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Stellungnahme zum uneingeschränkten Schutz des menschlichen Lebens gegenüber Präimplantationsdiagnostik und verbrauchender Embryonenforschung

Autor:Fakultätskollegium der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck 
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2001-11-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die neuen Erkenntnisse der Molekularbiologie und Embryologie sowie der Einsatz moderner medizinischer Technologien haben das vorgeburtliche menschliche Leben dem Zugriff des Menschen heute verfügbarer werden lassen als je zuvor. Dabei hat die Anpassung der Präimplantationsdiagnostik und der Embryonenforschung an die wissenschaftlich-technischen Fortschritte die Logik der instrumentellen Form des Handelns zur Dominanz kommen lassen. Von der empirischen Forschung wird aber nicht genügend beachtet, dass Präimplantationsdiagnostik und Embryonenforschung das Selbstverständnis des Menschen berühren, also Fragen nach dem Umgang des Menschen mit sich selbst stellen. Wir sind in der Menschheitsgeschichte erneut an einem Punkt angelangt, wo sich entscheidet, wie es in Zukunft um die Humanität des Menschen bestellt sein wird.

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Präimplantationsdiagnostik und Embryonenforschung sind - trotz unterschiedlicher Zielsetzungen - dadurch miteinander verbunden, dass sie die Zeugung von menschlichen Embryonen im Labor voraussetzen. Beide Techniken werfen daher die Frage nach dem Anfang des menschlichen Lebens und dem ethischen Status des Embryos auf. Es gibt überzeugende, in ihrer Geltung von Glaubensvoraussetzungen unabhängige Gründe dafür, den Anfang des menschlichen Lebens mit dem Zeitpunkt der vollendeten Befruchtung anzusetzen. Mit dem Vorliegen des vollständigen, individuellen humanspezifischen Genoms haben wir es beim Embryo mit einem Menschen im frühesten Stadium seines kontinuierlich sich entwickelnden Lebens zu tun. Eine Entwicklung des Embryos zum Menschen anzunehmen und dem Embryo nur einen temporal abgestuften Lebensschutz zu gewähren, würde voraussetzen, dass man nach der Befruchtung einen späteren Zeitpunkt bestimmen könnte, an dem das volle Menschsein beginnt. Solche Versuche erscheinen uns willkürlich. Weil der Embryo ein Mensch ist, verfügt er über alles, was einen Menschen definitionsgemäß ausmacht: Individualität und Personalität, damit Würde und Recht auf Integrität, d.h. uneingeschränkten Lebensschutz. Personalität, Würde und Integrität werden einem Menschen nicht „gewährt", „verliehen" oder „eingeräumt", vielmehr besitzt er sie ohne weiteres auf Grund seiner Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht. Überdies sind wir der Auffassung, dass selbst dann, wenn man den Anfang der Lebensgeschichte eines menschlichen Individuums als unbestimmt ansieht, der strengere Bedingungen stellenden Position der Vorzug gegeben und dem Embryo daher proleptisch vom frühesten Stadium an ein für Personen geltender Rechtsschutz gewährt werden sollte.

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Gegen die Präimplantationsdiagnostik erheben wir schwere ethische Bedenken, obwohl wir anerkennen, dass in diesem Fall eine Schwangerschaft angestrebt wird. Gewiss gehört zu einer Ethik des Lebens auch eine Ethik des Heilens. Aber trotz der Grundausrichtung dieser Technik wiegt schwer, dass die Präimplantationsdiagnostik bei ihrem Ausschluss von Schwangerschaftsrisiken vor dem Schwangerschaftsbeginn notwendigerweise totipotente Zellen verbraucht, die alle geeignet sind, zu einem vollständigen Individuum heranzuwachsen. Damit dient die Präimplantationsdiagnostik nicht mehr der Behandlung von Unfruchtbarkeit, sondern unterstellt sich dem Zweck der eugenischen Selektion, die wir nachdrücklich ablehnen.

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Die Forschung an und mit Embryonen ist nach unserer Auffassung ethisch verwerflich. Denn die damit verbundenen - unbestritten - hochrangigen Forschungsziele, wie z.B. Entwicklung neuartiger Medikamente und Züchtung komplexer Gewebeverbände zu therapeutischen Zwecken, sind nur über die Tötung menschlicher Embryonen zu erreichen. Damit wird eine Grenze überschritten, die der Mensch nicht überschreiten darf, wenn er sich als moralisch handelndes Subjekt verstehen will. In dem ganzen Zusammenhang ist wichtig, daran zu erinnern, dass der Verweis auf Forschungsziele nicht in die Begründung der ethischen Prinzipien eingehen darf.

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Die christliche Glaubenstradition kann den Sinn philosophischer Argumentation für die Unverfügbarkeit des Menschen vertiefen. Danach steht jeder Mensch, nicht nur der christlich Glaubende, in einer besonderen Beziehung zu Gott. Dass der Mensch Geschöpf und Ebenbild Gottes ist, gehört zu den aus der Heiligen Schrift begründeten Glaubensüberzeugungen, mittels derer das Wesen des Menschen endgültig ausgesprochen ist: Der Mensch versteht sich in allem, was ihn ausmacht, in seiner Existenz und seinem Handeln nicht von sich selbst, sondern ausdrücklich von Gott her. Daher kommt dem Menschen sein persönliches Lebensrecht nicht aus sich, d.h. aus seiner Natur zu, sondern aus dem Schöpfersein Gottes. Ebenso wurzelt darin die Grundüberzeugung von der Unteilbarkeit des Lebensschutzes: Gott selber kennt jeden einzelnen Menschen von Anfang an: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen" (Jer 1,5). Gott gibt jedem ungeborenen Kind seine Anerkennung und seine Würde.

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Wir befürchten, dass mit dem Einstieg in den Verbrauch und in die Selektion menschlichen Lebens die Solidarität mit den Schwachen und Behinderten auf der Strecke bleibt. Kranke und behinderte Menschen - das ist unsere Überzeugung - sind bedingungslos zu bejahen und bedürfen in besonderer Weise unserer Zuwendung und Hilfe.

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Wir appellieren an alle theologischen Fakultäten Österreichs sowie an die Österreichische Bioethik-Kommission, sich unserer Stellungnahme anzuschließen und sich für die Erhaltung des von uns skizzierten Menschenbilds einzusetzen. Die medizinischen Fakultäten laden wir zu einem Dialog über die mit der Präimplantationsdiagnostik und Stammzellforschung zusammenhängenden ethischen Probleme ein.

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