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Ijobs Enttäuschung. Und seine Hoffnung
(Predigt zu Ijob 7,1-4.6-7)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-03-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt zu Ijob 7,1-4.6-7 (5. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B); gehalten am 8. Februar 2015 in der Jesuitenkirche um 11.00 und 18.00 Uhr

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Nein! Er hat nicht immer so geredet. Er hat nicht immer so geklagt. Da gab es auch andere Tage. Als er noch jung war. Auf dem Weg nach oben. Steil hinauf auf der Karriereleiter. Da lachten sie ihm zu. Die Freunde und die Arschkriecher. Da ging auch der Himmel über ihm auf: Der biblische Ijob auf seiner Erfolgstour! Jung, schön, gesund und natürlich auch potent. Die Frauen lagen ihm zu Füßen. Natürlich auch die Frau, seine Frau. Stolz auf ihren Mann, den König, oder aber den Boss einer Firma. Darauf kann man ja aus den folgenden Texten des biblischen Buches schließen, den Texten, in denen sich die angeblichen Freunde und auch die Arschkriecher von einer anderen Seite zeigten: Nachdem er gestolpert und sie nun über ihn herfallen, lachen und spotten und ihm gar vorwerfen, sie haben alles Recht dazu. Wäre er doch hochnäsig gewesen, hätte er ihnen und auch ihren Vettern keine Arbeit gegeben, als er noch etwas zu sagen hatte in der Welt.

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Nein! Er hat nicht immer so geredet. Er hat nicht immer so geklagt. Vermutlich hat er auch halbtaube Ohren gehabt in seinen glücklichen Tagen, wollte nicht unbedingt zuhören, wenn all die Penner, all die Versager geschimpft haben auf ihr Scheißleben. Und vermutlich hat ihm auch der Anblick der Kranken zugesetzt, sodass er sein Gesicht abwendete. Er konnte den Anblick kaum ertragen, war er doch selber stinknormal, auf jeden Fall gesund und erfolgreich. Das Beten überließ er den Schwachen, den sprichwörtlich alten Weibern und Kindern. Er selber hat es nicht gebraucht. Wozu Hoffnung? Wenn die Konten stimmen, wenn die Geldtasche voll ist, wenn man sich alles leisten kann und man die Ärzte bloß vom Hörensagen oder von der Stammtischrunde kennt.

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Liebe Schwestern und Brüder! Der Protagonist der heutigen Lesung, der biblische Ijob, einer der berühmtesten Menschen der Weltgeschichte, lebte lange wie der durchschnittliche Zeitgenosse, lebte wie du und ich, solange ich eben jung und gesund und so weiter bin. Viel hat es nicht gebraucht. Beim biblischen Protagonisten hat es mit dem Besitzverlust begonnen: ein paar Rinder wurden geklaut. Und dann ..., dann ging es bergab sowie halt heutzutage. Die Aktien, die man gekauft hat, stürzen, der Kredit, den man in Franken aufnahm, ist plötzlich dreifach so teuer. Viel braucht man nicht, damit der Boden unter den Füßen zu schwanken anfängt, damit sich der Horizont verdunkelt: Verlust des Arbeitsplatzes, der Verrat eines geliebten Menschen, eine völlig unerwartete Krebsdiagnose. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Man sucht nach Halt: “Gott sei Dank, da gibt es noch Hoffnung auf die Operation, auf Chemotherapie. Da gibt es noch ein paar Menschen, die mich auffangen, ausführen: ins Gasthaus, wo ich essen und trinken und reden kann. Es wird schon halt gehen!” - und doch sitzt die Angst tief in den Knochen, in meinen Knochen. “Was denn, wenn alle Stricke reißen, was, wenn die Versuche, die Not zu wenden, die Not nur noch verschlimmern, was, wenn die Chemotherapie das Immunsystem lahmlegt und ich nur noch japsen kann. An die Schläuche der Intensivstation angeschlossen, von den Mitmenschen isoliert?”

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Den biblischen Ijob hat es jedenfalls schlimm erwischt. Sein Weg nach unten schien kein Ende zu haben. Er wird auch mit aller Deutlichkeit von der biblischen Schrift beschrieben. Die hinter ihren Schreibtischen sitzenden, gesunden und wohlbehüteten Prälaten, die für die Auswahl biblischer Lesungen verantwortlich zeichnen, glaubten zwar einen einzigen Vers aus dem heutigen Lesungstext zensieren zu müssen, weil er sich nicht schön anhört. Sie ließen einen einzigen Satz der Ijobsklagen aus dem heute zum Vorlesen vorgesehenen Abschnitt aus: “Mein Leib ist gekleidet in Maden und Schorf, meine Haut schrumpft und eitert” (Ijob 7,5). Zu plastisch und zu eklig war ihnen der Satz, der den Tiefpunkt des Lebens unseres Glaubenszeugen markiert. Ja, da sitzt er da, auf dem Misthaufen, auf dem ihn etliche Künstler gemalt haben, oder mitten in der Asche:  mit einer Scherbe in der Hand, um sich damit zu schaben. “Scheißleben ist das ...”, murmelt er vor sich hin. Die Bibel überliefert es natürlich nobler: “Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf Erden? Und seine Tage nicht die eines Tagelöhners?” (Ijob 7,1).

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Liebe Schwestern und Brüder! Das sagt nun einer, der jahrelang auf der Butterseite des Lebens lebte und nun stürzte, und erleben muss, wie sich die Einstellung seiner Mitmenschen zu ihm verändert hat. Die sprichwörtlichen Arschkriecher waren ihm kein Problem, aber all die Freunde, selbst seine Frau. Gerade sie wirft ihm einen ekelerfüllten Blick zu und er kann ihn auch deuten: “Stirb doch endlich, auf dass ich Ruhe habe von dir!” (Vgl. Ijob 1,9). Und auch die bis dahin treuen Freunde: “Trügerisch sind sie” - denkt sich der leidende Ijob. “Trügerisch wie ein Bach. Wenn Hitze da ist, dass man nur noch nach Wasser lechzt, dann versiegt er, vertrocknet und spendet kein Wasser; wenn Eis und Schnee schmelzen und man sich nach trockener und warmer Umgebung sehnt, dann überflutet er alles. Trügerisch sind sie wie ein Bach und spenden nur was, was gerade im Überfluss vorhanden ist, die sogenannten Freunde” (Vgl. Ijob 6,15-17). Diese tauchen aber doch nun auf. Sensationslüstern sitzen sie da und schweigen, und starren ihn an. Und wenn sie schon anfangen zu reden, so sind ihre Worte wie Steine: “Sag mal, was hast du denn angestellt, dass es dich so erwischt hat. So ganz unschuldig hat es dich doch nicht getroffen, oder? Rede! Rede doch!”  Er möchte aber nicht reden, und er kann es auch kaum. Seine Zunge klebt am Gaumen, seine Kehle ist ausgetrocknet. Keiner achtet darauf, ihm etwas zum Trinken zu bringen. Ijob - der biblische Ijob - der Inbegriff eines Leidenden, eines Einsamen, eines an der Grenze der Verzweiflung lebenden Menschen. Eines Menschen, der längst vergessen hat, dass es einmal anders war. Eines Menschen, der nur noch enttäuscht klagen kann: “Ich hoffte auf Gutes, doch Böses kam. Ich harrte auf Licht, doch es kam Finsternis. Ich wollte Liebe, und es kommt der Tod. Mein Leben ist wie ein Hauch, nie mehr schaut mein Auge Glück” (Ijob 30,26; 7,7).

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Millionen und Abermillionen von Menschen habe sich am Anblick dieses Menschen skandalisiert. Sie skandalisierten sich vor allem an seinem Gott, weil sie in diesem Gott bloß sadistische Lust und Freude wahrzunehmen glaubten, in einem Gott, der Ijob so etwas zumutet. Millionen und Abermillionen haben am Anblick dieses Menschen aber auch Hoffnung geschöpft, weil sie das entsetzliche Leid, die Einsamkeit und die Enttäuschung als Prüfung verstanden haben, deswegen in schweren Stunden durchzuhalten versuchten und sich trösteten: “Gott wird mein Geschick schon wenden!” Millionen und Abermillionen haben aber das getan, was Ijob gerade tut. Sie kämpften und kämpfen mit Gott, sie klagen ihn an, breiten vor seinem Angesicht ihre Enttäuschung aus und erfahren, dass die Klage, dass die Wut, dass der Schrei ihnen eine Erleichterung verschafft. Dass Klage an Gott zur Quelle der Hoffnung wird. Ijob selber aber? Zermürbt, am Ende seiner Kräfte, weiß er nur noch eines zu stammeln. Nein! Er rechnet nicht ab mit all denen, von denen er enttäuscht wurde. Er verbeißt sich nicht in Verbitterung und Selbsthass. Mit letzter Kraft stammelt er vor sich hin: “Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Ich weiß, ich werde nicht in einen leeren Abgrund fallen. Ich werde Gott schauen. Er wird das letzte Wort haben. Als Letzter wird er sich über den Staub erheben, ich selber werde ihn schauen. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust” (vgl. Ijob 19,25-27).

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Liebe Schwestern und Brüder! In seinem tiefen Fall, in seiner Einsamkeit, im entsetzlichen Leid vermag Ijob noch einen Funken Hoffnung auszustrahlen. Ihm wurde die Gnade zuteil, am Ende seines Lebenshorizontes doch dahinter zu blicken. Deswegen klingt in all seinen Klagen, in all seiner Verzweiflung, in all seinem Protest, da klingt doch noch ein Funke von Hoffnung, ein Strohhalm könnte man sagen, doch gerade dieser Strohhalm stellt ihm die Brücke von der glücklichen Ewigkeit zu seinem nun traurigen Leben dar. Unsere Zeit glaubt, auf die Ewigkeit pfeifen zu können, sie glaubt, diese Hoffnung nicht zu brauchen. Der Mainstream all unserer Diskurse wird auch von jenen gestaltet, die wie der junge und erfolgreiche Ijob das Leben in der Tasche zu haben glauben. Hören wir auf all jene, die in der Stille leiden, hören wir auf all jene, die mit ihren Enttäuschungen allein geblieben sind, hören wir auf all jene, die in schweren Stunden die Hoffnung neu entdecken. Die plötzlich von heute auf morgen sich mit dem Gedanken versöhnen, dass ihr Erlöser lebt, dass er als letzter über Leid und Tod, über Einsamkeit und Staub erhebt. Diese Menschen, die noch zu hoffen wagen, haben ihre Menschlichkeit nicht verloren. Sie sind ein Schatz, der auch unserem Leben Glanz verleiht. Sie sind nicht wie der trügerische Bach, der nur das spendet, was sowieso im Überfluss vorhanden ist. Sie spenden das, was uns allen mangelt: die Hoffnung! Auf die Hoffenden schauend können auch wir stammeln: “Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!” So wird Ijobs Hoffnung zu unserer eigenen Hoffnung werden.

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