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Ein Bund im Heiligen Geist. Taufe des Herrn 2018
(Lesejahr B)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2018-01-08

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 42,5a.1–4.6–7; (1 Joh 5,1–9); Mk 1,7–11

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Liebe Gläubige,

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Jesus kommt also zu Johannes, dem Buß- und Gerichtsprediger und lässt sich von ihm taufen. Er reiht sich ein in die Schar derer, die sich ihrer Sünden bewusst sind und umkehren wollen. Dabei müsste Jesus doch wissen, dass ihn das nicht betrifft, dass er keine Sünden zu bereuen und nicht umzukehren hat. Und doch lässt er sich taufen.

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Jesus setzt damit einen unglaublichen Akt der Solidarität, einen Akt der Solidarität mit jenen, die sehr wohl Sünden zu bereuen und aus Irrwegen umzukehren haben. Ist das wirklich so unglaublich? Wenn man unser übliches Verhalten so anschaut, dann glaube ich schon. Wir ducken uns doch meist weg, wenn andere eines Vergehens ertappt werden und wollen den Abstand zwischen uns und ihnen so groß, wie er nur sein kann: ‚Wie kann man nur so böse, so dreist, so dumm, so unverfroren, so lästig sein‘ – das sind meist Gedanken oder gar Worte, die uns entkommen, wenn andere als Sünder oder Sünderinnen dastehen. ‚Das könnte mir doch nicht passieren!‘

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Ganz anders sieht das oft aus, wenn die Übeltäter noch cool sind, wenn sich keiner über sie aufregt, sondern ihnen vielleicht sogar heimlicher Respekt gezollt wird, weil sie so dreist sind. Solange sie Oberwasser haben, sind die Bösewichte beeindruckend. Wenn sie hingegen angeeckt sind und man ihnen den Prozess macht – real oder im übertragenen Sinn –, dann wollen wir nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Das ging später auch einem gewissen Petrus so.

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Doch Jesus reiht sich als Schuldloser ein in die Reihe der Schuldigen, allerdings: in die Reihe der Schuldigen, die bereit sind ihre Schuld hinter sich zu lassen und umzukehren; die sich nicht sonnen in ihren Missetaten, sich auch nicht herausreden, sondern die sich ihrer Schuld stellen und Konsequenzen daraus ziehen. Sie wissen nicht, ob andere, ob Gott ihnen ihre Umkehr abkauft, sie machen sich verletzlich und abhängig durch ihr Eingeständnis der Schuld, sie hängen gewissermaßen in der Luft und warten, ob ihre Umkehr akzeptiert oder zurückgewiesen wird. Mit diesen solidarisiert sich Jesus und reiht sich ein in ihre Zahl.

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Und es geschieht, „dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ (Mk 1,10f.) Was die umkehrenden Sünderinnen und Sünder noch nicht erkennen können – vielleicht weil sie noch zu sehr in ihrer Vergangenheit gefangen sind –, das sieht und hört Jesus: Gott findet Gefallen an ihm und diesem Verhalten. Abkehr von der Sünde, Umkehr auf dem Weg, Hinwendung zu Gott sind Verhaltensweisen, die Gefallen finden bei Gott. Sie werden nicht zurückgewiesen, sondern finden Annahme.

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Doch – wie gesagt – Jesus hätte eigentlich keine Umkehr nötig gehabt, er ist ja der Sündenreine, er ist ja der Sohn. Und dieses Sohn-Sein wird ihm auch von göttlicher Stimme bestätigt, eine innere Ahnung und Gewissheit wird nun in Worte gefasst und damit ganz anders erkannt. „Du bist mein geliebter Sohn.“ (Mk 1,10) Ist das nicht eine umwerfende Ansage?! Gerade in dem Moment, in dem Jesus sich solidarisiert mit Sündern und Sünderinnen, die umkehren, wird ihm ausdrücklich bestätigt, dass er der geliebte Sohn ist. In dem Moment, in dem er sich noch eine Stufe kleiner macht, wird ihm gesagt, dass er eigentlich ganz oben steht. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Paradox verwirrend war – auch für Jesus. Und es stellte sich für ihn die Frage: Was genau bedeutet es denn, Gottes Sohn zu sein? Oder anders formuliert: Was soll der Sohn Gottes denn tun? Wie soll er sich weiterhin verhalten?

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Unmittelbar nach unserem heutigen Evangelienabschnitt heißt es, dass der Geist, der gerade auf ihn herabgekommen war und ihn führen sollte auf seinem irdischen Weg als Sohn, dass dieser Geist ihn in die Wüste treibt, wo er in Versuchung geführt wird. Warum? Es scheint, als brauchte Jesus Zeit dafür, sich klar zu werden, was er denn als Sohn Gottes zu tun habe. Er macht gewissermaßen Exerzitien, um sich über seinen einmaligen Auftrag, seine Sendung klar zu werden. Und es ist anzunehmen, dass sich dabei Versuchungen einschlichen, die ihm etwas Falsches vorgaukeln wollten. Das soll aber heute nicht unser Thema sein.

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Ich möchte vielmehr darauf hinweisen, dass unser Lesungstext aus dem Buch Jesaja einer der Texte gewesen sein könnte, die Jesus dabei geholfen haben, seinen Weg zu finden. Der Text beschreibt zunächst genau die Situation, in der Jesus ist: Er ist der Erwählte Gottes, an dem Gott Gefallen hat, und der Geist Gottes wurde auf ihn gelegt, damit er den Völkern das Recht bringt. Doch wie macht man das?

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Nicht wie ein Volkstribun oder ein Demagoge, der schreit und lärmt, sondern wie jemand, der die Menschen in ihrem Inneren mit seiner Stimme erreicht und berührt. Nicht wie einer, der Alles-oder-Nichts verlangt, sondern jemand, der das Halbe und das Unfertige annimmt, hegt und pflegt: das geknickte Rohr wird nicht gebrochen, sondern gestützt; der glimmende Docht wird nicht gelöscht, sondern angefacht. Und einer, der ausdauernd ist, denn es heißt: „Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat.“ (Jes 42,4)

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Aber, liebe Gläubige, stimmt denn das? Jesus ist doch zusammengebrochen und das Recht herrscht noch immer nicht auf der Welt. Ist die Prophetie des Jesaja nicht etwas übertrieben? Lesen wir weiter: „Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein.“ (Jes 42,6)

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Ein Bund, ein Bündnis ist so etwas wie ein Vertrag auf Gegenseitigkeit. Die Vertragspartner versprechen einander bestimmte Verpflichtungen einzuhalten. Das Problem des Bundes Gottes mit seinem Volk war, dass das Volk den Bund immer wieder gebrochen hat. Und sooft Gott auch vergeben und den Bund erneuert hat, sooft wurde er gebrochen. Doch nun scheint Gott einen neuen Weg zu gehen. Er sagt zu seinem Erwählten, dass er ihn dazu bestimmt hat, der Bund zu sein. Nicht mehr ein Vertrag – ob er nun auf Tafeln, auf Pergament oder auf Papier geschrieben ist – ist die Basis der Einheit Gottes mit seinem Volk, sondern eine Person. Auch das ist ein Paradox. Wie kann eine Person ein Bund sein? Ist das nicht einfach eine Begriffsverwirrung?

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Was aber, wenn diese Person ein Menschensohn und der Gottessohn ist, wenn sie – wie die Kurzformel des Glaubens sagt – wahrer Gott und wahrer Mensch ist, einer der sündenrein ist und keine Umkehr nötig hat, und sich doch solidarisiert mit den umkehrenden Sünderinnen und Sündern und sich taufen lässt? Einer, der nicht sagt: ‚So dumm sind die Menschen, dass sie sich immer wieder von Gott abwenden‘, sondern der den Menschen jedes Mal die Botschaft bringt, dass Gott sich ihnen zuwendet – immer, unbedingt? Einer, der nicht weggeht, als die Menschen diese Botschaft vom barmherzigen Gott ablehnen, sondern der lieber bleibt und sich verhaften lässt. Und schließlich geht seine Solidarität mit den Sündern so weit, dass er sich sogar töten lässt und für die Henker betet; sie geht so weit, dass er sich auch mit jenen Sündern solidarisiert, die nicht bereuen und umkehren, sondern selbstgerecht und verstockt sind und glauben, sie hätten gar keine Umkehr nötig. Er solidarisiert sich nicht mit ihrer Sünde und Gewalt, er reiht sich nicht in ihre Zahl ein, aber er erkennt ihre Verblendung und bleibt selbst dann bei ihnen, wenn sie ihn endgültig entfernen wollen, und lebt die Feindesliebe, die er gepredigt hat.

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Wurde mit Jesu Leben nicht auch sein Bund gebrochen? Nein, denn er ist treu geblieben. Der Bund im Heiligen Geist, der Jesus selber ist, er hätte nur durch Jesu Untreue gebrochen werden können. Doch Jesus blieb treu bis in den Tod und darum hat der Vater ihn aus dem Tod erweckt. Der Vater fand auch Gefallen an dem, der sich bedingungslos mit den Sündern und Sünderinnen solidarisierte und für sie betete, obwohl sie auf ihn einschlugen (vgl. Jes 53,10). Jesus hat, als er zusammenbrach, bereits das Recht auf der Erde begründet, aber häufig zeigt es sich nicht und bleibt verborgen aus denselben Gründen, aus denen er zusammenbrechen musste: menschliche Selbstgerechtigkeit und Verbohrtheit. Doch der Bund, der er ist, er wurde nicht gebrochen und besteht weiter. Und durch ihn steht uns und allen Menschen das Heil offen. 

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