruchtbaren Dialog zwischen den vorwiegend medienskeptischen LehrerInnen (s. o.) und den vorwiegend medienoptimistischen Jugendlichen in Gang zu bringen.

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3. Bezüglich der Verwendung von Medien (nicht nur, aber auch des Mediums Internet) wären m. E. neuere medienpädagogische Ansätze aufzugreifen, die - so Bernward Hoffmann - davon ausgehen, daß es Ziel aller medienpädagogischen Bemühungen sein muß, "zum kritischen Verstehen von und zur aktiven Beteiligung an sozialen Kommunikationsprozessen zu befähigen" (26) . Für den Religionsunterricht ist dabei m. E. von besonderem Interesse, was Hoffmann das Problem der "Konkurrenz zwischen medialer und personaler Kommunikation" nennt und durch die Frage verdeutlicht: "Wie muß man mit den Medien umgehen, damit nicht durch die technisch vermittelte Kommunikation … die personalen Beziehungen Schaden leiden?" (27) Diese Frage ergibt sich notwendig aus einer den Medien (übrigens auch dem Medium Sprache!) als solchen innewohnende eigentümliche Ambivalenz, die sich schon im Begriff Medium selbst offenbart: Als ein "Mittleres" bzw. ein "Dazwischen" lassen sie grundsätzlich offen, ob sie die beiden Seiten, zwischen denen sie stehen, verbinden oder trennen.

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Konkret bedeutet das, daß der Einsatz aller Medien im Religionsunterricht danach zu beurteilen wäre, inwieweit er der personalen Kommunikation bzw. der "Besprechung des Lebens" (28) der am Unterricht Beteiligten dienlich oder hinderlich ist (29) . Exemplarisch auf das Internet bezogen heißt das: Wo die Möglichkeiten des Internet genutzt werden, um etwa mit sonst schwer erreichbaren Menschen Kontakt zu knüpfen oder um mithilfe des Internet Informationen und Materialien zu beziehen, an die sich interessante und spannende Diskussionen anknüpfen, ist ein Einsatz dieses neuen Mediums wohl dienlich. Wo die "Kommunikation" im Internet hingegen - wie in der Karikatur - die Kommunikation innerhalb der Klasse zu ersetzen droht oder wo vielleicht sogar versucht wird, mithilfe des bei SchülerInnen beliebten neuen Mediums unbeliebte Inhalte an den Mann und die Frau zu bringen und so möglichen Störungen bzw. Konflikten aus dem Weg zu gehen, anstatt sie als Chance und Lernmöglichkeit wahr- und ernstzunehmen, ist ein Einsatz des Internet mehr als nur fragwürdig. In bezug auf Videos und Filme hat sich ja auch inzwischen weitgehend die Praxis durchgesetzt, eher nur Kurzfilme oder Filmausschnitte einzusetzen und jedenfalls darüber im Anschluß zu sprechen. Entsprechende Umgangsweisen wären für das neue Medium Internet ebenfalls zu entwickeln.

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5. Nachwort

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Einen kurzen Artikel als Replik auf Walter Vogels Vorschlag wollte ich schreiben. Viel länger als gedacht und beabsichtigt ist der Artikel tatsächlich geworden. Trotzdem habe ich - so scheint mir - mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Da jedoch - wie wir in Ferdinand Angels Antrittsvorlesung gelernt haben - Komplexitätsmanagement eine hervorragende religionspädagogische Kunst und Aufgabe ist, bin ich zuversichtlich, daß dies die geneigten LeserInnen dieses Artikels nicht als Anstoß zur Resignation, sondern als Impuls zu einem angeregten, spannenden, kontroversen Diskurs auffassen werden. Freilich müßten wir dann erst einmal klären, ob diese Kontroverse im virtuellen "Cyberspace" des Internet oder doch besser in Form einer "Face-to-Face Kommunikation" im "Real Life" stattfinden soll… [;-)].

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Weitere Literatur

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  • Barloewen, Constantin von: Der Mensch im Cyberspace : Vom Verlust der Metaphysik und dem Aufbruch in den virtuellen Raum. München : Diederichs, 1998.
  • Becker, Barbara ; Paetau, Michael (Hrsg.): Virtualisierung des Sozialen : Die Informationsgesellschaft zwischen Fragementierung und Globalisierung. Frankfurt am Main : Campus, 1997.
  • Bertelsmann Stiftung ; Heinz Nixdorf Stiftung (Hrsg.): Neue Medien in den Schulen : Projekte - Konzepte - Kompetenzen. Gütersloh : Verl. Bertelsmann Stiftung, 1996.
  • Böhmisch, Franz: Die Gottesbilder der digitalen Noosphäre : Die religiöse Sprache des Internet. Online im Internet: URL: http://www.animabit.de/quarterly/no osphere.rtf (Stand 24. 7. 1998).
  • Döring, Nicola: Sozialpsychologie des Internet. Dissertation. Berlin: FU Berlin; Inst. für Pädagogische Psychologie und Medienpsychologie, 1998.
  • Interuniversitäre Koordinationsstelle für Frauenforschung und Frauenstudien Linz (Hrsg.): Neue Medien und Kommunikation. Linz : Universitätsverlag Rudolf Trauner, 1996.
  • Niewiadomski, Józef: Extra media nulla salus? : Zum Anspruch der Medienkultur. In: ThPQ 143 (1995), S. 227-233.
  • Postman, Neil: Das Technopol : Die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft. Frankfurt : S. Fischer Verlag, 1992.
  • Sekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz (Hrsg.): Kirche in der Gesellschaft : Wege in das 3. Jahrtausend. St. Pölten : Niederösterreichisches Pressehaus, 1997, bes. S. 305-332.
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Anmerkungen:  

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 1. Vgl. Walter Vogel: Gottesdienste im Cyberspace. In: ÖRF 7 (1997), S. 37-40, bes. S. 40.

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2. Vgl. Walter Vogel: Religion Digital : Computer im Religionsunterricht. Innsbruck : Tyrolia, 1997 (Edition Zeitpunkt), S. 187-195.

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3. Vgl. dazu Andreas Schnider: Wenn der eine Strick zum Netz mit vielen Knoten wird … In: Vogel: Religion Digital, a. a. O., S. 175-187, bes. S. 181-186. Als "der nette Theologe" ist Andreas Schnider übrigens auch im Internet vertreten: Vgl. Ein Theologe im Internet… Online im Internet: URL: http://www.netburger.at/netpfarrer/inh alt.html (Stand 16. 7. 1998).

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Für Zitationen von Internet-Quellen gibt es noch keine verbindlichen Regeln. Ich halte mich im wesentlichen an die Regeln von: Bleuel, Jens: Online Publizieren im Internet : Zitieren von Quellen im Internet. Online im Internet: URL: http://ourworld.com puserve.com/homepages/jbleuel/ip-zitk.htm (Stand 16. 7. 1998). Das Datum in der Klammer gibt das Datum des Abrufs der Seite an.

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4. Vgl. Vogel: Religion Digital, a. a. O., S. 189.

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5. "Der ' Gottesdienst im Cyberspace ' fand am 27. Dezember 1997 im Netburger statt. Hier kannst du nochmal die einzelnen Seiten dazu sehen." - Geistreiches im Netburger. Online im Internet: URL: http://www.netburger.at/geistreich/ (Stand 16. 7. 1998). Leider findet man im entsprechenden Hyperlink nicht - wie oben angekündigt - "noch einmal die einzelnen Seiten [Plural!] dazu", sondern nur die dem Gottesdienst vorangegangene Einladung bzw. Begrüßung (Benedikt, Susanne u. a.: Grüß Gott! Online im Internet: URL: http://www.netburger.at/gottesdienst/ [Stand 16. 7. 1998]). Fündig werden kann man diesbezüglich nur in der Offline-Version des "Netburger" auf der CD-ROM, die dem Buch: Vogel: Religion Digital, a. a. O. beiliegt. Dort ist u. a. die Rede davon, "daß dieser Event so gut ankam", daß die InitiatorInnen "demnächst wieder einen solchen Gottesdienst veranstalten [werden]" und daß nur schade gewesen sei, "daß manche Leute zu spät kamen" - Gottesdienst im Cyberspace. Auf: CD-ROM: Andreas Schnider ; Walter Vogel ; Martin Winkler: Religion Digital : Netburger (Beilage zu Vogel: Religion Digital, a. a. O.), file:///D:/Netburger/gottesdienst/index.html. Von dort aus können die einzelnen Seiten mit den Elementen, die im Gottesdienst verwendet wurden, abgerufen werden.

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Übrigens zeigt sich an dieser Stelle eine deutliche Schwäche des Internet: Da die zur Verfügung gestellten Informationen jederzeit verändert oder gelöscht werden können und meistens nicht archiviert werden, ist eine Überprüfung der Quellen oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr möglich.

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6. Vgl. Vogel: Gottesdienste im Cyberspace, a. a. O., S. 37f.

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7. Ebd., S. 37.

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8. Ebd.

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9. Das Fehlen einer theologischen Disziplin, die für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit zuständig wäre, scheint mir übrigens symptomatisch zu sein und in einem inneren Zusammenhang zur oft sehr mangelhaften "Performance" kirchlicher Würdenträger in der Öffentlichkeit zu stehen.

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10. Der "education highway Oberösterreich" ist ein vom Landesschulrat f. OÖ. initiiertes Projekt, das durch die Anbindung aller Schulen in Oberösterreich ein schulisches Intranet mit einem definierten Übergang zum Internet schaffen soll - vgl. education highway Oberösterreich. URL: http://www.asn-linz.ac.at/config/eduhi gh.htm (Stand 17. 7. 1997).

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11. Vgl. Presseunterlage zur Pressekonferenz mit Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Landesschulratspräsident Dr. Johannes Riedl und Generaldirektor Dr. Wolfgang Langbauer am 23.2.1998. URL: http://www.asn-linz.ac.at/pklh0298.htm (Stand 17. 7. 1998).

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12. Ebd.

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13. Vgl. Austrian School Network. URL: http://www.bmuk.gv.at/pschulen/ wettproj/asn.htm (Stand 17. 7. 1998).

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14. Vgl. Perrochon, Louis: School goes Internet : Das Buch für mutige Lehrerinnen und Lehrer. Heidelberg : dpunkt, Verl. für digitale Technologie, 1996. Der Problematik der Verwendung des Begriffes "Medium" im Zusammenhang mit dem Internet bin ich mir wohl bewußt. Zuallererst ist das Internet nichts anderes als die technische Vernetzung eine unüberschaubaren Menge von Computern. In seiner Funktionalität für den Unterricht ist m. E. das Internet aber immer noch am besten mit dem Begriff "Medium" beschrieben.

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15. Vgl. Werner Stangl: internet in der Schule : Eine Bestandsaufnahme über den Einsatz des internet im Unterricht an Österreichs Schulen. Online im Internet: URL: http:/ /paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/PAEDPSYCH/NETSCHULE/NetSchule.html (Stand 24. 7. 1998).

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16. Vgl. bspw. URL: http://www.referate.com und URL: http://www.cheatweb.de.

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17. Vgl. Roland Burkart: Kommunikationswissenschaft : Grundlagen und Problemfelder. 2. Aufl. Wien : Böhlau, 1995 (Böhlau-Studien-Bücher), S. 20-24.

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18. Entnommen aus: Jutta Lietsch (Red.): Zum Beispiel Internet. Göttingen : Lamuv Verl., 1997 (Süd-Nord ; 217), S. 10.

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19. Vgl. Sherry Turkle: Leben im Netz : Identitaet in Zeiten des Internet. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1998, S. 408-414.

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20. Vgl. Reinhold Boschki: Dialogisch-kreative Religionsdidaktik : Eine Weiterentwicklung der korrelativen Hermeneutik und Praxis. In: KatBl 123 (1998), S. 13-23, bes. S. 20.

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21. Vgl. Beate Großegger: Die "Communicatives" : Jugend zwischen Multimedia und "my media". In: Dies. u. a.: Trendpaket 2 : Der Megastore der Szenen. Graz : Verlag Zeitpunkt, 1998 (Beiträge zur Jugendforschung ; 2), S. 12-30, hier S. 21. Vgl. weiters: Manfred Zentner ; Peter Grubits: Going online : The virtual freak-out? In: Großegger: Trendpaket 2, a. a. O., S. 31-41, bes. S. 34. Zwar gibt es Hinweise, daß v. a. in bezug auf den geschlechtsspezifischen Unterschied in der Internet-Nutzung Veränderungen im Gang sind; was aber auf jeden Fall mitzubedenken ist, ist die Tatsache, daß mehr als die Hälfte der Menschheit noch nie ein Telephon benutzt hat - von einem Zugang zum Internet kann da natürlich noch lange nicht die Rede sein. Vgl. dazu den auch sonst überaus informativen Artikel: Dan Schiller: Wer hat Zugang zum Internet? In: Lietsch: Zum Beispiel Internet, a. a. O., S. 13-15, hier S. 13.

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22. Zit. nach: Ute Sprenger: Die zweite Eroberung. In: Lietsch: Zum Beispiel Internet, a. a. O., S. 39-42, hier S. 41.

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23. Zit. nach: Lietsch: Zum Beispiel Internet, a. a. O., S. 80.

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24. Vgl. Norbert Mette: Religionspädagogik. Düsseldorf : Patmos, 1994 (Leitfaden Theologie ; 24), S. 139-144.

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25. Vgl. Lietsch: Zum Beispiel Internet, a. a. O., S. 7-10 u. 84-90.

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26. Bernward Hoffmann: Medienpädagogik und Kirche : Konturen einer "vordringlichen Aufgabe" heute. In: ComSoc 27 (1994), S. 213-240, hier S. 228.

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27. Ebd., S. 230.

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28. Wolfgang Langer: Religiöse Bildung in der Schule der Zukunft. In: CpB 111 (1998), S. 41-46, hier S. 41.

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29. Matthias Scharer spricht diesbezüglich von einer "eindeutigen kirchlichen Option für das unentflechtbare Ineinander von Kommunikationsform, Kommunikationsmittel und Kommunikationsgehalt" - Matthias Scharer: Kommunikation managen - Communio praktizieren : Leiten und Kommunizieren in Schule und Gemeinde als theologische Herausforderung. In: CpB 110 (1997), S. 130-140, hier S. 132.

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